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Schlussbericht - interkultur.pro

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/7000<br />

Die Pfeiler dieses Fundaments bedürfen jedoch starker Verankerung. Denn sie werden<br />

nicht nur durch kleinere Beben erschüttert wie die regelmäßig aufflackernde Debatte<br />

um den ermäßigten Umsatzsteuersatz für Kulturgüter. Sie werden auch durch<br />

Unterspülungen bedroht, die von der Not der öffentlichen Haushalte in den letzten<br />

Jahren ausgelöst wurden.<br />

Zwar verfügt Deutschland immer noch über eine beispielhafte staatliche Kulturförderung.<br />

Staatlich? Der größte Kulturfinanzierer in Deutschland ist der Bürger. Zunächst<br />

als Marktteilnehmer, dann als Spender und in dritter Linie als Steuerzahler.<br />

Und diese Steuermittel fließen wieder stärker. Aber in den vergangenen Jahren sind<br />

viele Theater, Orchester, Bibliotheken und Musikschulen den Sparzwängen geopfert<br />

worden – zu viele.<br />

Der Grund dafür lässt sich in ein Wort fassen: Freiwilligkeit. Die Ausgaben für kommunale<br />

Kultureinrichtungen zählen zu den sogenannten freiwilligen Leistungen. Nur<br />

der Freistaat Sachsen bildet hier die rühmliche Ausnahme. In allen anderen Ländern<br />

sind diese Ausgaben – auch zum Leidwesen der Kommunalpolitiker – keine Pflichtaufgaben.<br />

Das Dilemma dieser Unterscheidung zeigt sich, sobald eine Kommune ihren Haushalt<br />

nicht ausgleichen kann. In dieser Notsituation ist eine Kommune gezwungen,<br />

eine Gemeindestraße weiter zu teeren, aber die Gemeindebibliothek zu schließen.<br />

Das ist die falsche Priorität. Zu einer funktionsfähigen Infrastruktur gehören eben<br />

nicht nur Verkehrswege, sondern zwingend Kultur- und Bildungseinrichtungen. Erst<br />

die Investition in kulturelle Infrastruktur eröffnet die Chance auf gleiche Teilhabe.<br />

Es wäre allerdings ein Fehler, Kulturpolitik auf finanzielle Aspekte zu reduzieren.<br />

Denn das hieße, die Möglichkeiten zu verkennen, die der Gesetzgeber zum Schutz<br />

und zur Förderung von Kunst und Kultur hat – von Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht<br />

bis zur Fortschreibung des Stiftungsrechts. Jeder Gesetzgeber ist dabei gut<br />

beraten, die Weichenstellungen auf europäischer und internationaler Ebene nicht nur<br />

wachsam zu beobachten sondern auf Rechtsakte wie etwa die GATS-Verhandlungen<br />

oder das Europäische Vergaberecht frühzeitig Einfluss zu nehmen. Denn nur dort<br />

können, müssen Angriffe auf eine autonome nationale Kulturpolitik abgewendet<br />

werden.<br />

Enquete-Kommissionen werden nur ausnahmsweise eingesetzt. Sie sind der Debatte<br />

umfangreicher Themen von gesellschaftlicher Tragweite vorbehalten. Für den Bundestag<br />

bieten sie die Möglichkeit, externen Sachverstand zu nutzen: Denn als Mitglied<br />

einer Enquete-Kommission kann auch ein Sachverständiger berufen werden,<br />

der nicht dem Parlament angehört. Mit Mitteln wie z. B. Anhörungen verbindet sie<br />

parlamentarische, wissenschaftliche und praktische Erfahrungen. Auf der Grundlage<br />

einer Bestandsaufnahme entwickelt sie Empfehlungen für den Gesetzgeber.<br />

Eine Enquete-Kommission ragt aus der Tagespolitik heraus, denn sie soll ihren Gegenstand<br />

auf langfristige Sicht behandeln, den Blick bewusst über die Tagespolitik<br />

hinaus richten. Dies birgt Chance und Risiko zugleich – nämlich wissenschaftlich arbeiten<br />

zu können, ohne den pragmatischen Ansatz aus dem Auge zu verlieren.<br />

Wir widerstanden beispielsweise der Versuchung, die Literatur um eine weitere Definition<br />

des Kulturbegriffs zu ,bereichern‘. Denn Aufgabe der Enquete-Kommission<br />

war es nun einmal nicht, sich in rein theoretischen Disputen zu üben, sondern in<br />

Kärrnerarbeit praxistaugliche Vorschläge für gesetzgeberisches Handeln zu entwickeln.<br />

Die Schließung eines Theaters oder einer Bibliothek ist ein Verlust – unabhängig<br />

davon, welche Definition von Kultur zugrunde gelegt wird. Die Feststellung,<br />

dass das Durchschnittseinkommen von Künstlern beschämend gering ist, erschreckt<br />

– so oder so.<br />

Chance und Risiko birgt die Arbeit einer Enquete-Kommission auch hinsichtlich<br />

Umfang und Reichweite ihrer Empfehlungen. Einerseits haben die Beteiligten die<br />

Möglichkeit, visionär tätig zu sein. Andererseits dürfen sie die Gegebenheiten nicht<br />

ignorieren. Auch die Mitglieder der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“<br />

standen vor dieser Herausforderung. So hätte beispielsweise die Forderung nach einer<br />

Vervielfachung sämtlicher Kulturetats auf Bundes-, Länder- und kommunaler

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