Wo die Schweiz baden geht - VCS Verkehrs-Club der Schweiz
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Experte in Sachen Musik, Österreich und Fussball: Autor Endo Anaconda in Aktion.<br />
me des Leopold Figl vielleicht,<br />
das Schmähzepter zu schwingen<br />
wusste. Letzterer, ein legendärer<br />
Weinbeisser und erster Bundeskanzler<br />
<strong>der</strong> zweiten Republik,<br />
führte Österreich 1955 als Aussenminister<br />
in <strong>die</strong> Unabhängigkeit,<br />
indem er angeblich den damaligen<br />
russischen Aussenminister<br />
Molotow beim Heurigen un -<br />
ter den Tisch zechte. Gegen <strong>die</strong>se<br />
Schram melattacke war <strong>der</strong> bolschewistische<br />
Hardliner machtlos.<br />
Der kannte wahrscheinlich nur<br />
<strong>Wo</strong>dka o<strong>der</strong> Molotowcocktails.<br />
Seitdem setzte Österreich mehr<br />
auf <strong>die</strong> kulinarische Landesverteidigung,<br />
während man bei uns in<br />
<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, den ganzen Kalten<br />
Krieg lang, bis in <strong>die</strong> heutigen Tage<br />
hinein, auf <strong>die</strong> Panzerschlacht<br />
im Mittelland setzt. Weil wir<br />
<strong>Schweiz</strong>er keinen Heurigen haben<br />
und erst recht keine trinkfesten<br />
Politiker wie Leopold Figl einer<br />
war. Der einzige, <strong>der</strong> so was zu<br />
Stande gebracht hätte, ist lei<strong>der</strong><br />
von uns gegangen. Unser hochverehrter<br />
Altbundesrat Jean-Pascal<br />
Delamuraz. Der hätte es vielleicht<br />
noch geschafft, etwaige Invasoren<br />
mit Fendant in Schach zu<br />
halten. Bliebe höchstens noch <strong>der</strong><br />
Filippo Lombardi, aber <strong>der</strong> hat genug<br />
im Tessin zu tun. Jetzt wo er<br />
plötzlich, wegen <strong>der</strong> streikenden<br />
Bähnler, für den öffentlichen Verkehr<br />
eintreten muss.<br />
Eine richtige Armee braucht<br />
Österreich bis heute nicht. Die<br />
können bei Bedarf von <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong> den alten Krempel mieten<br />
und <strong>der</strong> Sämi Schmid kann<br />
sich <strong>die</strong> Entsorgung sparen. Eine<br />
win-win Situation quasi.<br />
Genauso wie <strong>die</strong> Euro 08. Eine<br />
einmalige Gelegenheit für <strong>die</strong><br />
<strong>Schweiz</strong>, auch ein bisschen zu<br />
Europa zu gehören. Ausser vielleicht<br />
noch beim Eurovision Song<br />
Contest. Vielleicht haben <strong>die</strong> Ös -<br />
terreicher aber auch nach zwei<br />
Weltkriegen eine tiefere Abneigung<br />
gegen alles militärische als<br />
wir <strong>Schweiz</strong>er, denen <strong>die</strong>se Stahlgewitter<br />
zum Glück erspart geblieben<br />
sind. Gelingt es den Österreichern<br />
daher besser, sich den sinnlichen<br />
Freuden des Lebens hinzugeben<br />
als uns <strong>Schweiz</strong>ern o<strong>der</strong><br />
liegt es an den unterschiedlichen<br />
religiösen Prägungen? Einerseits<br />
<strong>der</strong> barocke Austrokatholizismus,<br />
an<strong>der</strong>erseits <strong>die</strong>se zwinglianische,<br />
helvetische Nüchternheit. Während<br />
<strong>der</strong> Katholik eher ein Vertreter<br />
des Ablassgedankens ist (nach<br />
<strong>der</strong> Beichte darf fröhlich weiter -<br />
gesündigt werden, weil einem <strong>die</strong><br />
Sünden ja erlassen werden), vertritt<br />
<strong>der</strong> Protestant eher den Abga-<br />
ÖSTERREICH<br />
Gastbeitrag<br />
begedanken. Arbeiten und Abgaben<br />
zahlen. Bei uns in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
gibt es sogar Drogenabgabeprogramme.<br />
Überhaupt neigen wir <strong>Schweiz</strong>er<br />
dazu, für jedes Problem ein<br />
Maschineli o<strong>der</strong> ein Stübli zu<br />
er finden. Fixerstübli, Alkistübli,<br />
Walliserstübli. Bald kommt auch<br />
noch das Raucherstübli. Nicht,<br />
dass zum Beispiel in Österreich<br />
das Rauchen im Zug erlaubt wäre,<br />
nur kümmert sich oft niemand<br />
darum. Die Österreicher setzen da<br />
mehr auf <strong>die</strong> kleinen Schritte.<br />
Österreich war das erste Land mit<br />
einem Nicht rauchersitzplatz, um<br />
<strong>die</strong> Mensch heit vor dem Tabakrauch<br />
zu schützen. Es bleibt dem<br />
Nichtraucher selbst über lassen, ob<br />
er auf seinem Sitzplatz rauchen<br />
möchte o<strong>der</strong> nicht.<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 27<br />
© Peter Krebs