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Das Argument 98 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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586 Urs Jaeggi<br />

Mittelschichten" werden in fast allen Ansätzen, die der <strong>Theorie</strong> des<br />

„staatsmonopolistischen Kapitalismus" verpflichtet sind, verhältnismäßig<br />

undifferenziert bereits als Bündnispartner angesehen. Eine<br />

geläufige Bestimmung ist die, welche die französischen Autoren um<br />

Paul Boccara u. a. aufnehmen: die Angehörigen des neuen Mittelstandes<br />

stünden keineswegs ,zwischen Kapital und Arbeit'; sie seien<br />

vielmehr genauso besitzlos wie die Arbeiterschaft: „Die Praxis des<br />

staatsmonopolistischen Kapitalismus isoliert die Monopol-Bourgeoisie<br />

somit objektiv tendenziell immer eindeutiger von der übrigen Bevölkerung."<br />

9 Die IMSF-Gruppe zieht <strong>für</strong> die Bundesrepublik folgenden<br />

Schluß: Es gehe um „die Mobilisierung der ,neuen' Gruppen der<br />

Arbeiterklasse, insbesondere der Angestellten- und Beamtengruppen,<br />

deren Gewicht im Rahmen der Arbeiterklasse beträchtlich zugenommen<br />

hat, <strong>für</strong> die Organisation und den Kampf auf der Grundlage<br />

ihrer Klasseninteressen. Eine erfolgreiche antimonopolistische Bündnispolitik<br />

begünstigt gerade die Einbeziehung dieser Schichten, die<br />

noch unter dem sozialen Einfluß der Mittelschichten und des SMK<br />

(staatsmonopolistischen Kapitalismus) stehen". Und: „Die Loslösung<br />

der Mittelschichten vom Einfluß der Großbourgeoisie und des SMK<br />

und ihre Gewinnung <strong>für</strong> eine Perspektive grundlegender gesellschaftlicher<br />

Veränderungen durch eine ihren Interessen entsprechende<br />

antimonopolistische Bündnispolitik sowohl im Produktionsbereich<br />

als auch im Reproduktionsbereich." 10<br />

<strong>Das</strong> <strong>Berliner</strong> „Projekt Klassenanalyse" seinerseits weist zwar darauf<br />

hin, daß die Arbeiterklasse bislang politisch weitgehend bedeutungslos<br />

gewesen sei. „Der Zahl nach mächtige Gewerkschaften<br />

haben zwar einen Schutzwall gegen maßlose Übergriffe des Kapitals<br />

auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Lohnabhängigen bilden<br />

können, aber die ökonomische und politische Herrschaft der Bourgeoisie<br />

und ihrer Interessen Vertreter im Kern ungebrochen gelassen."<br />

Die überwiegende Mehrzahl der Arbeiter stünde dem sozialen Antagonismus<br />

unbewußt und der aus ihm hervorgehenden sozialistischen<br />

und kommunistischen Bewegung gleichgültig, wenn nicht offen<br />

feindlich gegenüber 11 . Dennoch wird andererseits von einer „gewaltigen<br />

sozialen Umwälzung" gesprochen; die Zersplitterung der Arbeiterklasse<br />

könne in dem Maße überwunden werden, wie die ökonomische<br />

Entwicklung die bisherigen Formen des Kampfes unzureichend<br />

werden lasse, und bei den Massen die Einsicht wachse, daß sie<br />

sich zum Schutz gegen den wachsenden Druck des Kapitals zu gemeinsamen,<br />

koordinierten Aktionen zusammenschließen müssen. Die<br />

Ursachen werden in objektiven Tatbeständen gesehen: die politische<br />

Apathie, die sie zum Spielball der herrschenden Klasse und der<br />

9 Der staatsmonopolistische Kapitalismus, Frankfurt/M. 1972, S. 195.<br />

10 IMSF-Studie, Klassen- und Sozialstruktur der BRD 1950—1970,<br />

Teil II, Zweiter Halbband, Frankfurt/M. 1974, S. 381.<br />

11 Projekt Klassenanalyse, Materialien zur Klassenstruktur der BRD,<br />

Zweiter Teil, Grundriß der Klassenverhältnisse (1950—1970), Berlin 1974,<br />

S. 433.<br />

DAS A R G U M E N T <strong>98</strong> /1976 ©

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