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Wo die Schweiz baden geht - VCS Verkehrs-Club der Schweiz

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Auf Touren<br />

In <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>,<br />

in Frankreich und im Kopf<br />

Endo Anaconda<br />

Über seine<br />

zwei Heimatlän<strong>der</strong><br />

Son<strong>der</strong>nummer Schön und schonend Reisen<br />

3 / Juni 2008<br />

FÜR ZEITGEMÄSSE MOBILITÄT<br />

Sommer<br />

<strong>Wo</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

<strong>baden</strong> <strong>geht</strong>


© Karen Cordes<br />

28<br />

Wan<strong>der</strong>n Sechs Vorschläge für nahe Touren.<br />

AKTUELL<br />

4 Kurz & Bündig<br />

VELO<br />

6 Das Geheimnis <strong>der</strong> France profonde<br />

KOPFREISEN<br />

13 Ein <strong>Wo</strong>chenende für Faultiere<br />

WASSER<br />

14 Die schönsten Badeplätze <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

ENDO ANACONDA<br />

26 Auswan<strong>der</strong>n ins Ländle<br />

WANDERN<br />

28 Sechs Routen ins Glück<br />

36 Neue Wege braucht das Land<br />

Titelbild Der Sprung in den Vierwaldstättersee verschafft an heissen Tagen eine willkommene Abkühlung. Bild: © Keystone<br />

© swiss-image<br />

14<br />

Sommerfreuden Die schönsten Badeplätze <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>.<br />

51<br />

Äolische Inseln In <strong>der</strong> Küche des Hephaistos.<br />

Impressum<br />

Das <strong>VCS</strong>-Magazin für zeitgemässe Mobilität<br />

Zeitschrift des <strong>VCS</strong> <strong>Verkehrs</strong>-<strong>Club</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Erscheint 6 -mal jährlich. Redaktionsadresse: <strong>VCS</strong>, Postfach 8676, 3001 Bern (Tel. 0848 611 611; E-Mail: magazin@verkehrsclub.ch).<br />

Redaktion: Peter Krebs (pk), Sektionsnachrichten: Urs Geiser, Noëlle Petitdemange. Inserate: Katharina Rutishauser (Tel. 058 611 62 54, Fax 058 611 62 01; E-Mail: inserate@verkehrsclub.ch).<br />

Grafik: www.muellerluetolf.ch, Susanne Troxler. Druck, Versand: Ziegler Druck, Winterthur. Papier: Charaktersilk, 100% Recycling. Auflage: 88 000 (deutsch 71000; französisch 17000).<br />

Die nächste Ausgabe erscheint am 30. Juni 2008. Insertionsschluss: 2. Juni 2008.<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 3<br />

© Peter Krebs<br />

ZUGREISEN<br />

38 Einfach mal Moskau retour lösen<br />

VELO<br />

44 Flussabwärts entlang <strong>der</strong> Velothur<br />

WASSER<br />

49 Mit dem Boot ins Postauto<br />

ITALIEN<br />

50 Schön und gleichgültig wie ein Gott<br />

56 LESERBRIEFE<br />

WETTBEWERB<br />

58 Die Königin <strong>der</strong> Berge


AKTUELL<br />

Kurz & Bündig<br />

Editorial<br />

Easy auch ohne Jet<br />

Vor einem Monat hielten unsere Leserinnen<br />

und Leser <strong>die</strong> erste Ausgabe des neuen<br />

<strong>VCS</strong>-Magazins in den Händen. Nun dürfen<br />

wir <strong>die</strong> nächste Neuerung vorstellen: <strong>die</strong><br />

Son<strong>der</strong>nummer zum Thema Reisen. Es ist<br />

eine zusätzliche Ausgabe, eine neue Dienstleistung für <strong>die</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> des <strong>VCS</strong>.<br />

Es liegt in <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Sache, Reisen hatte immer mit Verkehr<br />

zu tun. Heute <strong>geht</strong> mehr als <strong>die</strong> Hälfte <strong>der</strong> gesamten<br />

Mobilität aufs Konto des Freizeitverkehrs. Das ist viel und<br />

ein Problem. Lieber als zu klagen, machen wir Vorschläge.<br />

Vorschläge für Ausflüge, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Natur, <strong>die</strong> Luft nicht zu sehr<br />

in Anspruch nehmen, <strong>die</strong> aber lustvoll, bereichernd und<br />

überraschend sind. Vorschläge für schönes und schonendes<br />

Reisen, für Ferien, <strong>die</strong> auch ohne Jet easy sind.<br />

Unter <strong>der</strong> Fülle von Möglichkeiten haben wir uns für eine<br />

Mischung aus Wan<strong>der</strong>ungen, Velotouren und Zugreisen<br />

entschieden, <strong>die</strong> meisten davon in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en<br />

in Bahndistanz; dazu Rezepte fürs Baden und Paddeln:<br />

mit dem Faltboot, das im Postauto Platz findet.<br />

Wir haben viel zu viele Informationen zusammengetragen,<br />

um sie ganz in <strong>die</strong>sem Heft zu verstauen. Aber es gibt ja<br />

das Internet. Dort finden unsere Leserinnen zu manchen<br />

Artikeln zusätzliche Angaben (cross media!). Weil aber<br />

nicht alle Leute online sind, schicken wir <strong>die</strong> gleichen<br />

Infos auf Anfrage auch traditionell per Post zu (s. nebenstehenden<br />

Artikel).<br />

Wir hoffen, auch jenen etwas zu bieten, <strong>die</strong> lieber zuhause<br />

bleiben. Die Bil<strong>der</strong> und Artikel sollen schon beim Durchblättern<br />

und Lesen Vergnügen bereiten, nicht erst in <strong>der</strong><br />

Umsetzungsphase. Man kann ja auch einfach im Kopf unterwegs<br />

sein. Was sich übrigens beson<strong>der</strong>s bei Unwettern<br />

anerbietet (Brainstorming heisst das dann wohl). Zu <strong>die</strong>ser<br />

sehr umweltfreundlichen Reiseart geben wir ebenfalls ein<br />

paar Ideen zum Besten.<br />

Peter Krebs, Chefredaktor<br />

Mehr vom Reisen mit<br />

dem <strong>VCS</strong>-Magazin<br />

Der <strong>VCS</strong> und sein Magazin verbessern<br />

ihr Angebot im Reisebereich.<br />

In enger Zusammenarbeit<br />

mit <strong>der</strong> Homepage. Auch<br />

<strong>die</strong> wird neu.<br />

Mit dem Partnerunternehmen<br />

«Via verde reisen» und den Velokarten<br />

hatte <strong>der</strong> <strong>VCS</strong> schon bisher<br />

ein Standbein im Reisebereich.<br />

Dieses wird nun ausgebaut.<br />

In enger Zusammenarbeit zwischen<br />

dem <strong>VCS</strong>-Magazin und<br />

<strong>der</strong> <strong>VCS</strong>-Homepage entsteht eine<br />

neue Informationsplattform für<br />

sinnvolles Reisen. Die <strong>VCS</strong>-Mitglie<strong>der</strong><br />

und <strong>die</strong> Leserinnen und<br />

Leser profitieren schon ab <strong>der</strong><br />

vorliegenden Son<strong>der</strong>nummer<br />

von <strong>der</strong> Dienstleis tung. Das<br />

Prinzip ist einfach. Weil es unmöglich<br />

ist, alle nützlichen Informationen<br />

im gedruckten Heft<br />

unterzubringen, Stellen wir zusätzliche<br />

Service-Angaben zu un-<br />

seren Vorschlägen auf einfache<br />

und übersichtliche Art im Internet<br />

bereit. Dort finden sich zum<br />

Beispiel genaue Streckenbeschriebe<br />

zu einzelnen Wan<strong>der</strong>ungen<br />

und Velotouren, Hinweise<br />

für Übernachtungen, Bücher<br />

und weitere Tipps. Man kann<br />

<strong>die</strong>se Angaben auch ausdrucken<br />

und mit auf <strong>die</strong> Reise nehmen.<br />

Die Adresse dazu lautet:<br />

www.verkehrsclub.ch/magazin<br />

Wir publizieren im Internet auch<br />

zusätzliche Vorschläge. Das trifft<br />

etwa für den Beitrag über <strong>die</strong> Badestellen<br />

zu. In <strong>der</strong> gedruckten<br />

Ausgabe haben wir Platz für 19<br />

Vorschläge, im Internet sind es<br />

fast doppelt so viele. Wir werden<br />

sie dort auch laufend ergänzen.<br />

So spielt jedes Medium seine<br />

Stärken aus. Mit aufgeschaltet<br />

werden Tourenvorschläge, <strong>die</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>VCS</strong> früher publizierte. Man findet<br />

<strong>die</strong> Vorschläge übersichtlich<br />

nach Aktivitäten geordnet (wie<br />

Wan<strong>der</strong>n, Velo usw.) auf einer<br />

<strong>Schweiz</strong>mobil Das Veloland macht Schule<br />

4 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008<br />

© swiss-image.ch


Karte eingetragen und kann <strong>die</strong><br />

Infos durch Anklicken aktivieren.<br />

Die Informationen sind ab<br />

sofort abrufbar. Anfang Juni 2008<br />

schalten wir eine überarbeitete,<br />

aufgefrischte und mit zahlreichen<br />

zusätzlichen Funktionen ausgestattete<br />

<strong>VCS</strong>-Homepage online.<br />

Übrigens be<strong>die</strong>nen wir gerne<br />

auch alle Mitglie<strong>der</strong>, <strong>die</strong> über<br />

kein Internet verfügen, mit den<br />

Zusatzinformationen zu einzelnen<br />

Artikeln des <strong>VCS</strong>-Magazins:<br />

Wenn Sie uns ein korrekt frankiertes<br />

und adressiertes Rückantwortcouvert<br />

(mindestens C5)<br />

schicken und angeben, zu welchem<br />

Artikel Sie <strong>die</strong> Informationen<br />

wünschen (wenn Zusatzinfos<br />

vorhanden sind, ist das im Infoteil<br />

des entsprechenden Artikels<br />

vermerkt). (pk)<br />

Unsere Adresse: <strong>Verkehrs</strong>-<strong>Club</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong>, Magazin, Postfach 8676,<br />

3001 Bern<br />

Neu aufgelegt<br />

Die beliebte <strong>VCS</strong>-Velokarte Elsass–Basel–Schwarzwald<br />

ist soeben<br />

in einer neuen Auflage erschienen.<br />

Die Dreilän<strong>der</strong>karte<br />

schafft im Massstab 1:100 000<br />

Zugang zu einer <strong>der</strong> beliebtesten<br />

Regionen für kürzere und längere<br />

Radtouren. Sie ergänzt <strong>die</strong> insgesamt<br />

18 regionalen <strong>Schweiz</strong>er<br />

Velokarten (Massstab 1:60 000),<br />

<strong>die</strong> <strong>der</strong> <strong>VCS</strong> herausgibt. Nebst<br />

den offiziellen Routen ist darin<br />

ein dichtes Netz von Strecken<br />

empfohlen, das <strong>die</strong> Veloexperten<br />

des <strong>VCS</strong> in akribischer Arbeit zusammentragen.<br />

Mit dazu gehören<br />

Informationen über Steigungen,<br />

stark befahrene Verbindungsstrecken<br />

sowie nützliche<br />

touristische Angaben. Die Karten<br />

sind im Buchhandel erhältlich<br />

sowie über <strong>die</strong> <strong>VCS</strong>-Boutique,<br />

mit einem <strong>VCS</strong>-Mitglie<strong>der</strong>rabatt<br />

von je drei Franken.<br />

Infos: www.vcs-boutique.ch,<br />

Tel. 0848 612 612<br />

Gut aufgelegt<br />

Gute Stimmung: An den Slowups sind <strong>die</strong> Unmotorisierten unter sich.<br />

AKTUELL<br />

Kurz & Bündig<br />

Gut aufgelegt sind jeweils <strong>die</strong> Teilnehmenden an den Slowups, den regionalen<br />

Veranstaltungen, an denen Strassenstücke für den motorisierten<br />

Verkehr gesperrt und dem Langsamverkehr freigegeben werden. In<br />

<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> gibt es schon 15 solche Anlässe. Die Saison hat begonnen,<br />

<strong>der</strong> nächste Slowup ist <strong>der</strong> freundnachbarliche am «Hochrhein» zwischen<br />

Bad Säckingen und Laufenburg. Er findet am 5. Juni statt.<br />

Infos: www.slowup.ch<br />

Seit 1998 gibt es das Veloland<br />

<strong>Schweiz</strong>: Mit einer einheitlichen<br />

Signalisierung von nationalen<br />

und regionalen Routen, mit<br />

praktischen Führern, guter Verknüpfung<br />

mit dem öffentlichen<br />

Verkehr, mit buchbaren Angeboten<br />

und einer eigenen Internetseite.<br />

Das Velo schaffte damals<br />

im <strong>Schweiz</strong>er Tourismus endlich<br />

den Durchbruch. Heute werden<br />

auf den Velorouten jährlich 150<br />

Millionen Kilometer zurückgelegt<br />

und ebenso viele Franken<br />

Umsatz erzielt.<br />

So wurde das Veloland zum Vorbild<br />

für ein noch ehrgeizigeres<br />

Projekt, das Ende April Taufe hatte:<br />

<strong>Schweiz</strong>mobil. Es dehnt das<br />

Prinzip des «Velolands» auf den<br />

gesamten touristischen Lang -<br />

samverkehr aus. Die Wan<strong>der</strong>er,<br />

Moun tainbikerinnen, Kanuten<br />

und Skaterinnen bekommen<br />

ebenfalls ihr «Land». <strong>Schweiz</strong>mobil<br />

wird zum «nationalen Netz-<br />

werk für den Langsamverkehr».<br />

Das Streckennetz besteht aus den<br />

von Fachleuten ausgewählten<br />

schönsten nationalen und regionalen<br />

Routen. Sie können dank<br />

einer auf den öffentlichen Verkehr<br />

abgestimmten Etappierung<br />

auch für Tagesausflüge genutzt<br />

werden. Im Fall des Wan<strong>der</strong>landes<br />

wurden gut 10 Prozent <strong>der</strong><br />

62 500 Kilometer bereits markierten<br />

Wege aufgenommen.<br />

Dazu kommen weitere Dienstleistungen<br />

wie Übernachtungsmöglichkeiten,<br />

Mietfahrzeuge und<br />

buchbare Angebote mit Gepäcktransport.<br />

Als offizielle Informationskanäle<br />

<strong>die</strong>nen das Internet<br />

und neue Führer in Buchform<br />

sowie Karten. (pk)<br />

Weitere Infos: www.schweizmobil.ch;<br />

<strong>VCS</strong>-Mitglie<strong>der</strong> erhalten <strong>die</strong> neuen Veloland-Routenführer<br />

bis Ende Juli mit<br />

bis vier Franken Rabatt: www.vcs-boutique.ch,<br />

Tel. 0848 612 612<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 5<br />

© swiss-image.ch


VELOTOUR<br />

Das Geheimnis <strong>der</strong><br />

6 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008


France profonde Das<br />

Einfach aus dem TGV steigen und mit<br />

dem Velo losfahren. In Frankreich kann<br />

man das tun. Zum Beispiel auf einer<br />

700 Kilometer langen Tour von Mâcon<br />

nach Cahors. Man lernt dabei <strong>die</strong><br />

France profonde kennen.<br />

VELO<br />

Frankreich<br />

An einem wolkenlosen Sommertag besteigen wir<br />

den Zug und fahren los, via Genf nach Mâcon-<br />

Loché, wo wir den TGV verlassen, <strong>die</strong> Reiseklei<strong>der</strong><br />

aus ziehen und uns noch auf dem Bahn steig ins Velodress<br />

stürzen. Der TGV-Bahnhof Loché liegt ausserhalb<br />

von Mâcon in <strong>der</strong> Pampa und ist ein sehr mo<strong>der</strong>ner<br />

Geisterbahn hof ohne Bistro und ohne Kiosk<br />

mit dem «Paris Match». Ausser uns hat es auch keine<br />

Passagiere. Wir setzen <strong>die</strong> Sonnenbrillen auf, streifen<br />

<strong>die</strong> Handschuhe über, stel len <strong>die</strong> Kilometerzähler auf<br />

Null und steigen um drei Uhr in <strong>die</strong> Sättel. Es ist so<br />

heiss und windstill, dass <strong>die</strong> Luft flimmert.<br />

Orologisch gesehen starten wir am rechten Rand<br />

<strong>der</strong> Saône-Ebene. Önologisch beginnt hier das Beaujolais<br />

mit seinen Rebbergen und den edlen Premier-<br />

Crus. Sie gedeihen in beneidenswerten Lagen, il faut<br />

le dire! Mit Aussicht auf <strong>die</strong> breite Flussebene, auf ein<br />

grünes, reiches Land. Manche Crus wohnen in alten<br />

Schlössern, wenn auch nur im Keller. Chénas, Fleurie,<br />

Villié-Morgon, Régnié-Durette: Unsere Route lässt <strong>die</strong><br />

Herzen <strong>der</strong> Weinliebhaber höher schlagen. Wir aber<br />

wi<strong>der</strong>stehen allen bacchantischen Verlockungen wie<br />

einst <strong>der</strong> listige Reisende Odysseus dem Gesang <strong>der</strong><br />

Sirenen, denn wir wollen vor wärts kom men, im<br />

Schnitt mit Tempo 20.<br />

So schlägt auch das Velofahrerherz höher. Erstens<br />

sind <strong>die</strong> Strässchen des Beaujolais ein Genuss und<br />

zweitens treten wir schon bald kräftig in <strong>die</strong> Pedale,<br />

um unsere edlen Tourenrä<strong>der</strong> mit den schwarzen Sacochen,<br />

den Flaschen und dem Fotoapparat über <strong>die</strong><br />

Steigungen nach Südwesten voranzutreiben. Unsere<br />

Pläne gehen auf, und das ist immer ein schönes Gefühl.<br />

Stundenlang lagen wir zuhause auf dem Bauch<br />

vor den ausgebreiteten Landkarten des Institut géographique<br />

national, um <strong>die</strong> beste Route herauszufinden<br />

und sie mit einem orangen Leuchtstift einzuzeichnen.<br />

So verbrachten wir <strong>die</strong> Ferien schon einmal<br />

im Massstab 1:100 000. Nun liegen <strong>die</strong> freien Tage und<br />

das freie Land in Wirklichkeit ausgebreitet vor uns.<br />

Frankreich ist eine beson<strong>der</strong>e Radfahrernation.<br />

Vallée de la Sianne, ein<br />

wun<strong>der</strong>bares Radfahrertal führt<br />

hinauf ins Massiv Central.<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 7<br />

Fotos: Peter Krebs


Das Fahrrad heisst hier «kleine Königin»<br />

und wird behandelt wie eine Magd, wenn<br />

es kein Rennvelo ist, das an <strong>der</strong> Tour de<br />

France teilnimmt. An<strong>der</strong>s als in Deutschland<br />

und <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> gibt es kaum markierte<br />

Rou ten und schon gar keine eigens<br />

angelegten Radwege. Und doch ist Frankreich<br />

das wun <strong>der</strong>barste Veloland, das man<br />

sich denken kann. Es hat ein grosses Netz<br />

von kleinen Nebenstrassen mit wenig Verkehr.<br />

Am schönsten sind jene ohne aufgemalte<br />

Mittelstreifen: Das sind <strong>die</strong> Velowege<br />

von Frank reich. We<strong>der</strong> Schil<strong>der</strong> noch<br />

Führer preisen sie an. Man darf sie selber<br />

entdecken, wofür man mit <strong>der</strong> Zeit eine<br />

Nase hat. Sie führen in das Geheimnis <strong>der</strong><br />

France profonde, jenes ländlichen Frank -<br />

reichs, das im Schatten von Paris seinen<br />

Beschäftigungen nach<strong>geht</strong> und für den<br />

Durchreisenden einen eigenen Charme<br />

entfaltet, wie eine verkannte Blume.<br />

Wir haben uns unter den Platanen des<br />

Weinschlosses Varennes von Wasser und<br />

Brot ernährt, sowie auch von Käse, Oliven,<br />

Eiern, Tomaten und keuchen nun im Gegenlicht<br />

<strong>der</strong> spätnachmittäglichen Sonne<br />

auf einer Nebenstrasse dem ersten Pass zu<br />

(was für schöne Bil<strong>der</strong> das gibt!), dem Col<br />

de la Croix Marchampt, den zuoberst<br />

wirklich ein Kreuz verziert, samt einem<br />

Kirchen, Pässe, Dörfer machen den Charakter <strong>der</strong> Velotour aus: Kirche von St. Paul de Vézelin, <strong>der</strong> Col<br />

de la Croix des Fourches und ein Dorf Livradois.<br />

blauen Blechschild, das <strong>die</strong> Höhe angibt:<br />

altitude 685 m. Es ist das erste von vielen<br />

ähnlichen und nicht immer werden <strong>die</strong><br />

Ziffern so bescheiden bleiben. Gegen<br />

Abend treffen wir in Lamure-sur-Azer -<br />

gues ein, wo es laut unseren Recherchen<br />

ein Hotel haben muss. Da ist es schon. Das<br />

Hôtel du Com merce bietet sogar freie<br />

Zim mer an. Zwei kleine Kin<strong>der</strong> vergnügen<br />

sich in einem Planschbecken neben<br />

<strong>der</strong> Landstrasse. Die Wirtin kümmert sich<br />

um <strong>die</strong> Gäste. Sie zeigt uns den Ort unter<br />

<strong>der</strong> Treppe, wo wir <strong>die</strong> Velos verstauen<br />

sollen. Die Toch ter ruft ihr aus dem Wasser<br />

zu «maman, je t’aime» und spielt dann<br />

weiter mit <strong>der</strong> Plastikente. Maman ist ganz<br />

gerührt, weil wir <strong>die</strong>se Szene mitbekommen.<br />

Ihr mari, <strong>der</strong> Koch, rührt und hantiert<br />

<strong>der</strong>weil in seinem Pfannenreich. Er<br />

lässt sich nicht blicken, aber was er herstellt,<br />

darf sich sehen lassen. Velofahren ist<br />

gesund und gibt Hunger. Wir entscheiden<br />

uns wie immer für das Viergangmenü: terrine<br />

de poisson, jambon de canard, fromage<br />

sec, tarte à l’orange, das Ganze für 18<br />

Euro 50 Cen times, dazu einen halben<br />

Fleurie, <strong>der</strong> das beste Alter schon hinter<br />

sich hat. Wir sind unterwegs mit kleinen<br />

Königinnen und tafeln wie <strong>der</strong> König von<br />

Frankreich.<br />

Lamure-sur-Azergues ist kein beson<strong>der</strong>er<br />

Ort. Hat man einmal im Hôtel du<br />

Commerce übernachtet, im Sommer bei<br />

weit of fe nem Fenster in einem jener Zimmer,<br />

<strong>die</strong> auf den rauschenden Azerguesbach<br />

hinausgehen, fühlt man sich ihm<br />

dennoch verbunden, vor allem, wenn man<br />

am an<strong>der</strong>en Morgen wie<strong>der</strong> das Velo sattelt,<br />

um den nächsten Pass zu bezwingen,<br />

den Croix des Fourches, <strong>der</strong> mitten im<br />

dunklen Bois des Mollières liegt, schon etwas<br />

höher als <strong>der</strong> Marchampt, wodurch<br />

<strong>die</strong> Abfahrt nach Amplepuis umso berauschen<strong>der</strong><br />

ausfällt. Der Fahrtwind pfeift<br />

uns um <strong>die</strong> Ohren, <strong>die</strong> Sonne glitzert in<br />

den Speichen, <strong>die</strong> immer schneller drehen.<br />

Der Lenk stangencom puter meldet<br />

am Abend stolz <strong>die</strong> Höchst geschwin -<br />

digkeit von 72,3 km/h.<br />

Man soll kein Land verklären, obschon<br />

wir nach den Ferien nichts lieber als <strong>die</strong>s<br />

tun. Frankreich hat auch ein paar Nachteile.<br />

Mit Bedauern denken wir jeweils<br />

beim Überqueren eines stillgelegten Gleises<br />

daran, über welch dichtes Bahnnetz<br />

<strong>die</strong> Grande Nation einst verfügte, das nun<br />

verloren ist. Wir denken an den <strong>Verkehrs</strong>minister<br />

Fressinet und seinen über 100<br />

Jahre alten und teilweise umgesetzten<br />

Plan, jeden Hauptort mit den Segnungen<br />

<strong>der</strong> Dampflokomotiven zu beglücken.<br />

Beim Überqueren <strong>der</strong> Loire am zweiten<br />

Tag erinnern wir uns auch daran, wie malerisch<br />

<strong>die</strong> Schlucht südlich von Roanne<br />

bis vor 25 Jahren war. Jetzt ist <strong>der</strong> Fluss gestaut,<br />

das Tal überflutet, das Ufer ungepflegt,<br />

so dass wir zum Picknicken gleich<br />

weiterziehen nach St-Paul-de-Vézelin.<br />

Der Dorfplatz bei <strong>der</strong> Kirche schlummert<br />

in <strong>der</strong> Mittagsruhe. Nur <strong>die</strong> Glocke<br />

unterbricht sie. Sie schlägt <strong>die</strong> Stunde immer<br />

zweimal, um Gläubige und Ungläubige<br />

daran zu mahnen, wie ihre Zeit auf Erden<br />

zerrinnt. In einem Haus gegenüber<br />

<strong>der</strong> Steinkirche beginnt eine Frau zu telefonieren,<br />

so laut, dass es alle Gemeindebürger<br />

hören können. Die Fensterläden<br />

sind zu, auch <strong>die</strong> des Gebäudes, das verblichen<br />

mit «Café Boulangerie» ange-<br />

8 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008


schrieben ist. Ob darin vielleicht doch ein<br />

Kaffee serviert wird? Eine alte Dame sitzt<br />

am einzigen Tisch in <strong>der</strong> Stube und liest<br />

Zeitung. Es sei geschlossen, bedauert sie,<br />

ihr Mann sei krank. Es scheint etwas Ernstes<br />

zu sein. Wir ziehen weiter. Heute ist<br />

unser Tag <strong>der</strong> Kirchen. Jene von l’Hôpitalsous-Rochefort,<br />

eine kraftvoll-romanische,<br />

betrachten wir intensiver, während<br />

wir unter dem Sonnenschirm einer Bar<br />

sitzen, <strong>die</strong> sakralen Genüsse angenehm<br />

mit den profanen verbindend. Das Lokal<br />

gehört einer aufmerksamen Tamilin, <strong>die</strong><br />

alles über unsere Reise wissen möchte.<br />

Danach erobern wir noch zwei Pässe. Den<br />

nächsten, den 1390m hohen Col du Béal,<br />

verschieben wir auf morgen und blei ben<br />

im Gîte d’étape von Chalmazel, einem<br />

Städtchen mit Burg und mehreren Restaurants.<br />

Viergang menu.<br />

So spazieren wir durch unsere douce<br />

France, mal hart strampelnd, mal fliegend.<br />

Mal treibt uns <strong>der</strong> Wind vorwärts, dann<br />

stellt er sich in den Weg, als ein übel gelaunter,<br />

eifersüchtiger Spiel ver<strong>der</strong>ber. Wir<br />

sehen Dutzende von Dörfern und Weilern.<br />

Sie werden für einen Moment zum<br />

Zentrum des Daseins, weil sie uns als<br />

Wegweiser <strong>die</strong>nen, für <strong>die</strong> Mittagsrast, als<br />

Nachtlager. Bald sinken sie hinab in den<br />

Ozean des Vergessens. Dank <strong>der</strong> oran gen<br />

Schlangenlinie auf unseren Karten können<br />

wir <strong>die</strong> Schätze und <strong>die</strong> Bil<strong>der</strong>, <strong>die</strong> daran<br />

festgemacht sind, wie<strong>der</strong> bergen: Bussy-Albieux,<br />

Jeansagnière, Ver gongheon.<br />

Den schönsten Namen trägt St-Amant-<br />

Roche-Savine. Er bezeichnet ein belebtes<br />

Dorf auf einer Anhöhe in den Monts du<br />

Livradois. Es findet gerade ein Theaterfestival<br />

statt, mit bärtigen Zuschauern aus<br />

Paris, schon etwas angegraute Ex-Revolutionäre.<br />

Sie campieren auf zwei getrennten<br />

Plätzen, einer ist für Schlafmützen gedacht,<br />

<strong>die</strong> zu spät kommen. Er heisst lèvetard.<br />

Der an<strong>der</strong>e, <strong>der</strong> lève-tôt, ist für <strong>die</strong>,<br />

<strong>die</strong> zu früh kommen. Die haben es bekanntlich<br />

auch nicht leicht.<br />

Für uns ist es eh noch zu früh zum Ausruhen.<br />

Das Livradois ist ein karges Hochplateau<br />

auf gut 1000 m.ü. M. Es besteht aus<br />

lauter Wald und Weiden. Karg ist auch<br />

St-Germain-l’Herm, wo wir an <strong>die</strong>sem<br />

Abend das Zelt auspacken. Der Ort hat<br />

bessere Zeiten gekannt, er muss einst ein<br />

touristisches Zentrum gewesen sein, mit<br />

Die Glocke schlägt <strong>die</strong> Stunde zweimal, um daran<br />

zu mahnen, wie <strong>die</strong> Zeit zerrinnt.<br />

drei Hotels, von denen nur noch eines<br />

Gäste empfängt. Vis-à-vis döst <strong>der</strong> Crédit<br />

agricole. Auf einem Kartonschild sind von<br />

Hand <strong>die</strong> Öffnungszeiten <strong>der</strong> Bank eingetragen:<br />

Le jeudi de 9h30 à 11h30. Im Easy-<br />

Jet-Zeitalter ist das Livradois als Feriendestination<br />

ausser Mode gekommen.<br />

Bald setzen wir über den Allier, dann<br />

folgt <strong>der</strong> Aufstieg ins Massiv Central, ins<br />

grösste und schönste Mittelgebirge Frankreichs.<br />

Wir entdecken dabei eine <strong>der</strong> wun<strong>der</strong>barsten<br />

Strecken, <strong>die</strong> es für Radfahrer<br />

auf <strong>die</strong>ser Welt gibt: das Vallée de la Sianne.<br />

Es ist erste Sahne, ein handliches, tiefes<br />

Tal, geschaffen von einem Bach, <strong>der</strong> so sauber<br />

ist, dass man darin <strong>baden</strong> kann, wie<br />

uns ein Fischer versichert, denn es gebe<br />

hier eine Fischart, wenn <strong>die</strong> über lebe, sei<br />

das Wasser lauter. Dreissig Kilometer weit<br />

steigt eine schmale Strasse sanft durch das<br />

immer wil<strong>der</strong>e und immer waldigere Vallée,<br />

bis sie am Schluss zur steilen Passstras-<br />

se wird, <strong>die</strong> auf dem Col de la Croix de<br />

Baptiste kulminiert. Alt.: 1229 m. Wir sind<br />

im braun-gelben Cantal und erblicken vor<br />

uns zum ersten Mal den dunkel drohenden<br />

Puy Marie, <strong>die</strong>sen alten Vulkan.<br />

Ein Pass steigt fast bis auf seinen Gipfel.<br />

Der 1582 m hohe Pas de Peyrol ist <strong>der</strong><br />

höchste Punkt unserer Tour. Zum Höhepunkt<br />

wird er nur bedingt. Man muss hier<br />

eine herrliche Aussicht haben auf <strong>die</strong> Berge<br />

und Schrün de des Cantal, auf das Plateau<br />

du Limon und den Felsenkranz Cirque<br />

du Falgoux, wie uns Monsieur Brunet,<br />

<strong>der</strong> Gastwirt von Dienne, beschrieb. Doch<br />

wir erwischen den falschen Tag. Während<br />

wir uns hocharbeiten, ziehen schwarze<br />

Nebel auf, aus denen es zu schütten beginnt,<br />

genau als wir oben ankommen. Von<br />

Aussicht kann keine Rede sein. Wir sind<br />

froh, überhaupt noch den Asphalt vor unseren<br />

Rä<strong>der</strong>n zu erkennen und stürzen<br />

uns durch <strong>die</strong> kühle Regenwand zu Tal.<br />

Trotz Regenschutz sind wir nach wenigen<br />

Wie<strong>der</strong> ist ein Aufstieg geschafft: Der Col de la Croix de Baptiste markiert den<br />

Übergang ins Massiv Central.<br />

VELO<br />

Frankreich<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 9


VELO<br />

Frankreich<br />

Aurillac <strong>die</strong> Hauptstadt des Cantal (rechts). Bald ist man im<br />

Vallée du Célé, wo einzelne Häuser an den Fels gebaut sind.<br />

Planungshilfe<br />

Limoges<br />

Cahors<br />

Camburat<br />

Lot<br />

Minuten klatschnass, Schuhe und Socken<br />

inklusive. Wir schlot tern mitten im Sommer.<br />

Im Vallée de Mandailles retten wir<br />

uns zum Trocknen in eine Gaststube,<br />

ohne durchschlagenden Erfolg. Wes halb<br />

tut man sich das an?<br />

Mâcon<br />

St-Germain-<br />

Clermont-Ferrand Laval Amplepuis<br />

Neulise<br />

Chalmazel Lyon<br />

Aurillac<br />

Cabrerets<br />

St-Germain-l’Herm<br />

La Gazelle Allanche<br />

Puy Mary<br />

St-Armant-<br />

Roche-Savine<br />

Anreise: Ab Genf mit dem TGV, mehrere Verbindungen pro Tag mit Veloabteil.<br />

Rückreise: Ab Cahors direkte Züge nach Paris.<br />

Übernachten: Die Hotels sind meist nicht ausgebucht, sie sind entlang <strong>der</strong> Route aber dünn gesät.<br />

Für grössere Gruppen ist eine Reservation empfehlenswert. Das Verzeichnis <strong>der</strong> «Logis de France»<br />

ist dazu nützlich, wenn auch etwas kompliziert für <strong>die</strong> Suche. Erhältlich über den Buchhandel. Infos<br />

unter: www.logis-de-france.fr. Wer ein Zelt mitnimmt, hat zusätzliche Möglichkeiten, aber mehr<br />

Gewicht. Im Internet kann man für einzelne Orte vor <strong>der</strong> Reise gezielt nach Angeboten suchen. Wer<br />

es abenteuerlich mag, lässt sich überraschen.<br />

Route: <strong>VCS</strong>-Mitglie<strong>der</strong> können einen genauen Routenbeschrieb mit einzelnen Übernachtungsmöglichkeiten<br />

unter <strong>der</strong> folgenden Adresse abrufen: www.verkehrsclub.ch/magazin. Per Post: <strong>VCS</strong>, Postfach<br />

8676, 3001 Bern (bitte frankiertes und adressiertes Rückantwortcouvert beilegen).<br />

Karten: IGN Massstab 1:100 000, Blätter 44, 43, 50, 49, 48 (nur kleine Ecke), 57 (in <strong>der</strong> Reihenfolge<br />

des Gebrauchs).<br />

Veloferien in Frankreich: Via verde reisen bietet in Frankreich Veloferien mit Bahnanreise an.<br />

Infos unter Tel. 0848 823 823 o<strong>der</strong> www.via-verde-reisen.ch.<br />

Loire<br />

Am Tag danach strahlt <strong>die</strong> Sonne. Sie<br />

tut, als wäre nichts gewesen, als hätte sie<br />

uns nie im Stich gelassen. Aurillac liegt<br />

hinter uns, <strong>die</strong> düstere Kleinstadt, in <strong>der</strong><br />

während des ganzen Tages sich Werbung<br />

und billige Musik aus Lautsprechern in <strong>die</strong><br />

Gassen ergiesst. Akustischer Sirup. Vor<br />

uns entfaltet sich ein grünes Wellenland,<br />

durch das wir kurven, vorbei an Laubbäumen,<br />

Hecken und Hornvieh, hinunter zu<br />

Bächen, über 100 Brücken und auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite wie<strong>der</strong> hoch in <strong>die</strong> Hölzer. Gegen<br />

Mittag erreichen wir <strong>die</strong> tektonische<br />

Stufe, hinter <strong>der</strong> das Gelände 300 Meter<br />

abfällt ins eichenbestandene Kalkplateau<br />

des Quercy. Genau an <strong>die</strong>sem Punkt beginnt<br />

<strong>der</strong> Westen von Frankreich. Obschon<br />

er noch 250 Kilometer entfernt ist,<br />

ahnt man zum ersten Mal den Atlantik.<br />

Der Célé ist auf dem Weg dort hin. Er<br />

wird weiter unten in den Lot münden, <strong>die</strong>ser<br />

sich <strong>der</strong> Ga ron ne anvertrauen, <strong>die</strong> bei<br />

Bordeaux das Meer erreicht. Aber hier ist<br />

er noch <strong>der</strong> Célé, und das ist gut so. Er ist<br />

eine weitere velozipedistische Entdeckung,<br />

Pedal-Adel, ein Rad fahrer wun <strong>der</strong>.<br />

In unzähligen Bögen mäan<strong>der</strong>t er zwischen<br />

den Kalknasen des Naturparks<br />

durch eine Au, in <strong>der</strong> ab und zu eine Burg<br />

auftaucht, ein altes Kloster, alles verbunden<br />

mit einer Nebenstrasse ohne Mittellinie,<br />

auf <strong>der</strong> man ein ganz schönes Tempo<br />

vorlegen kann, wenn man Lust hat, und<br />

<strong>die</strong> hat man. Unten in Cabrerets beim verfallenen<br />

Château du Diable reichen <strong>die</strong><br />

Steilwände so nah an den Fluss, dass wenig<br />

Platz bleibt für <strong>die</strong> Häuser. So baute<br />

man <strong>die</strong>se an den senkrechten Fluh, <strong>der</strong><br />

als Rückwand <strong>die</strong>nt. Wir logieren im Hotel<br />

des Grottes (es gibt in <strong>der</strong> Nähe eine<br />

Höhle), kühlen uns im Pool, speisen auf<br />

<strong>der</strong> Terrasse über dem ruhig stömenden<br />

Célé, un ter nehmen dann einen Spaziergang<br />

durch den bukolischen Ort. Noch<br />

lang schimmern an <strong>die</strong> sem Sommerabend<br />

<strong>die</strong> spröden, zerfurchten Felsengesichter<br />

bläulich über den Dächern, den Schafherden<br />

und über <strong>der</strong> École des filles, so gross<br />

wie ein Märchenschulhaus.<br />

Ein guter Abschluss. Am näch s ten Tag<br />

rollen wir <strong>die</strong> letzten Kilometer zur Endstation<br />

Cahors ab. Auf den Karten ist<br />

schon <strong>die</strong> Route für <strong>die</strong> Weiterfahrt nach<br />

Biarritz ans Meer eingetragen. Peter Krebs<br />

10 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008<br />

Valence<br />

Rhône<br />

Genève<br />

Grenoble


Meine Kindheit war <strong>die</strong> Zeit<br />

<strong>der</strong> Slogans «Trimm dich fit»<br />

und «Sport für alle». Familien in<br />

Nabholz-Trainern keuchten auf<br />

dem Vitaparcours und Bernhard<br />

Russi zeigte am Fernsehen, wie<br />

man beim Skiturnen in <strong>die</strong> Hocke<br />

<strong>geht</strong>, bis <strong>die</strong> Wädli wehtun.<br />

Den Vater nannten wir nur den<br />

«Schin <strong>der</strong>hannes», wenn er uns<br />

wie<strong>der</strong> einmal zu einer achtstündigen<br />

Wan<strong>der</strong>ung motivierte. Damals<br />

beschloss ich, ein bewegungsfreies<br />

Leben zu führen, frei<br />

nach Churchills «no sports». Der<br />

einzige Vorsatz, den ich bis heute<br />

eingehalten habe; ich bike nur bis<br />

zum Bäcker und walke bis zur<br />

nächsten Tramstation. Für alle<br />

Gleichgesinnten hier ein paar<br />

Tipps, wie man ein <strong>Wo</strong>chenende<br />

ohne Wan<strong>der</strong>ung übersteht.<br />

Auf eine Reise nach Japan<br />

nimmt uns <strong>der</strong> neue Film von<br />

Doris Dörrie «Kirsch blüten Hanami»<br />

(auf DVD) mit.<br />

Hanami ist <strong>die</strong> japanische<br />

Tradition, im<br />

Frühling <strong>die</strong> blühenden<br />

Kirschbäume zu<br />

feiern. Trudi, bessere Hälfte eines<br />

in <strong>die</strong> Jahre gekommenen Ehepaars,<br />

träumt schon lange von<br />

<strong>die</strong>ser Reise. Als sie unerwartet<br />

stirbt, fliegt ihr kranker Mann<br />

Rudi alleine nach Japan. In <strong>der</strong><br />

fremden Kultur kommt <strong>der</strong> bie<strong>der</strong>e<br />

Beamte erstmals aus sich heraus.<br />

Hannelore Elsner und Elmar<br />

Wepper, Bru<strong>der</strong> von «Harry-holschon-mal-den-Wagen»,<br />

spielen<br />

<strong>die</strong> Hauptrollen. Ein leiser Film,<br />

<strong>der</strong> zum Nachdenken über <strong>die</strong> eigene<br />

Routine und <strong>die</strong> Vergänglichkeit<br />

des Lebens anregt. Das<br />

Buch zum Film enthält einen Fotoroman<br />

mit 120 untertitelten<br />

Farbabbildungen, das Drehbuch<br />

und einen Essay von Doris Dörrie<br />

über ihre «Japanophilie», <strong>der</strong> grossen<br />

Liebe für Land und Leute.<br />

Berichte einer launigen Lady<br />

Wen das Reisefieber packt, <strong>der</strong><br />

kann es mit dem Buch «Die<br />

scheusslichsten Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Welt.<br />

Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer»<br />

senken. Die englische<br />

Bestsellerautorin Favell Lee Mortimer<br />

(1802–1878) veröffentlichte<br />

drei Reiseführer – wobei sie keines<br />

<strong>der</strong> beschriebenen Län<strong>der</strong> je besucht<br />

hatte. Ihre Kopfreisen, geprägt<br />

von Vorurteilen <strong>der</strong> viktorianischen<br />

Welt, sind kurios zu lesen:<br />

«Die <strong>Schweiz</strong>er sind sehr schlichte<br />

Kreaturen, und in Japan schlitzen<br />

sie sich selbst <strong>die</strong> Bäuche auf!»<br />

Die Gedanken in <strong>die</strong> Ferne<br />

schweifen lassen, dazu verleitet<br />

<strong>die</strong> wohltuende Wärme eines<br />

Hamams. Diese orientalischen<br />

Dampf bä<strong>der</strong> gibt es in fast allen<br />

grösseren Städten. Zum Teil bie-<br />

ten auch Hotels mit Wellnessbereich<br />

ein türkisches Bad an. Der<br />

Hamam <strong>die</strong>nt <strong>der</strong> geistigen und<br />

körperlichen Reinigung von <strong>der</strong><br />

Hektik des Alltags. Verweilen,<br />

sich waschen und plau<strong>der</strong>n gehören<br />

dazu. Ein Besuch im orientalischen<br />

Bad beginnt im Sogukluk<br />

(Warmluftraum), gefolgt vom Hararet<br />

(Dampfbad).<br />

Warum in <strong>die</strong> Ferne schweifen,<br />

wenn man <strong>die</strong> eigene Umgebung<br />

nicht kennt? Ein Essen in <strong>der</strong><br />

Quartierbeiz, in <strong>die</strong> man noch nie<br />

einkehrte, gibt ein neues Lebensgefühl.<br />

In <strong>der</strong> Brasserie fühlt<br />

man sich an <strong>die</strong> letzte Parisreise<br />

erinnert, und in <strong>der</strong> Trattoria läuft<br />

eine TV-Show mit strahlend<br />

lächelnden Bikinischönheiten –<br />

und schon führt man mit seinem<br />

Liebsten <strong>die</strong> längst überfällige<br />

Diskussion über Gleichberechtigung<br />

und sagt ihm, dass er dran<br />

ist mit Backofenputzen.<br />

Wer lieber auf einheimische<br />

Kost setzt, hat vielleicht Lust auf<br />

eine Entdeckungsreise in das<br />

kulinarische Erbe <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>.<br />

Die «Urchuchi»-Bücher stellen<br />

Schwei zer Restaurants mit regionalen<br />

Spezialitäten vor – frisch<br />

und saisonal zubereitet und in <strong>der</strong><br />

Tradition von Grossmutters Küche.<br />

Eine sympathische Kampfansage<br />

gegen Fastfood und globalisierte<br />

Geschmackseinfalt, mit<br />

spannendem Lesestoff zu den Gerichten,<br />

Rezepten und Serviceinformationen.<br />

Der Spaziergang danach<br />

Der danach empfehlenswerte Verdauungsspaziergang<br />

gestaltet sich<br />

mit Kin<strong>der</strong>n öfter etwas schwierig<br />

– auch wenn er sich nicht gerade<br />

KOPFREISEN<br />

Keine Tour<br />

«No sports», sagte schon Winston Churchill. Und <strong>der</strong> war immerhin britischer<br />

Premierminister. Ein paar gute Ratschläge für ein faules <strong>Wo</strong>chenende.<br />

Ein <strong>Wo</strong>chenende für Faultiere<br />

Den Vater nannten wir nur<br />

den «Schin <strong>der</strong>hannes».<br />

© adpic<br />

Reisen <strong>geht</strong> auch im Kopf: Mit einem Buch, im Kino, in <strong>der</strong> Küche und an<strong>der</strong>swo.<br />

über acht Stunden erstreckt (s.<br />

«Schin<strong>der</strong>hannes»). Warum nicht<br />

einmal eine spannende Tour mit<br />

dem Fotoapparat machen? Die<br />

Kin<strong>der</strong> nehmen alles auf, was sie<br />

beobachten. Beim nächsten Regensonntag<br />

ergibt sich aus den Fotos<br />

ein Spiel: Wer findet zuerst <strong>die</strong><br />

Tanne mit <strong>der</strong> krummen Spitze,<br />

das rote Auto, das Haus mit <strong>der</strong><br />

Dachluke? Stefanie Stäuble<br />

Doris Dörrie: Kirschblüten Hanami.<br />

Ein Filmbuch, Diogenes. Fr. 35.90<br />

Favell Lee Mortimer, Todd Pruzan<br />

(Hrsg.): Die scheusslichsten Län<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Welt. Mrs. Mortimers übellauniger<br />

Reiseführer. Malik Verlag. Fr. 30.90<br />

Martin Weiss: Urchuchi, 3 Bände:<br />

«Deutschschweiz und Graubünden»,<br />

Fr. 68.–, «Tessin», Fr. 59.–, «Roman<strong>die</strong>»<br />

(Herbst 2008), Rotpunktverlag<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 13


Mitarbeit: Stefanie Stäuble,<br />

Martin Bosshard, Marc Fatton,<br />

Heinz Flück, Urs Geiser, Stefan Grass,<br />

Peter Krebs, Werner Herger,<br />

Hugo Mahler, Adrian Schmid, Thomas<br />

Schwager, Christine Steinmann,<br />

Noëlle Petitdemange, Urs Diethelm,<br />

Brigitte <strong>Wo</strong>lf, Paola Nagel-Petrucci<br />

<strong>Wo</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> <strong>baden</strong> <strong>geht</strong><br />

Man mag von <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>er Sauberkeit halten, was man will: fürs Wasser ist<br />

sie von Vorteil. Und weil Helvetien als Wasserschloss Europas gilt, laden unzählige<br />

Flüsse und Seen zum Bade. Wir haben einige <strong>der</strong> schönsten, mit Bahn<br />

und Bus gut erreichbaren Frei- und Naturbä<strong>der</strong> besucht.<br />

14 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008


Tessin Das unwi<strong>der</strong>stehliche Bassin<br />

Wenige Meter weiter oben<br />

stürzt das Wasser <strong>der</strong> Maggia<br />

noch tosend durch <strong>die</strong><br />

Schlucht. Dann strömt es – etliche<br />

Meter tief und entsprechend beliebtes<br />

Ziel von Tauchergruppen –<br />

gemächlich dem Ausgang <strong>der</strong> Fels -<br />

enge zu, formt ein türkisfarbenes<br />

Bassin und lockt unwi<strong>der</strong>stehlich<br />

zum Bade. Kaltwasserscheue wenigstens<br />

zum Eintauchen (immer<br />

wie<strong>der</strong>!). Kaltwasserfeste zu ein<br />

paar Längen zwischen steil aufragenden<br />

Wänden. Ferner stehen<br />

Kiesbänke, ein weiteres grosses<br />

Bade- und Planschbecken und<br />

Sonnentankstellen auf und zwischen<br />

Steinbrocken zur Verfügung.<br />

Es hat hier, auch in <strong>der</strong><br />

Hochsaison, für alle ein Plätzchen,<br />

für Einheimische wie für<br />

<strong>die</strong> Turisti.<br />

Mit dem Maggiatalbus ab Locarno<br />

o<strong>der</strong> Ponte Brolla bis zur Haltestelle<br />

(auf Verlangen) zwischen Bignasco<br />

und <strong>der</strong> Endstation Cavergno. Gleich<br />

rechts davon führt ein Trampelpfad<br />

durch <strong>die</strong> Uferböschung zum steinübersäten<br />

Flussbett hinab.<br />

Uri Historische Stätte am Urnersee<br />

In den Urner Zeitungen wurde<br />

bereits vor dem Ersten Weltkrieg<br />

<strong>die</strong> Anregung gemacht, an<br />

den Gestaden des Urnersees eine<br />

Badeanstalt zu schaffen. Doch erst<br />

im Sommer 1927 konnte in Flüelen<br />

das Strandbad des <strong>Verkehrs</strong>vereins<br />

eröffnet werden. Dabei<br />

durfte man gemäss Zeitungskommentaren<br />

nicht an ein Nacktkulturbad<br />

mo<strong>der</strong>nsten Stiles denken,<br />

son<strong>der</strong>n an ein ordentliches Bad,<br />

wie man es in einem gesitteten<br />

Land zu treffen wünscht. Das historische<br />

Holzgebäude vermittelt<br />

auch heute noch eine heime lige<br />

Atmosphäre. 1991 wurde das<br />

Strandbad renoviert. Mit seiner<br />

Liegewiese mit Sandstrand, den<br />

Feuerstellen, dem Kin<strong>der</strong>spielplatz<br />

mit Bassin und <strong>der</strong> Sonnenterrasse<br />

mit kühlen Drinks und<br />

dem kleinen Imbiss für Zwischendurch<br />

lädt das Strandbad Flüelen<br />

von Juni bis August zum gemütlichen<br />

Verweilen ein.<br />

Mit <strong>der</strong> Bahn bis Flüelen, dann<br />

600 Meter <strong>der</strong> Seestrasse entlang<br />

in nördlicher Richtung.<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 15<br />

© Karen Cordes


Aargau Königlich <strong>baden</strong> beim Schloss<br />

Ein guter Ausgangspunkt für einen<br />

Badeausflug an den Hallwilersee<br />

ist das Schloss Hallwyl in<br />

Seengen. Dort gibt es ein Café, das<br />

Schloss ist auch für Kin<strong>der</strong> interessant.<br />

Badefreunde gehen dem<br />

Aabach entlang Richtung See, wo<br />

es verschiedene Plätze gibt. Beliebt<br />

ist <strong>die</strong>ser Teil für Gummiboot-Kapitäne.<br />

Ein weiterer Badeplatz<br />

befindet sich bei <strong>der</strong> Schiffsstation<br />

Seengen SGH. Wer einen<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Badestrände bevorzugt,<br />

nimmt von dort aus das<br />

nächste Schiff nach Meister-<br />

schwanden Delphin o<strong>der</strong> Seerose,<br />

wo man prächtig <strong>baden</strong> und essen<br />

kann. Übrigens ist das Aargauer<br />

Seeufer dank des Hallwilersee-<br />

Schutzdekrets überall zugänglich.<br />

Ein Spaziergang von Seengen<br />

SGH Richtung Meisterschwanden<br />

führt an unzähligen wilden kleinen<br />

Stränden vorbei. Badewillige<br />

können sich einen <strong>der</strong> lauschigen<br />

Plätze aussuchen.<br />

Mit dem Bus ab Lenzburg bis Schloss<br />

Hallwyl. Fussweg dem Aabach entlang<br />

Richtung Hallwilersee. Weiterfahrt ab<br />

Schiffsstation Seengen SGH möglich.<br />

Basel-Stadt Ruhe am Birsköpfli<br />

Die Basler sind ja für ihre fast<br />

zärtlich anmutende Sprache<br />

bekannt. Das «Birsköpfli» genannte<br />

Erholungsgebiet in Stadtnähe ist<br />

ein Kleinod für Ruhe suchende<br />

Freundinnen und Freunde des<br />

sommerlichen Badevergnügens.<br />

Drei frei zugängliche Liegewiesen<br />

unter gigantischen Pappeln laden<br />

<strong>die</strong> Sonnenhungrigen direkt bei<br />

<strong>der</strong> Birsmündung in den Rhein<br />

zum Lesen, Spielen und Schwatzen.<br />

Nach dem kühlenden Bad<br />

hilft ein Picknick über knurrende<br />

Mägen hinweg. Danach lädt das<br />

nahe Museum Tinguely zum kul-<br />

Bern Perpetuum mobile bei Bremgarten<br />

Das ist ein echter Geheimtipp:<br />

An <strong>der</strong> Aare unterhalb von<br />

Bern, aber zum Glück oberhalb <strong>der</strong><br />

Kläranlage Neubrück gibt es eine<br />

wun<strong>der</strong>bare Schlaufe, ein Häftli. Es<br />

weist bei günstigem Wasserstand<br />

© swiss-image<br />

turellen Auftanken. Seit Ende<br />

April steht <strong>die</strong> Holzbrücke über<br />

<strong>die</strong> Birs wie<strong>der</strong>, <strong>die</strong> als Velo- und<br />

Fussgängerverbindung zwischen<br />

Basel und Birsfelden fungiert. Die<br />

frühere, über vierzigjährige Brücke<br />

musste nach einem Seilriss im<br />

Juni 2007 demontiert werden.<br />

an zwei Stellen ein Sandsträndchen<br />

auf, vis-à-vis <strong>der</strong> Sandsteinfluh, <strong>die</strong><br />

das linke Ufer bildet. Es ist fast wie<br />

WASSER<br />

Badestellen<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 17<br />

© Peter Krebs<br />

Ab Bahnhof SBB mit Tram Nr. 2 bis<br />

Wettsteinplatz, umsteigen auf Bus<br />

Nr. 31 bis Museum Tinguely. Vom<br />

Museum zirka 5 Minuten Fussmarsch<br />

über <strong>die</strong> Eisenbahnbrücke bis zum<br />

Birsköpfli.<br />

am Meer. Ein lauschiger Ort. Die<br />

Hochzeitskirche von Bremgarten<br />

schlägt allen pünktlich <strong>die</strong> Stunde.<br />

Hier hat es eine in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> einmalige<br />

Sache: Ein beleuchteter<br />

Fussgängerstollen durchquert <strong>die</strong><br />

engste Stelle <strong>der</strong> Schlaufe. Man<br />

kann ihn unten anschwimmen, benutzen<br />

und steigt nach drei Minuten<br />

oben wie<strong>der</strong> in <strong>die</strong> Aare. Dann<br />

lässt man sich eine gute Viertelstunde<br />

lang im Wasser durch den<br />

malerischen Mäan<strong>der</strong> treiben, zurück<br />

zum Standstrand. Fast ein<br />

Perpetuum mobile. Aber bitte:<br />

nicht weitersagen.<br />

Vom Bahnhof Bern mit Bus 21 (Bremgarten)<br />

bis Haltestelle Schloss. Fünf<br />

Minuten zu Fuss am Schloss vorbei<br />

zur Kirche. Rechts vom Friedhof dem<br />

Waldrand entlang führt ein Pfad zur<br />

Aare.


WASSER<br />

Badestellen<br />

St.Gallen Lauschige Weiher<br />

Die Dreilinden-Weiher oberhalb<br />

<strong>der</strong> Stadt St.Gallen gehören<br />

zu den romantischsten Badeplätzen<br />

<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Die im 17.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t angelegten Weiher<br />

<strong>die</strong>nten <strong>der</strong> Textilindustrie. Bei<br />

Badewetter liegen <strong>die</strong> Textilien in<br />

Form bunter Badetücher um das<br />

© St.Gallen-Bodensee Tourismus<br />

Naturbad verteilt. Das Familienbad<br />

Dreilinden ist in seiner Infrastruktur<br />

aus dem Jahr 1896 erhalten<br />

geblieben und bietet einen für<br />

Frauen und Kin<strong>der</strong> abgetrennten<br />

Bereich. Vier Jahre jünger sind <strong>die</strong><br />

Anlagen des Gemeinschaftsbads<br />

im zweiten Weiher. Wer trotz freiem<br />

Eintritt das Wasser scheut, geniesst<br />

den wun<strong>der</strong>baren Ausblick<br />

auf <strong>die</strong> Stadt St.Gallen bis ans<br />

deutsche Ufer des Bodensees. Das<br />

Para<strong>die</strong>s liegt näher, als manche<br />

denken. Nächster Halt: St.Gallen!<br />

Das «Mühleggbähnli», ein Drahtseillift,<br />

führt wenige Meter von <strong>der</strong> St.Galler<br />

Kathedrale hinauf nach St.Georgen.<br />

Von da sind <strong>die</strong> Weiher in wenigen<br />

Gehminuten erreichbar. Im Sommer<br />

fährt ein Bä<strong>der</strong>bus direkt ab HB<br />

St.Gallen ins Naturbad-Para<strong>die</strong>s.<br />

Bern Schlemmen an <strong>der</strong> Emme<br />

Was gibt es Schöneres, als an einem<br />

lauen Sommerabend<br />

über sonnenwarme Steine zu hüpfen,<br />

den gebräunten Bauch im<br />

friedlich fliessenden Flusswasser<br />

zu kühlen und leckere Koteletts<br />

vom Grill zu geniessen? Das «Para<strong>die</strong>s»<br />

liegt den Burgdorferinnen<br />

und Burgdorfern buchstäblich zu<br />

Füssen. Unterhalb des Schlosshügels<br />

fliesst <strong>die</strong> Emme durch eine<br />

landschaftlich faszinierende Gegend.<br />

Dabei hinterlässt sie je nach<br />

Bern Der «Canyon» am Schwarzwasser<br />

Die Badeplätze im tiefen «Ca -<br />

n yon» des Schwarzwassers<br />

suchen ihresgleichen, was Harmonie<br />

und Abwechslungsreich-<br />

Pegelstand unterschiedlich grosse<br />

Kiesbänke, <strong>die</strong> als Picknickressort,<br />

Badeplatz o<strong>der</strong> Smalltalk-Lauschecke<br />

genutzt werden können.<br />

Nicht weit davon entfernt geniessen<br />

Bierliebhaber das stadteigene<br />

Gebräu: das «Burgdorfer Bier».<br />

Mit <strong>der</strong> Bahn nach Burgdorf. Beim<br />

Bahnhof zu Fuss (15 Minuten) o<strong>der</strong><br />

mit Bus Nr. 465/464 Richtung Hasle-<br />

Rüegsau o<strong>der</strong> Nr. 468 Richtung Lueg<br />

bis Station Hallenbad. Vom Hallenbad<br />

Emme aufwärts, beidseitig <strong>der</strong> Ufer.<br />

tum betrifft. Gratis und franko<br />

kann man sich hier auf den Felsen<br />

entlang des Flusses aufwärmen,<br />

allerorts duftet es nach Gril-


liertem, Kin<strong>der</strong> stauen den Fluss<br />

mit Steinen und wenn man Glück<br />

hat, erwischt man ein freies Plätzchen<br />

auf einer Sandbank. So viel<br />

<strong>Wo</strong>hlsein teilt man natürlich mit<br />

an<strong>der</strong>en, vor allem am <strong>Wo</strong>chen-<br />

ende. Unter <strong>der</strong> <strong>Wo</strong>che lichtet<br />

sich das Gedränge, Spaziergänger<br />

führen den Hund aus o<strong>der</strong> kühlen<br />

sich im eiskalten Wasser <strong>die</strong><br />

Füsse. Der Fluss ist je nach Abschnitt<br />

ein kin<strong>der</strong>gerechtes Rinn-<br />

© swiss-image<br />

sal, an<strong>der</strong>norts sollte man seinen<br />

Nachwuchs gut im Auge behalten.<br />

Insektenspray nicht vergessen:<br />

Bremsen und Mücken sind<br />

in <strong>die</strong>sem Naturpark keine Seltenheit!<br />

Neuenburg Der lac des Taillères<br />

Im Westen des vallée de la Brévine,<br />

wenige Kilometer vom<br />

gleichnamigen Ort entfernt, liegt<br />

<strong>der</strong> lac des Taillères. Er speist <strong>die</strong><br />

Areuse, <strong>die</strong> unterirdisch abfliesst<br />

und erst im Val-de-Travers wie<strong>der</strong><br />

auftaucht. Es ist ein beliebter<br />

Ausflugsort. Im Winter, wenn <strong>der</strong><br />

kleine See zufriert, wird er zur<br />

grössten Eisbahn des Kantons. Im<br />

Frühling wärmt er sich rasch auf.<br />

Das Gewässer liegt inmitten alter<br />

Torfmoore. Sein trübes Wasser<br />

Mit <strong>der</strong> S-Bahn ab Bern Richtung<br />

Schwarzenburg bis Station Schwarzwasserbrücke.<br />

Hinter dem Parkplatz<br />

des Restaurants führt ein Fussweg in<br />

10 Minuten zum Fluss.<br />

WASSER<br />

Badestellen<br />

absorbiert <strong>die</strong> Sonnenstrahlen beson<strong>der</strong>s<br />

gut. Auf dem Südufer<br />

kann man Feuer entfachen und<br />

allerlei Esswaren braten. Das ist<br />

gegen den Abend zu beson<strong>der</strong>s<br />

willkommen, denn dann kann es<br />

am See, <strong>der</strong> auf über 1000 m.ü.M.<br />

liegt, recht frisch werden.<br />

Mit dem Publicar (tel.0080 55 30 00)<br />

von Le Locle o<strong>der</strong> Fleurier.


© Peter Krebs<br />

Luzern Die Seebadi – urbanes Leben<br />

Strikt geschlechtergetrennt präsentiert<br />

sich <strong>die</strong> fast 125-jährige<br />

«20er-Badi» heute nicht mehr:<br />

Zug Sandstrand mit Rigi-Blick<br />

An <strong>der</strong> Zuger Seepromenade<br />

folgen sich <strong>die</strong> Badegelegenheiten<br />

Schlag auf Schlag: Vom<br />

Bahnhof aus kommt man in westlicher<br />

Richtung zunächst zum Badeplatz<br />

Siehbach. Zum klassischen<br />

Zuger Strandbad (mit Restaurant,<br />

auch für Kin<strong>der</strong> gut geeignet)<br />

sind weitere fünf Minuten<br />

inklusive einem kurzen Abstecher<br />

auf <strong>die</strong> Chamerstrasse einzurechnen.<br />

Nicht weit davon entfernt<br />

folgt unser dritter Tipp: Das<br />

Brüggli bietet das ganze Jahr hindurch<br />

allen etwas, <strong>die</strong> den Zuger-<br />

«20er-Badi», weil <strong>der</strong> Eintritt vor<br />

rund einem halben Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

20 Rappen betrug. Symmetrisch<br />

Solothurn Bei den Störchen von Altreu<br />

Auch <strong>der</strong> Kanton Solothurn hat<br />

seinen Sandstrand. Im Dorfteil<br />

Altreu, Gemeinde Selzach, befindet<br />

sich neben dem Natur-Infozentrum<br />

Witi – hervorgegangen<br />

aus dem ehemaligen Storchen-<br />

Wie<strong>der</strong>ansiedlungsprojekt – <strong>der</strong><br />

beliebte Badeplatz «Sängeli» (Sang<br />

= Solothurner Dialekt für Sand).<br />

Sonst ist <strong>die</strong> Aare ja eher etwas für<br />

gute Schwimmerinnen. Hier in<br />

Altreu gibt es jedoch einen <strong>der</strong>art<br />

flachen natürlichen Sandstrand,<br />

dass bei mittlerem und niedrigem<br />

Wasserstand problemlos auch<br />

kleinere Kin<strong>der</strong> in den Genuss eines<br />

Flussbads kommen können.<br />

Und wer sich am frühen Morgen<br />

o<strong>der</strong> unter <strong>der</strong> <strong>Wo</strong>che am Strand<br />

aufhält, trifft vielleicht einen<br />

see lieben. Nochmals eine herrliche<br />

Aussicht auf <strong>die</strong> Rigi, eine<br />

Promenade mit Sitzbänken, einen<br />

Sandstrand für <strong>die</strong> Badenden und<br />

ein kleines Freiluftkaffee, denn<br />

von April bis September finden<br />

hier auch ein paar <strong>Wo</strong>hnwagen, in<br />

gebührendem Abstand zum See,<br />

Platz. Da Zug bekanntlich nicht<br />

vom See allein lebt, wird nirgendwo<br />

Eintritt verlangt.<br />

Fussweg ab Bahnhof Zug zum Zugersee:<br />

2 Min., danach <strong>der</strong> Promenade<br />

dem See entlang.<br />

getrennt <strong>die</strong> beiden Eingänge für<br />

Frauen und Männer. Es ist wohl<br />

eine <strong>der</strong> beschaulichsten und zu-<br />

Storch an. Überhaupt, Altreu und<br />

seine Storchenkolonie: Der allerorts<br />

auf Hausdächern und Bäumen<br />

klappernde Storch bringt<br />

Kin<strong>der</strong> und Erwachsene zum<br />

Staunen.<br />

Anreise: Mit dem Schiff (Bielersee<br />

Schifffahrt BSG) von Solothurn (ca. 45<br />

Minuten), Büren an <strong>der</strong> Aare (50 Mi-<br />

Graubünden Märchenhafter Waldsee<br />

Ein kurzer Spaziergang durch<br />

den Wald, und plötzlich liegt<br />

er da, wie im Traum: <strong>der</strong> Caumasee<br />

mit seinen malerischen Buchten.<br />

Der Lag la Cauma liegt in einer<br />

Senke südlich und unterhalb<br />

von Flims. Sein Wasser ist türkisgrün<br />

und angenehm kühl, weil er<br />

von unterirdischen Quellen gespiesen<br />

wird. Im Sommer ist <strong>der</strong><br />

See ein beliebter Badeort für Einheimische<br />

und Touristen; während<br />

<strong>der</strong> Saison wird Eintritt verlangt.<br />

Seit 1937 führt eine Standseilbahn<br />

gratis zum See. Der Was-<br />

WASSER<br />

Badestellen<br />

gleich intimsten Bademöglichkeiten<br />

in Luzern. Zwei in sich geschlossene<br />

Innenbecken ermöglichen<br />

mit altertümlicher Hydraulik,<br />

das Niveau des hölzernen<br />

Rostes – <strong>der</strong> zugleich als Boden<br />

<strong>die</strong>nt – abzusenken und auch ungeübten<br />

Schwimmern den Zugang<br />

zum Wasser zu ermög -<br />

lichen. Hun<strong>der</strong>te von Schulklassen<br />

haben dort das Schwimmen<br />

gelernt. Heute wird <strong>die</strong> altehrwürdige<br />

Dame verjüngt: Sie wird<br />

unter Denkmalschutz gestellt und<br />

den mo<strong>der</strong>nen Bedürfnissen angepasst.<br />

Vom Bahnhof Luzern führt <strong>der</strong><br />

Spaziergang über <strong>die</strong> Seebrücke den<br />

grossen Hotels National und Palace<br />

entlang in zehn Minuten zum Seebad<br />

am Nationalquai.<br />

nuten) und von Biel aus (2 Stunden 10<br />

Minuten). Im Sommer verbindet eine<br />

velogängige Fähre Altreu mit dem südlichen<br />

Aareufer. Altreu liegt an den<br />

beiden nationalen Velorouten 5 und 8.<br />

Unter <strong>der</strong> <strong>Wo</strong>che fährt stündlich ein<br />

Bus vom Bahnhof Grenchen nach Altreu.<br />

serspiegel des Lag la Cauma ist seit<br />

2003 auffällig tief. Ein Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> unterirdischen<br />

Umfahrung von Flims ist nicht<br />

ausgeschlossen. Zurück zum Angenehmen:<br />

Ein Strandbad (offen<br />

Juni bis September), ein Seerestaurant<br />

und ein Bootsverleih runden<br />

den Spass ab.<br />

Der Waldspaziergang von <strong>der</strong> Post -<br />

autostation Flims Waldhaus bis zum<br />

Caumasee dauert 15 Minuten. Für <strong>die</strong><br />

letzte Etappe steht <strong>die</strong> Standseilbahn<br />

zur Verfügung.<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 21


WASSER<br />

Badestellen<br />

Zürich Holz, Wasser und Sonne<br />

Zürich ist zwar zwinglianisch<br />

geprägt und dennoch ein Badekanton.<br />

In einem Bä<strong>der</strong>führer*<br />

sind zwischen Rapperswil am<br />

oberen Zürichsee und dem Rhein<br />

über 140 Freibä<strong>der</strong> und Badeplätze<br />

aufgeführt. Allein in <strong>der</strong> Stadt<br />

Zürich gibt es 5 Frei-, 6 Strand-<br />

und 5 Flussbä<strong>der</strong>. Das älteste<br />

Fluss bad und vielleicht das charmanteste<br />

ist <strong>der</strong> Untere Letten am<br />

Limmatkanal. Entlang des Ufers<br />

stehen alte Holzhäuschen als Umkleidekabinen<br />

mit Kiosk. Über<br />

dem Wasser schwebt <strong>die</strong> Brückenkonstruktion,<br />

auf <strong>der</strong> sich <strong>die</strong><br />

Schaffhausen Frohes Treiben am Rhein<br />

An schönen Sommertagen könnte<br />

man ob des fröhlichen Treibens<br />

auf dem Rhein den Eindruck<br />

gewinnen, Büsingen liege am<br />

Canale Grande. In Wirklichkeit<br />

ist <strong>die</strong> fünf Kilometer oberhalb<br />

Schaffhausens gelegene Gemeinde<br />

eine deutsche Exklave. Im Strandbad<br />

herrscht Badevergnügen pur.<br />

Kin<strong>der</strong> tummeln sich auf dem<br />

Spielplatz und <strong>der</strong> Badeinsel im<br />

Rhein. Nach sportlicher Betätigung<br />

mit Tischtennis o<strong>der</strong> Beachvolleyball<br />

sorgt ein Kiosk für das<br />

Gäste einrichten und <strong>die</strong> als Zugang<br />

zum Wasser <strong>die</strong>nt. Es hat<br />

sogar eine Grünfläche sowie<br />

ein separates Nichtschwimmerund<br />

Kin<strong>der</strong>planschbecken. Im<br />

Juli läuft am Abend das Freiluftkino<br />

«Filmfluss».<br />

leibliche <strong>Wo</strong>hl. Das Strandbad<br />

liegt relativ ruhig, <strong>die</strong> Gemeinde<br />

bevorzugt bei <strong>der</strong> Vermietung<br />

von Bootsanlegestellen motorlose<br />

Was serfahrzeuge. Es tuckern aber<br />

<strong>die</strong> Passagierschiffe <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

«Untersee und Rhein» vor-<br />

*Badi-Tipp Zürich, Werdverlag<br />

Tram 4/13 bis Dammweg, dem Dammweg<br />

entlang und über <strong>die</strong> Brücke.<br />

O<strong>der</strong> mit S-Bahnen 2/8/14 bis Bahnhof<br />

Wipkingen, 300m <strong>die</strong> Dammstrasse<br />

runter, dann links 100m <strong>der</strong> Wasserwerkstrasse<br />

folgen.<br />

bei, <strong>der</strong>en Wellengang jeweils <strong>die</strong><br />

Schwimmenden ins Wasser lockt.<br />

Mit dem RVSH-Bus <strong>der</strong> Linie 22, Kursbuch<br />

Strecke 71.025, Haltestelle «Büsingen<br />

Strandbad».<br />

22 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008<br />

© swiss-image


WASSER<br />

Badestellen<br />

Wallis Der taufrische Baggersee<br />

Im Lawinenwinter 1999 suchte<br />

<strong>die</strong> Trützi-Lawine das Dorf Geschinen<br />

im Goms mehrere Male<br />

heim. In <strong>der</strong> Folge wurde <strong>der</strong> Bau<br />

eines neuen Lawinendamms zum<br />

Schutz des Dorfes beschlossen.<br />

Das Material zum Aufschütten des<br />

Damms stammte vom ehemaligen<br />

Militärflugplatz. Nun war <strong>die</strong> Zeit<br />

gekommen, eine alte Idee in <strong>die</strong><br />

Tat umzusetzen: Das entstandene<br />

Baggerloch eignete sich ausgezeichnet<br />

für den «Bau» eines Sees.<br />

So kam das Goms im Hitzesom-<br />

mer 2003 zu einem Badesee, <strong>der</strong><br />

von Einheimischen und Touristen<br />

rege genutzt wird. Allerdings ist<br />

nur ein Teil zugänglich. Der an<strong>der</strong>e<br />

ist als Biotop gestaltet und <strong>die</strong>nt<br />

vielen Tieren und Pflanzen als Lebensraum.<br />

Mit <strong>der</strong> Matterhorn Gotthard Bahn<br />

ab Brig o<strong>der</strong> Göschenen bis nach Ge -<br />

schinen. Vom Bahnhof Geschinen,<br />

500 Meter vom Dorf entfernt, in zehn<br />

Minuten zum See in nordöstlicher<br />

Richtung.<br />

Tessin Riviera in <strong>der</strong> Sonnenstube<br />

Die Tessiner verraten ihre<br />

schönsten Badeplätze nur ungern.<br />

Doch <strong>die</strong> Städte Lugano und<br />

Locarno haben beide ein «Lido»,<br />

wobei jenes von Lugano mit seinem<br />

Sandstrand sehr bequem mit<br />

dem Bus zu erreichen ist. In Locarno<br />

muss man ein Paar Minuten<br />

länger gehen. Etwas schwieriger<br />

mit dem «Buxi» zu erreichen, aber<br />

Genf Die Insel <strong>der</strong> Seligen<br />

empfehlenswert ist das Lido von<br />

Ascona. Bequem an <strong>der</strong> Bahnlinie<br />

liegt das Strandbad von Melide,<br />

wobei sich Familien mit Kin<strong>der</strong>n<br />

zudem im nahe gelegenen «Swissminiatur»<br />

vergnügen können.<br />

Eine Promenade über den Seedamm<br />

erschliesst auch das<br />

Schwimmbad von Bissone, das lei<strong>der</strong><br />

in Autobahnnähe liegt. Und<br />

Waadt Die Unterführung zum See<br />

Näher <strong>geht</strong> es nicht: In Rivaz<br />

führt <strong>die</strong> Bahnhofunterführung<br />

von <strong>der</strong> Station gleich zum<br />

See. Zum grössten See Westeuropas<br />

immerhin. Man kann praktisch<br />

in den Badehosen aus dem<br />

Zug ins Wasser steigen. Das Ufer<br />

und sein Hinterland heissen hier<br />

Lavaux, es ist berühmt für seine<br />

Schönheit und den Wein. Und es<br />

bietet eine Reihe weiterer Badeplätze.<br />

Der Genfersee ist auch ein<br />

Badesee. In unmittelbarer Nähe<br />

<strong>der</strong> Station Epesses zum Beispiel<br />

In Genf fliesst das Wasser ja<br />

nach oben. Bis es wie<strong>der</strong> runterfällt.<br />

Ganz in <strong>der</strong> Nähe des bekannten<br />

Jet d’Eau hat es eine weitere<br />

Sehenswürdigkeit, <strong>die</strong> für<br />

Auswärtige so etwas wie ein Geheimtipp<br />

ist. Les Bains des Pâquis.<br />

Es ist entlang einer Mole angelegt,<br />

<strong>die</strong> weit in den See hinaus reicht,<br />

fast bis zum Jet d’Eau. Ein Leuchtturm<br />

bildet den schmucken Abschluss.<br />

Auf <strong>der</strong> einen Seite <strong>der</strong><br />

Mole hat es einen Kiesstrand, gegen<br />

<strong>die</strong> Stadt zu ist <strong>der</strong> See tiefer.<br />

Die Anlage ist nicht sehr gross,<br />

aber vielseitig und sehr schmuck,<br />

sehr familiär. Und sie liegt den<br />

Genferinnen am Herzen. Als das<br />

Bad vor 20 Jahren umgebaut werden<br />

sollte, stellten sie sich auf <strong>die</strong><br />

finden sich gleich zwei Badestellen.<br />

Gegen Montreux zu ist es ein<br />

kleiner aber feiner Platz am Kiesufer,<br />

nach Westen stösst man auf<br />

<strong>die</strong> Bains de Moratel. Es ist das<br />

grösste <strong>der</strong> drei Seebä<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gemeinde<br />

Cully. Nebst Kies hat es<br />

hier auch Gras und Pinien.<br />

Rivaz: Von <strong>der</strong> Bahnstation Rivaz<br />

(zwischen Lausanne und Montreux)<br />

durch <strong>die</strong> Unterführung.<br />

Epesses: Von <strong>der</strong> Bahnstation je einige<br />

Minuten zu Fuss in beide Richtungen.<br />

Mehr Badestellen<br />

Weitere Badegelegenheiten stellen<br />

wir auf unserer <strong>VCS</strong>-Internetseite<br />

vor: www.verkehrsclub.ch/magazin.<br />

Eine gute Übersicht über <strong>die</strong><br />

<strong>Schweiz</strong>er Bä<strong>der</strong> findet man auch<br />

unter www.swissbadeanstalt.ch.<br />

Dort ist jeweils auch ein sehr praktischer<br />

Kartenausschnitt samt den<br />

ÖV-Verbindungen eingeblendet.<br />

24 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008<br />

© swiss-image<br />

zuletzt doch noch <strong>der</strong> kleine Geheimtipp:<br />

unbedingt den freien<br />

Strand von Casoro bei Figino besuchen,<br />

er ist mit dem Postauto anzusteuern.<br />

Lido Lugano: Ab Bahnhof Bus 2 Richtung<br />

«Cornaredo» o<strong>der</strong> «Funicolare»<br />

bis ins Stadtzentrum und dann Bus 1<br />

Richtung Castagnola.<br />

Lido Locarno: Ab Bahnhof Bus 32.<br />

Dann ein kurzer Fussweg.<br />

Lido Ascona: Bus 31 ab Locarno bis<br />

Ascona San Materno und danach<br />

Minibus Buxi.<br />

Strandbad Melide: 5 Minuten zu Fuss<br />

ab Bahnhof.<br />

Casoro bei Figino: Postauto ab<br />

Lugano Zentrum (Piazza Rezzonico)<br />

o<strong>der</strong> ab Bahnhof Lugano-Paradiso.<br />

Hinterbeine und retteten es. Heureusement.<br />

Vom Bahnhof Genf Cornavin zu Fuss in<br />

10 Minuten erreichbar (durch das Pâquis-Quartier).


ÖSTERREICH<br />

Gastbeitrag<br />

Österreich und <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> veranstalten im Juni <strong>die</strong> Fussball-Europameisterschaft.<br />

Endo Anaconda forscht nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden<br />

seiner beiden Heimatlän<strong>der</strong>.<br />

Auswan<strong>der</strong>n ins Ländle<br />

Text: Endo Anaconda<br />

Endo Anaconda ist Musiker,<br />

Autor und Bandlea<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

be kannten Formation «Stiller Has».<br />

www.stillerhas.ch<br />

Mein Vater war <strong>Schweiz</strong>er, meine<br />

Mutter Österreicherin. Somit<br />

habe ich zwei Heimatlän<strong>der</strong><br />

in denen ich verwurzelt bin.<br />

Lustig ist ja, dass oft <strong>die</strong> genau<br />

gleichen leicht boshaften Witze,<br />

über welche wir <strong>Schweiz</strong>er uns<br />

zerkugeln können, von den Österreichern<br />

mit umgekehrten Hauptdarstellern<br />

als <strong>Schweiz</strong>erwitze<br />

zum Besten gegeben werden.<br />

Was sich liebt, das neckt sich.<br />

Als Mensch, <strong>der</strong> seit seiner<br />

frühsten Kindheit in beiden Län<strong>der</strong>n<br />

zuhause ist, kriege ich da<br />

mein Fett doppelt weg. Das fing<br />

schon in <strong>der</strong> Schule an. Da sorgte<br />

mein schweizerdeutscher Rufname<br />

«Res» (emmentalerische Kurzform<br />

für Andreas), für Erheiterung.<br />

Da hätte ich genau so gut<br />

Echnaton o<strong>der</strong> Hürlimann heissen<br />

können. Mit letzterem Namen<br />

wurde ich als <strong>Schweiz</strong>er in Österreich<br />

auch oft gefrotzelt, wobei ich<br />

mich immer fragte, was denn <strong>die</strong>se<br />

Österreicher Seppeln an <strong>die</strong>sem<br />

Österreich während <strong>der</strong> Europameisterschaft zum halben Preis<br />

Während <strong>der</strong> Fussball-EM ist <strong>der</strong><br />

Besuch des östlichen Nachbarlands<br />

mit dem Zug beson<strong>der</strong>s günstig. Das<br />

Generalabonnement (GA) und das<br />

Halbtaxabo berechtigen im Juni<br />

auch in Österreich Ermässigungen<br />

von bis zu 50 Prozent auf Bahnbilletten<br />

(25 Prozent gibts auf internationalen<br />

Billetts immer). Umgekehrt<br />

geniessen <strong>die</strong> Inhaberinnen <strong>der</strong><br />

österreichischen Vorteilscard Rabatt<br />

auf den <strong>Schweiz</strong>er Bahnen.<br />

In <strong>die</strong> vier Austragungsstädte<br />

(Wien, Klagenfurt, Salzburg und<br />

Inns bruck) fährt man mit dem<br />

«Host City Ticket». Nebst <strong>der</strong> Retourfahrt<br />

umfasst es <strong>die</strong> Benutzung <strong>der</strong> lokalen<br />

<strong>Verkehrs</strong>betriebe des Zielortes.<br />

Es gibt spezielle EM-Abonnemente.<br />

Beim Kauf eines solchen GAs o<strong>der</strong> Halbtaxabos<br />

bis Ende Mai winkt ein deutlicher<br />

Vorverkaufsrabatt.<br />

Im Juni verkehren zwischen <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> und Österreich zusätzliche Züge.<br />

Tagsüber verbindet <strong>der</strong> «Europameister»<br />

Zürich mit Wien. Ausserdem<br />

wird eine weitere Nachtverbindung angeboten.<br />

Diese Züge sind im Online-<br />

Fahrplan aufgeschaltet.<br />

Die österreichischen Austragungsorte<br />

Familiennamen so lustig finden,<br />

welcher bei uns genau so ge läufig<br />

ist wie Buser o<strong>der</strong> Schne beli. Diese<br />

«Groschlis» (als solcher wurde<br />

ich dann in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> tituliert)<br />

denken sich gleich etwas Unanständiges.<br />

Das darf man sich nicht allzu<br />

sehr zu Herzen nehmen. Sonst<br />

muss man halt nach Liechtenstein<br />

auswan<strong>der</strong>n, welches ja so etwas<br />

wie <strong>die</strong> perfekte Mischung meiner<br />

beiden Heimatlän<strong>der</strong> ist. Ist doch<br />

das Ländle bekanntlich eine<br />

waschechte Habsburgermonarchie<br />

und trotzdem so etwas wie eine<br />

<strong>Schweiz</strong> im Briefkastenformat.<br />

Manchmal, wenn unsere <strong>Schweiz</strong>er<br />

Armee wie<strong>der</strong> einmal den<br />

Schutzwald oberhalb von Vaduz<br />

in Brand schiesst, hat man das Gefühl,<br />

<strong>der</strong> Befreiungskrieg meiner<br />

<strong>Schweiz</strong>er Urahnen gegen <strong>die</strong><br />

Habsburger dauere immer noch<br />

an. Als Exil böte sich dann höchstens<br />

noch Vorarlberg an, <strong>die</strong> reden<br />

auch alemannisch. Als ich<br />

wollen Fussball mit Kultur in Einklang<br />

bringen. In Wien sollen auf <strong>der</strong> längsten<br />

Fanmeile <strong>der</strong> EM <strong>die</strong> Wiener Sängerknaben<br />

und <strong>die</strong> Philharmoniker ein<br />

Konzert geben. Ähnliches ist in Salzburg,<br />

Innsbruck und Klagenfurt vorgesehen.<br />

Auch sonst soll <strong>der</strong> Kulturbetrieb<br />

während des Fussball-Interregnums<br />

nicht eingestellt werden. Viel<br />

Glück!<br />

Infos: Für <strong>die</strong> Anreise am Reiseschalter<br />

Bahnhof und unter www.sbb.ch/<br />

euro08; für touristische Informationen<br />

zu Österreich www.austria.info<br />

sowie Tel. 0842 10 18 18 (Ortstarif).<br />

schliesslich vor 35 Jahren das ewige<br />

«Res, Käs, <strong>Schweiz</strong>erkäs!», welches<br />

mir schon im Kin<strong>der</strong>garten<br />

um <strong>die</strong> Ohren schallte, endlich so<br />

satt hatte, dass ich mich zu einer<br />

Rückkehr in <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> entschloss,<br />

liess ich gleichzeitig den<br />

Emmentaler Res zum Stadtberner<br />

Ändu mutieren. Weil ich, wie<br />

schon so viele Österreicher vor<br />

mir (auch H.C. Artmann wil<strong>der</strong>te<br />

unter den Lauben), dem unbeschreiblichen<br />

Charme einer schönen<br />

Bernerin erlegen war. Das<br />

blöde war nur, dass nicht nur<br />

mein Vorgänger bei <strong>die</strong>ser Dame<br />

Ändu hiess, son<strong>der</strong>n auch mein<br />

Nachfolger. Bis ich dem Ganzen<br />

ein Ende setzte.<br />

Ich wusste wirklich nicht, von<br />

wem sie im Schlaf redete. Zudem<br />

fanden meine österreichischen<br />

Kol legen Ändu unwahrscheinlich<br />

witzig. Die können nämlich aus irgend<br />

einem Grund «ä» und «u»<br />

nur mit Mühe hintereinan<strong>der</strong> aussprechen.<br />

Das führte dazu, dass ich<br />

mich heute Endo nenne. Das ist<br />

wie<strong>der</strong>um ein Name <strong>der</strong> in Japan<br />

recht häufig vorkommt. Einem<br />

Land, welches nun mit Österreich<br />

nichts gemeinsam hat, ausser dass<br />

es einen Kaiser gibt. Einen solchen<br />

hat Österreich aber lei<strong>der</strong> nur<br />

mehr mental. Seit <strong>der</strong> grosse Bruno<br />

Kreisky 1983 aus lauter Trotz<br />

zurückgetreten ist, nur weil sein<br />

stures Volk das Atom kraft werk<br />

Zwentendorf nicht wollte.<br />

<strong>Wo</strong> sie Recht haben, da haben<br />

sie Recht, <strong>die</strong>se Österreicher. Dies<br />

obwohl Bruno <strong>der</strong> Grosse von allen<br />

aufrichtig geliebt und verehrt<br />

wurde, weil er wie kein zweiter<br />

Nachkriegspolitiker, mit Ausnah-<br />

26 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008


Experte in Sachen Musik, Österreich und Fussball: Autor Endo Anaconda in Aktion.<br />

me des Leopold Figl vielleicht,<br />

das Schmähzepter zu schwingen<br />

wusste. Letzterer, ein legendärer<br />

Weinbeisser und erster Bundeskanzler<br />

<strong>der</strong> zweiten Republik,<br />

führte Österreich 1955 als Aussenminister<br />

in <strong>die</strong> Unabhängigkeit,<br />

indem er angeblich den damaligen<br />

russischen Aussenminister<br />

Molotow beim Heurigen un -<br />

ter den Tisch zechte. Gegen <strong>die</strong>se<br />

Schram melattacke war <strong>der</strong> bolschewistische<br />

Hardliner machtlos.<br />

Der kannte wahrscheinlich nur<br />

<strong>Wo</strong>dka o<strong>der</strong> Molotowcocktails.<br />

Seitdem setzte Österreich mehr<br />

auf <strong>die</strong> kulinarische Landesverteidigung,<br />

während man bei uns in<br />

<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, den ganzen Kalten<br />

Krieg lang, bis in <strong>die</strong> heutigen Tage<br />

hinein, auf <strong>die</strong> Panzerschlacht<br />

im Mittelland setzt. Weil wir<br />

<strong>Schweiz</strong>er keinen Heurigen haben<br />

und erst recht keine trinkfesten<br />

Politiker wie Leopold Figl einer<br />

war. Der einzige, <strong>der</strong> so was zu<br />

Stande gebracht hätte, ist lei<strong>der</strong><br />

von uns gegangen. Unser hochverehrter<br />

Altbundesrat Jean-Pascal<br />

Delamuraz. Der hätte es vielleicht<br />

noch geschafft, etwaige Invasoren<br />

mit Fendant in Schach zu<br />

halten. Bliebe höchstens noch <strong>der</strong><br />

Filippo Lombardi, aber <strong>der</strong> hat genug<br />

im Tessin zu tun. Jetzt wo er<br />

plötzlich, wegen <strong>der</strong> streikenden<br />

Bähnler, für den öffentlichen Verkehr<br />

eintreten muss.<br />

Eine richtige Armee braucht<br />

Österreich bis heute nicht. Die<br />

können bei Bedarf von <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> den alten Krempel mieten<br />

und <strong>der</strong> Sämi Schmid kann<br />

sich <strong>die</strong> Entsorgung sparen. Eine<br />

win-win Situation quasi.<br />

Genauso wie <strong>die</strong> Euro 08. Eine<br />

einmalige Gelegenheit für <strong>die</strong><br />

<strong>Schweiz</strong>, auch ein bisschen zu<br />

Europa zu gehören. Ausser vielleicht<br />

noch beim Eurovision Song<br />

Contest. Vielleicht haben <strong>die</strong> Ös -<br />

terreicher aber auch nach zwei<br />

Weltkriegen eine tiefere Abneigung<br />

gegen alles militärische als<br />

wir <strong>Schweiz</strong>er, denen <strong>die</strong>se Stahlgewitter<br />

zum Glück erspart geblieben<br />

sind. Gelingt es den Österreichern<br />

daher besser, sich den sinnlichen<br />

Freuden des Lebens hinzugeben<br />

als uns <strong>Schweiz</strong>ern o<strong>der</strong><br />

liegt es an den unterschiedlichen<br />

religiösen Prägungen? Einerseits<br />

<strong>der</strong> barocke Austrokatholizismus,<br />

an<strong>der</strong>erseits <strong>die</strong>se zwinglianische,<br />

helvetische Nüchternheit. Während<br />

<strong>der</strong> Katholik eher ein Vertreter<br />

des Ablassgedankens ist (nach<br />

<strong>der</strong> Beichte darf fröhlich weiter -<br />

gesündigt werden, weil einem <strong>die</strong><br />

Sünden ja erlassen werden), vertritt<br />

<strong>der</strong> Protestant eher den Abga-<br />

ÖSTERREICH<br />

Gastbeitrag<br />

begedanken. Arbeiten und Abgaben<br />

zahlen. Bei uns in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

gibt es sogar Drogenabgabeprogramme.<br />

Überhaupt neigen wir <strong>Schweiz</strong>er<br />

dazu, für jedes Problem ein<br />

Maschineli o<strong>der</strong> ein Stübli zu<br />

er finden. Fixerstübli, Alkistübli,<br />

Walliserstübli. Bald kommt auch<br />

noch das Raucherstübli. Nicht,<br />

dass zum Beispiel in Österreich<br />

das Rauchen im Zug erlaubt wäre,<br />

nur kümmert sich oft niemand<br />

darum. Die Österreicher setzen da<br />

mehr auf <strong>die</strong> kleinen Schritte.<br />

Österreich war das erste Land mit<br />

einem Nicht rauchersitzplatz, um<br />

<strong>die</strong> Mensch heit vor dem Tabakrauch<br />

zu schützen. Es bleibt dem<br />

Nichtraucher selbst über lassen, ob<br />

er auf seinem Sitzplatz rauchen<br />

möchte o<strong>der</strong> nicht.<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 27<br />

© Peter Krebs


© Peter Krebs<br />

WANDERN<br />

<strong>Schweiz</strong><br />

Der «alte Spittel», von Kaspar Jodok Stockalper auf dem Simplon erbaut, leuchtet in <strong>der</strong> Morgensonne.<br />

Sechs schöne Routen ins<br />

nahe Wan<strong>der</strong>glück<br />

Durch Stadtquartiere, über Hügel, auf Berge, über Pässe: Sechs Wan<strong>der</strong>ungen<br />

spiegeln <strong>die</strong> enorme Landschaftsvielfalt <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Sie sind für <strong>die</strong> verschiedensten<br />

Wan<strong>der</strong>temperamente gedacht. Sogar ein bekennen<strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>muffel<br />

ist losgepilgert – und halbwegs bekehrt zurückgekommen.<br />

28 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008


Stockalperweg Auf den Spuren eines Frühkapitalisten<br />

Kaspar Jodok von Stockalper<br />

(1609–1691) war eine typisch<br />

barocke Figur und einer <strong>der</strong> ersten<br />

Kapitalisten <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Er handelte<br />

mit Salz, machte im Bergbau<br />

und im Kreditwesen Geschäfte<br />

und verkaufte Schnecken. Stockkatholisch<br />

und Herr <strong>der</strong> drei Türme<br />

in seinem Briger Schloss, häufte<br />

er ein riesiges Vermögen an und<br />

ebenso viel Macht. Er übertrieb es<br />

ein wenig mit dem Reichtum und<br />

<strong>der</strong> Macht und musste nach Domodossola<br />

fliehen. Wir tun es ihm<br />

nach: Auf dem Stockalperweg,<br />

den Kaspar Jodok als Saumpfad<br />

anlegen liess und <strong>der</strong> in den vergangenen<br />

Jahren restauriert wurde.<br />

Es dauerte ziemlich lange, bis<br />

es so weit war und man das nötige<br />

Geld fand. Zuerst wollte <strong>die</strong> Autobahn<br />

A9 über den Simplon gebaut<br />

sein für <strong>die</strong> 40-Tönner. Sie kostete<br />

eine Milliarde Franken, mehr<br />

als Stockalper je besass. Der alte<br />

Saumpfad, Unterlage für eine<br />

Drei tagewan<strong>der</strong>ung, war viel billiger<br />

und ist extrem viel schöner.<br />

Die Frühkapitalisten hatten noch<br />

Geschmack. Die Passhöhe stellt<br />

sich als grandiose Weite dar, <strong>die</strong><br />

Spätestens seit dem Kinohit<br />

«Saint Jacques... La meque» ist<br />

Pilgern wie<strong>der</strong> in. Da bewegungsfaule<br />

Menschen häufig eine Neigung<br />

zu Geistlichem haben, gerate<br />

auch ich in Versuchung, eine<br />

Fussreise ans Grab des heiligen Jakobus<br />

in Santiago de Compostela<br />

anzutreten. Als Trainingseinstieg<br />

bieten sich landauf, landab Kürzestvarianten<br />

an. Wir wählen <strong>die</strong>jenige<br />

vom bernischen Rüeggisberg<br />

nach Schwarzenburg.<br />

Gleich nach dem Ausstieg aus<br />

dem Postauto in «Rüeggisberg<br />

Post» zeigt <strong>der</strong> Wegweiser in<br />

Richtung <strong>der</strong> drei Minuten entfernten<br />

Klosterruine Rüeggisberg.<br />

sich nach Süden zu absenkt. In<br />

Simplon-Dorf beginnt <strong>der</strong> Süden<br />

schon. Und doch gibt es alles,<br />

was man in den Walliser Bergen<br />

erwartet: Roggenbrot, Trockenfleisch,<br />

<strong>die</strong> Raiffeisenbank. Wir<br />

schlagen zu.<br />

Böse Zungen würden Gabi als<br />

«Loch» bezeichnen. Es ist auch <strong>der</strong><br />

Eingang in <strong>die</strong> Gondoschlucht, <strong>die</strong><br />

zu einem Erlebnispfad zwischen<br />

hohen Felsen hergerichtet wurde.<br />

Hier zwängen sich <strong>die</strong> A9 durch<br />

sowie <strong>die</strong> Doveria. Mal hört man<br />

mehr den Wildbach rauschen,<br />

mal den wild gewordenen Verkehr.<br />

Die Wan<strong>der</strong>vögel bewegen<br />

sich neben und über den Galerien,<br />

fliegen über Brücken, schleichen<br />

durch den Stollen einer alten Festung<br />

und kommen nach Gondo.<br />

Dort biegen sie ins Zwischbergental<br />

ein und sehen wie<strong>der</strong> einmal etwas<br />

mehr als bloss einen Schlitz<br />

Himmel. Es folgt <strong>der</strong> Monscerapass.<br />

Oben empfängt Italien einen<br />

mit Föhren, kristallklaren Bergseen<br />

und dem einsamen Berghaus<br />

Gattascosa, wo üppige Mengen<br />

von Käse und Schinken aus Parma<br />

serviert werden, wo Weisswein<br />

Die romanische Kirche wurde um<br />

1175 erbaut, nachdem hier 100<br />

Jahre zuvor <strong>der</strong> erste Cluniazenserorden<br />

auf deutschsprachigem<br />

Gebiet entstanden war. Als Kraftort<br />

wird <strong>die</strong> Klosterruine von vielen<br />

auf dem Jakobsweg Wan<strong>der</strong>nden<br />

besucht.<br />

Beim Abstieg zum Schwarzwasser,<br />

dem Auftakt zu unserer<br />

Pilgerreise auf <strong>der</strong> Via Jacobi Nr. 4,<br />

lässt <strong>die</strong> Erleuchtung auf sich warten.<br />

Nicht einmal ein erhabenes<br />

Gefühl will uns überkommen –<br />

<strong>die</strong> Strasse mit zahlreichen Sonntagsfahrern,<br />

<strong>die</strong> ihre Motorrä<strong>der</strong><br />

in je<strong>der</strong> Kurve aufheulen lassen,<br />

ist einfach zu nah. Schon viel nä-<br />

und Honiggrappa fliessen. Berauscht<br />

von all <strong>die</strong>sen Eindrücken<br />

steigt man hinunter über Gallinera<br />

nach Bognanco, einer mehrstufigen<br />

Berggemeinde. Zuunterst<br />

befindet sich das alte Thermalbad.<br />

Es beginnt <strong>der</strong> letzte Akt, <strong>die</strong><br />

Wan<strong>der</strong>ung hoch über <strong>der</strong> linken<br />

Talseite nach Domodossola. Auf<br />

dem hinreissenden Kalvarienberg<br />

quar tierte sich Stockalper nach<br />

seinem Fall bescheidener ein als in<br />

Brig. Nach Jahren kehrte er als<br />

Aufstieg durch <strong>die</strong> Ganterschlucht oberhalb von Brig.<br />

Schwarzenburgerland Seelenfriede auf brennenden Pilgersohlen<br />

her kommen wir <strong>der</strong> Sache nach<br />

dem Aufstieg gegen Mamishaus;<br />

hier ist sie, <strong>die</strong> Idylle <strong>der</strong> bäuerlichen<br />

<strong>Schweiz</strong>! Die städtischen Pilgerseelen<br />

lassen den Blick in <strong>die</strong><br />

Ferne schweifen, <strong>die</strong> nur aus Blau<br />

(Himmel), Grün (Fel<strong>der</strong>) und<br />

Braun (Bauern häuser) besteht,<br />

umrahmt vom spätwinterlichen<br />

Weiss <strong>der</strong> Al pen und <strong>der</strong> Jurakette.<br />

Der Wind bläst munter, man<br />

wünschte sich einen Drachen, <strong>die</strong><br />

<strong>Wo</strong>lken sind wie von Kin<strong>der</strong>hand<br />

gezeichnet und hoch oben jubiliert<br />

eine Lerche in him mlischen<br />

Tönen. Es stellt sich nicht gerade<br />

Erleuchtung ein – aber Seelenfriede<br />

und Ruhe.<br />

WANDERN<br />

<strong>Schweiz</strong><br />

einfacher Bürger heim. Uns fährt<br />

bequem das Postauto zurück.<br />

Peter Krebs<br />

Kurzinfo<br />

Gut markierte mittelschwere, etappierbare<br />

Bergwan<strong>der</strong>ung. Von Juni bis<br />

Ende September. Varianten: Auf den<br />

Simplonpass von Gspon aus über den<br />

Gebidum- und den Bistinenpass. Von<br />

Gabi aus über <strong>die</strong> Furggu direkt nach<br />

Zwischbergen. Details auf www.verkehrsclub.ch/magazin<br />

Die Routenbeschreibung spricht<br />

von zweieinhalb Stunden Marschzeit.<br />

In unserem Fall sind mit den<br />

nötigen Ruhepausen fünf Stunden<br />

vergangen, als wir mit brennenden<br />

Pilgersohlen in Schwarzenburg<br />

einmarschieren, dem<br />

Herz stück des voralpinen und wenig<br />

industrialisierten Schwarzenburgerlands.<br />

Und jetzt: zurück ins<br />

faule Leben! Stefanie Stäuble<br />

Kurzinfo<br />

Einfache, als Via Jacobi markierte<br />

Wan<strong>der</strong>ung ohne grosse Steigungen,<br />

ganzjährig möglich. Details auf<br />

www.verkehrsclub.ch/magazin<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 29<br />

© Peter Krebs


Tessin Fast wie Korsika, nur viel näher<br />

Ein Höhepunkt erwartet uns<br />

am zweiten Tag beim Abstieg,<br />

gleich nach dem Maiensäss Mella.<br />

Über 100, 200 Höhenmeter<br />

schiesst, hüpft, rinnt und sprudelt<br />

das Wasser des Bergbachs von Becken<br />

zu Becken, einige davon<br />

gross und tief genug, um darin ein<br />

paar Züge zu schwimmen. In <strong>die</strong><br />

Sonne blinzelnd, fühlt man sich,<br />

mitten im Maggiatal, nach Korsika<br />

versetzt.<br />

Beginnen könnte alles so: Wir<br />

wollen von Freitag bis Sonntag<br />

wan<strong>der</strong>n. Gemütlich, genussvoll,<br />

aber auch ein wenig sportlich.<br />

Feuchte Luftmassen aus Nordwest<br />

stauen sich an den Alpen, während<br />

im Tessin <strong>der</strong> Nordföhn den<br />

Himmel blank fegt. Also: Wir<br />

starten zur Mittagszeit in Luzern,<br />

sitzen vor vier Uhr im Unione in<br />

Gordevio, wo wir eins <strong>der</strong> fünf<br />

Zimmer ergattert haben. Ein kurzer<br />

Begrüssungstrunk unter dem<br />

Kiwiblätterdach <strong>der</strong> Gartenterrasse,<br />

und dann reicht es als Vorbereitung<br />

aufs Nachtessen noch bestens<br />

für <strong>die</strong> Rundtour über Ör<br />

und Archeggio. Hinauf <strong>geht</strong>s in<br />

eine für Tessiner Verhältnisse karge<br />

Vegetation, stellenweise wirkt<br />

<strong>die</strong> Alplandschaft fast kahl: überall<br />

Spuren des grossen Waldbrands<br />

von 2003. Stumm anklagend ragen<br />

verkohlte Baumgerippe aus<br />

dem grossflächig wuchernden<br />

Gins ter – eigenartig ästhetisch.<br />

Auch <strong>die</strong> jahrhun<strong>der</strong>tealten Kastanienbaumriesen<br />

in Ör werden<br />

kaum mehr blühen. Doch das<br />

Weglein hinüber nach Archeggio<br />

verscheucht allen Trübsinn; <strong>die</strong><br />

Wan<strong>der</strong>lust wächst Schritt für<br />

Schritt.<br />

Samstag. Die Küche des gastfreundlichen<br />

Hauses hat uns<br />

überzeugt. Zu den Spezialitäten<br />

gehört das Fleisch von Schottischen<br />

Hochlandrin<strong>der</strong>n, <strong>die</strong> als<br />

genügsame Landschaftsgärtner<br />

<strong>die</strong> Alpen oberhalb des Nachbardorfs<br />

Avegno davor bewahren,<br />

vom Wald verschluckt zu werden.<br />

Also heisst das Ziel nochmals<br />

Gordevio, mit Start in Maggia.<br />

Von da <strong>geht</strong>s ein Stück weit ins<br />

Valle del Salto hinein, unter den<br />

vielen schönen Seitentälern des<br />

Maggiatals vielleicht das allerschönste,<br />

und auf dem Wan<strong>der</strong>weg<br />

Richtung Alpe Nimi hinauf<br />

bis zur zauberhaft gelegenen Alpsiedlung<br />

Aiarlo. Äusserst lohnen-<br />

Stufe um Stufe zur Cappella della Pioda oberhalb von Maggia; vom Feuer<br />

ge schlagene Wunden bei Ör; vom Wasser geschaffenes Wun<strong>der</strong> bei Mella.<br />

Fotos: Karen Cordes<br />

de Variante für jene, <strong>die</strong> sich, mit<br />

<strong>der</strong> 1:25000er Karte im Sack, gerne<br />

auf einen unmarkierten Weg<br />

einlassen: erst bei Kote 665 abzweigen<br />

und über Alpen ohne Namen<br />

(eine davon mit Kote 1112)<br />

aufsteigen; von weit, weit unten<br />

wird zwischendurch <strong>die</strong> Kirche<br />

von Maggia zu den im siebten<br />

Himmel Schwitzenden hinaufgrüssen.<br />

Der Abstieg Aiarlo-<br />

Gor devio erfolgt dann so o<strong>der</strong> so<br />

via Badepara<strong>die</strong>s Mella–Ma lai–Archeggio,<br />

auf einem seit einiger<br />

Zeit wie<strong>der</strong> durchgehend gepflegten<br />

Bergweg.<br />

Und am Sonntag? Da reicht es<br />

vielleicht noch für eine Rundtour<br />

WANDERN<br />

<strong>Schweiz</strong><br />

im unteren Valle del Salto. O<strong>der</strong><br />

auch für mehr, weil längst klar ist,<br />

dass wir unmöglich am Montag<br />

zurück sein können. Urs Geiser<br />

Kurzinfo<br />

Während <strong>die</strong> kleine Runde Gordevio<br />

(340 m ü.M.) – Ör (915 m) – Gordevio<br />

keine beson<strong>der</strong>en Schwierigkeiten<br />

bietet, ist <strong>die</strong> Tour über Aiarlo eine 6bis<br />

7-stündige, technisch mittelschwere<br />

Bergwan<strong>der</strong>ung (1200 m hoch und<br />

wie<strong>der</strong> runter). Weiss-rot-weiss markiert,<br />

machbar von April bis zum ers -<br />

ten grossen Schneefall (Aiarlo) bzw.<br />

so gut wie ganzjährig (Ör). Details auf<br />

www.verkehrsclub.ch/magazin<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 31


Mittelland Zürich–Bern in 33 Stunden<br />

Die Sehnsucht nach Bern ist<br />

gross, und aller Anfang ist<br />

schwer. In Zürich ist es noch fast<br />

dunkel. Es regnet. Nach dem<br />

westlichen Vorort Uitikon-Waldegg<br />

muss man sich durch eine Agglomeration<br />

von Einfamilienhäuschen<br />

schlagen. Auf <strong>der</strong> nahen<br />

Strasse dröhnt <strong>der</strong> Pendlerverkehr.<br />

Im Bett bleiben wäre gescheiter<br />

gewesen, denke ich. Nach<br />

Bremgarten, in den Reuss-Auen,<br />

lösen sich <strong>die</strong> Zweifel auf. In <strong>der</strong><br />

Klosterkirche Muri AG zünde ich<br />

eine Weihekerze an und bin mit<br />

<strong>der</strong> Welt versöhnt. In Hitzkirch<br />

fragt ein Jasser in <strong>der</strong> Beiz, woher<br />

ich komme. Ich sage: «Von Zürich.»<br />

Er fragt: «Wie lange hast du<br />

gebraucht?» Ich: «Zehn Stunden.»<br />

Er: «Mit dem Subaru mache ich’s<br />

in vierzig Minuten.» Eben. Er<br />

wendet sich wie<strong>der</strong> seinen Jasspartnern<br />

zu.<br />

Zum Erlosen hinauf. Da haben<br />

sie einen Wan<strong>der</strong>weg durch den<br />

Wald gebaut und einen Brunnen<br />

hingestellt. Die Ausschil<strong>der</strong>ung ist<br />

perfekt. Nur: Für wen? Zum fünften<br />

Mal bin ich unterwegs, und<br />

noch nie habe ich einen an<strong>der</strong>en<br />

Intercity-Wan<strong>der</strong>er angetroffen.<br />

Im Nebel sind <strong>die</strong> Farbunterschiede<br />

abgeschwächt, <strong>die</strong> Landschaft<br />

ist wie chinesische Tuschmalerei.<br />

Dann Beromünster. Das Gasthaus<br />

Hirschen steht mächtig wie ein<br />

Ozeandampfer, darüber thront<br />

auf dem Hügel <strong>die</strong> Stiftskirche mit<br />

ihren Nebengebäuden. Der Wan<strong>der</strong>weg<br />

führt mitten durch. Rechts<br />

eine Sonnenuhr mit dem Spruch<br />

omnis vulnerat, ultima necat – jede<br />

Stunde verwundet dich, <strong>die</strong><br />

letzte tötet dich. Da kommt man<br />

ins Grübeln. Wie gesagt: per Eisenbahn<br />

eine Stunde, auf Schuhsohlen<br />

dreiunddreissig Stunden.<br />

Es ist eine Reise durch Raum und<br />

Zeit. Die Zeit erhält durch <strong>die</strong><br />

Langsamkeit eine neue Qualität,<br />

ist nicht mehr nur linear, bekommt<br />

Tiefe. Zürich–Bern zu Fuss.<br />

Immer mehr stellt sich <strong>die</strong> verrückte<br />

Idee als eine Entdeckungsreise<br />

durch <strong>die</strong> Aussenwelt heraus,<br />

aber auch durch das eigene Innere.<br />

Gehen ist so reich und so einfach.<br />

Man sieht <strong>die</strong> schönen Dinge<br />

am Wegrand, dem Wan<strong>der</strong>er<br />

wird es wohl an Körper und Seele.<br />

Essen und Trinken schmecken<br />

ihm doppelt so gut, und er schläft<br />

wie ein Murmeltier zehn Stunden<br />

lang.<br />

Noch ein paar Stunden bis<br />

Bern. In Lützelflüh erwartet mich<br />

eine Freundin, <strong>die</strong> auf dem letzten<br />

Stück mitwan<strong>der</strong>n will. Die Gasthäuser<br />

am Wegrand sind so<br />

schön, dass es noch ein paar Stunden<br />

mehr werden. Beim Most er-<br />

zähle ich <strong>der</strong> Freundin vom Aargau,<br />

vom Luzernischen, und sie<br />

glaubt, ich spreche von fernen<br />

Kontinenten. Der vorletzte Hügel<br />

hat den langen Namen Diepolds -<br />

husenegg, dann kommt noch <strong>die</strong><br />

kleine Steigung auf den Dentenberg<br />

hinauf. Der Schluss gleicht<br />

dem Anfang. Die Agglomeration<br />

dröhnt, rauscht, hämmert fleissig,<br />

mischt Beton, deckt Dächer und<br />

asphaltiert Strassen. Wir nehmen<br />

<strong>die</strong> letzten Treppen hinunter zum<br />

Bärengraben. Dort steht ein Brun-<br />

Neuenburger Jura Von <strong>der</strong> Table d’hôte auf <strong>die</strong> Tablettes<br />

Bahnhofbuffets von altem Schrot<br />

und Korn sind Kulturgut, ein<br />

Stück Heimat. Wie gut tut es <strong>der</strong><br />

Bahnfahrerseele, an solchem Ort<br />

<strong>die</strong> Vorfreude auf eine Wan<strong>der</strong>ung<br />

auszukosten! Zum Beispiel<br />

in Chambrelien, da, wo <strong>der</strong> Zug<br />

zwischen Neuenburg und La<br />

Chaux-de-Fonds halten muss, um<br />

<strong>die</strong> von <strong>der</strong> Topografie gefor<strong>der</strong>te<br />

Spitzkehre zu vollziehen. Ohne je-<br />

den Schnickschnack präsentiert<br />

sich <strong>die</strong> kleine Gaststube mit ihren<br />

kaum 30 Sitzplätzen: Nullachtfünfzehn-Mobiliar<br />

auf einem<br />

gut gealterten rötlichen Fliesenboden,<br />

doch <strong>der</strong> angeborene<br />

Charme überstrahlt alles. Draussen<br />

eine Veranda mit einem<br />

Hauch Western-Stil, vor allem<br />

aber: mit Seeblick.<br />

Die Vorfreude, <strong>die</strong> womöglich<br />

© swiss-image<br />

Intercity-Reise mit Halt auf Verlangen in Bremgarten AG.<br />

fast kein Ende nehmen will, gilt<br />

dem Tablettes-Felsen, einer von<br />

<strong>der</strong> Natur geschaffenen Aussichtsplattform<br />

zwei Wan<strong>der</strong>stunden<br />

weiter oben. Wie ein Wächter<br />

über dem Eingang zum Val de<br />

Travers steht er da. Und gewährt<br />

einen phantastischen Blick auf<br />

den unteren Teil des Neuenburgersees,<br />

<strong>die</strong>sen unschweizerisch<br />

grosszügigen blauen Teppich in-<br />

WANDERN<br />

<strong>Schweiz</strong><br />

nen. Wir ziehen <strong>die</strong> Schuhe und<br />

<strong>die</strong> Socken aus, wir strecken <strong>die</strong><br />

Füsse ins eiskalte Wasser und sagen<br />

kein <strong>Wo</strong>rt. Dres Balmer<br />

Kurzinfo<br />

Viertägige Weitwan<strong>der</strong>ung in hügeligem<br />

Gelände und etwa zur Hälfte auf<br />

verkehrsarmen Asphaltsträsschen, am<br />

Weg viel Gastronomie und Kultur. Man<br />

orientiert sich zuverlässig an den gelben<br />

regionalen Wegweisern. Details<br />

auf www.verkehrsclub.ch/magazin<br />

mitten von gewelltem Grün. Dahinter<br />

ein Strich Murten- und ein<br />

Fleck Bielersee, davor <strong>die</strong> Windungen<br />

<strong>der</strong> Areuse-Schlucht, am<br />

Horizont im Idealfall das volle<br />

Programm vom Säntis bis über<br />

den Mont Blanc hinaus.<br />

Während das erste Wegstück<br />

bis zum Dörfchen Rochefort ideal<br />

zum Warmlaufen ist, for<strong>der</strong>t <strong>die</strong><br />

zweite Hälfte <strong>der</strong> rund 600 Hö-<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 33


WANDERN<br />

<strong>Schweiz</strong><br />

henmeter mit dem Zickzack-Aufstieg<br />

durch felsdurchsetzten Wald<br />

<strong>die</strong> Beinmuskulatur. Als Belohnung<br />

wartet oben schon vor <strong>der</strong><br />

«Plattform» ein grasbewachsener<br />

Lausanne Exotisches gibts auch gleich um <strong>die</strong> Ecke<br />

Es braucht nicht immer eine<br />

Weltreise, um den Kopf durchzulüften.<br />

Auch in nächster Nähe<br />

sind verblüffende Entdeckungen<br />

zu machen. Beweis über Beweis<br />

dafür liefert <strong>der</strong> Schriftsteller<br />

Pierre Corajoud, <strong>der</strong> sich selbst als<br />

«Nah-Abenteurer» (aventurier du<br />

proche) sieht, mit seinen Spaziergängen<br />

und Bummeleien quer<br />

durch Lausanne. Auf dem «Türmchen-Bummel»,<br />

<strong>der</strong> vom Vélodrome<br />

im Norden zum zauberhaften<br />

Parc du Désert im Westen<br />

<strong>der</strong> Stadt führt, zeigt sich ein<br />

überraschend an<strong>der</strong>es Lausanne<br />

Zusatzinfos per Post<br />

Der <strong>VCS</strong> bietet eine neue Dienstleistung<br />

an: Viele Zusatzinformationen<br />

zu den Touren samt den genauen<br />

Routenangaben können Sie<br />

unter www.verkehrsclub.ch/magazin<br />

abholen o<strong>der</strong> per Post bestellen<br />

– siehe dazu Seite 4 <strong>die</strong>ses Magazins.<br />

Rastplatz, wo einen mit etwas<br />

Glück eine Gämse begrüsst, sicher<br />

aber, schräg gegenüber, <strong>der</strong> grandiose<br />

Felskessel des Creux du Van.<br />

Lediglich 20 Minuten sanften<br />

mit verkannten Strassen und geheimnisvollen<br />

Durchgängen. Wir<br />

kommen an prächtigen Sandsteinwänden<br />

vorbei – von hier<br />

stammt das Baumaterial für <strong>die</strong><br />

Kathedrale –, entdecken hübsche<br />

Häuser im Violette-Quartier und<br />

Fusswege weitab von den grossen<br />

<strong>Verkehrs</strong>achsen, je nach Wetter<br />

gar mit Alpensicht. Als krönen<strong>der</strong><br />

Abschluss lädt <strong>der</strong> Parc du Désert<br />

zu sinnendem Betrachten ein. Das<br />

lange, schmale Wasserbecken,<br />

von zum Teil 210–220 Jahre alten<br />

Linden gesäumt, ist eine Oase des<br />

Friedens. Das Spiegelbild <strong>der</strong> Bäume<br />

auf <strong>der</strong> glatten Oberfläche und<br />

<strong>der</strong> üppige Wasserpflanzenteppich<br />

tun das Ihre. Der in <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> einzigartigen Anlage,<br />

«canal» genannt, wohnt etwas<br />

Magisches inne.<br />

Der Bummel endet am Ende<br />

<strong>der</strong> Allee, beim ehemaligen Herrenhaus,<br />

das nun ein Restaurant<br />

beherbergt. Neben dem dazugehörigen<br />

ehemaligen Bauernhof<br />

steht – Art pour l’art in Reinkultur<br />

Abstiegs sind es dann noch bis zur<br />

Postautohaltestelle im Col de la<br />

Tourne. Ob man von hier nach<br />

Neuenburg zurück- o<strong>der</strong> nach Le<br />

Locle weiterfährt, <strong>die</strong> Reise bietet<br />

Unbekanntes Lausanne: <strong>der</strong> Parc du Désert.<br />

– ein kurioses neogotisches Turmhäuschen,<br />

eines <strong>der</strong> ersten Waadtlän<strong>der</strong><br />

Bauwerke <strong>die</strong>ser Art. Hier<br />

war <strong>der</strong> Ausgangspunkt eines<br />

Netzes von Spazierwegen durch<br />

den darüberliegenden bewaldeten<br />

Hang, wo einst – als dekorative<br />

Elemente – auch eine Einsiedelei,<br />

eine Grotte und ein strohgedecktes<br />

Häuschen <strong>die</strong> Lustwandelnden<br />

erfreute. Wir flanieren noch ein<br />

paar Meter westwärts. Da ist <strong>der</strong><br />

In zwei Stunden von <strong>der</strong> Bahnhofbuffet-<br />

zur Jura-Aussichtsterrasse.<br />

so viel Jura-Erlebnis, dass man<br />

sich fragt, weshalb man als Auswärtiger<br />

keinen Zuschlag bezahlt.<br />

Aber bevor das Postauto kommt,<br />

statte man dem Hôtel de la Tourne,<br />

das lei<strong>der</strong> kein Hotel mehr ist,<br />

einen Besuch ab – und koste, sofern<br />

Nicht-Vegetarier, von den<br />

«Croissants au jambon maison»,<br />

den Schinkengipfeln, <strong>die</strong> Madame<br />

und Monsieur backen. Göttlich,<br />

wie so vieles zuvor an <strong>die</strong>sem Tag.<br />

Urs Geiser<br />

Kurzinfo<br />

Vom Col de la Tourne her ein Spaziergang,<br />

von Chambrelien/Rochefort her<br />

zuoberst eine Bergwan<strong>der</strong>ung. Bes -<br />

tens markiert, machbar von April bis<br />

in den Spätherbst hinein. Details auf<br />

www.verkehrsclub.ch/magazin<br />

Stadtrand. Am Horizont <strong>der</strong> Jura.<br />

Noëlle Petitdemange<br />

Kurzinfo<br />

An<strong>der</strong>thalbstündiger Spaziergang<br />

(ohne kontemplative Pausen) von <strong>der</strong><br />

Bushaltestelle «Parc du Vélodrome»<br />

des Einers Richtung Blécherette zur<br />

Endstation des Zweiers, «Désert». Das<br />

Buch: «Flâneries lausannoises: 18 balades<br />

à travers des chemins à (re)découvrir»,<br />

Pierre Corajoud, 2002, 152 S.<br />

34 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008<br />

© Urs Geiser<br />

© Noëlle Petitdemange


WANDERN<br />

<strong>Schweiz</strong><br />

62 500 Kilometer Wan<strong>der</strong>wege durchziehen das Wan<strong>der</strong>land <strong>Schweiz</strong>.<br />

Alles zum Besten bestellt? Gemach.<br />

Neue Wege braucht das Land<br />

Nützliche Adressen für faire Ferien<br />

In <strong>der</strong> schönen Stadt Freiburg<br />

gibt es eine reizende Nahwan<strong>der</strong>ung:<br />

Vom Pérolles-Quartier<br />

führt sie durch den Ritterweg an<br />

<strong>die</strong> Saane und zum Kloster in <strong>der</strong><br />

Mageren Au. Führte, muss man<br />

sa gen. Denn 2005 (o<strong>der</strong> war es<br />

2004?) schwemmte <strong>der</strong> Fluss anlässlich<br />

eines Hochwassers den<br />

Steg weg. Seither werden <strong>die</strong><br />

Wan<strong>der</strong>nden über <strong>die</strong> Staumauer<br />

umgeleitet. Wenn es <strong>geht</strong>. Manchmal<br />

<strong>geht</strong> das aber nicht.<br />

Der Steg wird irgendwann einmal<br />

ersetzt werden. Was wird er<br />

kosten? 200000 Franken? Bis <strong>die</strong><br />

Stadt Freiburg <strong>die</strong> Summe aufgetrieben<br />

hat, dürfen sich <strong>die</strong> Spaziergänger<br />

in Enthaltsamkeit und<br />

Geduld üben. Vielleicht schaffen<br />

<strong>die</strong> Behörden das Werk noch vor<br />

<strong>der</strong> neuen Poyabrücke, <strong>die</strong> am an<strong>der</strong>en<br />

Ende <strong>der</strong> Stadt für 120 Millionen<br />

Franken einen zusätzlichen<br />

Strassenübergang herstellt.<br />

Ähnlich hart werden <strong>die</strong> einsa-<br />

Öffentlicher Verkehr: Postauto, auch Gruppenreisen:<br />

www.post auto.ch. Tagesausflüge in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, auch<br />

Gruppen: www.erlebnis-schweiz.com; www.rail away.ch.<br />

Bahnreisen Ostschweiz: www.thurbo.ch. Bahn reisen<br />

Bern/Wallis: www.bls.ch. Glacier-Express: www.mgbahn.ch.<br />

Städtereisen Europa: www.railtour.ch, Tel. 031 378 01 01.<br />

Bahnreisen Europa und weltweit: www.globotrain.ch, Tel.<br />

031 313 00 03. Beson<strong>der</strong>e Züge: www.erlebniszuege.ch,<br />

Tel. 031 378 00 04. Fahrplan international:<br />

www.bahn.de, http://fahrplan.bahnen-und-busse.de<br />

Verträgliches Reisen: Europa: www.via-verde-reisen.ch,<br />

Tel 0848 823 823. Schwerpunkt Deutschland: www.vertraeglich-reisen.de.<br />

Naturreisen Deutschland: www.fahrtziel-natur.de.<br />

Westschweiz und Frankreich: www.salamandre.ch,<br />

Tel. 032 7100825<br />

men Wan<strong>der</strong>er seit einem Jahr<br />

o<strong>der</strong> so an <strong>der</strong> Aare unterhalb <strong>der</strong><br />

schönen Stadt Bern aus ihren<br />

Träumen gerissen, wenn sie plötzlich<br />

am linken Ufer auf rotweisse<br />

Abschrankungen treffen: «Durchgang<br />

verboten.» Der Sandsteinfels<br />

bröckelt und könnte den Fussgängern<br />

auf den Kopf fallen. Also:<br />

sperren und sparen. Was würde<br />

man sagen, wenn <strong>die</strong> Amtsstellen<br />

mit einem Strassenstück so verführen?<br />

Wenn sie beim Felssturz<br />

auf <strong>die</strong> Gotthard-Autobahn anno<br />

2006 gesagt hätten, ja wir schliessen<br />

<strong>die</strong> nun mal für ein paar Jährchen<br />

ein bisschen, das wird schon<br />

irgendwie gehen und kommt billiger,<br />

man kann das Tessin ja auch<br />

zu Fuss erreichen, wenigstens im<br />

Sommer.<br />

Natürlich ist <strong>der</strong> Vergleich ungerecht.<br />

Die Gotthard-Autobahn<br />

ist viel wichtiger als so ein mageres<br />

Weglein in <strong>die</strong> Magere Au. Sie<br />

ist <strong>der</strong> Lebensnerv, ohne den <strong>die</strong><br />

Langsamverkehr: Wan<strong>der</strong>n, Velo, Inline, Mountainbike,<br />

Kanu: www.schweizmobil.ch. Buchbare Angebote<br />

<strong>Schweiz</strong>: www.swisstrails.ch, Tel. 044 450 24 34.<br />

Miet velos: www.rentabike.ch, Tel. 041 925 11 70.<br />

Übernachtungen Velofahrende: www.velodach.ch.<br />

Skaten: www.swiss-skate-map.ch<br />

Weitere Vorschläge: Ferien im Baudenkmal: www.magnificasa.ch,<br />

Tel. 044 252 28 72. Historische <strong>Verkehrs</strong>wege:<br />

www.viastoria.ch, Tel. 031 631 35 35. Gruppenunterkünfte:<br />

www.gruppen-unterkuenfte.ch, Tel. 04 867 25 00.<br />

Hintergrund: www.fairunterwegs.ch.<br />

Kin<strong>der</strong>ferien: www.kovive.ch<br />

Last but not least: www.verkehrsclub.ch/magazin<br />

<strong>Schweiz</strong> dem Untergang geweiht<br />

ist, das ahnte schon Wilhelm Tell,<br />

<strong>der</strong> allerdings zu Fuss unterwegs<br />

war und mit <strong>der</strong> Armbrust statt<br />

dem Taschenmesser. Dennoch ist<br />

<strong>die</strong> unterschiedliche Eile und<br />

Spen<strong>die</strong>rfreudigkeit punkto Strassen<br />

und Wege aufschlussreich.<br />

Die <strong>Schweiz</strong> versteht sich als<br />

Wan<strong>der</strong>land. Ihre Bewohner sind<br />

auch 700 Jahre nach Wilhelm Tell<br />

und an<strong>der</strong>thalb Jahrtausende<br />

nach <strong>der</strong> Völkerwan<strong>der</strong>ung noch<br />

ein Wan<strong>der</strong>volk. 62 500 Kilometer<br />

markierte Wege gibt es übers ganze<br />

Land verteilt, fast so viele wie<br />

Strassen (70 000 Kilometer). Bei<br />

Umfragen über sportliche Aktivitäten<br />

steht das Wan<strong>der</strong>n immer<br />

zuoberst. Ein Drittel aller Einheimischen<br />

praktiziert es, viele Touristen<br />

kommen seinetwegen zu<br />

uns. Alle Destinationen werben<br />

mit ihrem Wegnetz, das meist auch<br />

tipptopp unterhalten ist. Das eben<br />

eröffnete «Wan<strong>der</strong>land <strong>Schweiz</strong>»<br />

setzt da noch einen drauf.<br />

Alles paletti also? Nicht ganz.<br />

Die Wan<strong>der</strong>wege sind krank. Betroffen<br />

sind weniger <strong>die</strong> Highlights<br />

in den höheren Regionen,<br />

so ab 1500 m.ü.M., als <strong>die</strong> vielen<br />

tausend Kilometer im Mittelland,<br />

in den Hügeln und Voralpen. Die,<br />

zugegeben, seltenen Sperrungen<br />

sind höchstens ein Symptom,<br />

nicht <strong>die</strong> Seuche. Viel besorgniserregen<strong>der</strong><br />

ist <strong>die</strong> schleichende<br />

und scheinbar unaufhaltsame<br />

Entwertung <strong>der</strong> Wege.<br />

Ein schöner Wan<strong>der</strong>weg besteht<br />

aus Naturbelag, Kies, Erde,<br />

am besten mit Grasnarbe in <strong>der</strong><br />

Mitte. Manchmal ist er auch ein<br />

schmaler Pfad. Nur auf solchen<br />

Unterlagen kommt <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>er<br />

auf seine Rechnung. Wan<strong>der</strong>n ist<br />

36 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008


Die <strong>Schweiz</strong> hat viele schöne Wan<strong>der</strong>wege. Aber es gibt immer mehr Abschnitte mit Hartbelag, <strong>die</strong> nicht zum Wan<strong>der</strong>n laden. Neue Ideen sind gefragt.<br />

mehr als ein sportliches Vorwärtsschreiten,<br />

es ist nicht nur geografisch<br />

eine Eskapade aus dem Alltag.<br />

Der Kopf wan<strong>der</strong>t mit und<br />

lässt seine Gedanken schweifen.<br />

Dieser Genuss hat viel mit <strong>der</strong> Ästhetik<br />

<strong>der</strong> unmittelbaren Umgebung<br />

zu tun. Er ist auf schöne Wege<br />

angewiesen. Wenn <strong>die</strong>se aus<br />

Teer o<strong>der</strong> Beton gemischt sind, ist<br />

Schluss und Amen. Dann ist man<br />

nicht mehr im Wan<strong>der</strong>land, son<strong>der</strong>n<br />

in <strong>der</strong> Banalität und kann<br />

ebenso so gut über <strong>die</strong> Autobahn<br />

ins Shoppyland reisen. Wan<strong>der</strong>n<br />

ist dann kein Vergnügen, son<strong>der</strong>n<br />

eine Strafe, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Knochen<br />

fährt, <strong>die</strong> Kehle austrocknet und<br />

schlechte Laune gibt. Und später<br />

Gelenkbeschwerden. Das ist sogar<br />

wissenschaftlich erhärtet.<br />

Schluss und Amen ist es immer<br />

häufiger. Das Toggenburg «vermittellandet»,<br />

schrieb Peter Weber<br />

1993 in seinem Roman «Der<br />

Wettermacher». Die Teerung <strong>der</strong><br />

Wege ist ein wichtiges Zeichen <strong>der</strong><br />

Vermittellandung nicht nur des<br />

Toggenburgs. Laut Statistik sind<br />

inzwischen ein Viertel <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>wege<br />

unter Hartbelag begraben.<br />

Das ist viel zu viel. Im Mittelland<br />

sind es noch mehr: ein Drittel<br />

im Aargau, 40 Prozent im Kanton<br />

Freiburg. Alp-, Forst- und Güterstrassen<br />

werden maschinengerecht<br />

ausgebaut, durch das Ausfransen<br />

<strong>der</strong> Dörfer und Städte<br />

werden Naturwege immer weiter<br />

in <strong>die</strong> Peripherie abgedrängt. Oft<br />

zeigen nur noch gelbe Rhomben<br />

an, dass eine bestimmte Strasse<br />

ein Wan<strong>der</strong>weg wäre, es fällt aber<br />

keinem Wan<strong>der</strong>er ein, ihn auch zu<br />

benützen.<br />

Sorry, aber das ist inakzeptabel.<br />

Die Autobahnfahrer werden auch<br />

nicht zwischendurch, wenn es<br />

grad nicht an<strong>der</strong>s <strong>geht</strong>, über einen<br />

Acker geleitet. Obschon das im<br />

Zeitalter <strong>der</strong> Offroa<strong>der</strong> möglich<br />

wäre. Sie erwarten eine vollständige,<br />

geeignete Infrastruktur. Darauf<br />

hat das tolerante Volk <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>er<br />

ebenfalls Anrecht. Es braucht<br />

auch ausserhalb <strong>der</strong> Hoch alpen,<br />

im Mittelland, im Toggenburg, im<br />

Emmental, im Jura, Routen, auf<br />

denen <strong>die</strong> Fussgängerinnen absoluten<br />

Vorrang haben und keinen<br />

Meter auf Teer gehen müssen.<br />

Das ist möglich, man muss es<br />

nur wollen: indem man in allen<br />

Landesteilen sogenannte «Erste-<br />

Klasse-Wege» schafft: Weitwan<strong>der</strong>routen,<br />

<strong>die</strong> vollständig und<br />

konsequent nach den Bedürfnissen<br />

<strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>nden gestaltet<br />

sind. Es <strong>geht</strong> nicht um neue Markierungen,<br />

es <strong>geht</strong> um <strong>die</strong> Qualität<br />

des Weges selber. Auf Abschnitten<br />

mit Hartbelag ist Rückbau<br />

o<strong>der</strong> allenfalls eine neue Streckenführung<br />

angesagt. An geeigneten<br />

Stellen werden Schatten<br />

spendende Alleen und Hecken gepflanzt.<br />

So <strong>die</strong>nt <strong>der</strong> Weg auch<br />

dem Artenreichtum und <strong>der</strong><br />

Landschaftspflege.<br />

WANDERN<br />

<strong>Schweiz</strong><br />

Keine leichte Sache, sicher. Politisch<br />

und finanziell bestimmt<br />

viel schwieriger zu realisieren als<br />

nur eine kleine Autobahn. Es<br />

braucht Elan und den Willen zur<br />

Zusammenarbeit über <strong>die</strong> Grenzen<br />

von Gemeinden und Kantonen<br />

hinweg. Doch hilft vielleicht<br />

<strong>der</strong> Hinweis, dass solche neue Wege<br />

auch <strong>der</strong> Wirtschaft <strong>die</strong>nen<br />

würden, beson<strong>der</strong>s den Wirtschaften.<br />

Einen guten Tropfen<br />

können Wan<strong>der</strong>nde immer vertragen.<br />

Wan<strong>der</strong>wege <strong>der</strong> Spitzenklasse<br />

könnten voralpinen Regionen,<br />

in denen <strong>der</strong> Skitourismus<br />

ausstirbt, Impulse geben und ein<br />

neues Image. Es braucht dazu jedoch<br />

mehr als ein geschicktes<br />

Marketing. Es braucht zuerst <strong>die</strong><br />

ehrliche Arbeit in Feld, Wald und<br />

Wiesen. Dann dürfen <strong>die</strong> Marketingleute<br />

in Aktion treten. Sie werden<br />

Furore machen. Erste-Klasse-<br />

Wege: Der <strong>VCS</strong> schlägt sie vor und<br />

ist bereit, sich für sie zu engagieren.<br />

Peter Krebs<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 37<br />

© Peter Krebs


BASEL – MOSKAU<br />

Einfach mal Moskau<br />

38 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008


etour lösen Im<br />

ZUGREISE<br />

Basel–Moskau<br />

Osteuropa lässt sich auf einer Strecke<br />

von 3028 Kilometern in 39 Zugstunden<br />

«erfahren». Seit einigen Monaten<br />

verbindet täglich ein direkter Wagen<br />

Basel mit Moskau.<br />

Wars. Ein Name, <strong>der</strong> an Katastrophenjahre und<br />

zerstückelte Län<strong>der</strong> denken lässt. Aber täglich<br />

um 17 Uhr 55, wenn <strong>der</strong> Zug im Warschauer Zentralbahnhof<br />

(Warszawa Centralna) abfährt, bedeutet das<br />

in erster Linie eine ausgezeichnete Mahlzeit zu einem<br />

bescheidenen Preis. Die Gesellschaft Wars betreibt <strong>die</strong><br />

polnischen Speisewagen und bietet typische Gerichte<br />

aus Zentraleuropa an. Die Fahrgäste geniessen zu ihrem<br />

Essen ein schäumendes Bier o<strong>der</strong> einen <strong>Wo</strong>dka,<br />

sie schauen durchs Fenster <strong>der</strong> Abendsonne über dem<br />

flachen Land zu. Sie haben einige Stunden Zeit zum<br />

Nachdenken über das Auf und Ab Osteuropas. Dies<br />

alles kostet etwa zehn Euro.<br />

Ein Mix von Wagen und Kulturen<br />

Der direkte Wagen Basel – Moskau fährt täglich ab <strong>der</strong><br />

Rheinstadt. Auf <strong>der</strong> 39-stündigen Fahrt durchquert er<br />

Deutschland, Polen, Weissrussland und einen Teil<br />

Russlands. Die Komposition besteht bei <strong>der</strong> Abfahrt<br />

aus weiteren Wagen mit den Zielorten Kopenhagen,<br />

Prag und Warschau. Bis <strong>der</strong> Zug in Moskau ankommt,<br />

wird er mehrmals umgestellt. Am Ende umfasst er<br />

auch Wagen aus Amsterdam und München. Auf einem<br />

Teil <strong>der</strong> Strecke ergänzen russische und polnische<br />

Speisewagen das Angebot. So kommt zur Mischung<br />

<strong>der</strong> Reisenden jene <strong>der</strong> Kochkünste hinzu.<br />

In Basel beziehen <strong>die</strong> Reisenden ihr Abteil mit den<br />

Sitzplätzen, <strong>die</strong> sich in schmale Betten umbauen lassen.<br />

Es bietet Platz für drei Personen samt Gepäck und<br />

samt den Träumen. Am Ende des Zuges sind <strong>die</strong> Provodniki<br />

zu finden, <strong>die</strong> beiden Stewards, <strong>die</strong> in Basel<br />

<strong>die</strong> Fahrkarten entgegennehmen und während <strong>der</strong><br />

Reise heissen Tee für 8 Rubel (etwa 40 Rappen) verkaufen.<br />

Sie kümmern sich auch um den Unterhalt des<br />

Wagens, reinigen Boden und Toiletten.<br />

Die Speisewagen bieten reichlich Platz und Nahrung.<br />

Der russische Wagen wartet mit einem sehr<br />

praktischen Zubehör auf: dem Samowar. Der grosse<br />

Teekessel befindet sich im Abteil des Provodnik und<br />

ist stets mit heissem Wasser gefüllt. Wer eine Ther-<br />

Sommer ist das Leben auf dem Roten Platz in<br />

Moskau entspannt. Im Hintergrund <strong>die</strong> Basiliuskathedrale.<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 39<br />

© Keystone/laif/Heuer/laif


moskanne mitnimmt und Fertiggerichte,<br />

kann an seinem Platz ein Essen geniessen<br />

und beobachten, wie draussen in den Wäl<strong>der</strong>n<br />

Birken <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en euro päischen<br />

Baumarten ablösen.<br />

Leben an Bord<br />

In <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> sind <strong>die</strong> wichtigsten Bahnhöfe<br />

eine halbe Stunde voneinan<strong>der</strong> entfernt.<br />

In Deutschland beträgt <strong>der</strong> Abstand<br />

schon eine Stunde. In Russland kommt es<br />

häufig vor, dass <strong>der</strong> Zug während vier<br />

Stunden haltlos unterwegs ist. Die Reisenden<br />

haben Zeit, ihre bewegte kleine Welt<br />

zu beobachten. Gespräche lassen sich<br />

leicht aufgleisen. Für den Bahnliebhaber<br />

Oliver ist <strong>der</strong> Zug Basel – Moskau einer<br />

<strong>der</strong> wenigen echten Reisezüge. Wir unterhalten<br />

uns ausführlich über unsere Freizeitgesellschaft,<br />

dann steigt er in Siedlce<br />

aus. Seine Reise dauerte nur knapp 20<br />

Stunden, ein Klacks für jemanden, <strong>der</strong><br />

sich anschickt, auf Schienen nach China<br />

zu fahren. Ein Viertel <strong>der</strong> Reisenden sind<br />

Westeuropäer auf <strong>der</strong> Suche nach neuen<br />

Horizonten. Drei Viertel stammen aus<br />

Russland und Weissrussland. Sie nehmen<br />

<strong>die</strong> Bahn aus Bequemlichkeit o<strong>der</strong> Flugangst.<br />

Deutsch mehr als Englisch ist <strong>die</strong><br />

Sprache, in <strong>der</strong> man sich unterhält.<br />

Die deutschen Wagen sind auf maxi-<br />

Gut zu wissen<br />

Fahrplan: Seit Ende 2007 verbindet täglich<br />

ein direkter Zug <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> mit Russland:<br />

www.nachtzugreise.de<br />

Preise: Ein Retourbillet kostet ungefähr 650<br />

Franken. Informationen und Fahrkarten am<br />

Bahnhof o<strong>der</strong> im Reisebüro des Bahnhofs.<br />

Unterkunft: Die Preise für ein Einzelzimmer<br />

in Moskau betragen zwischen 65 und 760<br />

Franken pro Nacht. Weitere Informationen<br />

im Reisebüro o<strong>der</strong> auf<br />

www.hrs.de, www.russianconcept.com.<br />

Visa: Das Visaverfahren für Russland und<br />

Weissrussland ist ziemlich lang und kompliziert.<br />

Infos auf Konsulaten und Botschaften<br />

<strong>der</strong> beiden Staaten (obligatorisches Transitvisum)<br />

o<strong>der</strong> auf den folgenden Internetseiten:<br />

www.consulrussia.ch, www.russianconcept.com,<br />

www.waytorussia.net.<br />

Weitere Informationen: www.verkehrsclub.ch/magazin<br />

© Olivier Norer<br />

Ein Zug mit Zukunft: Täglich verlässt ein direkter Wagen nach Moskau den Bahnhof Basel SBB.<br />

Nach 39 Stunden ist er am Ziel.<br />

malen Service ausgerichtet. <strong>die</strong> Gänge<br />

sind so breit, dass daraus ein Salon wird.<br />

Die polnischen Wagen hingegen sind auf<br />

ihre Funktion als Schlafraum beschränkt.<br />

Viel freundlicher wirkt das russische Rollmaterial:<br />

ein o<strong>der</strong> zwei Teppiche geben<br />

den Gängen einen familiären Anstrich.<br />

Meistens stehen <strong>die</strong> Abteiltüren offen,<br />

bald unterhalten sich alle miteinan<strong>der</strong>. Die<br />

komplizierten Zollformalitäten zwischen<br />

Weissrussland und den EU-Län<strong>der</strong>n geben<br />

ein ausgezeichnetes Gesprächsthema<br />

ab – ein fast unvermeidliches für alle, <strong>die</strong><br />

dem Übermass an Formalitäten ausgesetzt<br />

waren. Während <strong>die</strong>ses Verfahren in gebühren<strong>der</strong><br />

Strenge abgewickelt wird, verbreitet<br />

das Kommen und Gehen <strong>der</strong> Babuschkas,<br />

<strong>die</strong> in den Gängen lautstark<br />

gesalzene Gurken, süsses Gebäck, Käse,<br />

Mineralwasser, Bier o<strong>der</strong> <strong>Wo</strong>dka anpreisen,<br />

einen Hauch von Anarchie.<br />

Zeit und Raum beim Reisen<br />

Reist man per Zug, begreift man das Land<br />

und <strong>die</strong> Landkarte. Die Städte sind nur im<br />

Zusammenhang ihres Umlands real. Im<br />

Zug und nicht im Flug erschliesst sich den<br />

Reisenden <strong>der</strong> Sinn <strong>der</strong> Städte. Die Bahn<br />

scheint auch den Angestellten Freude zu<br />

bereiten. Selten findet sich ein Beruf, dessen<br />

Arbeitsmittel so viele Berufsleute fast<br />

kulthaft verehren. Wie Nikolai zum Beispiel,<br />

unser russischer Provodnik. Er freut<br />

sich über <strong>die</strong> neue Verbindung, weil sie<br />

ihn weiter nach Süden bringt, «wo es wärmer<br />

ist». Als Kenner mit über zwanzig<br />

Berufsjahren ist er überzeugt, dass <strong>die</strong><br />

Verbindung von Basel nach Moskau sehr<br />

erfolgreich sein wird, sobald sich ihre<br />

Exis tenz herumgesprochen hat.<br />

In unserer Welt <strong>geht</strong> alles schnell. Eine<br />

E-Mail kann innerhalb von Sekunden<br />

vom einen Ende <strong>der</strong> Welt zum an<strong>der</strong>en geschickt<br />

werden. Dabei hat sich nichts<br />

grundlegend verän<strong>der</strong>t. Die Natur bewegt<br />

sich in ihren eigenen Rhythmen. Das<br />

Er fahren <strong>der</strong> Welt durch das Zugfenster<br />

sensibilisiert für <strong>die</strong> Abläufe <strong>der</strong> Natur,<br />

während das unaufhörliche Rattern und<br />

Schaukeln einen Schlaf voller Träume begünstigt.<br />

Auch sonst ist es leicht, <strong>die</strong> Fantasie<br />

schweifen zu lassen – grosszügig ist<br />

<strong>der</strong> Raum für Kreativität, den <strong>die</strong> Zeit einem<br />

lässt.<br />

Begegnungen entstehen und vergehen<br />

je nach Haltestellen. Einige dauern für <strong>die</strong><br />

Zeit <strong>der</strong> Reise, an<strong>der</strong>e finden später nach<br />

ein paar E-Mails, Briefen ein Ende. Die<br />

ZUGREISE<br />

Basel–Moskau<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 41


Fotos: Olivier Norer<br />

schönsten bilden den Beginn von Freundschaften<br />

o<strong>der</strong> Liebesgeschichten.<br />

Manchmal hält <strong>der</strong> Zug länger. Das gibt<br />

Zeit für einen Ausflug zum Bahnhofgebäude,<br />

um Reiseproviant zu erstehen.<br />

In Warschau ist <strong>der</strong> Ostbahnhof beson<strong>der</strong>s<br />

sehenswert. Aus <strong>der</strong> Reiserichtung<br />

<strong>Schweiz</strong> – Russland gesehen, hinterlässt er<br />

einen düsteren Eindruck und erinnert an<br />

einen Bunker. In umgekehrter Richtung<br />

erscheint er wie ein Obdach, für den Fall,<br />

dass sich ein Gewitter über den weiten Ebenen<br />

zusammenbraut. Der Bahnhof von<br />

Brest in Weissrussland ist ein Monument.<br />

1886 kurz nach Fertigstellung <strong>der</strong> Bahnlinie<br />

Warschau – Moskau erbaut, wurde das<br />

Gebäude in den zwei Weltkriegen und in<br />

mehreren Lokalkonflikten beschädigt.<br />

1956 erfolgte <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau zum stolzen<br />

«Tor <strong>der</strong> UdSSR zum Westen».<br />

D ie schönsten Bahnreisen in Europa und an<strong>der</strong>swo<br />

Vor dem Jet-Zeitalter bewegten sich <strong>die</strong> besseren<br />

Gesellschaftsschichten in Luxuszügen<br />

durch Europa und <strong>die</strong> halbe Welt. Dann mutierte<br />

<strong>die</strong> Haute Volée zum Jetset, und inzwischen<br />

ist auch das Flugzeug ein Massenverkehrsmittel.<br />

Übriggebleiben aus <strong>die</strong>ser Epoche<br />

sind aber immerhin ein paar Luxuszüge<br />

und lange Bahnreisen mit Erlebnischarakter.<br />

Der Transsibirien-Express gehört dazu. Es<br />

gibt aber auch zahlreiche an<strong>der</strong>e bemerkenswerte<br />

Strecken und Züge. In Europa und<br />

© Peter Krebs<br />

Unterwegs durch <strong>die</strong> Weiten Russlands (oben<br />

rechts) und am Ziel in Moskau mit dem Kreml<br />

(oben) und den ebenso unvermeidlichen wie<br />

farbenfrohen Matrjoschkas (rechts).<br />

Ausdruck des Überlebenswillens<br />

Das Fenster ist <strong>der</strong> Bildschirm. Es zeigt<br />

eine immer flachere und weitere Landschaft,<br />

umso spärlicher besiedelt, je weiter<br />

man vorankommt, als ob <strong>die</strong> Menschen<br />

<strong>die</strong> hügeligen Orte bevorzugten. Die Weite<br />

erscheint wie eine Herausfor<strong>der</strong>ung,<br />

den Raum zu bezähmen. Nach Stunden<br />

<strong>der</strong> Fahrt erstaunt es keinen, wenn er in einer<br />

Stadt ankommt, wo sich <strong>die</strong> menschliche<br />

Kraft im Bau imposanter Gebäude<br />

ausdrückt. Sie grenzen das Territorium ab.<br />

Stalinistische Ungetüme, wie <strong>die</strong> Lomonossov-Universität<br />

in Moskau, erscheinen<br />

so mehr als Ausdruck des Überlebenswil-<br />

an<strong>der</strong>swo. So rollt «The Royal Scotsman» durch<br />

<strong>die</strong> schottischen Highlands, <strong>der</strong> «Transcantabrico»<br />

entlang <strong>der</strong> spanischen Nordküste und <strong>die</strong><br />

«Inlandsbanan» durchquert <strong>die</strong> schwedische<br />

Wildnis. Auf allen an<strong>der</strong>en Kontinenten gibt es<br />

ebenfalls aussergewöhnliche Bahnerlebnisse,<br />

sei es in Luxuszügen fürs entsprechende Budget,<br />

sei es aber auch als einfaches Abenteuer mit umso<br />

mehr Kontakt zu den Einheimischen, für <strong>die</strong><br />

<strong>der</strong> Zug oft das günstigste <strong>Verkehrs</strong>mittel ist. Sogar<br />

in Europa existieren Reste aus einer an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Verkehrs</strong>zeit. Zum Beispiel in den rumänischen<br />

Karpaten, im Wassertal, wo ein <strong>Schweiz</strong>er Verein<br />

<strong>der</strong> letzten «Waldbahn» eine Zukunft sichern<br />

will, <strong>die</strong> noch mit Dampf fährt (Bild). Waldbahnen,<br />

<strong>die</strong> vornehmlich dem Holztransport <strong>die</strong>nten,<br />

waren einst in ganz Mittel- und Osteuropa<br />

verbreitet. Daneben tuckern <strong>die</strong> Nostalgiebahnen<br />

über mehr o<strong>der</strong> weniger lange Gleisabschnitte,<br />

meist während <strong>der</strong> Sommersaison und<br />

oft durch wun<strong>der</strong>schöne Landschaften wie zum<br />

Beispiel über <strong>die</strong> Furka. Mit ihrem historischem<br />

Rollmaterial und gezogen von pfeifenden, prustenden<br />

und rauchenden Dampfloks lassen sie<br />

<strong>die</strong> Herzen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Bahnliebhaber<br />

höher schlagen.<br />

Infos: Einen reichhaltigen Querschnitt mit 80<br />

Angeboten in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> und <strong>der</strong> ganzen Welt<br />

finden Interessierte im Spezialkatalog «Erlebniszüge»<br />

des Bahnreiseanbieters Railtour. Die<br />

Railtour-Angebote sind auch über via verde reisen<br />

buchbar (Tel. 0848 823 823 o<strong>der</strong> www.viaverde-reisen.ch).<br />

Begleitete Bahnreisen weltweit<br />

finden sich im Programm von Globotrain<br />

www.globotrain.ch. Für <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> hat Rail -<br />

away Erlebnisfahrten für Gruppen o<strong>der</strong> Einzelreisende<br />

im Programm (am Bahnhof und unter<br />

www.railaway.ch). Infos zur Wassertalbahn findet<br />

man unter www.wassertalbahn.ch. Der Verband<br />

öffentlicher Verkehr VöV publiziert einen<br />

Prospekt mit den Dampffahrten auf <strong>Schweiz</strong>er<br />

Schienen und Gewässern (gratis bestellbar auf<br />

<strong>der</strong> Homepage www.voev.ch). (pk)<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 43<br />

© Manuela Boss<br />

lens denn als Grössenwahnsinn. Wenn <strong>die</strong><br />

Reisenden am späten Vormittag um 10<br />

Uhr 59 in Moskau ankommen, haben Sie<br />

mehr erfahren, als bloss eine Ortsverschiebung<br />

durch mehrere Zeitzonen nach<br />

Osten. Der Zug öffnet Horizonte und einen<br />

neuen Blick auf Landschaften und<br />

Mentalitäten. Basel-Moskau: Es sind zwei<br />

Reisen in einer. Olivier Norer


© swiss-image / Christian Perret


Buchs ist ein geschäftiges Grenz städtchen<br />

mit schmalen Strassen und dichtem<br />

Verkehr. Schon beim Bahnhof erblicken<br />

wir den ersten Wegweiser zu unserer<br />

«Route 95». Vom Fluss Thur ist aber noch<br />

weit und breit nichts zu sehen, dafür liegt<br />

nah <strong>der</strong> Rhein, dem wir jetzt den<br />

Rücken zuwenden. Gleich nach<br />

Werdenberg <strong>geht</strong> es links ab auf<br />

eine Nebenstrasse, und <strong>die</strong> Steigung<br />

beginnt. Sie ist nie streng,<br />

son<strong>der</strong>n stets freundlich. Liegt es am<br />

Föhn, dass wir leicht wie Schmetterlinge<br />

den Berg hinaufflattern? Die Hügel ringsum<br />

sind ganz plastisch, man möchte sie<br />

mit <strong>der</strong> Hand umfassen. Die Landschaft<br />

hat etwas Erleuchtetes. Da passt ein Besuch<br />

im Geburtshaus von Huldrych<br />

Zwingli in Wildhaus. Das Gebäude wurde<br />

ums Jahr 1450 gebaut. Mit Holz, und zwar<br />

mit Mondholz, wie Herr Frey, <strong>der</strong> Museumsführer,<br />

präzisiert. Die Tannen wurden<br />

im Mondzyklus genau zu dem Zeitpunkt<br />

gefällt, an dem <strong>der</strong> Baum im Wachstum<br />

innehält. Solche Balken überdauern Jahrhun<strong>der</strong>te.<br />

Eigenartig: Auch <strong>die</strong> Häuser<br />

von Niklaus von Flüe in Flüeli in Obwalden<br />

und von Matthäus Schiner in Mühlebach<br />

im Goms wurden um <strong>die</strong>se Zeit gebaut,<br />

und auch sie stehen noch, gehören<br />

zu den ältesten Holzhäusern des Landes.<br />

Bald folgt unsere Route <strong>der</strong> Thur, es ist<br />

also jetzt eine Thur-Tour, es ist <strong>die</strong> Velothur<br />

und das klingt vielversprechend, weil<br />

Flüsse bekanntlich abwärts fliessen. Da<br />

aber im Toggenburg zum Teil Schwerelosigkeit<br />

zu herrschen scheint, ist hier alles<br />

ein wenig an<strong>der</strong>s. Schon kurz nach Ness-<br />

Die Thur-Route: Zuerst for<strong>der</strong>n einen <strong>der</strong> Grabserberg und <strong>die</strong><br />

verspielte Landschaft des Toggenburgs, dann wirds flach. Am<br />

Ende rufen <strong>die</strong> Weiten Mostin<strong>die</strong>ns.<br />

Flussabwärts entlang <strong>der</strong> Velothur<br />

Für eine Pause während <strong>der</strong> Veloreise<br />

o<strong>der</strong> auch für den Sommerabend finden<br />

sich am Thurufer (hier bei Frauenfeld)<br />

schöne Plätze.<br />

lau kämpfen wir uns <strong>die</strong> ersten Gegensteigungen<br />

hoch, und solche werden wir bis<br />

Wil immer wie<strong>der</strong> antreffen. An den Hügeln<br />

stehen lustige Bauernhäuser. Es ist<br />

fast wie im Suisse Miniature in Melide,<br />

doch hier sind <strong>die</strong> bewohnten Häuser so<br />

Die grosse Kellnerin hat natürlich<br />

Übung im Kopfeinziehen.<br />

© ST/swiss-image<br />

klein. Wir gehen in so ein kleines Haus, es<br />

ist eine Kneipe. Beim Eintreten muss man<br />

den Kopf einziehen. Dort serviert eine<br />

grosse Kellnerin, <strong>die</strong> natürlich schon<br />

Übung hat im Kopfeinziehen, wenn sie<br />

durch <strong>die</strong> Türe zwischen Küche und Gaststube<br />

<strong>geht</strong>. Alle Einheimischen bewegen<br />

sich so geschickt, weil sie sich <strong>die</strong> nie<strong>der</strong>en<br />

Balken gewohnt sind. Radfahrende Gäste<br />

behalten am Anfang den Helm gescheiter<br />

auf dem Kopf.<br />

Vor Wattwil steht am linken Strassenrand<br />

ein Wegweiser: Ge burts haus Ulrich<br />

Bräker. Der arme Mann im Toggenburg,<br />

geb. 22.12.1735, gest. 11.9.1798. Schon<br />

lange hat ein Li teratur beflissener in <strong>der</strong><br />

Gruppe geschwärmt vom Schriftsteller<br />

Bräker, <strong>der</strong> sich trotz geringer Schulbildung<br />

weiterbildete, in <strong>die</strong> weite Welt zog,<br />

dort Abenteuer bestand, Söldner und Textilhändler<br />

wurde. Dann begann er zu<br />

schrei ben und wurde mit seinem Buch<br />

Sehenswert<br />

«Der Arme Mann im Tockenburg» über<br />

Nacht zum zweitberühmtesten Tockenburger<br />

nach Zwingli. Es war im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

sehr selten, dass ein einfacher<br />

Mann in klarer, unverblümter und witziger<br />

Sprache etwa <strong>die</strong> elenden Lebensbedingungen<br />

<strong>der</strong> Landbevölkerung beschrieb,<br />

<strong>die</strong> er am eigenen Leib erfahren<br />

hatte. Bräker kannte als Söldner auch das<br />

Kriegshandwerk und wurde zum Pazifisten,<br />

wie man heute sagen würde. Und hier,<br />

am Näbis, steht sein Haus. Es ist das zweitoberste<br />

in <strong>der</strong> Häusergruppe am steilen<br />

Hang. Es ist unbewohnt, Scheiben sind<br />

eingeschlagen, es <strong>die</strong>nt als Remise und<br />

Stall.<br />

Wattwil lassen wir hinter uns und suchen<br />

<strong>die</strong> Fortsetzung. Schon schlagen wir<br />

uns herum mit <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Geografie<br />

des Toggenburgs, mit den Gegensteigungen,<br />

welche aber <strong>die</strong> Attraktivität <strong>der</strong> Reise<br />

nur steigern. Etwas erhöht liegt Lichtensteig<br />

mit vier Museen. Bevor wir uns<br />

für eines entscheiden können, nähert sich<br />

ein Schwarm einheimischer Gümeler<br />

(Rennvelofahrer), mit denen wir ins Gespräch<br />

kommen, auch wenn wir zuerst mit<br />

ihrem Dialekt etwas Mühe bekunden. Sie<br />

bieten aber guten Windschatten. Weil sie<br />

sich auskennen, klären sie uns über <strong>die</strong><br />

nächsten «Stiche» auf. «Stich» heisst hier<br />

«Steigung». Die Reise <strong>geht</strong> ziemlich rassig<br />

In Wildhaus findet sich das Geburtshaus Huldrych Zwinglis, offen Di–So<br />

14–16 Uhr. Vor Wattwil links an <strong>der</strong> Route (Wegweiser) das Geburtshaus<br />

Ulrich Bräkers; es kann nur von aussen angeschaut werden. In Wil <strong>die</strong><br />

Altstadt und <strong>die</strong> Obere Bahnhofstrasse, in Bischofszell das Rathaus und<br />

<strong>die</strong> Steinbrücke, in Weinfelden das Gasthaus zum Trauben, bei Warth<br />

<strong>die</strong> Kartause Ittingen (Bild).<br />

VELO<br />

Ostschweiz<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 45


in das Städtchen Wil. Man staunt, wie<br />

grossstädtisch <strong>der</strong> Bahnhofplatz ist. Wir<br />

schwatzen übers Radeln, schieben <strong>die</strong> Velos<br />

über <strong>die</strong> Obere Bahnhofstrasse, eine<br />

verkehrsfreie, mo<strong>der</strong>n gestaltete Flaniermeile,<br />

<strong>die</strong> leicht ansteigt und elegant hinaufführt<br />

in <strong>die</strong> Altstadt. In <strong>der</strong> Kneipe,<br />

wo wir gemeinsam ein Bier trinken, liegt<br />

<strong>die</strong> Broschüre «Velo-Erlebnis Thurgau».<br />

Das Vorwort hat Jan Ullrich geschrieben,<br />

<strong>der</strong> sich, wie er schreibt, im Thurgau «äusserst<br />

wohl» fühlt. Und gleich bricht <strong>die</strong><br />

Diskussion los, ob wir <strong>die</strong> Seite mit dem<br />

Vorwort des gefallenen Engels herausreissen<br />

sollen. Wir kommen zu keinem Ergebnis,<br />

<strong>die</strong> Seite bleibt drin. Mehr beschäftigt<br />

uns <strong>die</strong> Frage, ob Jan Ullrich<br />

überhaupt noch Lust hat, auf ein Velo zu<br />

steigen, o<strong>der</strong> ob er jetzt faul und fett wird.<br />

Das wäre schade.<br />

Im Zentrum von Wil muss man <strong>die</strong><br />

Churfirstenstrasse erwischen, dann kommt<br />

man wie<strong>der</strong> hinunter an <strong>die</strong> Thur, aber<br />

auch an <strong>die</strong> fauchende Autobahn. Man radelt<br />

auf einer guten Naturstrasse, bringt es<br />

bald hinter sich, bekommt als Belohnung<br />

das Städtchen Bischofszell mit <strong>der</strong> schönsten<br />

Brücke <strong>der</strong> ganzen Reise serviert. Sie<br />

wurde 1487 gebaut, ist sehr mächtig und<br />

oben ganz schmal. An einem Platz im<br />

Städtchen ist <strong>die</strong> Döner-Stube. Döner-Stuben<br />

sind am Mittag ein guter Ersatz für<br />

Restaurants, wo man bloss lange sitzt,<br />

schläfrig wird und viel Geld ausgibt. Etwas<br />

essen muss man aber. Also Döner, natürlich<br />

mit allem, also auch Zwiebel, und<br />

schön scharf. Mundgeruch auf dem Velo<br />

ist nicht so schlimm, er wird vom Winde<br />

verweht, und <strong>der</strong> Duft des Orients bleibt<br />

im Trikot hängen. Wir bestellen Ayran<br />

zum Döner. Der türkische Wirt ist verwirrt:<br />

«Warum Sie kennen Ayran? Trinken<br />

nur türkisch Leut.»<br />

In Bischofszell haben sie auch ein sensationelles<br />

Rathaus aus dem Jahr 1747,<br />

ganz rosarot. Ein redseliger Passant<br />

schlüpft in <strong>die</strong> Rolle des Fremdenführers,<br />

gibt <strong>die</strong> Kurzfassung ungefragt: In Bischofszell<br />

sei stets <strong>der</strong> St.Galler Bischof auf<br />

dem Weg nach Einsiedeln in seiner Zelle<br />

abgestiegen, von daher habe <strong>der</strong> Ort ja seinen<br />

Namen, doch dadurch sei <strong>der</strong> Klerus<br />

immer mächtiger geworden, und alle<br />

schönen Bauten hätten <strong>der</strong> Kirche gehört.<br />

Da hätten <strong>die</strong> reichen Bürger beschlossen,<br />

es den Pfaffen heimzuzahlen. Aus Italien<br />

hätten sie einen Stararchitekten kommen<br />

lassen, und <strong>der</strong> habe ein erstklassiges Rathaus<br />

hingestellt, wie ein rosarotes Bonbon.<br />

Jetzt beginnt <strong>die</strong> schönste Land partie,<br />

<strong>die</strong> man sich denken kann. Die Topografie<br />

ist so flach und <strong>der</strong> Belag so gut, dass<br />

wir uns <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Landschaft<br />

hingeben, <strong>die</strong> Weiten Mostin<strong>die</strong>ns in uns<br />

hineinfliessen lassen. Die einheimischen<br />

Gümeler haben gesagt, «Mostin<strong>die</strong>n» sei<br />

kein Schimpfwort. Also dürfen wir es<br />

brauchen. Die Weiten Mostin<strong>die</strong>ns also.<br />

Wir fahren hinein in <strong>die</strong> milde Nachmittagssonne.<br />

Es ist so warm, dass wir eine<br />

Schicht ausziehen. In den Obstgärten werden<br />

bald <strong>die</strong> Apfelbäume blühen. Doch<br />

was heisst da Obstgärten? Das ganze Land<br />

ist eine einzige, riesige Apfelplantage. Apfelbäume<br />

stehen, wo man hinblickt.<br />

Wir verlassen <strong>die</strong> Hauptroute in Frauenfeld<br />

und machen einen Abstecher zur<br />

Kartause Ittingen. Es ist ein kleiner Stich<br />

zu überwinden, denn <strong>die</strong> riesige Anlage,<br />

ein Gutsbetrieb mit allem Drum und<br />

Dran, steht auf einer Anhöhe. An einem<br />

gewöhnlichen Werktag spürt man den<br />

Charakter des Ortes am besten. Hier ist es<br />

spirituell und handfest zugleich. Man hatte<br />

zu beten und Gott zu <strong>die</strong>nen, und man<br />

liess es sich dabei wohl sein. Die Kartäuser,<br />

<strong>die</strong> das Kloster im 15. Jahrhun<strong>der</strong>t übernahmen,<br />

waren ziemlich exklusive Herrschaften.<br />

Je<strong>der</strong> Mönch hatte für sich ein eigenes<br />

Häuschen mit einem kleinen Gärtchen.<br />

Die Klosterbrü<strong>der</strong> machten sich<br />

aber unbeliebt, indem sie <strong>die</strong> Bevölkerung<br />

aus ihren Gottes<strong>die</strong>nsten ausschlossen. Da<br />

geschah 1471 etwas Unerhörtes: Die Frauen<br />

aus <strong>der</strong> Gegend drangen in <strong>die</strong> Klosterkirche<br />

ein und ertrotzten mit einem Sitz-<br />

Nützliche Informationen<br />

Schaffhausen<br />

Andelfingen<br />

Frauenfeld<br />

Wil<br />

Wattwil<br />

Nesslau<br />

Weinfelden<br />

Bischofszell<br />

St. Gallen<br />

Wildhaus<br />

Buchs SG<br />

Die «Route 95» durchquert in <strong>der</strong> ersten Hälfte<br />

das Toggenburg.<br />

streik eine eigene Kirche in Warth. Heutzutage<br />

koordiniert eine Stiftung viele<br />

Aktivitäten. Hier sind neben dem Gutsbetrieb<br />

ein Heim mit Werkstätten, ein<br />

Schulungs-, Tagungs- und Kulturzentrum<br />

sowie ein Gastwirtschaftsbetrieb vorhanden.<br />

Heute hat das Heim gerade Besuchstag,<br />

und es ist ein ziemlicher Rummel. Ein<br />

Jodelklub jodelt, im Garten trinken <strong>die</strong><br />

Gäste das klostereigene Bier. Das gibt<br />

Kraft für <strong>die</strong> letzten Kilometer. Die Sonne<br />

steht tief. Wir rollen über <strong>die</strong> Fel<strong>der</strong> zum<br />

glühenden Horizont. Bei Sonnenuntergang<br />

erreichen wir Andelfinden. Noch ein<br />

Stück weiter, und wir wären wie<strong>der</strong> am<br />

Rhein, von dem aus wir aufgebrochen<br />

sind. Dres Balmer<br />

Auf einen Blick: Die beschriebene Velotour ist durchgehend signalisiert<br />

mit Wegweisern <strong>der</strong> Regionalroute 95, <strong>der</strong> Thur-Route. Diese<br />

führt von Buchs (447 m.ü.M.) über Wildhaus (1098), Nesslau, Wattwil,<br />

Wil, Bischofszell, Weinfelden und Frauenfeld nach Andelfingen<br />

(402). Distanz: 137 km, davon 10 km Naturbelag, 1200 Höhenmeter.<br />

Öffentlicher Verkehr: Ausser Buchs-Nesslau, wo Postautos verkehren,<br />

ist <strong>die</strong> ganze Strecke durch <strong>die</strong> Eisenbahn erschlossen. Wer den<br />

Aufstieg von Buchs nach Wildhaus mit dem Postauto bewältigen will,<br />

reserviert den Platz fürs Velo bei Tel. 071 375 68 91.<br />

Reisezeit: Mai bis Oktober<br />

Dokumentation: Veloland <strong>Schweiz</strong>, Highlights. Offizieller Routenführer.<br />

Weitere Auskünfte bei www.toggenburg.org, www.wil.ch, www.thurgau-tourismus.ch,<br />

www.weinfelden.ch, www.kartause.ch.<br />

VELO<br />

Ostschweiz<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 47<br />

© Daniel Ammann


© Walter Imhof<br />

Idyll auf <strong>der</strong> Aare.<br />

Das Faltboot erlaubt ein<br />

zügiges Vorankommen.<br />

Ab Bern fliesst <strong>die</strong> Aare wie<strong>der</strong><br />

in ihrem ursprünglichen Bett<br />

und mäandriert aufs Schönste um<br />

<strong>die</strong> Hauptstadt herum. In zügiger<br />

Strömung umpaddelt man <strong>die</strong><br />

Altstadt, in gemächlichem Tempo<br />

<strong>geht</strong>s am Lorrainebad vorbei zum<br />

Felsenau-Wehr, das rechter Hand<br />

umgangen – in <strong>der</strong> Kanutensprache<br />

«umtragen» – wird. Es folgt<br />

ununterbrochener Genuss. Im<br />

Rhythmus <strong>der</strong> Paddelschläge gleitet<br />

man in eine an<strong>der</strong>e Welt, hier<br />

eine flache Kiesbank, dort steile<br />

Sandstein-Prallwände, von <strong>der</strong><br />

Überall in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> finden sich Flüsse und Seen, <strong>die</strong> zum Paddeln<br />

einladen, zum Beispiel auf <strong>der</strong> 26 km langen Route, <strong>die</strong> in Sichtweite<br />

des Bundeshauses beginnt.<br />

Aare in jahrtausendelanger Arbeit<br />

freigelegt und mit eleganten runden<br />

Dellen verziert. Zudem sortiert<br />

sie unermüdlich Feinsand,<br />

schichtet Treibholz auf, parkiert<br />

schön gebän<strong>der</strong>te Kalksteine o<strong>der</strong><br />

harten Granit aus dem Berner<br />

Oberland.<br />

Die Kanufahrt führt mitten in<br />

<strong>die</strong> aktuelle Sammlung vieler kleiner<br />

Kunstwerke – aktuell bis zum<br />

nächsten Hochwasser. Bei <strong>der</strong><br />

Brücke von <strong>Wo</strong>rblaufen zeigt sich<br />

<strong>der</strong> Fluss, hohe Wellen schlagend,<br />

nochmals von seiner wilden Seite.<br />

Entfaltbare Freiheit auf <strong>der</strong> Aare und an<strong>der</strong>swo<br />

Mit dem Boot ins Postauto<br />

Tourenhinweise: Einbooten zur 1., schwierigen Etappe unterhalb des Restaurants<br />

Schwellenmätteli (5 Fussminuten ab Tramhaltestelle «Helvetiaplatz»), zur<br />

2., auch für Anfänger geeigneten Etappe unterhalb <strong>der</strong> Holzbrücke Neubrück (5<br />

Min. ab Bushaltestelle Bremgarten BE).<br />

Ausstiegsmöglichkeiten: auf <strong>der</strong> linken<br />

Seite <strong>der</strong> Brücke bei Hinterkappelen (3<br />

Fussminuten zur Postautohaltestelle Eymatt<br />

b. Bern), auf <strong>der</strong> linken Seite vor <strong>der</strong><br />

Staumauer (20 Min. zur Postautohaltestelle<br />

Fuchsenried Mühlebergwerk).<br />

Sicherheit: Weil immer auch mit einem unfreiwilligen, je nachdem sehr kalten<br />

Bad zu rechnen ist, trägt, wer auf Seen und Fliessgewässern paddelt, eine<br />

Schwimmweste. Kanuklubs o<strong>der</strong> professionelle Anbieter erleichtern den Einstieg<br />

und vermitteln das nötige Können.<br />

Zehn<strong>der</strong>mätteli und Schloss Reichenbach<br />

heissen <strong>die</strong> Restaurant-<br />

Idyllen am Ufer, <strong>die</strong> allfälligen<br />

Durststrecken ein Ende setzen.<br />

Während <strong>die</strong>se erste Etappe bis<br />

Bremgarten-Neubrücke (12 km)<br />

Erfahrung o<strong>der</strong> Führung (siehe<br />

z.B. www.siestaoppi.ch) voraussetzt,<br />

ist <strong>die</strong> unterhalb <strong>der</strong> historischen<br />

Holzbrücke beginnende<br />

zweite Etappe (14 km) <strong>die</strong> ideale<br />

Einsteigertour. Hier ist <strong>die</strong> Aare<br />

<strong>die</strong> Gemütlichkeit in Person. Sanft<br />

<strong>geht</strong> sie in den <strong>Wo</strong>hlensee über.<br />

Wer nach den ersten vier Kilome-<br />

tern müde Arme hat, steigt in<br />

Hinterkappelen aus und aufs Postauto<br />

um. Was schade wäre, denn<br />

nun weitet sich das Tal und gibt<br />

<strong>die</strong> Sicht frei auf Frienisberg und<br />

Jura. In den zahlreichen Windungen<br />

des Stausees verstecken sich<br />

reiz- und wertvolle Schätze. Einerseits<br />

Naturschutzgebiete, so bei<br />

<strong>der</strong> <strong>Wo</strong>hleibrücke, wo zur Brutzeit<br />

<strong>der</strong> Vögel gebühren<strong>der</strong> Abstand<br />

zu den Schilfgürteln geboten ist.<br />

An<strong>der</strong>erseits lauschige Rastplätze<br />

mit Bademöglichkeit.<br />

Michael Rytz<br />

Falten als Alternative: Das faltbare Kanu, vor 100 Jahren erfunden und seither<br />

stark weiterentwickelt, bringt <strong>die</strong> Lösung<br />

für viele logistische Probleme,<br />

<strong>die</strong> sich sonst beim Kanutransport<br />

stellen. Es lässt sich in Rucksackform<br />

in Zug, Bus o<strong>der</strong> Tram mitnehmen<br />

und ist an <strong>der</strong> Einbootstelle rasch<br />

startklar. Für den Transport eines Kajaks<br />

braucht es sonst ein Auto mit<br />

Dachträger, zur Lagerung genügend Stauraum o<strong>der</strong> einen netten Abwart. Wer<br />

auf dem Wasser fährt, muss irgendwie zurück zum Auto und dann damit wie<strong>der</strong><br />

zum Boote: das Faltboot bringts.<br />

Allgemeine Infos zu Faltboot, Anbietern von Kanutouren o<strong>der</strong> Kanuklubs in<br />

Ihrer Nähe auf www.verkehrsclub.ch/magazin<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 49


Der Vulcano ist neben dem Stromboli<br />

<strong>der</strong> zweite, weniger bekannte aktive<br />

Vulkan <strong>der</strong> Äolischen Inseln. Auf seinem<br />

Krater rauchen schwefelhaltige<br />

Fumarolen. Im Hintergrund Lipari<br />

und Salina.<br />

Leben auf dem Vulkan: auf <strong>der</strong> Insel Stromboli ist das Alltag. Und <strong>der</strong><br />

Vulcano ist auch nah. Besuch auf den Äolischen Inseln, wo man mehr<br />

als <strong>baden</strong> gehen kann.<br />

Den Stromboli erklimmt man<br />

am Nachmittag in Wan<strong>der</strong>schuhen<br />

und grossen Touristengruppen<br />

sowie mit einem Bergführer,<br />

das ist seit einigen Jah -<br />

ren Vorschrift. Unser Bergführer<br />

heisst Mario Pruiti. Er stammt aus<br />

Sizilien, stu<strong>die</strong>rte Politologie und<br />

erteilt uns einen Crashkurs in<br />

Strombologie. Er sagt, dass auf<br />

dem Stromboli alles normal sei.<br />

Es sei normal, wenn <strong>der</strong> alte Vulkan<br />

ein berauschendes Spektakel<br />

biete, ebenso, wie wenn er streike<br />

und sich in dicke <strong>Wo</strong>lken hülle, so<br />

dass man nichts zu sehen bekomme<br />

für <strong>die</strong> 25 Euro Exkursions -<br />

kosten. Der Feuerberg mache, was<br />

er wolle, ohne sich nach den Wünschen<br />

seiner Bewun<strong>der</strong>er zu richten.<br />

Später hebt Mario Pruiti einen<br />

<strong>der</strong> porösen, schwarzen Gesteinsbrocken<br />

auf. Es sei ein Teil<br />

des Kraterrands, <strong>der</strong> bei einer Explosion<br />

im Jahr 2002 weggesprengt<br />

wurde. Alles sei normal,<br />

auch dass einem ein Stein auf den<br />

Kopf falle.<br />

Nach gut zwei Stunden kommen<br />

wir bei den Schutzhütten auf<br />

900 Meter an. Die Abendsonne<br />

schwebt über dem Tyrrhenischen<br />

Meer. Die Bergflanke erscheint im<br />

Gegenlicht als schwarzes Dach,<br />

über dem eine dunkle Rauchfahne<br />

aufsteigt. Der Scirocco weht.<br />

Wir ziehen <strong>die</strong> Jacken an, setzen<br />

<strong>die</strong> Helme auf wegen <strong>der</strong> fliegenden<br />

Steine und begeben uns auf<br />

den Kraterrand. Dieser fällt halsbrecherisch<br />

steil nach innen ab.<br />

Die Sohle liegt etwa 200 Meter tiefer.<br />

Dort raucht und dampft es wie<br />

von 100 Lokomotiven. An einer<br />

Stelle ist Glut sichtbar. Rechts davon<br />

beginnt es zu brodeln. Plötzlich<br />

schleu<strong>der</strong>t eine unsichtbare<br />

Kraft eine Fontäne aus Gasen,<br />

Magma und Asche in <strong>die</strong> Höhe,<br />

blutrot mit gelbem Kern. Sie<br />

zischt, wächst, wird zu einer betörend<br />

schönen Säule aus rasenden<br />

Glutbrocken. Die<br />

Leuchtspuren ihrer<br />

Wurfparabeln<br />

formen für kurze<br />

Zeit einen Feuerbusch.<br />

Nach einigen<br />

Sekunden<br />

ver welkt er erschöpft. Die Zuschauer,<br />

<strong>die</strong> in Reih und Glied<br />

über dem Abgrund stehen, sagen<br />

«Aah» und «Ooh, did you see»<br />

und knipsen digital drauflos.<br />

Der kleinste <strong>der</strong> drei aktiven<br />

Schlote ist <strong>der</strong> fleissigste und <strong>der</strong><br />

fröhlichste. Er wie<strong>der</strong>holt seine<br />

Vorstellung alle paar Minuten.<br />

Der mittlere Schlot hingegen<br />

glüht und brüht nur vor sich hin.<br />

Er produziert mehr Rauch als<br />

Schall, während sich <strong>der</strong> dritte<br />

Zeit lässt, um uns dann aber mit<br />

dem eindrücklichsten Feuerwerk<br />

zu belohnen. Mario Pruiti vergleicht<br />

<strong>die</strong>se normale strombolische<br />

Aktivität mit einer Champagnerflasche.<br />

Ein Pfropfen aus flüssigem<br />

Material verstopfe <strong>die</strong><br />

Schlote bis <strong>der</strong> Gasdruck im Innern<br />

so hoch sei, dass <strong>der</strong> Zapfen<br />

weggesprengt werde. Dann steigen<br />

wir im Licht <strong>der</strong> Taschenlampen<br />

durch einen weichen Aschenpfad<br />

vom Berg hinunter wie durch<br />

schwarzen Pulverschnee. Am Firmament<br />

funkelt unglaublich klar<br />

das anarchisch-schöne Heer <strong>der</strong><br />

Sterne.<br />

Manchmal hat <strong>der</strong> Stromboli<br />

grössere Eruptionen. Das pyroklastische<br />

Material, das <strong>die</strong> Vulkanologen<br />

je nach dem Volumen in<br />

ITALIEN<br />

Äolische Inseln<br />

Schön und gleichgültig wie ein Gott<br />

Text und Fotos: Peter Krebs<br />

Asche, Lapilli und Bomben einteilen,<br />

fliegt dann in einem beträchtlichen<br />

Radius durch <strong>die</strong> Luft. Am<br />

Morgen des 5. April 2003, beim<br />

letz ten bedeutenden Ausbruch,<br />

Wir ziehen <strong>die</strong> Jacken an,<br />

setzen <strong>die</strong> Helme auf wegen<br />

<strong>der</strong> fliegenden Steine.<br />

beschädigten metergrosse Flugbomben<br />

das kleine Dorf Ginostra<br />

im Südwesten <strong>der</strong> Insel, wo Mario<br />

Pruiti wohnt. Die Jahre 2002 und<br />

2003 kannten eine erhöhte Aktivität.<br />

Über <strong>die</strong> Sciara del Fuoco, den<br />

Weg des Feuers, rutschten Lavaströme<br />

ins Meer, <strong>der</strong>en lange Bahnen<br />

in <strong>der</strong> Nacht leuchteten.<br />

Aschen regen fiel auf <strong>die</strong> Inseldörfer<br />

Ginostra und Stromboli, <strong>die</strong><br />

für zwei Monate evakuiert wurden.<br />

Dennoch leben <strong>die</strong> Bewohner<br />

keineswegs in Angst und Schrecken.<br />

Pericoloso? Ma che! Der<br />

Stromboli tue keinem etwas. Der<br />

sei einfach nur schweigend da,<br />

ganz im Gegensatz zu den Leuten,<br />

mit ihren bösartigen Zungen. Vor<br />

denen müsse man sich hüten, sagt<br />

<strong>der</strong> Fischer und Bootsvermieter,<br />

<strong>der</strong> am Hafen von Stromboli auf<br />

Kunden wartet. Es ist vier Uhr,<br />

bald legt das Boot aus Lipari an.<br />

Vor je<strong>der</strong> Ankunft belebt sich <strong>der</strong><br />

Hafen. Dreirädrige Töffs mit Ladebühne<br />

fahren vor: <strong>die</strong> grössten<br />

<strong>Verkehrs</strong>mittel, <strong>die</strong> sich in den engen<br />

Gassen bewegen können.<br />

Touristen mit Koffern, Einheimische<br />

mit Plastiksäcken und Kartonschachteln<br />

finden sich ein.<br />

Man plau<strong>der</strong>t, trinkt einen Es-<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 51


INSERAT<br />

presso. Zwei Carabinieri in eleganten<br />

Uniformen zeigen sich mit<br />

lässigem Stolz in ihrem singenden<br />

Elektrofahrzeug, das wie <strong>die</strong> Miniaturausgabe<br />

des Papamobils<br />

aussieht. Im schwarzen Sand unter<br />

dem Landungssteg spielen<br />

Kin<strong>der</strong> und machen sich zum Ärger<br />

<strong>der</strong> Mütter in <strong>der</strong> Brandung<br />

<strong>die</strong> Schuhe nass.<br />

Den Vulkan, <strong>der</strong> über allem thront<br />

Nützliche Inselinfos<br />

und seine Rauchfahne mal nach<br />

Norden, mal nach Süden schwenkt,<br />

beachten sie kaum. Und doch ist<br />

er präsent. Als Bergmasse und in<br />

den Köpfen. Er gibt <strong>der</strong> Insel das<br />

beson<strong>der</strong>e Gepräge. Er ist <strong>die</strong><br />

Insel. Seit Jahrtausenden ist er<br />

aktiv. Es scheint, als hebe er <strong>die</strong><br />

Zeit auf, als erlaube er einen Blick<br />

in den Ursprung <strong>der</strong> Erde, in ihre<br />

Eingeweide, in denen es rumpelt<br />

Anreise/Rückreise: Ab Mailand am besten mit dem Nachtzug bis Milazzo<br />

(Sizilien). Von hier aus fahren Fährschiffe und schnelle Tragflächenboote<br />

(Aliscafi) <strong>der</strong> Gesellschaften Ustica und Siremar. Fahrpläne: www.bahn.de;<br />

www.siremar.it; www.usticalines.it<br />

Vor Ort: Auf den grösseren Inseln mit nennenswerten Distanzen und Strassen<br />

(Lipari, Vulcano, Salina) mieten sich viele einen Scooter. Es gibt aber auch Veloverleihe<br />

und auf Lipari sowie Salina Busverbindungen o<strong>der</strong> Taxis. Fragen ist<br />

immer besser als bloss den Fahrplan lesen.<br />

Tipp: Im Ristorante Osservatorio beim Punto Labronzo kann man den Stromboli<br />

aus <strong>der</strong> Ferne durchs Glasdach beobachten. Schöner Spaziergang.<br />

Vulkanbesichtigung: Auf den Stromboli nur geführt am Nachmittag. Drei<br />

Anbieter rund um <strong>die</strong> Kirche San Vincenzo im Ortskern, unter an<strong>der</strong>em<br />

www.magmatrek.it. Auf den Vulcano freier Zugang von Porto di Levante aus.<br />

An<strong>der</strong>e Aktivitäten: Baden (eher kleine aber teils sehr schöne Strände, auf<br />

Vulcano auch im von Fumarolen erwärm ten Wasser), Tauchen, Essen, Bootsfahrten<br />

und Wan<strong>der</strong>n.<br />

Führer: Zahlreiche Führer im Buch handel. Für Wan<strong>der</strong>nde ist folgen<strong>der</strong> Titel<br />

zu empfehlen: Iwanowski’s, Liparische Inseln. Infos: www.iwanowski.de.<br />

Karte: Kompass 693, Liparische Inseln, Massstab 1:25 000.<br />

Beste Reisezeit: Frühling bis Spätherbst. Juli und August sind heiss und überfüllt.<br />

Unterkunft: Zahlreiche Hotels verschiedener Preisklassen sowie günstigere<br />

Privatzimmer.<br />

Via verde Reisen: Der <strong>VCS</strong>-Reisepartner hat <strong>die</strong> Liparischen Inseln mit<br />

Un terkünften auf Stromboli, Salina, Lipari und Vulcano in seinem Pro gramm,<br />

inklusive Bahnanreise.<br />

Infos und Buchung: www.via-verde-reisen.ch; Tel. 0848 823 823<br />

Cefalù<br />

Alicudi<br />

Filicudi<br />

Salina<br />

Vulcano<br />

Stromboli<br />

Lipari<br />

Sizilien<br />

Panarea<br />

Milazzo<br />

Messina<br />

Reggio<br />

Calabria


und glüht wie in <strong>der</strong> Werkstatt des<br />

Schmiedegotts Hephaistos, als <strong>die</strong><br />

<strong>der</strong> Stromboli in <strong>der</strong> Antike galt.<br />

In <strong>die</strong>ser Küche walten viel kolossalere<br />

Kräfte als jene, <strong>die</strong> <strong>der</strong><br />

Mensch zu erzeugen vermag. Der<br />

Vulkan grollt manchmal, manchmal<br />

speit er Feuer. Er führt sein eigenes<br />

Leben, ohne sich um <strong>die</strong><br />

Geschäfte <strong>der</strong> Bewohner zu kümmern.<br />

Er ist schön, unbestechlich,<br />

mächtig und gleichgültig wie ein<br />

Gott. Er tauchte vor 40 000 Jahren<br />

aus den Tiefen des Meers auf, wie<br />

alle sieben Äolischen (Liparischen)<br />

Inseln nördlich von Sizilien.<br />

Die noch rund 400 ständigen<br />

Bewohner von Stromboli verdanken<br />

ihr Auskommen vorwiegend<br />

dem Tourismus. Einst florierte auf<br />

<strong>der</strong> fruchtbaren Vulkanerde auch<br />

<strong>die</strong> Landwirtschaft. Süsser Malvasierwein<br />

wurde in alle Welt exportiert,<br />

bis <strong>die</strong> Reblaus <strong>die</strong> Pflanzen<br />

zerstörte. Auf alten Schwarzweissfotos<br />

aus den 1930er-Jahren erkennt<br />

man <strong>die</strong> Schilfreihen, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Weinberge einteilten und gegen<br />

den Wind schützten. Im 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t lebten noch bis zu<br />

2700 Menschen auf <strong>der</strong> Insel. Viele<br />

sind später ausgewan<strong>der</strong>t. Sie<br />

wohnten in den typischen Gebäu-<br />

Duftende Gräser und Kräuter am Stromboli (oben links).<br />

Aufstieg von Pollara aus Richtung Monte Porri auf <strong>der</strong> Insel Salina (oben).<br />

Gasse in <strong>der</strong> Festung über <strong>der</strong> Stadt Lipari (links).<br />

den mit Flachdächern, <strong>die</strong> oft zum<br />

Sammeln des spärlichen Regenwassers<br />

<strong>die</strong>nen. Dieser mo<strong>der</strong>n<br />

anmutende liparische «Kubismus»<br />

ist von ehrlichem Charme.<br />

Die heutigen, strahlend weiss verputzten<br />

Ferienunterkünfte geben<br />

vor, ihn zu imitieren; mit ihrem<br />

üppigen Säulentum und dem<br />

Rundbogenfensterwesen sind sie<br />

letztlich aber Kitsch.<br />

Die Inseln, auf denen <strong>die</strong> Alten<br />

Griechen <strong>die</strong> Heimat des Windgottes<br />

Aeolos vermuteten, sind<br />

das Land des Tramontana und des<br />

warmen Scirocco, <strong>der</strong> den gelben<br />

Sand aus <strong>der</strong> Sahara über das<br />

Meer trägt. Sie sind auch das Land<br />

<strong>der</strong> Düfte. Wer durch <strong>die</strong> Gärten<br />

<strong>der</strong> Dörfer und durch <strong>die</strong> Macchia<br />

spaziert, wird von einem südländischen<br />

Parfum betört, von den<br />

Aromen <strong>der</strong> blühenden Glyzinen,<br />

des Thymians, des wilden Fenchels,<br />

des Ginsters und des Wermuths,<br />

<strong>der</strong> üppig wuchert und aus<br />

dem man einst Absinth braute.<br />

ITALIEN<br />

Äolische Inseln<br />

Ganz an<strong>der</strong>e Düfte steigen einem<br />

in <strong>die</strong> Nase, wenn man von Porto<br />

di Levante aus auf den Vulcano<br />

steigt. Hier riecht es nach faulen<br />

Eiern. Oben auf dem Krater, <strong>der</strong><br />

einen fast perfekten Kegel bildet,<br />

treten heisse Schwefelgase und<br />

an<strong>der</strong>e Chemikalien aus <strong>der</strong> Erdenküche<br />

an den Tag. Sie entweichen<br />

aus dampfenden und giftigen<br />

Fumarolen, um <strong>die</strong> herum<br />

blumenkohlartige Schwefelkristalle<br />

das Geröll gelb färben. Auch<br />

<strong>der</strong> Vulcano ist in seinem hohen<br />

Alter noch aktiv. Explo<strong>die</strong>rt ist er<br />

allerdings seit 1890 nicht mehr.<br />

Damals erschreckte ein wuchtiger<br />

Ausbruch <strong>die</strong> Einheimischen.<br />

«Man hörte ein fortwährendes<br />

Rollen, als wenn ein Eisenbahnzug<br />

über eine Brücke führe», notierte<br />

ein Zeitgenosse.<br />

Fumarolen gelten als Zeichen<br />

erlahmen<strong>der</strong> Tätigkeit. Einige<br />

Tou risten, <strong>die</strong> den Krater in <strong>der</strong><br />

Hochsaison erstürmen, wagen<br />

<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 53


ITALIEN<br />

Äolische Inseln<br />

Immer bei <strong>der</strong> Ankunft <strong>der</strong> Boote erwacht <strong>der</strong> Hafen von Lipari (oben).<br />

Mit etwas Glück kann man <strong>die</strong> «normale» Aktivität des Stromolis aus <strong>der</strong> Nähe<br />

betrachten (rechts).<br />

sich auf den Grund des Vulcano,<br />

auf den sie fromme Wünsche<br />

schreiben. «Pax» zum Beispiel.<br />

Der kurze Aufstieg lohnt sich<br />

auch, weil man auf dem Gipfel eine<br />

wun<strong>der</strong>bare Aussicht geniesst.<br />

Weit im Süden schimmert <strong>die</strong> Silhouette<br />

des Ätna, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite <strong>die</strong> nahe Insel Lipari und dahinter<br />

Salina mit dem Doppelkegel.<br />

Dort fahren wir hin mit dem<br />

Boot, vorbei an <strong>der</strong> Küste von Lipari.<br />

Eigentlich hat Salina drei<br />

Krater. Einer ist zur Hälfte im<br />

Meer versunken, so dass das Gelände<br />

nun einem Amphitheater<br />

gleicht. Eine einmalige Lage. Das<br />

Dorf Pollara, ein Nest, döst auf<br />

dem Kraterboden. In einem unscheinbaren<br />

Haus drehte Michael<br />

Redford 1994 den Film «Il Postino».<br />

Er erzählt, wie <strong>der</strong> im Exil lebende<br />

Dichter Pablo Neruda einen<br />

Postboden in <strong>die</strong> Geheimnis-<br />

se <strong>der</strong> Liebe und des sonstigen Lebens<br />

einführt. Der Besitzer des<br />

Hauses, ein Maler, sei durch den<br />

Film zu Geld gekommen, weiss eine<br />

Einheimische. Aber er fährt<br />

weiterhin in seinem uralten Renault<br />

herum. Für grosse Schlitten<br />

ist <strong>die</strong> Insel eh zu klein. Es gibt nur<br />

ein paar Kilometer Asphalt.<br />

Es gibt zum Glück auch ein paar<br />

Kilometer bezaubernde Wan <strong>der</strong>wege.<br />

Zum Beispiel jenen, <strong>der</strong> vom<br />

Semaforo oberhalb Pollara aus<br />

startet und um den Monte Porri<br />

herumführt, immer mit Blick auf<br />

das Meer. Man klettert durch <strong>die</strong><br />

verfallenden Stützmauern eines alten<br />

Olivenhains hinunter, um<br />

schliesslich in Rinella wie<strong>der</strong> das<br />

Schiff zu nehmen. Jede Insel habe<br />

ihren eigenen Charakter und <strong>die</strong><br />

Bewohner ebenso, behaupten <strong>die</strong><br />

Liparoten. Mit <strong>der</strong> Zeit, beginnen<br />

wir ihnen zu glauben.<br />

Salina ist <strong>die</strong> grünste, <strong>die</strong> bäuerlichste,<br />

auf ihr spriessen <strong>die</strong> besten<br />

Kapern; Vulcano erkennt man<br />

schon bei <strong>der</strong> Ankunft im Hafen<br />

am Eiergeruch, <strong>der</strong> tagelang in<br />

den Klei<strong>der</strong>n haftet. Lipari ist <strong>die</strong><br />

grösste Insel, das Zentrum, <strong>die</strong> geschäftigste.<br />

Sie kennt, wie das<br />

Festland, Lärm und <strong>Verkehrs</strong>probleme,<br />

sie besitzt aber auch <strong>die</strong><br />

einzige Stadt des Archipels mit<br />

Gässchen voller Poesie und Pflanzenschmuck,<br />

mit guten Restaurants,<br />

Önotheken, Cafés, mit stol-<br />

zen und eloquenten Bürgern und<br />

mit <strong>der</strong> dominierenden Festung,<br />

in <strong>der</strong>en Schutz fünf Kirchen und<br />

ein Kreuzgang aus normannischer<br />

Zeit <strong>die</strong> Stürme überdauerten.<br />

Das Ensemble ist eine geballte Ladung<br />

Katholizismus und beherbergt<br />

auch das liparische Museum.<br />

Dann wären da noch <strong>die</strong><br />

Kleinsten: Panarea, Filicudi und<br />

ganz im Westen Alicudi, das keine<br />

<strong>Verkehrs</strong>sorgen kennt. Statt Motorfahrzeuge<br />

gibt es hier Esel. Auf<br />

Alicudi sind sie noch normal.<br />

54 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008


ANSICHTEN<br />

Leserbriefe<br />

<strong>VCS</strong>-Magazin 2/08<br />

Zum neuen Auftritt<br />

Ich habe das neue <strong>VCS</strong>-Magazin mit grossem Vergnügen gelesen und<br />

muss sagen: Toll, was Sie und Ihr Team uns zu bieten haben. So macht<br />

es richtig Spass, sich mit zum Teil ziemlich ärgerlichen Themen auseinan<strong>der</strong><br />

zu setzen. Was ja bekanntlich <strong>die</strong> grösste Kunst ist: gute Unterhaltung<br />

mit Tiefgang. Kompliment! Sybil Schreiber, Bad Zurzach<br />

Herzliche Gratulation zu dem erstklassigen Wurf des neuen Magazins<br />

(obwohl mir <strong>der</strong> Name Leonardo sehr sympathisch gewesen ist). Beson<strong>der</strong>s<br />

angesprochen hat mich <strong>der</strong> hervorragende Artikel «Halb so<br />

gross und doppelt so spät»: klar, gut formuliert, leicht zu lesen und<br />

überzeugend. Alles wirkt sehr professionell und das ist wichtig, weil<br />

<strong>die</strong> Gegenseite, <strong>die</strong> Autolobby, mit Werbemillionen<br />

operieren kann. Da hätten<br />

wir mit «Seide-<strong>Wo</strong>lle-Bast»-Touch keine<br />

Chance ausser bei den schon Überzeugten.<br />

Peter Früh, Basel<br />

Das neue Kleid passt und mit «<strong>VCS</strong>-<br />

Magazin» ist <strong>der</strong> Absen<strong>der</strong> nun klar.<br />

Nur das Titelbild ist etwas gar langweilig<br />

und fad. Es liegt aber nicht nur am<br />

Foto, und nichts gegen <strong>die</strong> junge Frau.<br />

Der Schriftzug <strong>VCS</strong> (grau im grau-<br />

Ton), «Magazin für zeitgemässe Mobilität»<br />

und <strong>die</strong> Aufrisszeile im «Negativ» sind schlecht leserlich. Auch<br />

<strong>der</strong> Balken unten wirkt ziemlich fad. Wieso nicht oben etwas mehr<br />

Luft, Schriftzug farbig und das Logo grösser? Etwas mehr Farbe –<br />

muss ja nicht gleich ein «Blick» werden – aber wenigstens ein Blickfang<br />

täte gut. Ulla Senn, Schönenberg<br />

Danke, das neue Kleid tut gut! Regine Born, Solothurn<br />

Gratulation. Das neue Magazin ist sehr «aamächalig» und gelungen.<br />

Es reizt richtig zum Lesen. Die Integration des Lokalteiles finde ich<br />

sehr gut. Alles in Allem, ein bedeuten<strong>der</strong> Schritt vorwärts in <strong>der</strong> auch<br />

bisher guten Kommunikation. Georges Ragaz, Chur<br />

Ich gratuliere zur neu gestalteten <strong>VCS</strong>-Zeitschrift. Zuallererst dazu,<br />

dass <strong>der</strong> unsägliche Titel Leonardo fallengelassen wurde. Dann aber<br />

auch zur Gestaltung an sich: Mo<strong>der</strong>n, klar, übersichtlich, aber gleichzeitig<br />

Verzicht auf unnötigen sogenannt trendigen Schnick-Schnack.<br />

Lösung des Sudoku<br />

3 9 7 4 6 5<br />

4 6 2 9 8 1<br />

8 5 1 7 2 3<br />

5 8 9 3 1 2<br />

1 7 4 6 5 9<br />

6 2 3 8 7 4<br />

2 4 8 5 3 6<br />

9 3 6 1 4 7<br />

7 1 5 2 9 8<br />

8 1 2<br />

7 3 5<br />

6 9 4<br />

4 6 7<br />

2 8 3<br />

9 5 1<br />

1 7 9<br />

5 2 8<br />

3 4 6<br />

Marco Zaugg, Bern<br />

Ich bin sehr froh, dass Leonardo<br />

nun endlich abgedankt<br />

hat und ich mich als<br />

Frau auch wie<strong>der</strong> angesprochen<br />

fühle. Ich habe das<br />

neue Magazin zwar erst<br />

oberflächlich angeschaut,<br />

aber ich finde es sehr ansprechend<br />

und es verlockt zum<br />

Lesen.<br />

Heidi Duppenthaler, Bubendorf<br />

Leonardo 1/08/Auto-Umweltliste<br />

Trend zum grossen Auto<br />

Über eine Folge von breiteren und auch höheren Fahrzeugen ist selten<br />

zu lesen: Die Strassen haben nach wie vor <strong>die</strong> gleiche Breite wie seit<br />

Jahrzehnten. Sehr oft teilen sich Autos und Velos den Strassenraum.<br />

Durch <strong>die</strong> breiteren Fahrzeuge reduziert sich <strong>der</strong> ohnehin schon geringe<br />

Raum für Velofahrer. Denn wie selbstverständlich werden Velos<br />

überholt, <strong>die</strong>s ist für Autofahrer normal – egal wie gross <strong>der</strong>en Gefährt<br />

ist.<br />

Dadurch entsteht bei mir als Velofahrer ein Unsicherheitsgefühl. Vielleicht<br />

würde es helfen, so konsequent wie irgend möglich Velostreifen<br />

an den Strassenrän<strong>der</strong>n vorzusehen. Und wo <strong>die</strong>s nicht umsetzbar<br />

ist wäre im innerstädtischen Raum zu prüfen, ob solche schmaleren<br />

Strassen in Einbahnverkehr umgestellt werden können. Vielleicht<br />

sollte <strong>der</strong> Bewegungsraum für <strong>die</strong>se Vehikel auf <strong>die</strong> Autostrassen generell<br />

beschränkt werden – Spezialstrassen für speziellere Autos.<br />

<strong>VCS</strong>-Magazin 2/08<br />

Subventionierte Flüge<br />

Thomas Schmidt, Bern<br />

Im <strong>VCS</strong>-Magazin musste ich lesen, dass <strong>der</strong> Bund ernsthaft und mit<br />

allen Mitteln dahin arbeitet, <strong>die</strong> Inland-Retourflüge Bern–Lugano pro<br />

Flug mit Fr. 400.— zu subventionieren. Ich habe ja ein gewisses Verständnis<br />

für den Gewissenskonflikt des <strong>Verkehrs</strong>- und Umweltministers.<br />

Die «Feinklingenreden» Leuenbergers zu Gunsten des Klimaschutzes,<br />

all over the world, hinterlassen den Eindruck, dass <strong>der</strong> Umweltminister<br />

sich klar für den Klimaschutz einsetzt. Siehe auch <strong>die</strong><br />

überaus mutige Verordnung: Ein Verbot, ab 2009 keine «normalen»<br />

Glühbirnen mehr!<br />

Die Frage sei erlaubt: Warum will das Departement Leuenberger unbedingt<br />

«verschiedenen Anliegen aus dem Kanton Tessin» Rechnung<br />

tragen? Ich liebe das Tessin und schon seit Jahrzehnten verbringen ich<br />

und meine Familie <strong>die</strong> Ferien dort (ohne<br />

zu fliegen), deshalb bin ich über <strong>die</strong> Verhältnisse<br />

informiert! Seit Jahren konnten<br />

Herr Bignasca & Co mittels Auto (eher<br />

nicht per SBB) ihren Weg ins Berner Parlament<br />

finden. Jetzt will man <strong>die</strong>sen Weg<br />

per Flug erleichtern und <strong>der</strong> Steuerzahler<br />

hat <strong>die</strong>s auch noch zu finanzieren.<br />

Herr Bundesrat Leuenberger sollte sich<br />

doch langsam über den Weg seines Gewissens<br />

Gedanken machen, könnte es<br />

sein, dass «es» im <strong>Wo</strong>hlleben versunken sein könnte? Die aufmerksame<br />

Bürgerin fragt sich ernsthaft wozu wir eigentlich (noch) Bundessteuern<br />

bezahlen müssen.<br />

Ursula Hofstetter, Forch<br />

56 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008


F R E I Z E I T<br />

Unterhaltung<br />

WETTBEWERB<br />

Als Wilhelm Tell sich nach dem<br />

Sprung auf <strong>die</strong> Tellsplatte in<br />

Richtung <strong>der</strong> Hohlen Gasse aufmachte,<br />

um Hermann Gessler mit<br />

einem Pfeil vom hohen Ross zu<br />

holen, hätte er unseren gesuchten<br />

Berg überschritten, wenn er den<br />

direktesten Weg eingeschlagen hätte.<br />

Der Tyrannenmör<strong>der</strong> und spätere<br />

Nationalheld wählte aber –<br />

will man Friedrich Schiller und<br />

seinem Drama glauben – den Umweg<br />

hinter dem Berg durch, eine<br />

Route, <strong>die</strong> zweifellos schneller, da<br />

flacher war und ist.<br />

Ob <strong>der</strong> Jäger und Naturbursche<br />

Tell mit seiner Hedwig je auf dem<br />

Berg war, ist nicht überliefert aber<br />

eher unwahrscheinlich, da man<br />

seinerzeit wenig Zeit für romantische<br />

touristische Ausflüge erübrigen<br />

konnte. Schon nur, weil <strong>der</strong><br />

Tourismus noch nicht erfunden<br />

war und <strong>die</strong> Romantik ebenso wenig.<br />

Sicher nicht oben war Schiller,<br />

<strong>der</strong> zwar sein letztes Drama, «Wilhelm<br />

Tell», in <strong>die</strong>ser Gegend ansiedelte,<br />

ohne sie jedoch persönlich<br />

zu kennen. Dennoch gibt es<br />

heute in <strong>der</strong> Nähe den Schiller-<br />

Wie heisst <strong>der</strong> Berg, den <strong>die</strong> erste Zahnradbahn<br />

Europas bezwingt?<br />

Wie heisst <strong>die</strong> Königin<br />

<strong>der</strong> Berge?<br />

© ST/swiss-image.ch<br />

stein inmitten eines komplizierten<br />

Sees, <strong>der</strong> sich am Fuss unseres<br />

Bergs ausbreitet.<br />

In jüngerer Zeit, als <strong>die</strong> Freizeit<br />

zunahm und <strong>der</strong> Reisemöglichkeiten<br />

mehr wurden, hat sich <strong>der</strong><br />

Berg zu einem Touristenmagneten<br />

entwickelt, wobei er eine Pionierrolle<br />

innehatte. Er war <strong>der</strong> erste<br />

rundumerschlossene Hoger <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong>. Europas älteste Zahnradbahn<br />

erleichterte dem Publikum<br />

den Aufstieg auf den Gipfel. Der<br />

ist zwar bei weitem nicht <strong>der</strong><br />

höchste im Land. Doch wurde er<br />

in den höchsten Tönen gelobt, vor<br />

allem wegen des Sonnenaufgangs,<br />

den es oben zu geniessen gibt.<br />

Auch <strong>der</strong> amerikanische Schriftsteller<br />

Mark Twain tat <strong>die</strong>s, bis er<br />

merkte, dass er sich verschlafen<br />

hatte und <strong>die</strong> Sonne am Untergehen<br />

war.<br />

Der Berg hat genau genommen<br />

mehrere Gipfel, ist ein Gebirge,<br />

das einst zwei Grand Hotels verzierten,<br />

<strong>die</strong> allerdings ähnlich wie<br />

Gessler nicht überlebten. Und nun<br />

kommen wir zum Wichtigsten,<br />

dem Namen. Der ist kurz, aber<br />

DIE NÄCHSTE<br />

NUMMER<br />

Kleine Städte, grosser<br />

Verkehr<br />

Die grossen Städte haben ihre<br />

Trams und S-Bahnen. Doch<br />

wie lösen kleinere Städte ihre<br />

<strong>Verkehrs</strong>probleme? Wir haben uns<br />

umgeschaut. In Freiburg, Solothurn<br />

und an<strong>der</strong>swo. Fazit: Es hat<br />

überall viel Verkehr und es<br />

braucht überall neue Lösungen.<br />

Nur welche?<br />

man weiss trotzdem<br />

nicht, woher<br />

er stammt. Es gibt<br />

zwei Denkschulen.<br />

Beide lehnen<br />

sich ans Latein an. Die eine huldigt<br />

dem Marketingdenken und<br />

behauptet, <strong>der</strong> Name gehe auf das<br />

lateinische <strong>Wo</strong>rt für «Königin» zurück,<br />

unser Berg sei somit <strong>die</strong> Königin<br />

<strong>der</strong> Berge. Die an<strong>der</strong>e Schule<br />

hält es mit <strong>der</strong> Naturwissenschaft<br />

und mit den nackten Flühen, <strong>der</strong>en<br />

deutlich sichtbaren Schichtungen<br />

und Falten auf Latein ähnlich<br />

klingen wie «Königin» – und wie<br />

<strong>der</strong> gesuchte Bergname. Peter Krebs<br />

Wir wollen wissen: Wie heisst <strong>der</strong> Berg?<br />

Antworten: Bis 20. Juni 2008 an <strong>VCS</strong>-Magazin, Wettbewerb, Postfach<br />

8676, 3001 Bern o<strong>der</strong> an wettbewerb@verkehrsclub.ch<br />

1. Preis: eine Übernachtung im Doppelzimmer mit Südsicht in einem<br />

schönen Hotel auf dem gesuchten Berg im Wert von Fr. 230.–.<br />

2. Preis: zwei Tageskarten für den gesuchten Berg im Wert von Fr. 124.–.<br />

Lösung des letzten Wettbewerbs: La Chaux-de-Fonds<br />

Gewinnerin: Rosmarie Brülisauer, 6370 Stans<br />

Sudoku Lösung auf Seite 56<br />

6 2<br />

58 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008<br />

8<br />

5 9<br />

1<br />

2<br />

2 8<br />

3<br />

1<br />

6 5<br />

9 1<br />

7<br />

6 5<br />

8<br />

2<br />

6<br />

1 4 7<br />

2 8<br />

8 2<br />

3 5<br />

8<br />

9 5 1<br />

7 9<br />

2 8<br />

6<br />

© ST/swiss-image.ch

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