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Schlussbericht - interkultur.pro

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47 – Drucksache 16/7000<br />

1 Bedeutung von Kunst und Kultur für Individuum und Gesellschaft 1<br />

Zur Definition des Kulturbegriffs 2<br />

Kultur wird vielfach der vom Menschen nicht hervorgebrachten<br />

Natur gegenübergestellt und umfasst dann „die<br />

Gesamtheit der menschlichen Hervorbringungen und Artikulationen,<br />

also seiner historischen, individuellen und<br />

gemeinschaftlichen, praktischen, ästhetischen und theoretischen<br />

sowie mythischen und religiösen Äußerungen“ 3 .<br />

Der Kulturbegriff wurde über die Jahrhunderte auch in<br />

Deutschland unterschiedlich bestimmt. Humanistisch-pädagogische<br />

und klassische Konzepte von Kultur umfassen<br />

Künste, Religion und Bildung. Aufklärerische und romantische<br />

Definitionen beschränken ihn einerseits auf<br />

den engeren Bereich der Künste und erweitern ihn andererseits<br />

auf die Alltagskultur. Nach der kulturellen Entwicklung<br />

im 19. Jahrhundert gab es in Deutschland nach<br />

dem Ersten Weltkrieg, insbesondere durch die Entstehung<br />

einer neuen Museumskultur und eines Kulturstaatsverständnisses<br />

in der Weimarer Republik, einen beeindruckenden<br />

kulturellen Aufbruch. Auf eine kulturelle Hoch-Zeit,<br />

die europaweit Impulse gab, folgte im Nationalsozialismus<br />

ein unvorstellbarer Niedergang, der Theodor W. Adorno<br />

zu der berühmt gewordenen Äußerung brachte, „nach<br />

Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“. Die<br />

kulturelle Entwicklung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

war geprägt durch die eindeutige Abkehr von<br />

der rassistischen und antisemitischen Kulturpolitik in der<br />

Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die die<br />

beiden deutschen Staaten nach 1949 in deutlich unterschiedlicher<br />

kulturpolitischer Art und Weise realisierten.<br />

Nahmen sie einerseits – der jeweiligen Politik entsprechend<br />

– Anleihen bei den großen Traditionslinien deutscher<br />

Kultur, so ist andererseits das letzte Viertel des<br />

20. Jahrhunderts vor allem gekennzeichnet durch das zunehmende<br />

Durchbrechen, bisweilen Negieren der Tradition<br />

und eine große kulturelle Vielfalt. Das in Deutschland<br />

lange Zeit übliche Verständnis von Kultur im Sinne<br />

der sogenannten „Hochkultur“ ergab sich unter anderem<br />

1 Sondervotum FDP-Fraktion und SV Olaf Zimmermann: „Die FDP-<br />

Fraktion und der Sachverständige Olaf Zimmermann haben sich bei<br />

diesem Kapitel der Stimme enthalten. Die geschichtlichen Zusammenhänge<br />

werden nur verkürzt dargestellt, so dass der Text der komplexen<br />

kulturgeschichtlichen Grundlage, auf der heute Kunst und<br />

Kultur entstehen, nicht im notwendigen Umfang gerecht werden<br />

kann.“<br />

2 Vgl. Expertengespräch vom 11. Dezember 2006 zum Thema „Bedeutung<br />

von Kunst und Kultur für Individuum und Gesellschaft“, vgl. auch<br />

Themenvorschläge für das Expertengespräch, (Arbeitsunterlage 16/054),<br />

Teilnehmer: Brock, Prof. Dr. Bazon (Bergische Universität Wuppertal),<br />

Goehler, Dr. Adrienne (Publizistin und Kuratorin, Berlin), Mühlberg,<br />

Prof. Dr. Dietrich (Kulturhistoriker, Berlin), Muschg, Prof. Dr. Adolf<br />

(Schriftsteller und Literaturwissenschaftler, Mönnedorf (Schweiz)),<br />

Schmidt-Glintzer, Prof. Dr. Helwig (Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel)<br />

sowie das Wort<strong>pro</strong>tokoll. (Arbeitsunterlage 16/120)<br />

3 Schnell (2000), S. 267.<br />

aus der außerhalb Deutschlands nicht nachvollziehbaren<br />

und inzwischen weitgehend überwundenen Unterscheidung<br />

von Kultur und Zivilisation. Im 20. Jahrhundert erfuhr<br />

der Kulturbegriff eine philosophische und publizistische<br />

Entfaltung, die sich sowohl auf kulturtheoretische<br />

Grundlegungen wie auf das Feld der Kulturkritik bezieht.<br />

In Deutschland war „Kultur“ spätestens seit Beginn des<br />

19. Jahrhunderts im bürgerlichen Verständnis vor allem<br />

durch umfassende Bildung und durch die auf bevorzugte<br />

Weise dazu beitragenden Künste geprägt – ein deutsches<br />

„Alleinstellungsmerkmal“, das gerade für die Künste<br />

neue Förderung begründete. Seit der UNESCO-Kulturkonferenz<br />

von Mexiko 1982 wird international eine an<br />

anthropologischen und ethnologischen Begrifflichkeiten<br />

angelehnte Definition von Kultur benutzt, in der die Kultur<br />

als Gesamtheit der unverwechselbaren geistigen, materiellen,<br />

intellektuellen und emotionalen Eigenschaften<br />

angesehen wird, die eine Gesellschaft oder eine soziale<br />

Gruppe kennzeichnen, und die über Kunst und Literatur<br />

hinaus auch Lebensformen, Formen des Zusammenlebens,<br />

Wertesysteme, Traditionen und Überzeugungen<br />

umfasst. 4 Der Begriff der kulturellen Vielfalt wurde 2005<br />

auf der 33. Generalkonferenz der UNESCO im „Übereinkommen<br />

über den Schutz und die Förderung der Vielfalt<br />

kultureller Ausdrucksformen“ definiert. In Artikel 4 heißt<br />

es: „Kulturelle Vielfalt bezieht sich auf die mannigfaltige<br />

Weise, in der die Kulturen von Gruppen und Gesellschaften<br />

zum Ausdruck kommen. Diese Ausdrucksformen<br />

werden innerhalb von Gruppen und Gesellschaften sowie<br />

zwischen ihnen weitergegeben. Die kulturelle Vielfalt<br />

zeigt sich nicht nur in der unterschiedlichen Weise, in der<br />

das Kulturerbe der Menschheit durch eine Vielzahl kultureller<br />

Ausdruckformen zum Ausdruck gebracht, bereichert<br />

und weitergegeben wird, sondern auch in den vielfältigen<br />

Arten des künstlerischen Schaffens, der<br />

Herstellung, der Verbreitung, des Vertriebs und des Genusses<br />

von kulturellen Ausdrucksformen, unabhängig davon,<br />

welche Mittel und Technologien verwendet werden.“<br />

5<br />

Zur Bedeutung von Kunst und Kultur<br />

für das Individuum<br />

Kultur erlebt stetige Veränderung und Gestaltung. Sie ist<br />

aber immer auch geprägt durch Geschichte und kulturelles<br />

Erbe. Kultur beeinflusst das Leben der Menschen. Im<br />

Handeln des Einzelnen und im Wirken der gesellschaftlichen<br />

Institutionen manifestiert sich Kultur durch Symbol-<br />

4 Vgl. Erklärung der UNESCO-Weltkonferenz über Kulturpolitik in<br />

Mexico-City 1982.<br />

5 www.unesco.de/konvention_kulturelle_vielfalt.html?&L=0, (Stand:<br />

11. September 2007).

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