Wo die Schweiz baden geht - VCS Verkehrs-Club der Schweiz
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Meine Kindheit war <strong>die</strong> Zeit<br />
<strong>der</strong> Slogans «Trimm dich fit»<br />
und «Sport für alle». Familien in<br />
Nabholz-Trainern keuchten auf<br />
dem Vitaparcours und Bernhard<br />
Russi zeigte am Fernsehen, wie<br />
man beim Skiturnen in <strong>die</strong> Hocke<br />
<strong>geht</strong>, bis <strong>die</strong> Wädli wehtun.<br />
Den Vater nannten wir nur den<br />
«Schin <strong>der</strong>hannes», wenn er uns<br />
wie<strong>der</strong> einmal zu einer achtstündigen<br />
Wan<strong>der</strong>ung motivierte. Damals<br />
beschloss ich, ein bewegungsfreies<br />
Leben zu führen, frei<br />
nach Churchills «no sports». Der<br />
einzige Vorsatz, den ich bis heute<br />
eingehalten habe; ich bike nur bis<br />
zum Bäcker und walke bis zur<br />
nächsten Tramstation. Für alle<br />
Gleichgesinnten hier ein paar<br />
Tipps, wie man ein <strong>Wo</strong>chenende<br />
ohne Wan<strong>der</strong>ung übersteht.<br />
Auf eine Reise nach Japan<br />
nimmt uns <strong>der</strong> neue Film von<br />
Doris Dörrie «Kirsch blüten Hanami»<br />
(auf DVD) mit.<br />
Hanami ist <strong>die</strong> japanische<br />
Tradition, im<br />
Frühling <strong>die</strong> blühenden<br />
Kirschbäume zu<br />
feiern. Trudi, bessere Hälfte eines<br />
in <strong>die</strong> Jahre gekommenen Ehepaars,<br />
träumt schon lange von<br />
<strong>die</strong>ser Reise. Als sie unerwartet<br />
stirbt, fliegt ihr kranker Mann<br />
Rudi alleine nach Japan. In <strong>der</strong><br />
fremden Kultur kommt <strong>der</strong> bie<strong>der</strong>e<br />
Beamte erstmals aus sich heraus.<br />
Hannelore Elsner und Elmar<br />
Wepper, Bru<strong>der</strong> von «Harry-holschon-mal-den-Wagen»,<br />
spielen<br />
<strong>die</strong> Hauptrollen. Ein leiser Film,<br />
<strong>der</strong> zum Nachdenken über <strong>die</strong> eigene<br />
Routine und <strong>die</strong> Vergänglichkeit<br />
des Lebens anregt. Das<br />
Buch zum Film enthält einen Fotoroman<br />
mit 120 untertitelten<br />
Farbabbildungen, das Drehbuch<br />
und einen Essay von Doris Dörrie<br />
über ihre «Japanophilie», <strong>der</strong> grossen<br />
Liebe für Land und Leute.<br />
Berichte einer launigen Lady<br />
Wen das Reisefieber packt, <strong>der</strong><br />
kann es mit dem Buch «Die<br />
scheusslichsten Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Welt.<br />
Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer»<br />
senken. Die englische<br />
Bestsellerautorin Favell Lee Mortimer<br />
(1802–1878) veröffentlichte<br />
drei Reiseführer – wobei sie keines<br />
<strong>der</strong> beschriebenen Län<strong>der</strong> je besucht<br />
hatte. Ihre Kopfreisen, geprägt<br />
von Vorurteilen <strong>der</strong> viktorianischen<br />
Welt, sind kurios zu lesen:<br />
«Die <strong>Schweiz</strong>er sind sehr schlichte<br />
Kreaturen, und in Japan schlitzen<br />
sie sich selbst <strong>die</strong> Bäuche auf!»<br />
Die Gedanken in <strong>die</strong> Ferne<br />
schweifen lassen, dazu verleitet<br />
<strong>die</strong> wohltuende Wärme eines<br />
Hamams. Diese orientalischen<br />
Dampf bä<strong>der</strong> gibt es in fast allen<br />
grösseren Städten. Zum Teil bie-<br />
ten auch Hotels mit Wellnessbereich<br />
ein türkisches Bad an. Der<br />
Hamam <strong>die</strong>nt <strong>der</strong> geistigen und<br />
körperlichen Reinigung von <strong>der</strong><br />
Hektik des Alltags. Verweilen,<br />
sich waschen und plau<strong>der</strong>n gehören<br />
dazu. Ein Besuch im orientalischen<br />
Bad beginnt im Sogukluk<br />
(Warmluftraum), gefolgt vom Hararet<br />
(Dampfbad).<br />
Warum in <strong>die</strong> Ferne schweifen,<br />
wenn man <strong>die</strong> eigene Umgebung<br />
nicht kennt? Ein Essen in <strong>der</strong><br />
Quartierbeiz, in <strong>die</strong> man noch nie<br />
einkehrte, gibt ein neues Lebensgefühl.<br />
In <strong>der</strong> Brasserie fühlt<br />
man sich an <strong>die</strong> letzte Parisreise<br />
erinnert, und in <strong>der</strong> Trattoria läuft<br />
eine TV-Show mit strahlend<br />
lächelnden Bikinischönheiten –<br />
und schon führt man mit seinem<br />
Liebsten <strong>die</strong> längst überfällige<br />
Diskussion über Gleichberechtigung<br />
und sagt ihm, dass er dran<br />
ist mit Backofenputzen.<br />
Wer lieber auf einheimische<br />
Kost setzt, hat vielleicht Lust auf<br />
eine Entdeckungsreise in das<br />
kulinarische Erbe <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>.<br />
Die «Urchuchi»-Bücher stellen<br />
Schwei zer Restaurants mit regionalen<br />
Spezialitäten vor – frisch<br />
und saisonal zubereitet und in <strong>der</strong><br />
Tradition von Grossmutters Küche.<br />
Eine sympathische Kampfansage<br />
gegen Fastfood und globalisierte<br />
Geschmackseinfalt, mit<br />
spannendem Lesestoff zu den Gerichten,<br />
Rezepten und Serviceinformationen.<br />
Der Spaziergang danach<br />
Der danach empfehlenswerte Verdauungsspaziergang<br />
gestaltet sich<br />
mit Kin<strong>der</strong>n öfter etwas schwierig<br />
– auch wenn er sich nicht gerade<br />
KOPFREISEN<br />
Keine Tour<br />
«No sports», sagte schon Winston Churchill. Und <strong>der</strong> war immerhin britischer<br />
Premierminister. Ein paar gute Ratschläge für ein faules <strong>Wo</strong>chenende.<br />
Ein <strong>Wo</strong>chenende für Faultiere<br />
Den Vater nannten wir nur<br />
den «Schin <strong>der</strong>hannes».<br />
© adpic<br />
Reisen <strong>geht</strong> auch im Kopf: Mit einem Buch, im Kino, in <strong>der</strong> Küche und an<strong>der</strong>swo.<br />
über acht Stunden erstreckt (s.<br />
«Schin<strong>der</strong>hannes»). Warum nicht<br />
einmal eine spannende Tour mit<br />
dem Fotoapparat machen? Die<br />
Kin<strong>der</strong> nehmen alles auf, was sie<br />
beobachten. Beim nächsten Regensonntag<br />
ergibt sich aus den Fotos<br />
ein Spiel: Wer findet zuerst <strong>die</strong><br />
Tanne mit <strong>der</strong> krummen Spitze,<br />
das rote Auto, das Haus mit <strong>der</strong><br />
Dachluke? Stefanie Stäuble<br />
Doris Dörrie: Kirschblüten Hanami.<br />
Ein Filmbuch, Diogenes. Fr. 35.90<br />
Favell Lee Mortimer, Todd Pruzan<br />
(Hrsg.): Die scheusslichsten Län<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Welt. Mrs. Mortimers übellauniger<br />
Reiseführer. Malik Verlag. Fr. 30.90<br />
Martin Weiss: Urchuchi, 3 Bände:<br />
«Deutschschweiz und Graubünden»,<br />
Fr. 68.–, «Tessin», Fr. 59.–, «Roman<strong>die</strong>»<br />
(Herbst 2008), Rotpunktverlag<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 13