Wo die Schweiz baden geht - VCS Verkehrs-Club der Schweiz
Wo die Schweiz baden geht - VCS Verkehrs-Club der Schweiz
Wo die Schweiz baden geht - VCS Verkehrs-Club der Schweiz
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Auf Touren<br />
In <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>,<br />
in Frankreich und im Kopf<br />
Endo Anaconda<br />
Über seine<br />
zwei Heimatlän<strong>der</strong><br />
Son<strong>der</strong>nummer Schön und schonend Reisen<br />
3 / Juni 2008<br />
FÜR ZEITGEMÄSSE MOBILITÄT<br />
Sommer<br />
<strong>Wo</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
<strong>baden</strong> <strong>geht</strong>
© Karen Cordes<br />
28<br />
Wan<strong>der</strong>n Sechs Vorschläge für nahe Touren.<br />
AKTUELL<br />
4 Kurz & Bündig<br />
VELO<br />
6 Das Geheimnis <strong>der</strong> France profonde<br />
KOPFREISEN<br />
13 Ein <strong>Wo</strong>chenende für Faultiere<br />
WASSER<br />
14 Die schönsten Badeplätze <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
ENDO ANACONDA<br />
26 Auswan<strong>der</strong>n ins Ländle<br />
WANDERN<br />
28 Sechs Routen ins Glück<br />
36 Neue Wege braucht das Land<br />
Titelbild Der Sprung in den Vierwaldstättersee verschafft an heissen Tagen eine willkommene Abkühlung. Bild: © Keystone<br />
© swiss-image<br />
14<br />
Sommerfreuden Die schönsten Badeplätze <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>.<br />
51<br />
Äolische Inseln In <strong>der</strong> Küche des Hephaistos.<br />
Impressum<br />
Das <strong>VCS</strong>-Magazin für zeitgemässe Mobilität<br />
Zeitschrift des <strong>VCS</strong> <strong>Verkehrs</strong>-<strong>Club</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Erscheint 6 -mal jährlich. Redaktionsadresse: <strong>VCS</strong>, Postfach 8676, 3001 Bern (Tel. 0848 611 611; E-Mail: magazin@verkehrsclub.ch).<br />
Redaktion: Peter Krebs (pk), Sektionsnachrichten: Urs Geiser, Noëlle Petitdemange. Inserate: Katharina Rutishauser (Tel. 058 611 62 54, Fax 058 611 62 01; E-Mail: inserate@verkehrsclub.ch).<br />
Grafik: www.muellerluetolf.ch, Susanne Troxler. Druck, Versand: Ziegler Druck, Winterthur. Papier: Charaktersilk, 100% Recycling. Auflage: 88 000 (deutsch 71000; französisch 17000).<br />
Die nächste Ausgabe erscheint am 30. Juni 2008. Insertionsschluss: 2. Juni 2008.<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 3<br />
© Peter Krebs<br />
ZUGREISEN<br />
38 Einfach mal Moskau retour lösen<br />
VELO<br />
44 Flussabwärts entlang <strong>der</strong> Velothur<br />
WASSER<br />
49 Mit dem Boot ins Postauto<br />
ITALIEN<br />
50 Schön und gleichgültig wie ein Gott<br />
56 LESERBRIEFE<br />
WETTBEWERB<br />
58 Die Königin <strong>der</strong> Berge
AKTUELL<br />
Kurz & Bündig<br />
Editorial<br />
Easy auch ohne Jet<br />
Vor einem Monat hielten unsere Leserinnen<br />
und Leser <strong>die</strong> erste Ausgabe des neuen<br />
<strong>VCS</strong>-Magazins in den Händen. Nun dürfen<br />
wir <strong>die</strong> nächste Neuerung vorstellen: <strong>die</strong><br />
Son<strong>der</strong>nummer zum Thema Reisen. Es ist<br />
eine zusätzliche Ausgabe, eine neue Dienstleistung für <strong>die</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong> des <strong>VCS</strong>.<br />
Es liegt in <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Sache, Reisen hatte immer mit Verkehr<br />
zu tun. Heute <strong>geht</strong> mehr als <strong>die</strong> Hälfte <strong>der</strong> gesamten<br />
Mobilität aufs Konto des Freizeitverkehrs. Das ist viel und<br />
ein Problem. Lieber als zu klagen, machen wir Vorschläge.<br />
Vorschläge für Ausflüge, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Natur, <strong>die</strong> Luft nicht zu sehr<br />
in Anspruch nehmen, <strong>die</strong> aber lustvoll, bereichernd und<br />
überraschend sind. Vorschläge für schönes und schonendes<br />
Reisen, für Ferien, <strong>die</strong> auch ohne Jet easy sind.<br />
Unter <strong>der</strong> Fülle von Möglichkeiten haben wir uns für eine<br />
Mischung aus Wan<strong>der</strong>ungen, Velotouren und Zugreisen<br />
entschieden, <strong>die</strong> meisten davon in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en<br />
in Bahndistanz; dazu Rezepte fürs Baden und Paddeln:<br />
mit dem Faltboot, das im Postauto Platz findet.<br />
Wir haben viel zu viele Informationen zusammengetragen,<br />
um sie ganz in <strong>die</strong>sem Heft zu verstauen. Aber es gibt ja<br />
das Internet. Dort finden unsere Leserinnen zu manchen<br />
Artikeln zusätzliche Angaben (cross media!). Weil aber<br />
nicht alle Leute online sind, schicken wir <strong>die</strong> gleichen<br />
Infos auf Anfrage auch traditionell per Post zu (s. nebenstehenden<br />
Artikel).<br />
Wir hoffen, auch jenen etwas zu bieten, <strong>die</strong> lieber zuhause<br />
bleiben. Die Bil<strong>der</strong> und Artikel sollen schon beim Durchblättern<br />
und Lesen Vergnügen bereiten, nicht erst in <strong>der</strong><br />
Umsetzungsphase. Man kann ja auch einfach im Kopf unterwegs<br />
sein. Was sich übrigens beson<strong>der</strong>s bei Unwettern<br />
anerbietet (Brainstorming heisst das dann wohl). Zu <strong>die</strong>ser<br />
sehr umweltfreundlichen Reiseart geben wir ebenfalls ein<br />
paar Ideen zum Besten.<br />
Peter Krebs, Chefredaktor<br />
Mehr vom Reisen mit<br />
dem <strong>VCS</strong>-Magazin<br />
Der <strong>VCS</strong> und sein Magazin verbessern<br />
ihr Angebot im Reisebereich.<br />
In enger Zusammenarbeit<br />
mit <strong>der</strong> Homepage. Auch<br />
<strong>die</strong> wird neu.<br />
Mit dem Partnerunternehmen<br />
«Via verde reisen» und den Velokarten<br />
hatte <strong>der</strong> <strong>VCS</strong> schon bisher<br />
ein Standbein im Reisebereich.<br />
Dieses wird nun ausgebaut.<br />
In enger Zusammenarbeit zwischen<br />
dem <strong>VCS</strong>-Magazin und<br />
<strong>der</strong> <strong>VCS</strong>-Homepage entsteht eine<br />
neue Informationsplattform für<br />
sinnvolles Reisen. Die <strong>VCS</strong>-Mitglie<strong>der</strong><br />
und <strong>die</strong> Leserinnen und<br />
Leser profitieren schon ab <strong>der</strong><br />
vorliegenden Son<strong>der</strong>nummer<br />
von <strong>der</strong> Dienstleis tung. Das<br />
Prinzip ist einfach. Weil es unmöglich<br />
ist, alle nützlichen Informationen<br />
im gedruckten Heft<br />
unterzubringen, Stellen wir zusätzliche<br />
Service-Angaben zu un-<br />
seren Vorschlägen auf einfache<br />
und übersichtliche Art im Internet<br />
bereit. Dort finden sich zum<br />
Beispiel genaue Streckenbeschriebe<br />
zu einzelnen Wan<strong>der</strong>ungen<br />
und Velotouren, Hinweise<br />
für Übernachtungen, Bücher<br />
und weitere Tipps. Man kann<br />
<strong>die</strong>se Angaben auch ausdrucken<br />
und mit auf <strong>die</strong> Reise nehmen.<br />
Die Adresse dazu lautet:<br />
www.verkehrsclub.ch/magazin<br />
Wir publizieren im Internet auch<br />
zusätzliche Vorschläge. Das trifft<br />
etwa für den Beitrag über <strong>die</strong> Badestellen<br />
zu. In <strong>der</strong> gedruckten<br />
Ausgabe haben wir Platz für 19<br />
Vorschläge, im Internet sind es<br />
fast doppelt so viele. Wir werden<br />
sie dort auch laufend ergänzen.<br />
So spielt jedes Medium seine<br />
Stärken aus. Mit aufgeschaltet<br />
werden Tourenvorschläge, <strong>die</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>VCS</strong> früher publizierte. Man findet<br />
<strong>die</strong> Vorschläge übersichtlich<br />
nach Aktivitäten geordnet (wie<br />
Wan<strong>der</strong>n, Velo usw.) auf einer<br />
<strong>Schweiz</strong>mobil Das Veloland macht Schule<br />
4 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008<br />
© swiss-image.ch
Karte eingetragen und kann <strong>die</strong><br />
Infos durch Anklicken aktivieren.<br />
Die Informationen sind ab<br />
sofort abrufbar. Anfang Juni 2008<br />
schalten wir eine überarbeitete,<br />
aufgefrischte und mit zahlreichen<br />
zusätzlichen Funktionen ausgestattete<br />
<strong>VCS</strong>-Homepage online.<br />
Übrigens be<strong>die</strong>nen wir gerne<br />
auch alle Mitglie<strong>der</strong>, <strong>die</strong> über<br />
kein Internet verfügen, mit den<br />
Zusatzinformationen zu einzelnen<br />
Artikeln des <strong>VCS</strong>-Magazins:<br />
Wenn Sie uns ein korrekt frankiertes<br />
und adressiertes Rückantwortcouvert<br />
(mindestens C5)<br />
schicken und angeben, zu welchem<br />
Artikel Sie <strong>die</strong> Informationen<br />
wünschen (wenn Zusatzinfos<br />
vorhanden sind, ist das im Infoteil<br />
des entsprechenden Artikels<br />
vermerkt). (pk)<br />
Unsere Adresse: <strong>Verkehrs</strong>-<strong>Club</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong>, Magazin, Postfach 8676,<br />
3001 Bern<br />
Neu aufgelegt<br />
Die beliebte <strong>VCS</strong>-Velokarte Elsass–Basel–Schwarzwald<br />
ist soeben<br />
in einer neuen Auflage erschienen.<br />
Die Dreilän<strong>der</strong>karte<br />
schafft im Massstab 1:100 000<br />
Zugang zu einer <strong>der</strong> beliebtesten<br />
Regionen für kürzere und längere<br />
Radtouren. Sie ergänzt <strong>die</strong> insgesamt<br />
18 regionalen <strong>Schweiz</strong>er<br />
Velokarten (Massstab 1:60 000),<br />
<strong>die</strong> <strong>der</strong> <strong>VCS</strong> herausgibt. Nebst<br />
den offiziellen Routen ist darin<br />
ein dichtes Netz von Strecken<br />
empfohlen, das <strong>die</strong> Veloexperten<br />
des <strong>VCS</strong> in akribischer Arbeit zusammentragen.<br />
Mit dazu gehören<br />
Informationen über Steigungen,<br />
stark befahrene Verbindungsstrecken<br />
sowie nützliche<br />
touristische Angaben. Die Karten<br />
sind im Buchhandel erhältlich<br />
sowie über <strong>die</strong> <strong>VCS</strong>-Boutique,<br />
mit einem <strong>VCS</strong>-Mitglie<strong>der</strong>rabatt<br />
von je drei Franken.<br />
Infos: www.vcs-boutique.ch,<br />
Tel. 0848 612 612<br />
Gut aufgelegt<br />
Gute Stimmung: An den Slowups sind <strong>die</strong> Unmotorisierten unter sich.<br />
AKTUELL<br />
Kurz & Bündig<br />
Gut aufgelegt sind jeweils <strong>die</strong> Teilnehmenden an den Slowups, den regionalen<br />
Veranstaltungen, an denen Strassenstücke für den motorisierten<br />
Verkehr gesperrt und dem Langsamverkehr freigegeben werden. In<br />
<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> gibt es schon 15 solche Anlässe. Die Saison hat begonnen,<br />
<strong>der</strong> nächste Slowup ist <strong>der</strong> freundnachbarliche am «Hochrhein» zwischen<br />
Bad Säckingen und Laufenburg. Er findet am 5. Juni statt.<br />
Infos: www.slowup.ch<br />
Seit 1998 gibt es das Veloland<br />
<strong>Schweiz</strong>: Mit einer einheitlichen<br />
Signalisierung von nationalen<br />
und regionalen Routen, mit<br />
praktischen Führern, guter Verknüpfung<br />
mit dem öffentlichen<br />
Verkehr, mit buchbaren Angeboten<br />
und einer eigenen Internetseite.<br />
Das Velo schaffte damals<br />
im <strong>Schweiz</strong>er Tourismus endlich<br />
den Durchbruch. Heute werden<br />
auf den Velorouten jährlich 150<br />
Millionen Kilometer zurückgelegt<br />
und ebenso viele Franken<br />
Umsatz erzielt.<br />
So wurde das Veloland zum Vorbild<br />
für ein noch ehrgeizigeres<br />
Projekt, das Ende April Taufe hatte:<br />
<strong>Schweiz</strong>mobil. Es dehnt das<br />
Prinzip des «Velolands» auf den<br />
gesamten touristischen Lang -<br />
samverkehr aus. Die Wan<strong>der</strong>er,<br />
Moun tainbikerinnen, Kanuten<br />
und Skaterinnen bekommen<br />
ebenfalls ihr «Land». <strong>Schweiz</strong>mobil<br />
wird zum «nationalen Netz-<br />
werk für den Langsamverkehr».<br />
Das Streckennetz besteht aus den<br />
von Fachleuten ausgewählten<br />
schönsten nationalen und regionalen<br />
Routen. Sie können dank<br />
einer auf den öffentlichen Verkehr<br />
abgestimmten Etappierung<br />
auch für Tagesausflüge genutzt<br />
werden. Im Fall des Wan<strong>der</strong>landes<br />
wurden gut 10 Prozent <strong>der</strong><br />
62 500 Kilometer bereits markierten<br />
Wege aufgenommen.<br />
Dazu kommen weitere Dienstleistungen<br />
wie Übernachtungsmöglichkeiten,<br />
Mietfahrzeuge und<br />
buchbare Angebote mit Gepäcktransport.<br />
Als offizielle Informationskanäle<br />
<strong>die</strong>nen das Internet<br />
und neue Führer in Buchform<br />
sowie Karten. (pk)<br />
Weitere Infos: www.schweizmobil.ch;<br />
<strong>VCS</strong>-Mitglie<strong>der</strong> erhalten <strong>die</strong> neuen Veloland-Routenführer<br />
bis Ende Juli mit<br />
bis vier Franken Rabatt: www.vcs-boutique.ch,<br />
Tel. 0848 612 612<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 5<br />
© swiss-image.ch
VELOTOUR<br />
Das Geheimnis <strong>der</strong><br />
6 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008
France profonde Das<br />
Einfach aus dem TGV steigen und mit<br />
dem Velo losfahren. In Frankreich kann<br />
man das tun. Zum Beispiel auf einer<br />
700 Kilometer langen Tour von Mâcon<br />
nach Cahors. Man lernt dabei <strong>die</strong><br />
France profonde kennen.<br />
VELO<br />
Frankreich<br />
An einem wolkenlosen Sommertag besteigen wir<br />
den Zug und fahren los, via Genf nach Mâcon-<br />
Loché, wo wir den TGV verlassen, <strong>die</strong> Reiseklei<strong>der</strong><br />
aus ziehen und uns noch auf dem Bahn steig ins Velodress<br />
stürzen. Der TGV-Bahnhof Loché liegt ausserhalb<br />
von Mâcon in <strong>der</strong> Pampa und ist ein sehr mo<strong>der</strong>ner<br />
Geisterbahn hof ohne Bistro und ohne Kiosk<br />
mit dem «Paris Match». Ausser uns hat es auch keine<br />
Passagiere. Wir setzen <strong>die</strong> Sonnenbrillen auf, streifen<br />
<strong>die</strong> Handschuhe über, stel len <strong>die</strong> Kilometerzähler auf<br />
Null und steigen um drei Uhr in <strong>die</strong> Sättel. Es ist so<br />
heiss und windstill, dass <strong>die</strong> Luft flimmert.<br />
Orologisch gesehen starten wir am rechten Rand<br />
<strong>der</strong> Saône-Ebene. Önologisch beginnt hier das Beaujolais<br />
mit seinen Rebbergen und den edlen Premier-<br />
Crus. Sie gedeihen in beneidenswerten Lagen, il faut<br />
le dire! Mit Aussicht auf <strong>die</strong> breite Flussebene, auf ein<br />
grünes, reiches Land. Manche Crus wohnen in alten<br />
Schlössern, wenn auch nur im Keller. Chénas, Fleurie,<br />
Villié-Morgon, Régnié-Durette: Unsere Route lässt <strong>die</strong><br />
Herzen <strong>der</strong> Weinliebhaber höher schlagen. Wir aber<br />
wi<strong>der</strong>stehen allen bacchantischen Verlockungen wie<br />
einst <strong>der</strong> listige Reisende Odysseus dem Gesang <strong>der</strong><br />
Sirenen, denn wir wollen vor wärts kom men, im<br />
Schnitt mit Tempo 20.<br />
So schlägt auch das Velofahrerherz höher. Erstens<br />
sind <strong>die</strong> Strässchen des Beaujolais ein Genuss und<br />
zweitens treten wir schon bald kräftig in <strong>die</strong> Pedale,<br />
um unsere edlen Tourenrä<strong>der</strong> mit den schwarzen Sacochen,<br />
den Flaschen und dem Fotoapparat über <strong>die</strong><br />
Steigungen nach Südwesten voranzutreiben. Unsere<br />
Pläne gehen auf, und das ist immer ein schönes Gefühl.<br />
Stundenlang lagen wir zuhause auf dem Bauch<br />
vor den ausgebreiteten Landkarten des Institut géographique<br />
national, um <strong>die</strong> beste Route herauszufinden<br />
und sie mit einem orangen Leuchtstift einzuzeichnen.<br />
So verbrachten wir <strong>die</strong> Ferien schon einmal<br />
im Massstab 1:100 000. Nun liegen <strong>die</strong> freien Tage und<br />
das freie Land in Wirklichkeit ausgebreitet vor uns.<br />
Frankreich ist eine beson<strong>der</strong>e Radfahrernation.<br />
Vallée de la Sianne, ein<br />
wun<strong>der</strong>bares Radfahrertal führt<br />
hinauf ins Massiv Central.<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 7<br />
Fotos: Peter Krebs
Das Fahrrad heisst hier «kleine Königin»<br />
und wird behandelt wie eine Magd, wenn<br />
es kein Rennvelo ist, das an <strong>der</strong> Tour de<br />
France teilnimmt. An<strong>der</strong>s als in Deutschland<br />
und <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> gibt es kaum markierte<br />
Rou ten und schon gar keine eigens<br />
angelegten Radwege. Und doch ist Frankreich<br />
das wun <strong>der</strong>barste Veloland, das man<br />
sich denken kann. Es hat ein grosses Netz<br />
von kleinen Nebenstrassen mit wenig Verkehr.<br />
Am schönsten sind jene ohne aufgemalte<br />
Mittelstreifen: Das sind <strong>die</strong> Velowege<br />
von Frank reich. We<strong>der</strong> Schil<strong>der</strong> noch<br />
Führer preisen sie an. Man darf sie selber<br />
entdecken, wofür man mit <strong>der</strong> Zeit eine<br />
Nase hat. Sie führen in das Geheimnis <strong>der</strong><br />
France profonde, jenes ländlichen Frank -<br />
reichs, das im Schatten von Paris seinen<br />
Beschäftigungen nach<strong>geht</strong> und für den<br />
Durchreisenden einen eigenen Charme<br />
entfaltet, wie eine verkannte Blume.<br />
Wir haben uns unter den Platanen des<br />
Weinschlosses Varennes von Wasser und<br />
Brot ernährt, sowie auch von Käse, Oliven,<br />
Eiern, Tomaten und keuchen nun im Gegenlicht<br />
<strong>der</strong> spätnachmittäglichen Sonne<br />
auf einer Nebenstrasse dem ersten Pass zu<br />
(was für schöne Bil<strong>der</strong> das gibt!), dem Col<br />
de la Croix Marchampt, den zuoberst<br />
wirklich ein Kreuz verziert, samt einem<br />
Kirchen, Pässe, Dörfer machen den Charakter <strong>der</strong> Velotour aus: Kirche von St. Paul de Vézelin, <strong>der</strong> Col<br />
de la Croix des Fourches und ein Dorf Livradois.<br />
blauen Blechschild, das <strong>die</strong> Höhe angibt:<br />
altitude 685 m. Es ist das erste von vielen<br />
ähnlichen und nicht immer werden <strong>die</strong><br />
Ziffern so bescheiden bleiben. Gegen<br />
Abend treffen wir in Lamure-sur-Azer -<br />
gues ein, wo es laut unseren Recherchen<br />
ein Hotel haben muss. Da ist es schon. Das<br />
Hôtel du Com merce bietet sogar freie<br />
Zim mer an. Zwei kleine Kin<strong>der</strong> vergnügen<br />
sich in einem Planschbecken neben<br />
<strong>der</strong> Landstrasse. Die Wirtin kümmert sich<br />
um <strong>die</strong> Gäste. Sie zeigt uns den Ort unter<br />
<strong>der</strong> Treppe, wo wir <strong>die</strong> Velos verstauen<br />
sollen. Die Toch ter ruft ihr aus dem Wasser<br />
zu «maman, je t’aime» und spielt dann<br />
weiter mit <strong>der</strong> Plastikente. Maman ist ganz<br />
gerührt, weil wir <strong>die</strong>se Szene mitbekommen.<br />
Ihr mari, <strong>der</strong> Koch, rührt und hantiert<br />
<strong>der</strong>weil in seinem Pfannenreich. Er<br />
lässt sich nicht blicken, aber was er herstellt,<br />
darf sich sehen lassen. Velofahren ist<br />
gesund und gibt Hunger. Wir entscheiden<br />
uns wie immer für das Viergangmenü: terrine<br />
de poisson, jambon de canard, fromage<br />
sec, tarte à l’orange, das Ganze für 18<br />
Euro 50 Cen times, dazu einen halben<br />
Fleurie, <strong>der</strong> das beste Alter schon hinter<br />
sich hat. Wir sind unterwegs mit kleinen<br />
Königinnen und tafeln wie <strong>der</strong> König von<br />
Frankreich.<br />
Lamure-sur-Azergues ist kein beson<strong>der</strong>er<br />
Ort. Hat man einmal im Hôtel du<br />
Commerce übernachtet, im Sommer bei<br />
weit of fe nem Fenster in einem jener Zimmer,<br />
<strong>die</strong> auf den rauschenden Azerguesbach<br />
hinausgehen, fühlt man sich ihm<br />
dennoch verbunden, vor allem, wenn man<br />
am an<strong>der</strong>en Morgen wie<strong>der</strong> das Velo sattelt,<br />
um den nächsten Pass zu bezwingen,<br />
den Croix des Fourches, <strong>der</strong> mitten im<br />
dunklen Bois des Mollières liegt, schon etwas<br />
höher als <strong>der</strong> Marchampt, wodurch<br />
<strong>die</strong> Abfahrt nach Amplepuis umso berauschen<strong>der</strong><br />
ausfällt. Der Fahrtwind pfeift<br />
uns um <strong>die</strong> Ohren, <strong>die</strong> Sonne glitzert in<br />
den Speichen, <strong>die</strong> immer schneller drehen.<br />
Der Lenk stangencom puter meldet<br />
am Abend stolz <strong>die</strong> Höchst geschwin -<br />
digkeit von 72,3 km/h.<br />
Man soll kein Land verklären, obschon<br />
wir nach den Ferien nichts lieber als <strong>die</strong>s<br />
tun. Frankreich hat auch ein paar Nachteile.<br />
Mit Bedauern denken wir jeweils<br />
beim Überqueren eines stillgelegten Gleises<br />
daran, über welch dichtes Bahnnetz<br />
<strong>die</strong> Grande Nation einst verfügte, das nun<br />
verloren ist. Wir denken an den <strong>Verkehrs</strong>minister<br />
Fressinet und seinen über 100<br />
Jahre alten und teilweise umgesetzten<br />
Plan, jeden Hauptort mit den Segnungen<br />
<strong>der</strong> Dampflokomotiven zu beglücken.<br />
Beim Überqueren <strong>der</strong> Loire am zweiten<br />
Tag erinnern wir uns auch daran, wie malerisch<br />
<strong>die</strong> Schlucht südlich von Roanne<br />
bis vor 25 Jahren war. Jetzt ist <strong>der</strong> Fluss gestaut,<br />
das Tal überflutet, das Ufer ungepflegt,<br />
so dass wir zum Picknicken gleich<br />
weiterziehen nach St-Paul-de-Vézelin.<br />
Der Dorfplatz bei <strong>der</strong> Kirche schlummert<br />
in <strong>der</strong> Mittagsruhe. Nur <strong>die</strong> Glocke<br />
unterbricht sie. Sie schlägt <strong>die</strong> Stunde immer<br />
zweimal, um Gläubige und Ungläubige<br />
daran zu mahnen, wie ihre Zeit auf Erden<br />
zerrinnt. In einem Haus gegenüber<br />
<strong>der</strong> Steinkirche beginnt eine Frau zu telefonieren,<br />
so laut, dass es alle Gemeindebürger<br />
hören können. Die Fensterläden<br />
sind zu, auch <strong>die</strong> des Gebäudes, das verblichen<br />
mit «Café Boulangerie» ange-<br />
8 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008
schrieben ist. Ob darin vielleicht doch ein<br />
Kaffee serviert wird? Eine alte Dame sitzt<br />
am einzigen Tisch in <strong>der</strong> Stube und liest<br />
Zeitung. Es sei geschlossen, bedauert sie,<br />
ihr Mann sei krank. Es scheint etwas Ernstes<br />
zu sein. Wir ziehen weiter. Heute ist<br />
unser Tag <strong>der</strong> Kirchen. Jene von l’Hôpitalsous-Rochefort,<br />
eine kraftvoll-romanische,<br />
betrachten wir intensiver, während<br />
wir unter dem Sonnenschirm einer Bar<br />
sitzen, <strong>die</strong> sakralen Genüsse angenehm<br />
mit den profanen verbindend. Das Lokal<br />
gehört einer aufmerksamen Tamilin, <strong>die</strong><br />
alles über unsere Reise wissen möchte.<br />
Danach erobern wir noch zwei Pässe. Den<br />
nächsten, den 1390m hohen Col du Béal,<br />
verschieben wir auf morgen und blei ben<br />
im Gîte d’étape von Chalmazel, einem<br />
Städtchen mit Burg und mehreren Restaurants.<br />
Viergang menu.<br />
So spazieren wir durch unsere douce<br />
France, mal hart strampelnd, mal fliegend.<br />
Mal treibt uns <strong>der</strong> Wind vorwärts, dann<br />
stellt er sich in den Weg, als ein übel gelaunter,<br />
eifersüchtiger Spiel ver<strong>der</strong>ber. Wir<br />
sehen Dutzende von Dörfern und Weilern.<br />
Sie werden für einen Moment zum<br />
Zentrum des Daseins, weil sie uns als<br />
Wegweiser <strong>die</strong>nen, für <strong>die</strong> Mittagsrast, als<br />
Nachtlager. Bald sinken sie hinab in den<br />
Ozean des Vergessens. Dank <strong>der</strong> oran gen<br />
Schlangenlinie auf unseren Karten können<br />
wir <strong>die</strong> Schätze und <strong>die</strong> Bil<strong>der</strong>, <strong>die</strong> daran<br />
festgemacht sind, wie<strong>der</strong> bergen: Bussy-Albieux,<br />
Jeansagnière, Ver gongheon.<br />
Den schönsten Namen trägt St-Amant-<br />
Roche-Savine. Er bezeichnet ein belebtes<br />
Dorf auf einer Anhöhe in den Monts du<br />
Livradois. Es findet gerade ein Theaterfestival<br />
statt, mit bärtigen Zuschauern aus<br />
Paris, schon etwas angegraute Ex-Revolutionäre.<br />
Sie campieren auf zwei getrennten<br />
Plätzen, einer ist für Schlafmützen gedacht,<br />
<strong>die</strong> zu spät kommen. Er heisst lèvetard.<br />
Der an<strong>der</strong>e, <strong>der</strong> lève-tôt, ist für <strong>die</strong>,<br />
<strong>die</strong> zu früh kommen. Die haben es bekanntlich<br />
auch nicht leicht.<br />
Für uns ist es eh noch zu früh zum Ausruhen.<br />
Das Livradois ist ein karges Hochplateau<br />
auf gut 1000 m.ü. M. Es besteht aus<br />
lauter Wald und Weiden. Karg ist auch<br />
St-Germain-l’Herm, wo wir an <strong>die</strong>sem<br />
Abend das Zelt auspacken. Der Ort hat<br />
bessere Zeiten gekannt, er muss einst ein<br />
touristisches Zentrum gewesen sein, mit<br />
Die Glocke schlägt <strong>die</strong> Stunde zweimal, um daran<br />
zu mahnen, wie <strong>die</strong> Zeit zerrinnt.<br />
drei Hotels, von denen nur noch eines<br />
Gäste empfängt. Vis-à-vis döst <strong>der</strong> Crédit<br />
agricole. Auf einem Kartonschild sind von<br />
Hand <strong>die</strong> Öffnungszeiten <strong>der</strong> Bank eingetragen:<br />
Le jeudi de 9h30 à 11h30. Im Easy-<br />
Jet-Zeitalter ist das Livradois als Feriendestination<br />
ausser Mode gekommen.<br />
Bald setzen wir über den Allier, dann<br />
folgt <strong>der</strong> Aufstieg ins Massiv Central, ins<br />
grösste und schönste Mittelgebirge Frankreichs.<br />
Wir entdecken dabei eine <strong>der</strong> wun<strong>der</strong>barsten<br />
Strecken, <strong>die</strong> es für Radfahrer<br />
auf <strong>die</strong>ser Welt gibt: das Vallée de la Sianne.<br />
Es ist erste Sahne, ein handliches, tiefes<br />
Tal, geschaffen von einem Bach, <strong>der</strong> so sauber<br />
ist, dass man darin <strong>baden</strong> kann, wie<br />
uns ein Fischer versichert, denn es gebe<br />
hier eine Fischart, wenn <strong>die</strong> über lebe, sei<br />
das Wasser lauter. Dreissig Kilometer weit<br />
steigt eine schmale Strasse sanft durch das<br />
immer wil<strong>der</strong>e und immer waldigere Vallée,<br />
bis sie am Schluss zur steilen Passstras-<br />
se wird, <strong>die</strong> auf dem Col de la Croix de<br />
Baptiste kulminiert. Alt.: 1229 m. Wir sind<br />
im braun-gelben Cantal und erblicken vor<br />
uns zum ersten Mal den dunkel drohenden<br />
Puy Marie, <strong>die</strong>sen alten Vulkan.<br />
Ein Pass steigt fast bis auf seinen Gipfel.<br />
Der 1582 m hohe Pas de Peyrol ist <strong>der</strong><br />
höchste Punkt unserer Tour. Zum Höhepunkt<br />
wird er nur bedingt. Man muss hier<br />
eine herrliche Aussicht haben auf <strong>die</strong> Berge<br />
und Schrün de des Cantal, auf das Plateau<br />
du Limon und den Felsenkranz Cirque<br />
du Falgoux, wie uns Monsieur Brunet,<br />
<strong>der</strong> Gastwirt von Dienne, beschrieb. Doch<br />
wir erwischen den falschen Tag. Während<br />
wir uns hocharbeiten, ziehen schwarze<br />
Nebel auf, aus denen es zu schütten beginnt,<br />
genau als wir oben ankommen. Von<br />
Aussicht kann keine Rede sein. Wir sind<br />
froh, überhaupt noch den Asphalt vor unseren<br />
Rä<strong>der</strong>n zu erkennen und stürzen<br />
uns durch <strong>die</strong> kühle Regenwand zu Tal.<br />
Trotz Regenschutz sind wir nach wenigen<br />
Wie<strong>der</strong> ist ein Aufstieg geschafft: Der Col de la Croix de Baptiste markiert den<br />
Übergang ins Massiv Central.<br />
VELO<br />
Frankreich<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 9
VELO<br />
Frankreich<br />
Aurillac <strong>die</strong> Hauptstadt des Cantal (rechts). Bald ist man im<br />
Vallée du Célé, wo einzelne Häuser an den Fels gebaut sind.<br />
Planungshilfe<br />
Limoges<br />
Cahors<br />
Camburat<br />
Lot<br />
Minuten klatschnass, Schuhe und Socken<br />
inklusive. Wir schlot tern mitten im Sommer.<br />
Im Vallée de Mandailles retten wir<br />
uns zum Trocknen in eine Gaststube,<br />
ohne durchschlagenden Erfolg. Wes halb<br />
tut man sich das an?<br />
Mâcon<br />
St-Germain-<br />
Clermont-Ferrand Laval Amplepuis<br />
Neulise<br />
Chalmazel Lyon<br />
Aurillac<br />
Cabrerets<br />
St-Germain-l’Herm<br />
La Gazelle Allanche<br />
Puy Mary<br />
St-Armant-<br />
Roche-Savine<br />
Anreise: Ab Genf mit dem TGV, mehrere Verbindungen pro Tag mit Veloabteil.<br />
Rückreise: Ab Cahors direkte Züge nach Paris.<br />
Übernachten: Die Hotels sind meist nicht ausgebucht, sie sind entlang <strong>der</strong> Route aber dünn gesät.<br />
Für grössere Gruppen ist eine Reservation empfehlenswert. Das Verzeichnis <strong>der</strong> «Logis de France»<br />
ist dazu nützlich, wenn auch etwas kompliziert für <strong>die</strong> Suche. Erhältlich über den Buchhandel. Infos<br />
unter: www.logis-de-france.fr. Wer ein Zelt mitnimmt, hat zusätzliche Möglichkeiten, aber mehr<br />
Gewicht. Im Internet kann man für einzelne Orte vor <strong>der</strong> Reise gezielt nach Angeboten suchen. Wer<br />
es abenteuerlich mag, lässt sich überraschen.<br />
Route: <strong>VCS</strong>-Mitglie<strong>der</strong> können einen genauen Routenbeschrieb mit einzelnen Übernachtungsmöglichkeiten<br />
unter <strong>der</strong> folgenden Adresse abrufen: www.verkehrsclub.ch/magazin. Per Post: <strong>VCS</strong>, Postfach<br />
8676, 3001 Bern (bitte frankiertes und adressiertes Rückantwortcouvert beilegen).<br />
Karten: IGN Massstab 1:100 000, Blätter 44, 43, 50, 49, 48 (nur kleine Ecke), 57 (in <strong>der</strong> Reihenfolge<br />
des Gebrauchs).<br />
Veloferien in Frankreich: Via verde reisen bietet in Frankreich Veloferien mit Bahnanreise an.<br />
Infos unter Tel. 0848 823 823 o<strong>der</strong> www.via-verde-reisen.ch.<br />
Loire<br />
Am Tag danach strahlt <strong>die</strong> Sonne. Sie<br />
tut, als wäre nichts gewesen, als hätte sie<br />
uns nie im Stich gelassen. Aurillac liegt<br />
hinter uns, <strong>die</strong> düstere Kleinstadt, in <strong>der</strong><br />
während des ganzen Tages sich Werbung<br />
und billige Musik aus Lautsprechern in <strong>die</strong><br />
Gassen ergiesst. Akustischer Sirup. Vor<br />
uns entfaltet sich ein grünes Wellenland,<br />
durch das wir kurven, vorbei an Laubbäumen,<br />
Hecken und Hornvieh, hinunter zu<br />
Bächen, über 100 Brücken und auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Seite wie<strong>der</strong> hoch in <strong>die</strong> Hölzer. Gegen<br />
Mittag erreichen wir <strong>die</strong> tektonische<br />
Stufe, hinter <strong>der</strong> das Gelände 300 Meter<br />
abfällt ins eichenbestandene Kalkplateau<br />
des Quercy. Genau an <strong>die</strong>sem Punkt beginnt<br />
<strong>der</strong> Westen von Frankreich. Obschon<br />
er noch 250 Kilometer entfernt ist,<br />
ahnt man zum ersten Mal den Atlantik.<br />
Der Célé ist auf dem Weg dort hin. Er<br />
wird weiter unten in den Lot münden, <strong>die</strong>ser<br />
sich <strong>der</strong> Ga ron ne anvertrauen, <strong>die</strong> bei<br />
Bordeaux das Meer erreicht. Aber hier ist<br />
er noch <strong>der</strong> Célé, und das ist gut so. Er ist<br />
eine weitere velozipedistische Entdeckung,<br />
Pedal-Adel, ein Rad fahrer wun <strong>der</strong>.<br />
In unzähligen Bögen mäan<strong>der</strong>t er zwischen<br />
den Kalknasen des Naturparks<br />
durch eine Au, in <strong>der</strong> ab und zu eine Burg<br />
auftaucht, ein altes Kloster, alles verbunden<br />
mit einer Nebenstrasse ohne Mittellinie,<br />
auf <strong>der</strong> man ein ganz schönes Tempo<br />
vorlegen kann, wenn man Lust hat, und<br />
<strong>die</strong> hat man. Unten in Cabrerets beim verfallenen<br />
Château du Diable reichen <strong>die</strong><br />
Steilwände so nah an den Fluss, dass wenig<br />
Platz bleibt für <strong>die</strong> Häuser. So baute<br />
man <strong>die</strong>se an den senkrechten Fluh, <strong>der</strong><br />
als Rückwand <strong>die</strong>nt. Wir logieren im Hotel<br />
des Grottes (es gibt in <strong>der</strong> Nähe eine<br />
Höhle), kühlen uns im Pool, speisen auf<br />
<strong>der</strong> Terrasse über dem ruhig stömenden<br />
Célé, un ter nehmen dann einen Spaziergang<br />
durch den bukolischen Ort. Noch<br />
lang schimmern an <strong>die</strong> sem Sommerabend<br />
<strong>die</strong> spröden, zerfurchten Felsengesichter<br />
bläulich über den Dächern, den Schafherden<br />
und über <strong>der</strong> École des filles, so gross<br />
wie ein Märchenschulhaus.<br />
Ein guter Abschluss. Am näch s ten Tag<br />
rollen wir <strong>die</strong> letzten Kilometer zur Endstation<br />
Cahors ab. Auf den Karten ist<br />
schon <strong>die</strong> Route für <strong>die</strong> Weiterfahrt nach<br />
Biarritz ans Meer eingetragen. Peter Krebs<br />
10 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008<br />
Valence<br />
Rhône<br />
Genève<br />
Grenoble
Meine Kindheit war <strong>die</strong> Zeit<br />
<strong>der</strong> Slogans «Trimm dich fit»<br />
und «Sport für alle». Familien in<br />
Nabholz-Trainern keuchten auf<br />
dem Vitaparcours und Bernhard<br />
Russi zeigte am Fernsehen, wie<br />
man beim Skiturnen in <strong>die</strong> Hocke<br />
<strong>geht</strong>, bis <strong>die</strong> Wädli wehtun.<br />
Den Vater nannten wir nur den<br />
«Schin <strong>der</strong>hannes», wenn er uns<br />
wie<strong>der</strong> einmal zu einer achtstündigen<br />
Wan<strong>der</strong>ung motivierte. Damals<br />
beschloss ich, ein bewegungsfreies<br />
Leben zu führen, frei<br />
nach Churchills «no sports». Der<br />
einzige Vorsatz, den ich bis heute<br />
eingehalten habe; ich bike nur bis<br />
zum Bäcker und walke bis zur<br />
nächsten Tramstation. Für alle<br />
Gleichgesinnten hier ein paar<br />
Tipps, wie man ein <strong>Wo</strong>chenende<br />
ohne Wan<strong>der</strong>ung übersteht.<br />
Auf eine Reise nach Japan<br />
nimmt uns <strong>der</strong> neue Film von<br />
Doris Dörrie «Kirsch blüten Hanami»<br />
(auf DVD) mit.<br />
Hanami ist <strong>die</strong> japanische<br />
Tradition, im<br />
Frühling <strong>die</strong> blühenden<br />
Kirschbäume zu<br />
feiern. Trudi, bessere Hälfte eines<br />
in <strong>die</strong> Jahre gekommenen Ehepaars,<br />
träumt schon lange von<br />
<strong>die</strong>ser Reise. Als sie unerwartet<br />
stirbt, fliegt ihr kranker Mann<br />
Rudi alleine nach Japan. In <strong>der</strong><br />
fremden Kultur kommt <strong>der</strong> bie<strong>der</strong>e<br />
Beamte erstmals aus sich heraus.<br />
Hannelore Elsner und Elmar<br />
Wepper, Bru<strong>der</strong> von «Harry-holschon-mal-den-Wagen»,<br />
spielen<br />
<strong>die</strong> Hauptrollen. Ein leiser Film,<br />
<strong>der</strong> zum Nachdenken über <strong>die</strong> eigene<br />
Routine und <strong>die</strong> Vergänglichkeit<br />
des Lebens anregt. Das<br />
Buch zum Film enthält einen Fotoroman<br />
mit 120 untertitelten<br />
Farbabbildungen, das Drehbuch<br />
und einen Essay von Doris Dörrie<br />
über ihre «Japanophilie», <strong>der</strong> grossen<br />
Liebe für Land und Leute.<br />
Berichte einer launigen Lady<br />
Wen das Reisefieber packt, <strong>der</strong><br />
kann es mit dem Buch «Die<br />
scheusslichsten Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Welt.<br />
Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer»<br />
senken. Die englische<br />
Bestsellerautorin Favell Lee Mortimer<br />
(1802–1878) veröffentlichte<br />
drei Reiseführer – wobei sie keines<br />
<strong>der</strong> beschriebenen Län<strong>der</strong> je besucht<br />
hatte. Ihre Kopfreisen, geprägt<br />
von Vorurteilen <strong>der</strong> viktorianischen<br />
Welt, sind kurios zu lesen:<br />
«Die <strong>Schweiz</strong>er sind sehr schlichte<br />
Kreaturen, und in Japan schlitzen<br />
sie sich selbst <strong>die</strong> Bäuche auf!»<br />
Die Gedanken in <strong>die</strong> Ferne<br />
schweifen lassen, dazu verleitet<br />
<strong>die</strong> wohltuende Wärme eines<br />
Hamams. Diese orientalischen<br />
Dampf bä<strong>der</strong> gibt es in fast allen<br />
grösseren Städten. Zum Teil bie-<br />
ten auch Hotels mit Wellnessbereich<br />
ein türkisches Bad an. Der<br />
Hamam <strong>die</strong>nt <strong>der</strong> geistigen und<br />
körperlichen Reinigung von <strong>der</strong><br />
Hektik des Alltags. Verweilen,<br />
sich waschen und plau<strong>der</strong>n gehören<br />
dazu. Ein Besuch im orientalischen<br />
Bad beginnt im Sogukluk<br />
(Warmluftraum), gefolgt vom Hararet<br />
(Dampfbad).<br />
Warum in <strong>die</strong> Ferne schweifen,<br />
wenn man <strong>die</strong> eigene Umgebung<br />
nicht kennt? Ein Essen in <strong>der</strong><br />
Quartierbeiz, in <strong>die</strong> man noch nie<br />
einkehrte, gibt ein neues Lebensgefühl.<br />
In <strong>der</strong> Brasserie fühlt<br />
man sich an <strong>die</strong> letzte Parisreise<br />
erinnert, und in <strong>der</strong> Trattoria läuft<br />
eine TV-Show mit strahlend<br />
lächelnden Bikinischönheiten –<br />
und schon führt man mit seinem<br />
Liebsten <strong>die</strong> längst überfällige<br />
Diskussion über Gleichberechtigung<br />
und sagt ihm, dass er dran<br />
ist mit Backofenputzen.<br />
Wer lieber auf einheimische<br />
Kost setzt, hat vielleicht Lust auf<br />
eine Entdeckungsreise in das<br />
kulinarische Erbe <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>.<br />
Die «Urchuchi»-Bücher stellen<br />
Schwei zer Restaurants mit regionalen<br />
Spezialitäten vor – frisch<br />
und saisonal zubereitet und in <strong>der</strong><br />
Tradition von Grossmutters Küche.<br />
Eine sympathische Kampfansage<br />
gegen Fastfood und globalisierte<br />
Geschmackseinfalt, mit<br />
spannendem Lesestoff zu den Gerichten,<br />
Rezepten und Serviceinformationen.<br />
Der Spaziergang danach<br />
Der danach empfehlenswerte Verdauungsspaziergang<br />
gestaltet sich<br />
mit Kin<strong>der</strong>n öfter etwas schwierig<br />
– auch wenn er sich nicht gerade<br />
KOPFREISEN<br />
Keine Tour<br />
«No sports», sagte schon Winston Churchill. Und <strong>der</strong> war immerhin britischer<br />
Premierminister. Ein paar gute Ratschläge für ein faules <strong>Wo</strong>chenende.<br />
Ein <strong>Wo</strong>chenende für Faultiere<br />
Den Vater nannten wir nur<br />
den «Schin <strong>der</strong>hannes».<br />
© adpic<br />
Reisen <strong>geht</strong> auch im Kopf: Mit einem Buch, im Kino, in <strong>der</strong> Küche und an<strong>der</strong>swo.<br />
über acht Stunden erstreckt (s.<br />
«Schin<strong>der</strong>hannes»). Warum nicht<br />
einmal eine spannende Tour mit<br />
dem Fotoapparat machen? Die<br />
Kin<strong>der</strong> nehmen alles auf, was sie<br />
beobachten. Beim nächsten Regensonntag<br />
ergibt sich aus den Fotos<br />
ein Spiel: Wer findet zuerst <strong>die</strong><br />
Tanne mit <strong>der</strong> krummen Spitze,<br />
das rote Auto, das Haus mit <strong>der</strong><br />
Dachluke? Stefanie Stäuble<br />
Doris Dörrie: Kirschblüten Hanami.<br />
Ein Filmbuch, Diogenes. Fr. 35.90<br />
Favell Lee Mortimer, Todd Pruzan<br />
(Hrsg.): Die scheusslichsten Län<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Welt. Mrs. Mortimers übellauniger<br />
Reiseführer. Malik Verlag. Fr. 30.90<br />
Martin Weiss: Urchuchi, 3 Bände:<br />
«Deutschschweiz und Graubünden»,<br />
Fr. 68.–, «Tessin», Fr. 59.–, «Roman<strong>die</strong>»<br />
(Herbst 2008), Rotpunktverlag<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 13
Mitarbeit: Stefanie Stäuble,<br />
Martin Bosshard, Marc Fatton,<br />
Heinz Flück, Urs Geiser, Stefan Grass,<br />
Peter Krebs, Werner Herger,<br />
Hugo Mahler, Adrian Schmid, Thomas<br />
Schwager, Christine Steinmann,<br />
Noëlle Petitdemange, Urs Diethelm,<br />
Brigitte <strong>Wo</strong>lf, Paola Nagel-Petrucci<br />
<strong>Wo</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> <strong>baden</strong> <strong>geht</strong><br />
Man mag von <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>er Sauberkeit halten, was man will: fürs Wasser ist<br />
sie von Vorteil. Und weil Helvetien als Wasserschloss Europas gilt, laden unzählige<br />
Flüsse und Seen zum Bade. Wir haben einige <strong>der</strong> schönsten, mit Bahn<br />
und Bus gut erreichbaren Frei- und Naturbä<strong>der</strong> besucht.<br />
14 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008
Tessin Das unwi<strong>der</strong>stehliche Bassin<br />
Wenige Meter weiter oben<br />
stürzt das Wasser <strong>der</strong> Maggia<br />
noch tosend durch <strong>die</strong><br />
Schlucht. Dann strömt es – etliche<br />
Meter tief und entsprechend beliebtes<br />
Ziel von Tauchergruppen –<br />
gemächlich dem Ausgang <strong>der</strong> Fels -<br />
enge zu, formt ein türkisfarbenes<br />
Bassin und lockt unwi<strong>der</strong>stehlich<br />
zum Bade. Kaltwasserscheue wenigstens<br />
zum Eintauchen (immer<br />
wie<strong>der</strong>!). Kaltwasserfeste zu ein<br />
paar Längen zwischen steil aufragenden<br />
Wänden. Ferner stehen<br />
Kiesbänke, ein weiteres grosses<br />
Bade- und Planschbecken und<br />
Sonnentankstellen auf und zwischen<br />
Steinbrocken zur Verfügung.<br />
Es hat hier, auch in <strong>der</strong><br />
Hochsaison, für alle ein Plätzchen,<br />
für Einheimische wie für<br />
<strong>die</strong> Turisti.<br />
Mit dem Maggiatalbus ab Locarno<br />
o<strong>der</strong> Ponte Brolla bis zur Haltestelle<br />
(auf Verlangen) zwischen Bignasco<br />
und <strong>der</strong> Endstation Cavergno. Gleich<br />
rechts davon führt ein Trampelpfad<br />
durch <strong>die</strong> Uferböschung zum steinübersäten<br />
Flussbett hinab.<br />
Uri Historische Stätte am Urnersee<br />
In den Urner Zeitungen wurde<br />
bereits vor dem Ersten Weltkrieg<br />
<strong>die</strong> Anregung gemacht, an<br />
den Gestaden des Urnersees eine<br />
Badeanstalt zu schaffen. Doch erst<br />
im Sommer 1927 konnte in Flüelen<br />
das Strandbad des <strong>Verkehrs</strong>vereins<br />
eröffnet werden. Dabei<br />
durfte man gemäss Zeitungskommentaren<br />
nicht an ein Nacktkulturbad<br />
mo<strong>der</strong>nsten Stiles denken,<br />
son<strong>der</strong>n an ein ordentliches Bad,<br />
wie man es in einem gesitteten<br />
Land zu treffen wünscht. Das historische<br />
Holzgebäude vermittelt<br />
auch heute noch eine heime lige<br />
Atmosphäre. 1991 wurde das<br />
Strandbad renoviert. Mit seiner<br />
Liegewiese mit Sandstrand, den<br />
Feuerstellen, dem Kin<strong>der</strong>spielplatz<br />
mit Bassin und <strong>der</strong> Sonnenterrasse<br />
mit kühlen Drinks und<br />
dem kleinen Imbiss für Zwischendurch<br />
lädt das Strandbad Flüelen<br />
von Juni bis August zum gemütlichen<br />
Verweilen ein.<br />
Mit <strong>der</strong> Bahn bis Flüelen, dann<br />
600 Meter <strong>der</strong> Seestrasse entlang<br />
in nördlicher Richtung.<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 15<br />
© Karen Cordes
Aargau Königlich <strong>baden</strong> beim Schloss<br />
Ein guter Ausgangspunkt für einen<br />
Badeausflug an den Hallwilersee<br />
ist das Schloss Hallwyl in<br />
Seengen. Dort gibt es ein Café, das<br />
Schloss ist auch für Kin<strong>der</strong> interessant.<br />
Badefreunde gehen dem<br />
Aabach entlang Richtung See, wo<br />
es verschiedene Plätze gibt. Beliebt<br />
ist <strong>die</strong>ser Teil für Gummiboot-Kapitäne.<br />
Ein weiterer Badeplatz<br />
befindet sich bei <strong>der</strong> Schiffsstation<br />
Seengen SGH. Wer einen<br />
<strong>der</strong> öffentlichen Badestrände bevorzugt,<br />
nimmt von dort aus das<br />
nächste Schiff nach Meister-<br />
schwanden Delphin o<strong>der</strong> Seerose,<br />
wo man prächtig <strong>baden</strong> und essen<br />
kann. Übrigens ist das Aargauer<br />
Seeufer dank des Hallwilersee-<br />
Schutzdekrets überall zugänglich.<br />
Ein Spaziergang von Seengen<br />
SGH Richtung Meisterschwanden<br />
führt an unzähligen wilden kleinen<br />
Stränden vorbei. Badewillige<br />
können sich einen <strong>der</strong> lauschigen<br />
Plätze aussuchen.<br />
Mit dem Bus ab Lenzburg bis Schloss<br />
Hallwyl. Fussweg dem Aabach entlang<br />
Richtung Hallwilersee. Weiterfahrt ab<br />
Schiffsstation Seengen SGH möglich.<br />
Basel-Stadt Ruhe am Birsköpfli<br />
Die Basler sind ja für ihre fast<br />
zärtlich anmutende Sprache<br />
bekannt. Das «Birsköpfli» genannte<br />
Erholungsgebiet in Stadtnähe ist<br />
ein Kleinod für Ruhe suchende<br />
Freundinnen und Freunde des<br />
sommerlichen Badevergnügens.<br />
Drei frei zugängliche Liegewiesen<br />
unter gigantischen Pappeln laden<br />
<strong>die</strong> Sonnenhungrigen direkt bei<br />
<strong>der</strong> Birsmündung in den Rhein<br />
zum Lesen, Spielen und Schwatzen.<br />
Nach dem kühlenden Bad<br />
hilft ein Picknick über knurrende<br />
Mägen hinweg. Danach lädt das<br />
nahe Museum Tinguely zum kul-<br />
Bern Perpetuum mobile bei Bremgarten<br />
Das ist ein echter Geheimtipp:<br />
An <strong>der</strong> Aare unterhalb von<br />
Bern, aber zum Glück oberhalb <strong>der</strong><br />
Kläranlage Neubrück gibt es eine<br />
wun<strong>der</strong>bare Schlaufe, ein Häftli. Es<br />
weist bei günstigem Wasserstand<br />
© swiss-image<br />
turellen Auftanken. Seit Ende<br />
April steht <strong>die</strong> Holzbrücke über<br />
<strong>die</strong> Birs wie<strong>der</strong>, <strong>die</strong> als Velo- und<br />
Fussgängerverbindung zwischen<br />
Basel und Birsfelden fungiert. Die<br />
frühere, über vierzigjährige Brücke<br />
musste nach einem Seilriss im<br />
Juni 2007 demontiert werden.<br />
an zwei Stellen ein Sandsträndchen<br />
auf, vis-à-vis <strong>der</strong> Sandsteinfluh, <strong>die</strong><br />
das linke Ufer bildet. Es ist fast wie<br />
WASSER<br />
Badestellen<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 17<br />
© Peter Krebs<br />
Ab Bahnhof SBB mit Tram Nr. 2 bis<br />
Wettsteinplatz, umsteigen auf Bus<br />
Nr. 31 bis Museum Tinguely. Vom<br />
Museum zirka 5 Minuten Fussmarsch<br />
über <strong>die</strong> Eisenbahnbrücke bis zum<br />
Birsköpfli.<br />
am Meer. Ein lauschiger Ort. Die<br />
Hochzeitskirche von Bremgarten<br />
schlägt allen pünktlich <strong>die</strong> Stunde.<br />
Hier hat es eine in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> einmalige<br />
Sache: Ein beleuchteter<br />
Fussgängerstollen durchquert <strong>die</strong><br />
engste Stelle <strong>der</strong> Schlaufe. Man<br />
kann ihn unten anschwimmen, benutzen<br />
und steigt nach drei Minuten<br />
oben wie<strong>der</strong> in <strong>die</strong> Aare. Dann<br />
lässt man sich eine gute Viertelstunde<br />
lang im Wasser durch den<br />
malerischen Mäan<strong>der</strong> treiben, zurück<br />
zum Standstrand. Fast ein<br />
Perpetuum mobile. Aber bitte:<br />
nicht weitersagen.<br />
Vom Bahnhof Bern mit Bus 21 (Bremgarten)<br />
bis Haltestelle Schloss. Fünf<br />
Minuten zu Fuss am Schloss vorbei<br />
zur Kirche. Rechts vom Friedhof dem<br />
Waldrand entlang führt ein Pfad zur<br />
Aare.
WASSER<br />
Badestellen<br />
St.Gallen Lauschige Weiher<br />
Die Dreilinden-Weiher oberhalb<br />
<strong>der</strong> Stadt St.Gallen gehören<br />
zu den romantischsten Badeplätzen<br />
<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Die im 17.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t angelegten Weiher<br />
<strong>die</strong>nten <strong>der</strong> Textilindustrie. Bei<br />
Badewetter liegen <strong>die</strong> Textilien in<br />
Form bunter Badetücher um das<br />
© St.Gallen-Bodensee Tourismus<br />
Naturbad verteilt. Das Familienbad<br />
Dreilinden ist in seiner Infrastruktur<br />
aus dem Jahr 1896 erhalten<br />
geblieben und bietet einen für<br />
Frauen und Kin<strong>der</strong> abgetrennten<br />
Bereich. Vier Jahre jünger sind <strong>die</strong><br />
Anlagen des Gemeinschaftsbads<br />
im zweiten Weiher. Wer trotz freiem<br />
Eintritt das Wasser scheut, geniesst<br />
den wun<strong>der</strong>baren Ausblick<br />
auf <strong>die</strong> Stadt St.Gallen bis ans<br />
deutsche Ufer des Bodensees. Das<br />
Para<strong>die</strong>s liegt näher, als manche<br />
denken. Nächster Halt: St.Gallen!<br />
Das «Mühleggbähnli», ein Drahtseillift,<br />
führt wenige Meter von <strong>der</strong> St.Galler<br />
Kathedrale hinauf nach St.Georgen.<br />
Von da sind <strong>die</strong> Weiher in wenigen<br />
Gehminuten erreichbar. Im Sommer<br />
fährt ein Bä<strong>der</strong>bus direkt ab HB<br />
St.Gallen ins Naturbad-Para<strong>die</strong>s.<br />
Bern Schlemmen an <strong>der</strong> Emme<br />
Was gibt es Schöneres, als an einem<br />
lauen Sommerabend<br />
über sonnenwarme Steine zu hüpfen,<br />
den gebräunten Bauch im<br />
friedlich fliessenden Flusswasser<br />
zu kühlen und leckere Koteletts<br />
vom Grill zu geniessen? Das «Para<strong>die</strong>s»<br />
liegt den Burgdorferinnen<br />
und Burgdorfern buchstäblich zu<br />
Füssen. Unterhalb des Schlosshügels<br />
fliesst <strong>die</strong> Emme durch eine<br />
landschaftlich faszinierende Gegend.<br />
Dabei hinterlässt sie je nach<br />
Bern Der «Canyon» am Schwarzwasser<br />
Die Badeplätze im tiefen «Ca -<br />
n yon» des Schwarzwassers<br />
suchen ihresgleichen, was Harmonie<br />
und Abwechslungsreich-<br />
Pegelstand unterschiedlich grosse<br />
Kiesbänke, <strong>die</strong> als Picknickressort,<br />
Badeplatz o<strong>der</strong> Smalltalk-Lauschecke<br />
genutzt werden können.<br />
Nicht weit davon entfernt geniessen<br />
Bierliebhaber das stadteigene<br />
Gebräu: das «Burgdorfer Bier».<br />
Mit <strong>der</strong> Bahn nach Burgdorf. Beim<br />
Bahnhof zu Fuss (15 Minuten) o<strong>der</strong><br />
mit Bus Nr. 465/464 Richtung Hasle-<br />
Rüegsau o<strong>der</strong> Nr. 468 Richtung Lueg<br />
bis Station Hallenbad. Vom Hallenbad<br />
Emme aufwärts, beidseitig <strong>der</strong> Ufer.<br />
tum betrifft. Gratis und franko<br />
kann man sich hier auf den Felsen<br />
entlang des Flusses aufwärmen,<br />
allerorts duftet es nach Gril-
liertem, Kin<strong>der</strong> stauen den Fluss<br />
mit Steinen und wenn man Glück<br />
hat, erwischt man ein freies Plätzchen<br />
auf einer Sandbank. So viel<br />
<strong>Wo</strong>hlsein teilt man natürlich mit<br />
an<strong>der</strong>en, vor allem am <strong>Wo</strong>chen-<br />
ende. Unter <strong>der</strong> <strong>Wo</strong>che lichtet<br />
sich das Gedränge, Spaziergänger<br />
führen den Hund aus o<strong>der</strong> kühlen<br />
sich im eiskalten Wasser <strong>die</strong><br />
Füsse. Der Fluss ist je nach Abschnitt<br />
ein kin<strong>der</strong>gerechtes Rinn-<br />
© swiss-image<br />
sal, an<strong>der</strong>norts sollte man seinen<br />
Nachwuchs gut im Auge behalten.<br />
Insektenspray nicht vergessen:<br />
Bremsen und Mücken sind<br />
in <strong>die</strong>sem Naturpark keine Seltenheit!<br />
Neuenburg Der lac des Taillères<br />
Im Westen des vallée de la Brévine,<br />
wenige Kilometer vom<br />
gleichnamigen Ort entfernt, liegt<br />
<strong>der</strong> lac des Taillères. Er speist <strong>die</strong><br />
Areuse, <strong>die</strong> unterirdisch abfliesst<br />
und erst im Val-de-Travers wie<strong>der</strong><br />
auftaucht. Es ist ein beliebter<br />
Ausflugsort. Im Winter, wenn <strong>der</strong><br />
kleine See zufriert, wird er zur<br />
grössten Eisbahn des Kantons. Im<br />
Frühling wärmt er sich rasch auf.<br />
Das Gewässer liegt inmitten alter<br />
Torfmoore. Sein trübes Wasser<br />
Mit <strong>der</strong> S-Bahn ab Bern Richtung<br />
Schwarzenburg bis Station Schwarzwasserbrücke.<br />
Hinter dem Parkplatz<br />
des Restaurants führt ein Fussweg in<br />
10 Minuten zum Fluss.<br />
WASSER<br />
Badestellen<br />
absorbiert <strong>die</strong> Sonnenstrahlen beson<strong>der</strong>s<br />
gut. Auf dem Südufer<br />
kann man Feuer entfachen und<br />
allerlei Esswaren braten. Das ist<br />
gegen den Abend zu beson<strong>der</strong>s<br />
willkommen, denn dann kann es<br />
am See, <strong>der</strong> auf über 1000 m.ü.M.<br />
liegt, recht frisch werden.<br />
Mit dem Publicar (tel.0080 55 30 00)<br />
von Le Locle o<strong>der</strong> Fleurier.
© Peter Krebs<br />
Luzern Die Seebadi – urbanes Leben<br />
Strikt geschlechtergetrennt präsentiert<br />
sich <strong>die</strong> fast 125-jährige<br />
«20er-Badi» heute nicht mehr:<br />
Zug Sandstrand mit Rigi-Blick<br />
An <strong>der</strong> Zuger Seepromenade<br />
folgen sich <strong>die</strong> Badegelegenheiten<br />
Schlag auf Schlag: Vom<br />
Bahnhof aus kommt man in westlicher<br />
Richtung zunächst zum Badeplatz<br />
Siehbach. Zum klassischen<br />
Zuger Strandbad (mit Restaurant,<br />
auch für Kin<strong>der</strong> gut geeignet)<br />
sind weitere fünf Minuten<br />
inklusive einem kurzen Abstecher<br />
auf <strong>die</strong> Chamerstrasse einzurechnen.<br />
Nicht weit davon entfernt<br />
folgt unser dritter Tipp: Das<br />
Brüggli bietet das ganze Jahr hindurch<br />
allen etwas, <strong>die</strong> den Zuger-<br />
«20er-Badi», weil <strong>der</strong> Eintritt vor<br />
rund einem halben Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
20 Rappen betrug. Symmetrisch<br />
Solothurn Bei den Störchen von Altreu<br />
Auch <strong>der</strong> Kanton Solothurn hat<br />
seinen Sandstrand. Im Dorfteil<br />
Altreu, Gemeinde Selzach, befindet<br />
sich neben dem Natur-Infozentrum<br />
Witi – hervorgegangen<br />
aus dem ehemaligen Storchen-<br />
Wie<strong>der</strong>ansiedlungsprojekt – <strong>der</strong><br />
beliebte Badeplatz «Sängeli» (Sang<br />
= Solothurner Dialekt für Sand).<br />
Sonst ist <strong>die</strong> Aare ja eher etwas für<br />
gute Schwimmerinnen. Hier in<br />
Altreu gibt es jedoch einen <strong>der</strong>art<br />
flachen natürlichen Sandstrand,<br />
dass bei mittlerem und niedrigem<br />
Wasserstand problemlos auch<br />
kleinere Kin<strong>der</strong> in den Genuss eines<br />
Flussbads kommen können.<br />
Und wer sich am frühen Morgen<br />
o<strong>der</strong> unter <strong>der</strong> <strong>Wo</strong>che am Strand<br />
aufhält, trifft vielleicht einen<br />
see lieben. Nochmals eine herrliche<br />
Aussicht auf <strong>die</strong> Rigi, eine<br />
Promenade mit Sitzbänken, einen<br />
Sandstrand für <strong>die</strong> Badenden und<br />
ein kleines Freiluftkaffee, denn<br />
von April bis September finden<br />
hier auch ein paar <strong>Wo</strong>hnwagen, in<br />
gebührendem Abstand zum See,<br />
Platz. Da Zug bekanntlich nicht<br />
vom See allein lebt, wird nirgendwo<br />
Eintritt verlangt.<br />
Fussweg ab Bahnhof Zug zum Zugersee:<br />
2 Min., danach <strong>der</strong> Promenade<br />
dem See entlang.<br />
getrennt <strong>die</strong> beiden Eingänge für<br />
Frauen und Männer. Es ist wohl<br />
eine <strong>der</strong> beschaulichsten und zu-<br />
Storch an. Überhaupt, Altreu und<br />
seine Storchenkolonie: Der allerorts<br />
auf Hausdächern und Bäumen<br />
klappernde Storch bringt<br />
Kin<strong>der</strong> und Erwachsene zum<br />
Staunen.<br />
Anreise: Mit dem Schiff (Bielersee<br />
Schifffahrt BSG) von Solothurn (ca. 45<br />
Minuten), Büren an <strong>der</strong> Aare (50 Mi-<br />
Graubünden Märchenhafter Waldsee<br />
Ein kurzer Spaziergang durch<br />
den Wald, und plötzlich liegt<br />
er da, wie im Traum: <strong>der</strong> Caumasee<br />
mit seinen malerischen Buchten.<br />
Der Lag la Cauma liegt in einer<br />
Senke südlich und unterhalb<br />
von Flims. Sein Wasser ist türkisgrün<br />
und angenehm kühl, weil er<br />
von unterirdischen Quellen gespiesen<br />
wird. Im Sommer ist <strong>der</strong><br />
See ein beliebter Badeort für Einheimische<br />
und Touristen; während<br />
<strong>der</strong> Saison wird Eintritt verlangt.<br />
Seit 1937 führt eine Standseilbahn<br />
gratis zum See. Der Was-<br />
WASSER<br />
Badestellen<br />
gleich intimsten Bademöglichkeiten<br />
in Luzern. Zwei in sich geschlossene<br />
Innenbecken ermöglichen<br />
mit altertümlicher Hydraulik,<br />
das Niveau des hölzernen<br />
Rostes – <strong>der</strong> zugleich als Boden<br />
<strong>die</strong>nt – abzusenken und auch ungeübten<br />
Schwimmern den Zugang<br />
zum Wasser zu ermög -<br />
lichen. Hun<strong>der</strong>te von Schulklassen<br />
haben dort das Schwimmen<br />
gelernt. Heute wird <strong>die</strong> altehrwürdige<br />
Dame verjüngt: Sie wird<br />
unter Denkmalschutz gestellt und<br />
den mo<strong>der</strong>nen Bedürfnissen angepasst.<br />
Vom Bahnhof Luzern führt <strong>der</strong><br />
Spaziergang über <strong>die</strong> Seebrücke den<br />
grossen Hotels National und Palace<br />
entlang in zehn Minuten zum Seebad<br />
am Nationalquai.<br />
nuten) und von Biel aus (2 Stunden 10<br />
Minuten). Im Sommer verbindet eine<br />
velogängige Fähre Altreu mit dem südlichen<br />
Aareufer. Altreu liegt an den<br />
beiden nationalen Velorouten 5 und 8.<br />
Unter <strong>der</strong> <strong>Wo</strong>che fährt stündlich ein<br />
Bus vom Bahnhof Grenchen nach Altreu.<br />
serspiegel des Lag la Cauma ist seit<br />
2003 auffällig tief. Ein Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> unterirdischen<br />
Umfahrung von Flims ist nicht<br />
ausgeschlossen. Zurück zum Angenehmen:<br />
Ein Strandbad (offen<br />
Juni bis September), ein Seerestaurant<br />
und ein Bootsverleih runden<br />
den Spass ab.<br />
Der Waldspaziergang von <strong>der</strong> Post -<br />
autostation Flims Waldhaus bis zum<br />
Caumasee dauert 15 Minuten. Für <strong>die</strong><br />
letzte Etappe steht <strong>die</strong> Standseilbahn<br />
zur Verfügung.<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 21
WASSER<br />
Badestellen<br />
Zürich Holz, Wasser und Sonne<br />
Zürich ist zwar zwinglianisch<br />
geprägt und dennoch ein Badekanton.<br />
In einem Bä<strong>der</strong>führer*<br />
sind zwischen Rapperswil am<br />
oberen Zürichsee und dem Rhein<br />
über 140 Freibä<strong>der</strong> und Badeplätze<br />
aufgeführt. Allein in <strong>der</strong> Stadt<br />
Zürich gibt es 5 Frei-, 6 Strand-<br />
und 5 Flussbä<strong>der</strong>. Das älteste<br />
Fluss bad und vielleicht das charmanteste<br />
ist <strong>der</strong> Untere Letten am<br />
Limmatkanal. Entlang des Ufers<br />
stehen alte Holzhäuschen als Umkleidekabinen<br />
mit Kiosk. Über<br />
dem Wasser schwebt <strong>die</strong> Brückenkonstruktion,<br />
auf <strong>der</strong> sich <strong>die</strong><br />
Schaffhausen Frohes Treiben am Rhein<br />
An schönen Sommertagen könnte<br />
man ob des fröhlichen Treibens<br />
auf dem Rhein den Eindruck<br />
gewinnen, Büsingen liege am<br />
Canale Grande. In Wirklichkeit<br />
ist <strong>die</strong> fünf Kilometer oberhalb<br />
Schaffhausens gelegene Gemeinde<br />
eine deutsche Exklave. Im Strandbad<br />
herrscht Badevergnügen pur.<br />
Kin<strong>der</strong> tummeln sich auf dem<br />
Spielplatz und <strong>der</strong> Badeinsel im<br />
Rhein. Nach sportlicher Betätigung<br />
mit Tischtennis o<strong>der</strong> Beachvolleyball<br />
sorgt ein Kiosk für das<br />
Gäste einrichten und <strong>die</strong> als Zugang<br />
zum Wasser <strong>die</strong>nt. Es hat<br />
sogar eine Grünfläche sowie<br />
ein separates Nichtschwimmerund<br />
Kin<strong>der</strong>planschbecken. Im<br />
Juli läuft am Abend das Freiluftkino<br />
«Filmfluss».<br />
leibliche <strong>Wo</strong>hl. Das Strandbad<br />
liegt relativ ruhig, <strong>die</strong> Gemeinde<br />
bevorzugt bei <strong>der</strong> Vermietung<br />
von Bootsanlegestellen motorlose<br />
Was serfahrzeuge. Es tuckern aber<br />
<strong>die</strong> Passagierschiffe <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
«Untersee und Rhein» vor-<br />
*Badi-Tipp Zürich, Werdverlag<br />
Tram 4/13 bis Dammweg, dem Dammweg<br />
entlang und über <strong>die</strong> Brücke.<br />
O<strong>der</strong> mit S-Bahnen 2/8/14 bis Bahnhof<br />
Wipkingen, 300m <strong>die</strong> Dammstrasse<br />
runter, dann links 100m <strong>der</strong> Wasserwerkstrasse<br />
folgen.<br />
bei, <strong>der</strong>en Wellengang jeweils <strong>die</strong><br />
Schwimmenden ins Wasser lockt.<br />
Mit dem RVSH-Bus <strong>der</strong> Linie 22, Kursbuch<br />
Strecke 71.025, Haltestelle «Büsingen<br />
Strandbad».<br />
22 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008<br />
© swiss-image
WASSER<br />
Badestellen<br />
Wallis Der taufrische Baggersee<br />
Im Lawinenwinter 1999 suchte<br />
<strong>die</strong> Trützi-Lawine das Dorf Geschinen<br />
im Goms mehrere Male<br />
heim. In <strong>der</strong> Folge wurde <strong>der</strong> Bau<br />
eines neuen Lawinendamms zum<br />
Schutz des Dorfes beschlossen.<br />
Das Material zum Aufschütten des<br />
Damms stammte vom ehemaligen<br />
Militärflugplatz. Nun war <strong>die</strong> Zeit<br />
gekommen, eine alte Idee in <strong>die</strong><br />
Tat umzusetzen: Das entstandene<br />
Baggerloch eignete sich ausgezeichnet<br />
für den «Bau» eines Sees.<br />
So kam das Goms im Hitzesom-<br />
mer 2003 zu einem Badesee, <strong>der</strong><br />
von Einheimischen und Touristen<br />
rege genutzt wird. Allerdings ist<br />
nur ein Teil zugänglich. Der an<strong>der</strong>e<br />
ist als Biotop gestaltet und <strong>die</strong>nt<br />
vielen Tieren und Pflanzen als Lebensraum.<br />
Mit <strong>der</strong> Matterhorn Gotthard Bahn<br />
ab Brig o<strong>der</strong> Göschenen bis nach Ge -<br />
schinen. Vom Bahnhof Geschinen,<br />
500 Meter vom Dorf entfernt, in zehn<br />
Minuten zum See in nordöstlicher<br />
Richtung.<br />
Tessin Riviera in <strong>der</strong> Sonnenstube<br />
Die Tessiner verraten ihre<br />
schönsten Badeplätze nur ungern.<br />
Doch <strong>die</strong> Städte Lugano und<br />
Locarno haben beide ein «Lido»,<br />
wobei jenes von Lugano mit seinem<br />
Sandstrand sehr bequem mit<br />
dem Bus zu erreichen ist. In Locarno<br />
muss man ein Paar Minuten<br />
länger gehen. Etwas schwieriger<br />
mit dem «Buxi» zu erreichen, aber<br />
Genf Die Insel <strong>der</strong> Seligen<br />
empfehlenswert ist das Lido von<br />
Ascona. Bequem an <strong>der</strong> Bahnlinie<br />
liegt das Strandbad von Melide,<br />
wobei sich Familien mit Kin<strong>der</strong>n<br />
zudem im nahe gelegenen «Swissminiatur»<br />
vergnügen können.<br />
Eine Promenade über den Seedamm<br />
erschliesst auch das<br />
Schwimmbad von Bissone, das lei<strong>der</strong><br />
in Autobahnnähe liegt. Und<br />
Waadt Die Unterführung zum See<br />
Näher <strong>geht</strong> es nicht: In Rivaz<br />
führt <strong>die</strong> Bahnhofunterführung<br />
von <strong>der</strong> Station gleich zum<br />
See. Zum grössten See Westeuropas<br />
immerhin. Man kann praktisch<br />
in den Badehosen aus dem<br />
Zug ins Wasser steigen. Das Ufer<br />
und sein Hinterland heissen hier<br />
Lavaux, es ist berühmt für seine<br />
Schönheit und den Wein. Und es<br />
bietet eine Reihe weiterer Badeplätze.<br />
Der Genfersee ist auch ein<br />
Badesee. In unmittelbarer Nähe<br />
<strong>der</strong> Station Epesses zum Beispiel<br />
In Genf fliesst das Wasser ja<br />
nach oben. Bis es wie<strong>der</strong> runterfällt.<br />
Ganz in <strong>der</strong> Nähe des bekannten<br />
Jet d’Eau hat es eine weitere<br />
Sehenswürdigkeit, <strong>die</strong> für<br />
Auswärtige so etwas wie ein Geheimtipp<br />
ist. Les Bains des Pâquis.<br />
Es ist entlang einer Mole angelegt,<br />
<strong>die</strong> weit in den See hinaus reicht,<br />
fast bis zum Jet d’Eau. Ein Leuchtturm<br />
bildet den schmucken Abschluss.<br />
Auf <strong>der</strong> einen Seite <strong>der</strong><br />
Mole hat es einen Kiesstrand, gegen<br />
<strong>die</strong> Stadt zu ist <strong>der</strong> See tiefer.<br />
Die Anlage ist nicht sehr gross,<br />
aber vielseitig und sehr schmuck,<br />
sehr familiär. Und sie liegt den<br />
Genferinnen am Herzen. Als das<br />
Bad vor 20 Jahren umgebaut werden<br />
sollte, stellten sie sich auf <strong>die</strong><br />
finden sich gleich zwei Badestellen.<br />
Gegen Montreux zu ist es ein<br />
kleiner aber feiner Platz am Kiesufer,<br />
nach Westen stösst man auf<br />
<strong>die</strong> Bains de Moratel. Es ist das<br />
grösste <strong>der</strong> drei Seebä<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gemeinde<br />
Cully. Nebst Kies hat es<br />
hier auch Gras und Pinien.<br />
Rivaz: Von <strong>der</strong> Bahnstation Rivaz<br />
(zwischen Lausanne und Montreux)<br />
durch <strong>die</strong> Unterführung.<br />
Epesses: Von <strong>der</strong> Bahnstation je einige<br />
Minuten zu Fuss in beide Richtungen.<br />
Mehr Badestellen<br />
Weitere Badegelegenheiten stellen<br />
wir auf unserer <strong>VCS</strong>-Internetseite<br />
vor: www.verkehrsclub.ch/magazin.<br />
Eine gute Übersicht über <strong>die</strong><br />
<strong>Schweiz</strong>er Bä<strong>der</strong> findet man auch<br />
unter www.swissbadeanstalt.ch.<br />
Dort ist jeweils auch ein sehr praktischer<br />
Kartenausschnitt samt den<br />
ÖV-Verbindungen eingeblendet.<br />
24 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008<br />
© swiss-image<br />
zuletzt doch noch <strong>der</strong> kleine Geheimtipp:<br />
unbedingt den freien<br />
Strand von Casoro bei Figino besuchen,<br />
er ist mit dem Postauto anzusteuern.<br />
Lido Lugano: Ab Bahnhof Bus 2 Richtung<br />
«Cornaredo» o<strong>der</strong> «Funicolare»<br />
bis ins Stadtzentrum und dann Bus 1<br />
Richtung Castagnola.<br />
Lido Locarno: Ab Bahnhof Bus 32.<br />
Dann ein kurzer Fussweg.<br />
Lido Ascona: Bus 31 ab Locarno bis<br />
Ascona San Materno und danach<br />
Minibus Buxi.<br />
Strandbad Melide: 5 Minuten zu Fuss<br />
ab Bahnhof.<br />
Casoro bei Figino: Postauto ab<br />
Lugano Zentrum (Piazza Rezzonico)<br />
o<strong>der</strong> ab Bahnhof Lugano-Paradiso.<br />
Hinterbeine und retteten es. Heureusement.<br />
Vom Bahnhof Genf Cornavin zu Fuss in<br />
10 Minuten erreichbar (durch das Pâquis-Quartier).
ÖSTERREICH<br />
Gastbeitrag<br />
Österreich und <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> veranstalten im Juni <strong>die</strong> Fussball-Europameisterschaft.<br />
Endo Anaconda forscht nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden<br />
seiner beiden Heimatlän<strong>der</strong>.<br />
Auswan<strong>der</strong>n ins Ländle<br />
Text: Endo Anaconda<br />
Endo Anaconda ist Musiker,<br />
Autor und Bandlea<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
be kannten Formation «Stiller Has».<br />
www.stillerhas.ch<br />
Mein Vater war <strong>Schweiz</strong>er, meine<br />
Mutter Österreicherin. Somit<br />
habe ich zwei Heimatlän<strong>der</strong><br />
in denen ich verwurzelt bin.<br />
Lustig ist ja, dass oft <strong>die</strong> genau<br />
gleichen leicht boshaften Witze,<br />
über welche wir <strong>Schweiz</strong>er uns<br />
zerkugeln können, von den Österreichern<br />
mit umgekehrten Hauptdarstellern<br />
als <strong>Schweiz</strong>erwitze<br />
zum Besten gegeben werden.<br />
Was sich liebt, das neckt sich.<br />
Als Mensch, <strong>der</strong> seit seiner<br />
frühsten Kindheit in beiden Län<strong>der</strong>n<br />
zuhause ist, kriege ich da<br />
mein Fett doppelt weg. Das fing<br />
schon in <strong>der</strong> Schule an. Da sorgte<br />
mein schweizerdeutscher Rufname<br />
«Res» (emmentalerische Kurzform<br />
für Andreas), für Erheiterung.<br />
Da hätte ich genau so gut<br />
Echnaton o<strong>der</strong> Hürlimann heissen<br />
können. Mit letzterem Namen<br />
wurde ich als <strong>Schweiz</strong>er in Österreich<br />
auch oft gefrotzelt, wobei ich<br />
mich immer fragte, was denn <strong>die</strong>se<br />
Österreicher Seppeln an <strong>die</strong>sem<br />
Österreich während <strong>der</strong> Europameisterschaft zum halben Preis<br />
Während <strong>der</strong> Fussball-EM ist <strong>der</strong><br />
Besuch des östlichen Nachbarlands<br />
mit dem Zug beson<strong>der</strong>s günstig. Das<br />
Generalabonnement (GA) und das<br />
Halbtaxabo berechtigen im Juni<br />
auch in Österreich Ermässigungen<br />
von bis zu 50 Prozent auf Bahnbilletten<br />
(25 Prozent gibts auf internationalen<br />
Billetts immer). Umgekehrt<br />
geniessen <strong>die</strong> Inhaberinnen <strong>der</strong><br />
österreichischen Vorteilscard Rabatt<br />
auf den <strong>Schweiz</strong>er Bahnen.<br />
In <strong>die</strong> vier Austragungsstädte<br />
(Wien, Klagenfurt, Salzburg und<br />
Inns bruck) fährt man mit dem<br />
«Host City Ticket». Nebst <strong>der</strong> Retourfahrt<br />
umfasst es <strong>die</strong> Benutzung <strong>der</strong> lokalen<br />
<strong>Verkehrs</strong>betriebe des Zielortes.<br />
Es gibt spezielle EM-Abonnemente.<br />
Beim Kauf eines solchen GAs o<strong>der</strong> Halbtaxabos<br />
bis Ende Mai winkt ein deutlicher<br />
Vorverkaufsrabatt.<br />
Im Juni verkehren zwischen <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong> und Österreich zusätzliche Züge.<br />
Tagsüber verbindet <strong>der</strong> «Europameister»<br />
Zürich mit Wien. Ausserdem<br />
wird eine weitere Nachtverbindung angeboten.<br />
Diese Züge sind im Online-<br />
Fahrplan aufgeschaltet.<br />
Die österreichischen Austragungsorte<br />
Familiennamen so lustig finden,<br />
welcher bei uns genau so ge läufig<br />
ist wie Buser o<strong>der</strong> Schne beli. Diese<br />
«Groschlis» (als solcher wurde<br />
ich dann in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> tituliert)<br />
denken sich gleich etwas Unanständiges.<br />
Das darf man sich nicht allzu<br />
sehr zu Herzen nehmen. Sonst<br />
muss man halt nach Liechtenstein<br />
auswan<strong>der</strong>n, welches ja so etwas<br />
wie <strong>die</strong> perfekte Mischung meiner<br />
beiden Heimatlän<strong>der</strong> ist. Ist doch<br />
das Ländle bekanntlich eine<br />
waschechte Habsburgermonarchie<br />
und trotzdem so etwas wie eine<br />
<strong>Schweiz</strong> im Briefkastenformat.<br />
Manchmal, wenn unsere <strong>Schweiz</strong>er<br />
Armee wie<strong>der</strong> einmal den<br />
Schutzwald oberhalb von Vaduz<br />
in Brand schiesst, hat man das Gefühl,<br />
<strong>der</strong> Befreiungskrieg meiner<br />
<strong>Schweiz</strong>er Urahnen gegen <strong>die</strong><br />
Habsburger dauere immer noch<br />
an. Als Exil böte sich dann höchstens<br />
noch Vorarlberg an, <strong>die</strong> reden<br />
auch alemannisch. Als ich<br />
wollen Fussball mit Kultur in Einklang<br />
bringen. In Wien sollen auf <strong>der</strong> längsten<br />
Fanmeile <strong>der</strong> EM <strong>die</strong> Wiener Sängerknaben<br />
und <strong>die</strong> Philharmoniker ein<br />
Konzert geben. Ähnliches ist in Salzburg,<br />
Innsbruck und Klagenfurt vorgesehen.<br />
Auch sonst soll <strong>der</strong> Kulturbetrieb<br />
während des Fussball-Interregnums<br />
nicht eingestellt werden. Viel<br />
Glück!<br />
Infos: Für <strong>die</strong> Anreise am Reiseschalter<br />
Bahnhof und unter www.sbb.ch/<br />
euro08; für touristische Informationen<br />
zu Österreich www.austria.info<br />
sowie Tel. 0842 10 18 18 (Ortstarif).<br />
schliesslich vor 35 Jahren das ewige<br />
«Res, Käs, <strong>Schweiz</strong>erkäs!», welches<br />
mir schon im Kin<strong>der</strong>garten<br />
um <strong>die</strong> Ohren schallte, endlich so<br />
satt hatte, dass ich mich zu einer<br />
Rückkehr in <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> entschloss,<br />
liess ich gleichzeitig den<br />
Emmentaler Res zum Stadtberner<br />
Ändu mutieren. Weil ich, wie<br />
schon so viele Österreicher vor<br />
mir (auch H.C. Artmann wil<strong>der</strong>te<br />
unter den Lauben), dem unbeschreiblichen<br />
Charme einer schönen<br />
Bernerin erlegen war. Das<br />
blöde war nur, dass nicht nur<br />
mein Vorgänger bei <strong>die</strong>ser Dame<br />
Ändu hiess, son<strong>der</strong>n auch mein<br />
Nachfolger. Bis ich dem Ganzen<br />
ein Ende setzte.<br />
Ich wusste wirklich nicht, von<br />
wem sie im Schlaf redete. Zudem<br />
fanden meine österreichischen<br />
Kol legen Ändu unwahrscheinlich<br />
witzig. Die können nämlich aus irgend<br />
einem Grund «ä» und «u»<br />
nur mit Mühe hintereinan<strong>der</strong> aussprechen.<br />
Das führte dazu, dass ich<br />
mich heute Endo nenne. Das ist<br />
wie<strong>der</strong>um ein Name <strong>der</strong> in Japan<br />
recht häufig vorkommt. Einem<br />
Land, welches nun mit Österreich<br />
nichts gemeinsam hat, ausser dass<br />
es einen Kaiser gibt. Einen solchen<br />
hat Österreich aber lei<strong>der</strong> nur<br />
mehr mental. Seit <strong>der</strong> grosse Bruno<br />
Kreisky 1983 aus lauter Trotz<br />
zurückgetreten ist, nur weil sein<br />
stures Volk das Atom kraft werk<br />
Zwentendorf nicht wollte.<br />
<strong>Wo</strong> sie Recht haben, da haben<br />
sie Recht, <strong>die</strong>se Österreicher. Dies<br />
obwohl Bruno <strong>der</strong> Grosse von allen<br />
aufrichtig geliebt und verehrt<br />
wurde, weil er wie kein zweiter<br />
Nachkriegspolitiker, mit Ausnah-<br />
26 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008
Experte in Sachen Musik, Österreich und Fussball: Autor Endo Anaconda in Aktion.<br />
me des Leopold Figl vielleicht,<br />
das Schmähzepter zu schwingen<br />
wusste. Letzterer, ein legendärer<br />
Weinbeisser und erster Bundeskanzler<br />
<strong>der</strong> zweiten Republik,<br />
führte Österreich 1955 als Aussenminister<br />
in <strong>die</strong> Unabhängigkeit,<br />
indem er angeblich den damaligen<br />
russischen Aussenminister<br />
Molotow beim Heurigen un -<br />
ter den Tisch zechte. Gegen <strong>die</strong>se<br />
Schram melattacke war <strong>der</strong> bolschewistische<br />
Hardliner machtlos.<br />
Der kannte wahrscheinlich nur<br />
<strong>Wo</strong>dka o<strong>der</strong> Molotowcocktails.<br />
Seitdem setzte Österreich mehr<br />
auf <strong>die</strong> kulinarische Landesverteidigung,<br />
während man bei uns in<br />
<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, den ganzen Kalten<br />
Krieg lang, bis in <strong>die</strong> heutigen Tage<br />
hinein, auf <strong>die</strong> Panzerschlacht<br />
im Mittelland setzt. Weil wir<br />
<strong>Schweiz</strong>er keinen Heurigen haben<br />
und erst recht keine trinkfesten<br />
Politiker wie Leopold Figl einer<br />
war. Der einzige, <strong>der</strong> so was zu<br />
Stande gebracht hätte, ist lei<strong>der</strong><br />
von uns gegangen. Unser hochverehrter<br />
Altbundesrat Jean-Pascal<br />
Delamuraz. Der hätte es vielleicht<br />
noch geschafft, etwaige Invasoren<br />
mit Fendant in Schach zu<br />
halten. Bliebe höchstens noch <strong>der</strong><br />
Filippo Lombardi, aber <strong>der</strong> hat genug<br />
im Tessin zu tun. Jetzt wo er<br />
plötzlich, wegen <strong>der</strong> streikenden<br />
Bähnler, für den öffentlichen Verkehr<br />
eintreten muss.<br />
Eine richtige Armee braucht<br />
Österreich bis heute nicht. Die<br />
können bei Bedarf von <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong> den alten Krempel mieten<br />
und <strong>der</strong> Sämi Schmid kann<br />
sich <strong>die</strong> Entsorgung sparen. Eine<br />
win-win Situation quasi.<br />
Genauso wie <strong>die</strong> Euro 08. Eine<br />
einmalige Gelegenheit für <strong>die</strong><br />
<strong>Schweiz</strong>, auch ein bisschen zu<br />
Europa zu gehören. Ausser vielleicht<br />
noch beim Eurovision Song<br />
Contest. Vielleicht haben <strong>die</strong> Ös -<br />
terreicher aber auch nach zwei<br />
Weltkriegen eine tiefere Abneigung<br />
gegen alles militärische als<br />
wir <strong>Schweiz</strong>er, denen <strong>die</strong>se Stahlgewitter<br />
zum Glück erspart geblieben<br />
sind. Gelingt es den Österreichern<br />
daher besser, sich den sinnlichen<br />
Freuden des Lebens hinzugeben<br />
als uns <strong>Schweiz</strong>ern o<strong>der</strong><br />
liegt es an den unterschiedlichen<br />
religiösen Prägungen? Einerseits<br />
<strong>der</strong> barocke Austrokatholizismus,<br />
an<strong>der</strong>erseits <strong>die</strong>se zwinglianische,<br />
helvetische Nüchternheit. Während<br />
<strong>der</strong> Katholik eher ein Vertreter<br />
des Ablassgedankens ist (nach<br />
<strong>der</strong> Beichte darf fröhlich weiter -<br />
gesündigt werden, weil einem <strong>die</strong><br />
Sünden ja erlassen werden), vertritt<br />
<strong>der</strong> Protestant eher den Abga-<br />
ÖSTERREICH<br />
Gastbeitrag<br />
begedanken. Arbeiten und Abgaben<br />
zahlen. Bei uns in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
gibt es sogar Drogenabgabeprogramme.<br />
Überhaupt neigen wir <strong>Schweiz</strong>er<br />
dazu, für jedes Problem ein<br />
Maschineli o<strong>der</strong> ein Stübli zu<br />
er finden. Fixerstübli, Alkistübli,<br />
Walliserstübli. Bald kommt auch<br />
noch das Raucherstübli. Nicht,<br />
dass zum Beispiel in Österreich<br />
das Rauchen im Zug erlaubt wäre,<br />
nur kümmert sich oft niemand<br />
darum. Die Österreicher setzen da<br />
mehr auf <strong>die</strong> kleinen Schritte.<br />
Österreich war das erste Land mit<br />
einem Nicht rauchersitzplatz, um<br />
<strong>die</strong> Mensch heit vor dem Tabakrauch<br />
zu schützen. Es bleibt dem<br />
Nichtraucher selbst über lassen, ob<br />
er auf seinem Sitzplatz rauchen<br />
möchte o<strong>der</strong> nicht.<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 27<br />
© Peter Krebs
© Peter Krebs<br />
WANDERN<br />
<strong>Schweiz</strong><br />
Der «alte Spittel», von Kaspar Jodok Stockalper auf dem Simplon erbaut, leuchtet in <strong>der</strong> Morgensonne.<br />
Sechs schöne Routen ins<br />
nahe Wan<strong>der</strong>glück<br />
Durch Stadtquartiere, über Hügel, auf Berge, über Pässe: Sechs Wan<strong>der</strong>ungen<br />
spiegeln <strong>die</strong> enorme Landschaftsvielfalt <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Sie sind für <strong>die</strong> verschiedensten<br />
Wan<strong>der</strong>temperamente gedacht. Sogar ein bekennen<strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>muffel<br />
ist losgepilgert – und halbwegs bekehrt zurückgekommen.<br />
28 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008
Stockalperweg Auf den Spuren eines Frühkapitalisten<br />
Kaspar Jodok von Stockalper<br />
(1609–1691) war eine typisch<br />
barocke Figur und einer <strong>der</strong> ersten<br />
Kapitalisten <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Er handelte<br />
mit Salz, machte im Bergbau<br />
und im Kreditwesen Geschäfte<br />
und verkaufte Schnecken. Stockkatholisch<br />
und Herr <strong>der</strong> drei Türme<br />
in seinem Briger Schloss, häufte<br />
er ein riesiges Vermögen an und<br />
ebenso viel Macht. Er übertrieb es<br />
ein wenig mit dem Reichtum und<br />
<strong>der</strong> Macht und musste nach Domodossola<br />
fliehen. Wir tun es ihm<br />
nach: Auf dem Stockalperweg,<br />
den Kaspar Jodok als Saumpfad<br />
anlegen liess und <strong>der</strong> in den vergangenen<br />
Jahren restauriert wurde.<br />
Es dauerte ziemlich lange, bis<br />
es so weit war und man das nötige<br />
Geld fand. Zuerst wollte <strong>die</strong> Autobahn<br />
A9 über den Simplon gebaut<br />
sein für <strong>die</strong> 40-Tönner. Sie kostete<br />
eine Milliarde Franken, mehr<br />
als Stockalper je besass. Der alte<br />
Saumpfad, Unterlage für eine<br />
Drei tagewan<strong>der</strong>ung, war viel billiger<br />
und ist extrem viel schöner.<br />
Die Frühkapitalisten hatten noch<br />
Geschmack. Die Passhöhe stellt<br />
sich als grandiose Weite dar, <strong>die</strong><br />
Spätestens seit dem Kinohit<br />
«Saint Jacques... La meque» ist<br />
Pilgern wie<strong>der</strong> in. Da bewegungsfaule<br />
Menschen häufig eine Neigung<br />
zu Geistlichem haben, gerate<br />
auch ich in Versuchung, eine<br />
Fussreise ans Grab des heiligen Jakobus<br />
in Santiago de Compostela<br />
anzutreten. Als Trainingseinstieg<br />
bieten sich landauf, landab Kürzestvarianten<br />
an. Wir wählen <strong>die</strong>jenige<br />
vom bernischen Rüeggisberg<br />
nach Schwarzenburg.<br />
Gleich nach dem Ausstieg aus<br />
dem Postauto in «Rüeggisberg<br />
Post» zeigt <strong>der</strong> Wegweiser in<br />
Richtung <strong>der</strong> drei Minuten entfernten<br />
Klosterruine Rüeggisberg.<br />
sich nach Süden zu absenkt. In<br />
Simplon-Dorf beginnt <strong>der</strong> Süden<br />
schon. Und doch gibt es alles,<br />
was man in den Walliser Bergen<br />
erwartet: Roggenbrot, Trockenfleisch,<br />
<strong>die</strong> Raiffeisenbank. Wir<br />
schlagen zu.<br />
Böse Zungen würden Gabi als<br />
«Loch» bezeichnen. Es ist auch <strong>der</strong><br />
Eingang in <strong>die</strong> Gondoschlucht, <strong>die</strong><br />
zu einem Erlebnispfad zwischen<br />
hohen Felsen hergerichtet wurde.<br />
Hier zwängen sich <strong>die</strong> A9 durch<br />
sowie <strong>die</strong> Doveria. Mal hört man<br />
mehr den Wildbach rauschen,<br />
mal den wild gewordenen Verkehr.<br />
Die Wan<strong>der</strong>vögel bewegen<br />
sich neben und über den Galerien,<br />
fliegen über Brücken, schleichen<br />
durch den Stollen einer alten Festung<br />
und kommen nach Gondo.<br />
Dort biegen sie ins Zwischbergental<br />
ein und sehen wie<strong>der</strong> einmal etwas<br />
mehr als bloss einen Schlitz<br />
Himmel. Es folgt <strong>der</strong> Monscerapass.<br />
Oben empfängt Italien einen<br />
mit Föhren, kristallklaren Bergseen<br />
und dem einsamen Berghaus<br />
Gattascosa, wo üppige Mengen<br />
von Käse und Schinken aus Parma<br />
serviert werden, wo Weisswein<br />
Die romanische Kirche wurde um<br />
1175 erbaut, nachdem hier 100<br />
Jahre zuvor <strong>der</strong> erste Cluniazenserorden<br />
auf deutschsprachigem<br />
Gebiet entstanden war. Als Kraftort<br />
wird <strong>die</strong> Klosterruine von vielen<br />
auf dem Jakobsweg Wan<strong>der</strong>nden<br />
besucht.<br />
Beim Abstieg zum Schwarzwasser,<br />
dem Auftakt zu unserer<br />
Pilgerreise auf <strong>der</strong> Via Jacobi Nr. 4,<br />
lässt <strong>die</strong> Erleuchtung auf sich warten.<br />
Nicht einmal ein erhabenes<br />
Gefühl will uns überkommen –<br />
<strong>die</strong> Strasse mit zahlreichen Sonntagsfahrern,<br />
<strong>die</strong> ihre Motorrä<strong>der</strong><br />
in je<strong>der</strong> Kurve aufheulen lassen,<br />
ist einfach zu nah. Schon viel nä-<br />
und Honiggrappa fliessen. Berauscht<br />
von all <strong>die</strong>sen Eindrücken<br />
steigt man hinunter über Gallinera<br />
nach Bognanco, einer mehrstufigen<br />
Berggemeinde. Zuunterst<br />
befindet sich das alte Thermalbad.<br />
Es beginnt <strong>der</strong> letzte Akt, <strong>die</strong><br />
Wan<strong>der</strong>ung hoch über <strong>der</strong> linken<br />
Talseite nach Domodossola. Auf<br />
dem hinreissenden Kalvarienberg<br />
quar tierte sich Stockalper nach<br />
seinem Fall bescheidener ein als in<br />
Brig. Nach Jahren kehrte er als<br />
Aufstieg durch <strong>die</strong> Ganterschlucht oberhalb von Brig.<br />
Schwarzenburgerland Seelenfriede auf brennenden Pilgersohlen<br />
her kommen wir <strong>der</strong> Sache nach<br />
dem Aufstieg gegen Mamishaus;<br />
hier ist sie, <strong>die</strong> Idylle <strong>der</strong> bäuerlichen<br />
<strong>Schweiz</strong>! Die städtischen Pilgerseelen<br />
lassen den Blick in <strong>die</strong><br />
Ferne schweifen, <strong>die</strong> nur aus Blau<br />
(Himmel), Grün (Fel<strong>der</strong>) und<br />
Braun (Bauern häuser) besteht,<br />
umrahmt vom spätwinterlichen<br />
Weiss <strong>der</strong> Al pen und <strong>der</strong> Jurakette.<br />
Der Wind bläst munter, man<br />
wünschte sich einen Drachen, <strong>die</strong><br />
<strong>Wo</strong>lken sind wie von Kin<strong>der</strong>hand<br />
gezeichnet und hoch oben jubiliert<br />
eine Lerche in him mlischen<br />
Tönen. Es stellt sich nicht gerade<br />
Erleuchtung ein – aber Seelenfriede<br />
und Ruhe.<br />
WANDERN<br />
<strong>Schweiz</strong><br />
einfacher Bürger heim. Uns fährt<br />
bequem das Postauto zurück.<br />
Peter Krebs<br />
Kurzinfo<br />
Gut markierte mittelschwere, etappierbare<br />
Bergwan<strong>der</strong>ung. Von Juni bis<br />
Ende September. Varianten: Auf den<br />
Simplonpass von Gspon aus über den<br />
Gebidum- und den Bistinenpass. Von<br />
Gabi aus über <strong>die</strong> Furggu direkt nach<br />
Zwischbergen. Details auf www.verkehrsclub.ch/magazin<br />
Die Routenbeschreibung spricht<br />
von zweieinhalb Stunden Marschzeit.<br />
In unserem Fall sind mit den<br />
nötigen Ruhepausen fünf Stunden<br />
vergangen, als wir mit brennenden<br />
Pilgersohlen in Schwarzenburg<br />
einmarschieren, dem<br />
Herz stück des voralpinen und wenig<br />
industrialisierten Schwarzenburgerlands.<br />
Und jetzt: zurück ins<br />
faule Leben! Stefanie Stäuble<br />
Kurzinfo<br />
Einfache, als Via Jacobi markierte<br />
Wan<strong>der</strong>ung ohne grosse Steigungen,<br />
ganzjährig möglich. Details auf<br />
www.verkehrsclub.ch/magazin<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 29<br />
© Peter Krebs
Tessin Fast wie Korsika, nur viel näher<br />
Ein Höhepunkt erwartet uns<br />
am zweiten Tag beim Abstieg,<br />
gleich nach dem Maiensäss Mella.<br />
Über 100, 200 Höhenmeter<br />
schiesst, hüpft, rinnt und sprudelt<br />
das Wasser des Bergbachs von Becken<br />
zu Becken, einige davon<br />
gross und tief genug, um darin ein<br />
paar Züge zu schwimmen. In <strong>die</strong><br />
Sonne blinzelnd, fühlt man sich,<br />
mitten im Maggiatal, nach Korsika<br />
versetzt.<br />
Beginnen könnte alles so: Wir<br />
wollen von Freitag bis Sonntag<br />
wan<strong>der</strong>n. Gemütlich, genussvoll,<br />
aber auch ein wenig sportlich.<br />
Feuchte Luftmassen aus Nordwest<br />
stauen sich an den Alpen, während<br />
im Tessin <strong>der</strong> Nordföhn den<br />
Himmel blank fegt. Also: Wir<br />
starten zur Mittagszeit in Luzern,<br />
sitzen vor vier Uhr im Unione in<br />
Gordevio, wo wir eins <strong>der</strong> fünf<br />
Zimmer ergattert haben. Ein kurzer<br />
Begrüssungstrunk unter dem<br />
Kiwiblätterdach <strong>der</strong> Gartenterrasse,<br />
und dann reicht es als Vorbereitung<br />
aufs Nachtessen noch bestens<br />
für <strong>die</strong> Rundtour über Ör<br />
und Archeggio. Hinauf <strong>geht</strong>s in<br />
eine für Tessiner Verhältnisse karge<br />
Vegetation, stellenweise wirkt<br />
<strong>die</strong> Alplandschaft fast kahl: überall<br />
Spuren des grossen Waldbrands<br />
von 2003. Stumm anklagend ragen<br />
verkohlte Baumgerippe aus<br />
dem grossflächig wuchernden<br />
Gins ter – eigenartig ästhetisch.<br />
Auch <strong>die</strong> jahrhun<strong>der</strong>tealten Kastanienbaumriesen<br />
in Ör werden<br />
kaum mehr blühen. Doch das<br />
Weglein hinüber nach Archeggio<br />
verscheucht allen Trübsinn; <strong>die</strong><br />
Wan<strong>der</strong>lust wächst Schritt für<br />
Schritt.<br />
Samstag. Die Küche des gastfreundlichen<br />
Hauses hat uns<br />
überzeugt. Zu den Spezialitäten<br />
gehört das Fleisch von Schottischen<br />
Hochlandrin<strong>der</strong>n, <strong>die</strong> als<br />
genügsame Landschaftsgärtner<br />
<strong>die</strong> Alpen oberhalb des Nachbardorfs<br />
Avegno davor bewahren,<br />
vom Wald verschluckt zu werden.<br />
Also heisst das Ziel nochmals<br />
Gordevio, mit Start in Maggia.<br />
Von da <strong>geht</strong>s ein Stück weit ins<br />
Valle del Salto hinein, unter den<br />
vielen schönen Seitentälern des<br />
Maggiatals vielleicht das allerschönste,<br />
und auf dem Wan<strong>der</strong>weg<br />
Richtung Alpe Nimi hinauf<br />
bis zur zauberhaft gelegenen Alpsiedlung<br />
Aiarlo. Äusserst lohnen-<br />
Stufe um Stufe zur Cappella della Pioda oberhalb von Maggia; vom Feuer<br />
ge schlagene Wunden bei Ör; vom Wasser geschaffenes Wun<strong>der</strong> bei Mella.<br />
Fotos: Karen Cordes<br />
de Variante für jene, <strong>die</strong> sich, mit<br />
<strong>der</strong> 1:25000er Karte im Sack, gerne<br />
auf einen unmarkierten Weg<br />
einlassen: erst bei Kote 665 abzweigen<br />
und über Alpen ohne Namen<br />
(eine davon mit Kote 1112)<br />
aufsteigen; von weit, weit unten<br />
wird zwischendurch <strong>die</strong> Kirche<br />
von Maggia zu den im siebten<br />
Himmel Schwitzenden hinaufgrüssen.<br />
Der Abstieg Aiarlo-<br />
Gor devio erfolgt dann so o<strong>der</strong> so<br />
via Badepara<strong>die</strong>s Mella–Ma lai–Archeggio,<br />
auf einem seit einiger<br />
Zeit wie<strong>der</strong> durchgehend gepflegten<br />
Bergweg.<br />
Und am Sonntag? Da reicht es<br />
vielleicht noch für eine Rundtour<br />
WANDERN<br />
<strong>Schweiz</strong><br />
im unteren Valle del Salto. O<strong>der</strong><br />
auch für mehr, weil längst klar ist,<br />
dass wir unmöglich am Montag<br />
zurück sein können. Urs Geiser<br />
Kurzinfo<br />
Während <strong>die</strong> kleine Runde Gordevio<br />
(340 m ü.M.) – Ör (915 m) – Gordevio<br />
keine beson<strong>der</strong>en Schwierigkeiten<br />
bietet, ist <strong>die</strong> Tour über Aiarlo eine 6bis<br />
7-stündige, technisch mittelschwere<br />
Bergwan<strong>der</strong>ung (1200 m hoch und<br />
wie<strong>der</strong> runter). Weiss-rot-weiss markiert,<br />
machbar von April bis zum ers -<br />
ten grossen Schneefall (Aiarlo) bzw.<br />
so gut wie ganzjährig (Ör). Details auf<br />
www.verkehrsclub.ch/magazin<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 31
Mittelland Zürich–Bern in 33 Stunden<br />
Die Sehnsucht nach Bern ist<br />
gross, und aller Anfang ist<br />
schwer. In Zürich ist es noch fast<br />
dunkel. Es regnet. Nach dem<br />
westlichen Vorort Uitikon-Waldegg<br />
muss man sich durch eine Agglomeration<br />
von Einfamilienhäuschen<br />
schlagen. Auf <strong>der</strong> nahen<br />
Strasse dröhnt <strong>der</strong> Pendlerverkehr.<br />
Im Bett bleiben wäre gescheiter<br />
gewesen, denke ich. Nach<br />
Bremgarten, in den Reuss-Auen,<br />
lösen sich <strong>die</strong> Zweifel auf. In <strong>der</strong><br />
Klosterkirche Muri AG zünde ich<br />
eine Weihekerze an und bin mit<br />
<strong>der</strong> Welt versöhnt. In Hitzkirch<br />
fragt ein Jasser in <strong>der</strong> Beiz, woher<br />
ich komme. Ich sage: «Von Zürich.»<br />
Er fragt: «Wie lange hast du<br />
gebraucht?» Ich: «Zehn Stunden.»<br />
Er: «Mit dem Subaru mache ich’s<br />
in vierzig Minuten.» Eben. Er<br />
wendet sich wie<strong>der</strong> seinen Jasspartnern<br />
zu.<br />
Zum Erlosen hinauf. Da haben<br />
sie einen Wan<strong>der</strong>weg durch den<br />
Wald gebaut und einen Brunnen<br />
hingestellt. Die Ausschil<strong>der</strong>ung ist<br />
perfekt. Nur: Für wen? Zum fünften<br />
Mal bin ich unterwegs, und<br />
noch nie habe ich einen an<strong>der</strong>en<br />
Intercity-Wan<strong>der</strong>er angetroffen.<br />
Im Nebel sind <strong>die</strong> Farbunterschiede<br />
abgeschwächt, <strong>die</strong> Landschaft<br />
ist wie chinesische Tuschmalerei.<br />
Dann Beromünster. Das Gasthaus<br />
Hirschen steht mächtig wie ein<br />
Ozeandampfer, darüber thront<br />
auf dem Hügel <strong>die</strong> Stiftskirche mit<br />
ihren Nebengebäuden. Der Wan<strong>der</strong>weg<br />
führt mitten durch. Rechts<br />
eine Sonnenuhr mit dem Spruch<br />
omnis vulnerat, ultima necat – jede<br />
Stunde verwundet dich, <strong>die</strong><br />
letzte tötet dich. Da kommt man<br />
ins Grübeln. Wie gesagt: per Eisenbahn<br />
eine Stunde, auf Schuhsohlen<br />
dreiunddreissig Stunden.<br />
Es ist eine Reise durch Raum und<br />
Zeit. Die Zeit erhält durch <strong>die</strong><br />
Langsamkeit eine neue Qualität,<br />
ist nicht mehr nur linear, bekommt<br />
Tiefe. Zürich–Bern zu Fuss.<br />
Immer mehr stellt sich <strong>die</strong> verrückte<br />
Idee als eine Entdeckungsreise<br />
durch <strong>die</strong> Aussenwelt heraus,<br />
aber auch durch das eigene Innere.<br />
Gehen ist so reich und so einfach.<br />
Man sieht <strong>die</strong> schönen Dinge<br />
am Wegrand, dem Wan<strong>der</strong>er<br />
wird es wohl an Körper und Seele.<br />
Essen und Trinken schmecken<br />
ihm doppelt so gut, und er schläft<br />
wie ein Murmeltier zehn Stunden<br />
lang.<br />
Noch ein paar Stunden bis<br />
Bern. In Lützelflüh erwartet mich<br />
eine Freundin, <strong>die</strong> auf dem letzten<br />
Stück mitwan<strong>der</strong>n will. Die Gasthäuser<br />
am Wegrand sind so<br />
schön, dass es noch ein paar Stunden<br />
mehr werden. Beim Most er-<br />
zähle ich <strong>der</strong> Freundin vom Aargau,<br />
vom Luzernischen, und sie<br />
glaubt, ich spreche von fernen<br />
Kontinenten. Der vorletzte Hügel<br />
hat den langen Namen Diepolds -<br />
husenegg, dann kommt noch <strong>die</strong><br />
kleine Steigung auf den Dentenberg<br />
hinauf. Der Schluss gleicht<br />
dem Anfang. Die Agglomeration<br />
dröhnt, rauscht, hämmert fleissig,<br />
mischt Beton, deckt Dächer und<br />
asphaltiert Strassen. Wir nehmen<br />
<strong>die</strong> letzten Treppen hinunter zum<br />
Bärengraben. Dort steht ein Brun-<br />
Neuenburger Jura Von <strong>der</strong> Table d’hôte auf <strong>die</strong> Tablettes<br />
Bahnhofbuffets von altem Schrot<br />
und Korn sind Kulturgut, ein<br />
Stück Heimat. Wie gut tut es <strong>der</strong><br />
Bahnfahrerseele, an solchem Ort<br />
<strong>die</strong> Vorfreude auf eine Wan<strong>der</strong>ung<br />
auszukosten! Zum Beispiel<br />
in Chambrelien, da, wo <strong>der</strong> Zug<br />
zwischen Neuenburg und La<br />
Chaux-de-Fonds halten muss, um<br />
<strong>die</strong> von <strong>der</strong> Topografie gefor<strong>der</strong>te<br />
Spitzkehre zu vollziehen. Ohne je-<br />
den Schnickschnack präsentiert<br />
sich <strong>die</strong> kleine Gaststube mit ihren<br />
kaum 30 Sitzplätzen: Nullachtfünfzehn-Mobiliar<br />
auf einem<br />
gut gealterten rötlichen Fliesenboden,<br />
doch <strong>der</strong> angeborene<br />
Charme überstrahlt alles. Draussen<br />
eine Veranda mit einem<br />
Hauch Western-Stil, vor allem<br />
aber: mit Seeblick.<br />
Die Vorfreude, <strong>die</strong> womöglich<br />
© swiss-image<br />
Intercity-Reise mit Halt auf Verlangen in Bremgarten AG.<br />
fast kein Ende nehmen will, gilt<br />
dem Tablettes-Felsen, einer von<br />
<strong>der</strong> Natur geschaffenen Aussichtsplattform<br />
zwei Wan<strong>der</strong>stunden<br />
weiter oben. Wie ein Wächter<br />
über dem Eingang zum Val de<br />
Travers steht er da. Und gewährt<br />
einen phantastischen Blick auf<br />
den unteren Teil des Neuenburgersees,<br />
<strong>die</strong>sen unschweizerisch<br />
grosszügigen blauen Teppich in-<br />
WANDERN<br />
<strong>Schweiz</strong><br />
nen. Wir ziehen <strong>die</strong> Schuhe und<br />
<strong>die</strong> Socken aus, wir strecken <strong>die</strong><br />
Füsse ins eiskalte Wasser und sagen<br />
kein <strong>Wo</strong>rt. Dres Balmer<br />
Kurzinfo<br />
Viertägige Weitwan<strong>der</strong>ung in hügeligem<br />
Gelände und etwa zur Hälfte auf<br />
verkehrsarmen Asphaltsträsschen, am<br />
Weg viel Gastronomie und Kultur. Man<br />
orientiert sich zuverlässig an den gelben<br />
regionalen Wegweisern. Details<br />
auf www.verkehrsclub.ch/magazin<br />
mitten von gewelltem Grün. Dahinter<br />
ein Strich Murten- und ein<br />
Fleck Bielersee, davor <strong>die</strong> Windungen<br />
<strong>der</strong> Areuse-Schlucht, am<br />
Horizont im Idealfall das volle<br />
Programm vom Säntis bis über<br />
den Mont Blanc hinaus.<br />
Während das erste Wegstück<br />
bis zum Dörfchen Rochefort ideal<br />
zum Warmlaufen ist, for<strong>der</strong>t <strong>die</strong><br />
zweite Hälfte <strong>der</strong> rund 600 Hö-<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 33
WANDERN<br />
<strong>Schweiz</strong><br />
henmeter mit dem Zickzack-Aufstieg<br />
durch felsdurchsetzten Wald<br />
<strong>die</strong> Beinmuskulatur. Als Belohnung<br />
wartet oben schon vor <strong>der</strong><br />
«Plattform» ein grasbewachsener<br />
Lausanne Exotisches gibts auch gleich um <strong>die</strong> Ecke<br />
Es braucht nicht immer eine<br />
Weltreise, um den Kopf durchzulüften.<br />
Auch in nächster Nähe<br />
sind verblüffende Entdeckungen<br />
zu machen. Beweis über Beweis<br />
dafür liefert <strong>der</strong> Schriftsteller<br />
Pierre Corajoud, <strong>der</strong> sich selbst als<br />
«Nah-Abenteurer» (aventurier du<br />
proche) sieht, mit seinen Spaziergängen<br />
und Bummeleien quer<br />
durch Lausanne. Auf dem «Türmchen-Bummel»,<br />
<strong>der</strong> vom Vélodrome<br />
im Norden zum zauberhaften<br />
Parc du Désert im Westen<br />
<strong>der</strong> Stadt führt, zeigt sich ein<br />
überraschend an<strong>der</strong>es Lausanne<br />
Zusatzinfos per Post<br />
Der <strong>VCS</strong> bietet eine neue Dienstleistung<br />
an: Viele Zusatzinformationen<br />
zu den Touren samt den genauen<br />
Routenangaben können Sie<br />
unter www.verkehrsclub.ch/magazin<br />
abholen o<strong>der</strong> per Post bestellen<br />
– siehe dazu Seite 4 <strong>die</strong>ses Magazins.<br />
Rastplatz, wo einen mit etwas<br />
Glück eine Gämse begrüsst, sicher<br />
aber, schräg gegenüber, <strong>der</strong> grandiose<br />
Felskessel des Creux du Van.<br />
Lediglich 20 Minuten sanften<br />
mit verkannten Strassen und geheimnisvollen<br />
Durchgängen. Wir<br />
kommen an prächtigen Sandsteinwänden<br />
vorbei – von hier<br />
stammt das Baumaterial für <strong>die</strong><br />
Kathedrale –, entdecken hübsche<br />
Häuser im Violette-Quartier und<br />
Fusswege weitab von den grossen<br />
<strong>Verkehrs</strong>achsen, je nach Wetter<br />
gar mit Alpensicht. Als krönen<strong>der</strong><br />
Abschluss lädt <strong>der</strong> Parc du Désert<br />
zu sinnendem Betrachten ein. Das<br />
lange, schmale Wasserbecken,<br />
von zum Teil 210–220 Jahre alten<br />
Linden gesäumt, ist eine Oase des<br />
Friedens. Das Spiegelbild <strong>der</strong> Bäume<br />
auf <strong>der</strong> glatten Oberfläche und<br />
<strong>der</strong> üppige Wasserpflanzenteppich<br />
tun das Ihre. Der in <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong> einzigartigen Anlage,<br />
«canal» genannt, wohnt etwas<br />
Magisches inne.<br />
Der Bummel endet am Ende<br />
<strong>der</strong> Allee, beim ehemaligen Herrenhaus,<br />
das nun ein Restaurant<br />
beherbergt. Neben dem dazugehörigen<br />
ehemaligen Bauernhof<br />
steht – Art pour l’art in Reinkultur<br />
Abstiegs sind es dann noch bis zur<br />
Postautohaltestelle im Col de la<br />
Tourne. Ob man von hier nach<br />
Neuenburg zurück- o<strong>der</strong> nach Le<br />
Locle weiterfährt, <strong>die</strong> Reise bietet<br />
Unbekanntes Lausanne: <strong>der</strong> Parc du Désert.<br />
– ein kurioses neogotisches Turmhäuschen,<br />
eines <strong>der</strong> ersten Waadtlän<strong>der</strong><br />
Bauwerke <strong>die</strong>ser Art. Hier<br />
war <strong>der</strong> Ausgangspunkt eines<br />
Netzes von Spazierwegen durch<br />
den darüberliegenden bewaldeten<br />
Hang, wo einst – als dekorative<br />
Elemente – auch eine Einsiedelei,<br />
eine Grotte und ein strohgedecktes<br />
Häuschen <strong>die</strong> Lustwandelnden<br />
erfreute. Wir flanieren noch ein<br />
paar Meter westwärts. Da ist <strong>der</strong><br />
In zwei Stunden von <strong>der</strong> Bahnhofbuffet-<br />
zur Jura-Aussichtsterrasse.<br />
so viel Jura-Erlebnis, dass man<br />
sich fragt, weshalb man als Auswärtiger<br />
keinen Zuschlag bezahlt.<br />
Aber bevor das Postauto kommt,<br />
statte man dem Hôtel de la Tourne,<br />
das lei<strong>der</strong> kein Hotel mehr ist,<br />
einen Besuch ab – und koste, sofern<br />
Nicht-Vegetarier, von den<br />
«Croissants au jambon maison»,<br />
den Schinkengipfeln, <strong>die</strong> Madame<br />
und Monsieur backen. Göttlich,<br />
wie so vieles zuvor an <strong>die</strong>sem Tag.<br />
Urs Geiser<br />
Kurzinfo<br />
Vom Col de la Tourne her ein Spaziergang,<br />
von Chambrelien/Rochefort her<br />
zuoberst eine Bergwan<strong>der</strong>ung. Bes -<br />
tens markiert, machbar von April bis<br />
in den Spätherbst hinein. Details auf<br />
www.verkehrsclub.ch/magazin<br />
Stadtrand. Am Horizont <strong>der</strong> Jura.<br />
Noëlle Petitdemange<br />
Kurzinfo<br />
An<strong>der</strong>thalbstündiger Spaziergang<br />
(ohne kontemplative Pausen) von <strong>der</strong><br />
Bushaltestelle «Parc du Vélodrome»<br />
des Einers Richtung Blécherette zur<br />
Endstation des Zweiers, «Désert». Das<br />
Buch: «Flâneries lausannoises: 18 balades<br />
à travers des chemins à (re)découvrir»,<br />
Pierre Corajoud, 2002, 152 S.<br />
34 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008<br />
© Urs Geiser<br />
© Noëlle Petitdemange
WANDERN<br />
<strong>Schweiz</strong><br />
62 500 Kilometer Wan<strong>der</strong>wege durchziehen das Wan<strong>der</strong>land <strong>Schweiz</strong>.<br />
Alles zum Besten bestellt? Gemach.<br />
Neue Wege braucht das Land<br />
Nützliche Adressen für faire Ferien<br />
In <strong>der</strong> schönen Stadt Freiburg<br />
gibt es eine reizende Nahwan<strong>der</strong>ung:<br />
Vom Pérolles-Quartier<br />
führt sie durch den Ritterweg an<br />
<strong>die</strong> Saane und zum Kloster in <strong>der</strong><br />
Mageren Au. Führte, muss man<br />
sa gen. Denn 2005 (o<strong>der</strong> war es<br />
2004?) schwemmte <strong>der</strong> Fluss anlässlich<br />
eines Hochwassers den<br />
Steg weg. Seither werden <strong>die</strong><br />
Wan<strong>der</strong>nden über <strong>die</strong> Staumauer<br />
umgeleitet. Wenn es <strong>geht</strong>. Manchmal<br />
<strong>geht</strong> das aber nicht.<br />
Der Steg wird irgendwann einmal<br />
ersetzt werden. Was wird er<br />
kosten? 200000 Franken? Bis <strong>die</strong><br />
Stadt Freiburg <strong>die</strong> Summe aufgetrieben<br />
hat, dürfen sich <strong>die</strong> Spaziergänger<br />
in Enthaltsamkeit und<br />
Geduld üben. Vielleicht schaffen<br />
<strong>die</strong> Behörden das Werk noch vor<br />
<strong>der</strong> neuen Poyabrücke, <strong>die</strong> am an<strong>der</strong>en<br />
Ende <strong>der</strong> Stadt für 120 Millionen<br />
Franken einen zusätzlichen<br />
Strassenübergang herstellt.<br />
Ähnlich hart werden <strong>die</strong> einsa-<br />
Öffentlicher Verkehr: Postauto, auch Gruppenreisen:<br />
www.post auto.ch. Tagesausflüge in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, auch<br />
Gruppen: www.erlebnis-schweiz.com; www.rail away.ch.<br />
Bahnreisen Ostschweiz: www.thurbo.ch. Bahn reisen<br />
Bern/Wallis: www.bls.ch. Glacier-Express: www.mgbahn.ch.<br />
Städtereisen Europa: www.railtour.ch, Tel. 031 378 01 01.<br />
Bahnreisen Europa und weltweit: www.globotrain.ch, Tel.<br />
031 313 00 03. Beson<strong>der</strong>e Züge: www.erlebniszuege.ch,<br />
Tel. 031 378 00 04. Fahrplan international:<br />
www.bahn.de, http://fahrplan.bahnen-und-busse.de<br />
Verträgliches Reisen: Europa: www.via-verde-reisen.ch,<br />
Tel 0848 823 823. Schwerpunkt Deutschland: www.vertraeglich-reisen.de.<br />
Naturreisen Deutschland: www.fahrtziel-natur.de.<br />
Westschweiz und Frankreich: www.salamandre.ch,<br />
Tel. 032 7100825<br />
men Wan<strong>der</strong>er seit einem Jahr<br />
o<strong>der</strong> so an <strong>der</strong> Aare unterhalb <strong>der</strong><br />
schönen Stadt Bern aus ihren<br />
Träumen gerissen, wenn sie plötzlich<br />
am linken Ufer auf rotweisse<br />
Abschrankungen treffen: «Durchgang<br />
verboten.» Der Sandsteinfels<br />
bröckelt und könnte den Fussgängern<br />
auf den Kopf fallen. Also:<br />
sperren und sparen. Was würde<br />
man sagen, wenn <strong>die</strong> Amtsstellen<br />
mit einem Strassenstück so verführen?<br />
Wenn sie beim Felssturz<br />
auf <strong>die</strong> Gotthard-Autobahn anno<br />
2006 gesagt hätten, ja wir schliessen<br />
<strong>die</strong> nun mal für ein paar Jährchen<br />
ein bisschen, das wird schon<br />
irgendwie gehen und kommt billiger,<br />
man kann das Tessin ja auch<br />
zu Fuss erreichen, wenigstens im<br />
Sommer.<br />
Natürlich ist <strong>der</strong> Vergleich ungerecht.<br />
Die Gotthard-Autobahn<br />
ist viel wichtiger als so ein mageres<br />
Weglein in <strong>die</strong> Magere Au. Sie<br />
ist <strong>der</strong> Lebensnerv, ohne den <strong>die</strong><br />
Langsamverkehr: Wan<strong>der</strong>n, Velo, Inline, Mountainbike,<br />
Kanu: www.schweizmobil.ch. Buchbare Angebote<br />
<strong>Schweiz</strong>: www.swisstrails.ch, Tel. 044 450 24 34.<br />
Miet velos: www.rentabike.ch, Tel. 041 925 11 70.<br />
Übernachtungen Velofahrende: www.velodach.ch.<br />
Skaten: www.swiss-skate-map.ch<br />
Weitere Vorschläge: Ferien im Baudenkmal: www.magnificasa.ch,<br />
Tel. 044 252 28 72. Historische <strong>Verkehrs</strong>wege:<br />
www.viastoria.ch, Tel. 031 631 35 35. Gruppenunterkünfte:<br />
www.gruppen-unterkuenfte.ch, Tel. 04 867 25 00.<br />
Hintergrund: www.fairunterwegs.ch.<br />
Kin<strong>der</strong>ferien: www.kovive.ch<br />
Last but not least: www.verkehrsclub.ch/magazin<br />
<strong>Schweiz</strong> dem Untergang geweiht<br />
ist, das ahnte schon Wilhelm Tell,<br />
<strong>der</strong> allerdings zu Fuss unterwegs<br />
war und mit <strong>der</strong> Armbrust statt<br />
dem Taschenmesser. Dennoch ist<br />
<strong>die</strong> unterschiedliche Eile und<br />
Spen<strong>die</strong>rfreudigkeit punkto Strassen<br />
und Wege aufschlussreich.<br />
Die <strong>Schweiz</strong> versteht sich als<br />
Wan<strong>der</strong>land. Ihre Bewohner sind<br />
auch 700 Jahre nach Wilhelm Tell<br />
und an<strong>der</strong>thalb Jahrtausende<br />
nach <strong>der</strong> Völkerwan<strong>der</strong>ung noch<br />
ein Wan<strong>der</strong>volk. 62 500 Kilometer<br />
markierte Wege gibt es übers ganze<br />
Land verteilt, fast so viele wie<br />
Strassen (70 000 Kilometer). Bei<br />
Umfragen über sportliche Aktivitäten<br />
steht das Wan<strong>der</strong>n immer<br />
zuoberst. Ein Drittel aller Einheimischen<br />
praktiziert es, viele Touristen<br />
kommen seinetwegen zu<br />
uns. Alle Destinationen werben<br />
mit ihrem Wegnetz, das meist auch<br />
tipptopp unterhalten ist. Das eben<br />
eröffnete «Wan<strong>der</strong>land <strong>Schweiz</strong>»<br />
setzt da noch einen drauf.<br />
Alles paletti also? Nicht ganz.<br />
Die Wan<strong>der</strong>wege sind krank. Betroffen<br />
sind weniger <strong>die</strong> Highlights<br />
in den höheren Regionen,<br />
so ab 1500 m.ü.M., als <strong>die</strong> vielen<br />
tausend Kilometer im Mittelland,<br />
in den Hügeln und Voralpen. Die,<br />
zugegeben, seltenen Sperrungen<br />
sind höchstens ein Symptom,<br />
nicht <strong>die</strong> Seuche. Viel besorgniserregen<strong>der</strong><br />
ist <strong>die</strong> schleichende<br />
und scheinbar unaufhaltsame<br />
Entwertung <strong>der</strong> Wege.<br />
Ein schöner Wan<strong>der</strong>weg besteht<br />
aus Naturbelag, Kies, Erde,<br />
am besten mit Grasnarbe in <strong>der</strong><br />
Mitte. Manchmal ist er auch ein<br />
schmaler Pfad. Nur auf solchen<br />
Unterlagen kommt <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>er<br />
auf seine Rechnung. Wan<strong>der</strong>n ist<br />
36 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008
Die <strong>Schweiz</strong> hat viele schöne Wan<strong>der</strong>wege. Aber es gibt immer mehr Abschnitte mit Hartbelag, <strong>die</strong> nicht zum Wan<strong>der</strong>n laden. Neue Ideen sind gefragt.<br />
mehr als ein sportliches Vorwärtsschreiten,<br />
es ist nicht nur geografisch<br />
eine Eskapade aus dem Alltag.<br />
Der Kopf wan<strong>der</strong>t mit und<br />
lässt seine Gedanken schweifen.<br />
Dieser Genuss hat viel mit <strong>der</strong> Ästhetik<br />
<strong>der</strong> unmittelbaren Umgebung<br />
zu tun. Er ist auf schöne Wege<br />
angewiesen. Wenn <strong>die</strong>se aus<br />
Teer o<strong>der</strong> Beton gemischt sind, ist<br />
Schluss und Amen. Dann ist man<br />
nicht mehr im Wan<strong>der</strong>land, son<strong>der</strong>n<br />
in <strong>der</strong> Banalität und kann<br />
ebenso so gut über <strong>die</strong> Autobahn<br />
ins Shoppyland reisen. Wan<strong>der</strong>n<br />
ist dann kein Vergnügen, son<strong>der</strong>n<br />
eine Strafe, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Knochen<br />
fährt, <strong>die</strong> Kehle austrocknet und<br />
schlechte Laune gibt. Und später<br />
Gelenkbeschwerden. Das ist sogar<br />
wissenschaftlich erhärtet.<br />
Schluss und Amen ist es immer<br />
häufiger. Das Toggenburg «vermittellandet»,<br />
schrieb Peter Weber<br />
1993 in seinem Roman «Der<br />
Wettermacher». Die Teerung <strong>der</strong><br />
Wege ist ein wichtiges Zeichen <strong>der</strong><br />
Vermittellandung nicht nur des<br />
Toggenburgs. Laut Statistik sind<br />
inzwischen ein Viertel <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>wege<br />
unter Hartbelag begraben.<br />
Das ist viel zu viel. Im Mittelland<br />
sind es noch mehr: ein Drittel<br />
im Aargau, 40 Prozent im Kanton<br />
Freiburg. Alp-, Forst- und Güterstrassen<br />
werden maschinengerecht<br />
ausgebaut, durch das Ausfransen<br />
<strong>der</strong> Dörfer und Städte<br />
werden Naturwege immer weiter<br />
in <strong>die</strong> Peripherie abgedrängt. Oft<br />
zeigen nur noch gelbe Rhomben<br />
an, dass eine bestimmte Strasse<br />
ein Wan<strong>der</strong>weg wäre, es fällt aber<br />
keinem Wan<strong>der</strong>er ein, ihn auch zu<br />
benützen.<br />
Sorry, aber das ist inakzeptabel.<br />
Die Autobahnfahrer werden auch<br />
nicht zwischendurch, wenn es<br />
grad nicht an<strong>der</strong>s <strong>geht</strong>, über einen<br />
Acker geleitet. Obschon das im<br />
Zeitalter <strong>der</strong> Offroa<strong>der</strong> möglich<br />
wäre. Sie erwarten eine vollständige,<br />
geeignete Infrastruktur. Darauf<br />
hat das tolerante Volk <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>er<br />
ebenfalls Anrecht. Es braucht<br />
auch ausserhalb <strong>der</strong> Hoch alpen,<br />
im Mittelland, im Toggenburg, im<br />
Emmental, im Jura, Routen, auf<br />
denen <strong>die</strong> Fussgängerinnen absoluten<br />
Vorrang haben und keinen<br />
Meter auf Teer gehen müssen.<br />
Das ist möglich, man muss es<br />
nur wollen: indem man in allen<br />
Landesteilen sogenannte «Erste-<br />
Klasse-Wege» schafft: Weitwan<strong>der</strong>routen,<br />
<strong>die</strong> vollständig und<br />
konsequent nach den Bedürfnissen<br />
<strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>nden gestaltet<br />
sind. Es <strong>geht</strong> nicht um neue Markierungen,<br />
es <strong>geht</strong> um <strong>die</strong> Qualität<br />
des Weges selber. Auf Abschnitten<br />
mit Hartbelag ist Rückbau<br />
o<strong>der</strong> allenfalls eine neue Streckenführung<br />
angesagt. An geeigneten<br />
Stellen werden Schatten<br />
spendende Alleen und Hecken gepflanzt.<br />
So <strong>die</strong>nt <strong>der</strong> Weg auch<br />
dem Artenreichtum und <strong>der</strong><br />
Landschaftspflege.<br />
WANDERN<br />
<strong>Schweiz</strong><br />
Keine leichte Sache, sicher. Politisch<br />
und finanziell bestimmt<br />
viel schwieriger zu realisieren als<br />
nur eine kleine Autobahn. Es<br />
braucht Elan und den Willen zur<br />
Zusammenarbeit über <strong>die</strong> Grenzen<br />
von Gemeinden und Kantonen<br />
hinweg. Doch hilft vielleicht<br />
<strong>der</strong> Hinweis, dass solche neue Wege<br />
auch <strong>der</strong> Wirtschaft <strong>die</strong>nen<br />
würden, beson<strong>der</strong>s den Wirtschaften.<br />
Einen guten Tropfen<br />
können Wan<strong>der</strong>nde immer vertragen.<br />
Wan<strong>der</strong>wege <strong>der</strong> Spitzenklasse<br />
könnten voralpinen Regionen,<br />
in denen <strong>der</strong> Skitourismus<br />
ausstirbt, Impulse geben und ein<br />
neues Image. Es braucht dazu jedoch<br />
mehr als ein geschicktes<br />
Marketing. Es braucht zuerst <strong>die</strong><br />
ehrliche Arbeit in Feld, Wald und<br />
Wiesen. Dann dürfen <strong>die</strong> Marketingleute<br />
in Aktion treten. Sie werden<br />
Furore machen. Erste-Klasse-<br />
Wege: Der <strong>VCS</strong> schlägt sie vor und<br />
ist bereit, sich für sie zu engagieren.<br />
Peter Krebs<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 37<br />
© Peter Krebs
BASEL – MOSKAU<br />
Einfach mal Moskau<br />
38 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008
etour lösen Im<br />
ZUGREISE<br />
Basel–Moskau<br />
Osteuropa lässt sich auf einer Strecke<br />
von 3028 Kilometern in 39 Zugstunden<br />
«erfahren». Seit einigen Monaten<br />
verbindet täglich ein direkter Wagen<br />
Basel mit Moskau.<br />
Wars. Ein Name, <strong>der</strong> an Katastrophenjahre und<br />
zerstückelte Län<strong>der</strong> denken lässt. Aber täglich<br />
um 17 Uhr 55, wenn <strong>der</strong> Zug im Warschauer Zentralbahnhof<br />
(Warszawa Centralna) abfährt, bedeutet das<br />
in erster Linie eine ausgezeichnete Mahlzeit zu einem<br />
bescheidenen Preis. Die Gesellschaft Wars betreibt <strong>die</strong><br />
polnischen Speisewagen und bietet typische Gerichte<br />
aus Zentraleuropa an. Die Fahrgäste geniessen zu ihrem<br />
Essen ein schäumendes Bier o<strong>der</strong> einen <strong>Wo</strong>dka,<br />
sie schauen durchs Fenster <strong>der</strong> Abendsonne über dem<br />
flachen Land zu. Sie haben einige Stunden Zeit zum<br />
Nachdenken über das Auf und Ab Osteuropas. Dies<br />
alles kostet etwa zehn Euro.<br />
Ein Mix von Wagen und Kulturen<br />
Der direkte Wagen Basel – Moskau fährt täglich ab <strong>der</strong><br />
Rheinstadt. Auf <strong>der</strong> 39-stündigen Fahrt durchquert er<br />
Deutschland, Polen, Weissrussland und einen Teil<br />
Russlands. Die Komposition besteht bei <strong>der</strong> Abfahrt<br />
aus weiteren Wagen mit den Zielorten Kopenhagen,<br />
Prag und Warschau. Bis <strong>der</strong> Zug in Moskau ankommt,<br />
wird er mehrmals umgestellt. Am Ende umfasst er<br />
auch Wagen aus Amsterdam und München. Auf einem<br />
Teil <strong>der</strong> Strecke ergänzen russische und polnische<br />
Speisewagen das Angebot. So kommt zur Mischung<br />
<strong>der</strong> Reisenden jene <strong>der</strong> Kochkünste hinzu.<br />
In Basel beziehen <strong>die</strong> Reisenden ihr Abteil mit den<br />
Sitzplätzen, <strong>die</strong> sich in schmale Betten umbauen lassen.<br />
Es bietet Platz für drei Personen samt Gepäck und<br />
samt den Träumen. Am Ende des Zuges sind <strong>die</strong> Provodniki<br />
zu finden, <strong>die</strong> beiden Stewards, <strong>die</strong> in Basel<br />
<strong>die</strong> Fahrkarten entgegennehmen und während <strong>der</strong><br />
Reise heissen Tee für 8 Rubel (etwa 40 Rappen) verkaufen.<br />
Sie kümmern sich auch um den Unterhalt des<br />
Wagens, reinigen Boden und Toiletten.<br />
Die Speisewagen bieten reichlich Platz und Nahrung.<br />
Der russische Wagen wartet mit einem sehr<br />
praktischen Zubehör auf: dem Samowar. Der grosse<br />
Teekessel befindet sich im Abteil des Provodnik und<br />
ist stets mit heissem Wasser gefüllt. Wer eine Ther-<br />
Sommer ist das Leben auf dem Roten Platz in<br />
Moskau entspannt. Im Hintergrund <strong>die</strong> Basiliuskathedrale.<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 39<br />
© Keystone/laif/Heuer/laif
moskanne mitnimmt und Fertiggerichte,<br />
kann an seinem Platz ein Essen geniessen<br />
und beobachten, wie draussen in den Wäl<strong>der</strong>n<br />
Birken <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en euro päischen<br />
Baumarten ablösen.<br />
Leben an Bord<br />
In <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> sind <strong>die</strong> wichtigsten Bahnhöfe<br />
eine halbe Stunde voneinan<strong>der</strong> entfernt.<br />
In Deutschland beträgt <strong>der</strong> Abstand<br />
schon eine Stunde. In Russland kommt es<br />
häufig vor, dass <strong>der</strong> Zug während vier<br />
Stunden haltlos unterwegs ist. Die Reisenden<br />
haben Zeit, ihre bewegte kleine Welt<br />
zu beobachten. Gespräche lassen sich<br />
leicht aufgleisen. Für den Bahnliebhaber<br />
Oliver ist <strong>der</strong> Zug Basel – Moskau einer<br />
<strong>der</strong> wenigen echten Reisezüge. Wir unterhalten<br />
uns ausführlich über unsere Freizeitgesellschaft,<br />
dann steigt er in Siedlce<br />
aus. Seine Reise dauerte nur knapp 20<br />
Stunden, ein Klacks für jemanden, <strong>der</strong><br />
sich anschickt, auf Schienen nach China<br />
zu fahren. Ein Viertel <strong>der</strong> Reisenden sind<br />
Westeuropäer auf <strong>der</strong> Suche nach neuen<br />
Horizonten. Drei Viertel stammen aus<br />
Russland und Weissrussland. Sie nehmen<br />
<strong>die</strong> Bahn aus Bequemlichkeit o<strong>der</strong> Flugangst.<br />
Deutsch mehr als Englisch ist <strong>die</strong><br />
Sprache, in <strong>der</strong> man sich unterhält.<br />
Die deutschen Wagen sind auf maxi-<br />
Gut zu wissen<br />
Fahrplan: Seit Ende 2007 verbindet täglich<br />
ein direkter Zug <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> mit Russland:<br />
www.nachtzugreise.de<br />
Preise: Ein Retourbillet kostet ungefähr 650<br />
Franken. Informationen und Fahrkarten am<br />
Bahnhof o<strong>der</strong> im Reisebüro des Bahnhofs.<br />
Unterkunft: Die Preise für ein Einzelzimmer<br />
in Moskau betragen zwischen 65 und 760<br />
Franken pro Nacht. Weitere Informationen<br />
im Reisebüro o<strong>der</strong> auf<br />
www.hrs.de, www.russianconcept.com.<br />
Visa: Das Visaverfahren für Russland und<br />
Weissrussland ist ziemlich lang und kompliziert.<br />
Infos auf Konsulaten und Botschaften<br />
<strong>der</strong> beiden Staaten (obligatorisches Transitvisum)<br />
o<strong>der</strong> auf den folgenden Internetseiten:<br />
www.consulrussia.ch, www.russianconcept.com,<br />
www.waytorussia.net.<br />
Weitere Informationen: www.verkehrsclub.ch/magazin<br />
© Olivier Norer<br />
Ein Zug mit Zukunft: Täglich verlässt ein direkter Wagen nach Moskau den Bahnhof Basel SBB.<br />
Nach 39 Stunden ist er am Ziel.<br />
malen Service ausgerichtet. <strong>die</strong> Gänge<br />
sind so breit, dass daraus ein Salon wird.<br />
Die polnischen Wagen hingegen sind auf<br />
ihre Funktion als Schlafraum beschränkt.<br />
Viel freundlicher wirkt das russische Rollmaterial:<br />
ein o<strong>der</strong> zwei Teppiche geben<br />
den Gängen einen familiären Anstrich.<br />
Meistens stehen <strong>die</strong> Abteiltüren offen,<br />
bald unterhalten sich alle miteinan<strong>der</strong>. Die<br />
komplizierten Zollformalitäten zwischen<br />
Weissrussland und den EU-Län<strong>der</strong>n geben<br />
ein ausgezeichnetes Gesprächsthema<br />
ab – ein fast unvermeidliches für alle, <strong>die</strong><br />
dem Übermass an Formalitäten ausgesetzt<br />
waren. Während <strong>die</strong>ses Verfahren in gebühren<strong>der</strong><br />
Strenge abgewickelt wird, verbreitet<br />
das Kommen und Gehen <strong>der</strong> Babuschkas,<br />
<strong>die</strong> in den Gängen lautstark<br />
gesalzene Gurken, süsses Gebäck, Käse,<br />
Mineralwasser, Bier o<strong>der</strong> <strong>Wo</strong>dka anpreisen,<br />
einen Hauch von Anarchie.<br />
Zeit und Raum beim Reisen<br />
Reist man per Zug, begreift man das Land<br />
und <strong>die</strong> Landkarte. Die Städte sind nur im<br />
Zusammenhang ihres Umlands real. Im<br />
Zug und nicht im Flug erschliesst sich den<br />
Reisenden <strong>der</strong> Sinn <strong>der</strong> Städte. Die Bahn<br />
scheint auch den Angestellten Freude zu<br />
bereiten. Selten findet sich ein Beruf, dessen<br />
Arbeitsmittel so viele Berufsleute fast<br />
kulthaft verehren. Wie Nikolai zum Beispiel,<br />
unser russischer Provodnik. Er freut<br />
sich über <strong>die</strong> neue Verbindung, weil sie<br />
ihn weiter nach Süden bringt, «wo es wärmer<br />
ist». Als Kenner mit über zwanzig<br />
Berufsjahren ist er überzeugt, dass <strong>die</strong><br />
Verbindung von Basel nach Moskau sehr<br />
erfolgreich sein wird, sobald sich ihre<br />
Exis tenz herumgesprochen hat.<br />
In unserer Welt <strong>geht</strong> alles schnell. Eine<br />
E-Mail kann innerhalb von Sekunden<br />
vom einen Ende <strong>der</strong> Welt zum an<strong>der</strong>en geschickt<br />
werden. Dabei hat sich nichts<br />
grundlegend verän<strong>der</strong>t. Die Natur bewegt<br />
sich in ihren eigenen Rhythmen. Das<br />
Er fahren <strong>der</strong> Welt durch das Zugfenster<br />
sensibilisiert für <strong>die</strong> Abläufe <strong>der</strong> Natur,<br />
während das unaufhörliche Rattern und<br />
Schaukeln einen Schlaf voller Träume begünstigt.<br />
Auch sonst ist es leicht, <strong>die</strong> Fantasie<br />
schweifen zu lassen – grosszügig ist<br />
<strong>der</strong> Raum für Kreativität, den <strong>die</strong> Zeit einem<br />
lässt.<br />
Begegnungen entstehen und vergehen<br />
je nach Haltestellen. Einige dauern für <strong>die</strong><br />
Zeit <strong>der</strong> Reise, an<strong>der</strong>e finden später nach<br />
ein paar E-Mails, Briefen ein Ende. Die<br />
ZUGREISE<br />
Basel–Moskau<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 41
Fotos: Olivier Norer<br />
schönsten bilden den Beginn von Freundschaften<br />
o<strong>der</strong> Liebesgeschichten.<br />
Manchmal hält <strong>der</strong> Zug länger. Das gibt<br />
Zeit für einen Ausflug zum Bahnhofgebäude,<br />
um Reiseproviant zu erstehen.<br />
In Warschau ist <strong>der</strong> Ostbahnhof beson<strong>der</strong>s<br />
sehenswert. Aus <strong>der</strong> Reiserichtung<br />
<strong>Schweiz</strong> – Russland gesehen, hinterlässt er<br />
einen düsteren Eindruck und erinnert an<br />
einen Bunker. In umgekehrter Richtung<br />
erscheint er wie ein Obdach, für den Fall,<br />
dass sich ein Gewitter über den weiten Ebenen<br />
zusammenbraut. Der Bahnhof von<br />
Brest in Weissrussland ist ein Monument.<br />
1886 kurz nach Fertigstellung <strong>der</strong> Bahnlinie<br />
Warschau – Moskau erbaut, wurde das<br />
Gebäude in den zwei Weltkriegen und in<br />
mehreren Lokalkonflikten beschädigt.<br />
1956 erfolgte <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau zum stolzen<br />
«Tor <strong>der</strong> UdSSR zum Westen».<br />
D ie schönsten Bahnreisen in Europa und an<strong>der</strong>swo<br />
Vor dem Jet-Zeitalter bewegten sich <strong>die</strong> besseren<br />
Gesellschaftsschichten in Luxuszügen<br />
durch Europa und <strong>die</strong> halbe Welt. Dann mutierte<br />
<strong>die</strong> Haute Volée zum Jetset, und inzwischen<br />
ist auch das Flugzeug ein Massenverkehrsmittel.<br />
Übriggebleiben aus <strong>die</strong>ser Epoche<br />
sind aber immerhin ein paar Luxuszüge<br />
und lange Bahnreisen mit Erlebnischarakter.<br />
Der Transsibirien-Express gehört dazu. Es<br />
gibt aber auch zahlreiche an<strong>der</strong>e bemerkenswerte<br />
Strecken und Züge. In Europa und<br />
© Peter Krebs<br />
Unterwegs durch <strong>die</strong> Weiten Russlands (oben<br />
rechts) und am Ziel in Moskau mit dem Kreml<br />
(oben) und den ebenso unvermeidlichen wie<br />
farbenfrohen Matrjoschkas (rechts).<br />
Ausdruck des Überlebenswillens<br />
Das Fenster ist <strong>der</strong> Bildschirm. Es zeigt<br />
eine immer flachere und weitere Landschaft,<br />
umso spärlicher besiedelt, je weiter<br />
man vorankommt, als ob <strong>die</strong> Menschen<br />
<strong>die</strong> hügeligen Orte bevorzugten. Die Weite<br />
erscheint wie eine Herausfor<strong>der</strong>ung,<br />
den Raum zu bezähmen. Nach Stunden<br />
<strong>der</strong> Fahrt erstaunt es keinen, wenn er in einer<br />
Stadt ankommt, wo sich <strong>die</strong> menschliche<br />
Kraft im Bau imposanter Gebäude<br />
ausdrückt. Sie grenzen das Territorium ab.<br />
Stalinistische Ungetüme, wie <strong>die</strong> Lomonossov-Universität<br />
in Moskau, erscheinen<br />
so mehr als Ausdruck des Überlebenswil-<br />
an<strong>der</strong>swo. So rollt «The Royal Scotsman» durch<br />
<strong>die</strong> schottischen Highlands, <strong>der</strong> «Transcantabrico»<br />
entlang <strong>der</strong> spanischen Nordküste und <strong>die</strong><br />
«Inlandsbanan» durchquert <strong>die</strong> schwedische<br />
Wildnis. Auf allen an<strong>der</strong>en Kontinenten gibt es<br />
ebenfalls aussergewöhnliche Bahnerlebnisse,<br />
sei es in Luxuszügen fürs entsprechende Budget,<br />
sei es aber auch als einfaches Abenteuer mit umso<br />
mehr Kontakt zu den Einheimischen, für <strong>die</strong><br />
<strong>der</strong> Zug oft das günstigste <strong>Verkehrs</strong>mittel ist. Sogar<br />
in Europa existieren Reste aus einer an<strong>der</strong>en<br />
<strong>Verkehrs</strong>zeit. Zum Beispiel in den rumänischen<br />
Karpaten, im Wassertal, wo ein <strong>Schweiz</strong>er Verein<br />
<strong>der</strong> letzten «Waldbahn» eine Zukunft sichern<br />
will, <strong>die</strong> noch mit Dampf fährt (Bild). Waldbahnen,<br />
<strong>die</strong> vornehmlich dem Holztransport <strong>die</strong>nten,<br />
waren einst in ganz Mittel- und Osteuropa<br />
verbreitet. Daneben tuckern <strong>die</strong> Nostalgiebahnen<br />
über mehr o<strong>der</strong> weniger lange Gleisabschnitte,<br />
meist während <strong>der</strong> Sommersaison und<br />
oft durch wun<strong>der</strong>schöne Landschaften wie zum<br />
Beispiel über <strong>die</strong> Furka. Mit ihrem historischem<br />
Rollmaterial und gezogen von pfeifenden, prustenden<br />
und rauchenden Dampfloks lassen sie<br />
<strong>die</strong> Herzen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Bahnliebhaber<br />
höher schlagen.<br />
Infos: Einen reichhaltigen Querschnitt mit 80<br />
Angeboten in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> und <strong>der</strong> ganzen Welt<br />
finden Interessierte im Spezialkatalog «Erlebniszüge»<br />
des Bahnreiseanbieters Railtour. Die<br />
Railtour-Angebote sind auch über via verde reisen<br />
buchbar (Tel. 0848 823 823 o<strong>der</strong> www.viaverde-reisen.ch).<br />
Begleitete Bahnreisen weltweit<br />
finden sich im Programm von Globotrain<br />
www.globotrain.ch. Für <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> hat Rail -<br />
away Erlebnisfahrten für Gruppen o<strong>der</strong> Einzelreisende<br />
im Programm (am Bahnhof und unter<br />
www.railaway.ch). Infos zur Wassertalbahn findet<br />
man unter www.wassertalbahn.ch. Der Verband<br />
öffentlicher Verkehr VöV publiziert einen<br />
Prospekt mit den Dampffahrten auf <strong>Schweiz</strong>er<br />
Schienen und Gewässern (gratis bestellbar auf<br />
<strong>der</strong> Homepage www.voev.ch). (pk)<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 43<br />
© Manuela Boss<br />
lens denn als Grössenwahnsinn. Wenn <strong>die</strong><br />
Reisenden am späten Vormittag um 10<br />
Uhr 59 in Moskau ankommen, haben Sie<br />
mehr erfahren, als bloss eine Ortsverschiebung<br />
durch mehrere Zeitzonen nach<br />
Osten. Der Zug öffnet Horizonte und einen<br />
neuen Blick auf Landschaften und<br />
Mentalitäten. Basel-Moskau: Es sind zwei<br />
Reisen in einer. Olivier Norer
© swiss-image / Christian Perret
Buchs ist ein geschäftiges Grenz städtchen<br />
mit schmalen Strassen und dichtem<br />
Verkehr. Schon beim Bahnhof erblicken<br />
wir den ersten Wegweiser zu unserer<br />
«Route 95». Vom Fluss Thur ist aber noch<br />
weit und breit nichts zu sehen, dafür liegt<br />
nah <strong>der</strong> Rhein, dem wir jetzt den<br />
Rücken zuwenden. Gleich nach<br />
Werdenberg <strong>geht</strong> es links ab auf<br />
eine Nebenstrasse, und <strong>die</strong> Steigung<br />
beginnt. Sie ist nie streng,<br />
son<strong>der</strong>n stets freundlich. Liegt es am<br />
Föhn, dass wir leicht wie Schmetterlinge<br />
den Berg hinaufflattern? Die Hügel ringsum<br />
sind ganz plastisch, man möchte sie<br />
mit <strong>der</strong> Hand umfassen. Die Landschaft<br />
hat etwas Erleuchtetes. Da passt ein Besuch<br />
im Geburtshaus von Huldrych<br />
Zwingli in Wildhaus. Das Gebäude wurde<br />
ums Jahr 1450 gebaut. Mit Holz, und zwar<br />
mit Mondholz, wie Herr Frey, <strong>der</strong> Museumsführer,<br />
präzisiert. Die Tannen wurden<br />
im Mondzyklus genau zu dem Zeitpunkt<br />
gefällt, an dem <strong>der</strong> Baum im Wachstum<br />
innehält. Solche Balken überdauern Jahrhun<strong>der</strong>te.<br />
Eigenartig: Auch <strong>die</strong> Häuser<br />
von Niklaus von Flüe in Flüeli in Obwalden<br />
und von Matthäus Schiner in Mühlebach<br />
im Goms wurden um <strong>die</strong>se Zeit gebaut,<br />
und auch sie stehen noch, gehören<br />
zu den ältesten Holzhäusern des Landes.<br />
Bald folgt unsere Route <strong>der</strong> Thur, es ist<br />
also jetzt eine Thur-Tour, es ist <strong>die</strong> Velothur<br />
und das klingt vielversprechend, weil<br />
Flüsse bekanntlich abwärts fliessen. Da<br />
aber im Toggenburg zum Teil Schwerelosigkeit<br />
zu herrschen scheint, ist hier alles<br />
ein wenig an<strong>der</strong>s. Schon kurz nach Ness-<br />
Die Thur-Route: Zuerst for<strong>der</strong>n einen <strong>der</strong> Grabserberg und <strong>die</strong><br />
verspielte Landschaft des Toggenburgs, dann wirds flach. Am<br />
Ende rufen <strong>die</strong> Weiten Mostin<strong>die</strong>ns.<br />
Flussabwärts entlang <strong>der</strong> Velothur<br />
Für eine Pause während <strong>der</strong> Veloreise<br />
o<strong>der</strong> auch für den Sommerabend finden<br />
sich am Thurufer (hier bei Frauenfeld)<br />
schöne Plätze.<br />
lau kämpfen wir uns <strong>die</strong> ersten Gegensteigungen<br />
hoch, und solche werden wir bis<br />
Wil immer wie<strong>der</strong> antreffen. An den Hügeln<br />
stehen lustige Bauernhäuser. Es ist<br />
fast wie im Suisse Miniature in Melide,<br />
doch hier sind <strong>die</strong> bewohnten Häuser so<br />
Die grosse Kellnerin hat natürlich<br />
Übung im Kopfeinziehen.<br />
© ST/swiss-image<br />
klein. Wir gehen in so ein kleines Haus, es<br />
ist eine Kneipe. Beim Eintreten muss man<br />
den Kopf einziehen. Dort serviert eine<br />
grosse Kellnerin, <strong>die</strong> natürlich schon<br />
Übung hat im Kopfeinziehen, wenn sie<br />
durch <strong>die</strong> Türe zwischen Küche und Gaststube<br />
<strong>geht</strong>. Alle Einheimischen bewegen<br />
sich so geschickt, weil sie sich <strong>die</strong> nie<strong>der</strong>en<br />
Balken gewohnt sind. Radfahrende Gäste<br />
behalten am Anfang den Helm gescheiter<br />
auf dem Kopf.<br />
Vor Wattwil steht am linken Strassenrand<br />
ein Wegweiser: Ge burts haus Ulrich<br />
Bräker. Der arme Mann im Toggenburg,<br />
geb. 22.12.1735, gest. 11.9.1798. Schon<br />
lange hat ein Li teratur beflissener in <strong>der</strong><br />
Gruppe geschwärmt vom Schriftsteller<br />
Bräker, <strong>der</strong> sich trotz geringer Schulbildung<br />
weiterbildete, in <strong>die</strong> weite Welt zog,<br />
dort Abenteuer bestand, Söldner und Textilhändler<br />
wurde. Dann begann er zu<br />
schrei ben und wurde mit seinem Buch<br />
Sehenswert<br />
«Der Arme Mann im Tockenburg» über<br />
Nacht zum zweitberühmtesten Tockenburger<br />
nach Zwingli. Es war im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
sehr selten, dass ein einfacher<br />
Mann in klarer, unverblümter und witziger<br />
Sprache etwa <strong>die</strong> elenden Lebensbedingungen<br />
<strong>der</strong> Landbevölkerung beschrieb,<br />
<strong>die</strong> er am eigenen Leib erfahren<br />
hatte. Bräker kannte als Söldner auch das<br />
Kriegshandwerk und wurde zum Pazifisten,<br />
wie man heute sagen würde. Und hier,<br />
am Näbis, steht sein Haus. Es ist das zweitoberste<br />
in <strong>der</strong> Häusergruppe am steilen<br />
Hang. Es ist unbewohnt, Scheiben sind<br />
eingeschlagen, es <strong>die</strong>nt als Remise und<br />
Stall.<br />
Wattwil lassen wir hinter uns und suchen<br />
<strong>die</strong> Fortsetzung. Schon schlagen wir<br />
uns herum mit <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Geografie<br />
des Toggenburgs, mit den Gegensteigungen,<br />
welche aber <strong>die</strong> Attraktivität <strong>der</strong> Reise<br />
nur steigern. Etwas erhöht liegt Lichtensteig<br />
mit vier Museen. Bevor wir uns<br />
für eines entscheiden können, nähert sich<br />
ein Schwarm einheimischer Gümeler<br />
(Rennvelofahrer), mit denen wir ins Gespräch<br />
kommen, auch wenn wir zuerst mit<br />
ihrem Dialekt etwas Mühe bekunden. Sie<br />
bieten aber guten Windschatten. Weil sie<br />
sich auskennen, klären sie uns über <strong>die</strong><br />
nächsten «Stiche» auf. «Stich» heisst hier<br />
«Steigung». Die Reise <strong>geht</strong> ziemlich rassig<br />
In Wildhaus findet sich das Geburtshaus Huldrych Zwinglis, offen Di–So<br />
14–16 Uhr. Vor Wattwil links an <strong>der</strong> Route (Wegweiser) das Geburtshaus<br />
Ulrich Bräkers; es kann nur von aussen angeschaut werden. In Wil <strong>die</strong><br />
Altstadt und <strong>die</strong> Obere Bahnhofstrasse, in Bischofszell das Rathaus und<br />
<strong>die</strong> Steinbrücke, in Weinfelden das Gasthaus zum Trauben, bei Warth<br />
<strong>die</strong> Kartause Ittingen (Bild).<br />
VELO<br />
Ostschweiz<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 45
in das Städtchen Wil. Man staunt, wie<br />
grossstädtisch <strong>der</strong> Bahnhofplatz ist. Wir<br />
schwatzen übers Radeln, schieben <strong>die</strong> Velos<br />
über <strong>die</strong> Obere Bahnhofstrasse, eine<br />
verkehrsfreie, mo<strong>der</strong>n gestaltete Flaniermeile,<br />
<strong>die</strong> leicht ansteigt und elegant hinaufführt<br />
in <strong>die</strong> Altstadt. In <strong>der</strong> Kneipe,<br />
wo wir gemeinsam ein Bier trinken, liegt<br />
<strong>die</strong> Broschüre «Velo-Erlebnis Thurgau».<br />
Das Vorwort hat Jan Ullrich geschrieben,<br />
<strong>der</strong> sich, wie er schreibt, im Thurgau «äusserst<br />
wohl» fühlt. Und gleich bricht <strong>die</strong><br />
Diskussion los, ob wir <strong>die</strong> Seite mit dem<br />
Vorwort des gefallenen Engels herausreissen<br />
sollen. Wir kommen zu keinem Ergebnis,<br />
<strong>die</strong> Seite bleibt drin. Mehr beschäftigt<br />
uns <strong>die</strong> Frage, ob Jan Ullrich<br />
überhaupt noch Lust hat, auf ein Velo zu<br />
steigen, o<strong>der</strong> ob er jetzt faul und fett wird.<br />
Das wäre schade.<br />
Im Zentrum von Wil muss man <strong>die</strong><br />
Churfirstenstrasse erwischen, dann kommt<br />
man wie<strong>der</strong> hinunter an <strong>die</strong> Thur, aber<br />
auch an <strong>die</strong> fauchende Autobahn. Man radelt<br />
auf einer guten Naturstrasse, bringt es<br />
bald hinter sich, bekommt als Belohnung<br />
das Städtchen Bischofszell mit <strong>der</strong> schönsten<br />
Brücke <strong>der</strong> ganzen Reise serviert. Sie<br />
wurde 1487 gebaut, ist sehr mächtig und<br />
oben ganz schmal. An einem Platz im<br />
Städtchen ist <strong>die</strong> Döner-Stube. Döner-Stuben<br />
sind am Mittag ein guter Ersatz für<br />
Restaurants, wo man bloss lange sitzt,<br />
schläfrig wird und viel Geld ausgibt. Etwas<br />
essen muss man aber. Also Döner, natürlich<br />
mit allem, also auch Zwiebel, und<br />
schön scharf. Mundgeruch auf dem Velo<br />
ist nicht so schlimm, er wird vom Winde<br />
verweht, und <strong>der</strong> Duft des Orients bleibt<br />
im Trikot hängen. Wir bestellen Ayran<br />
zum Döner. Der türkische Wirt ist verwirrt:<br />
«Warum Sie kennen Ayran? Trinken<br />
nur türkisch Leut.»<br />
In Bischofszell haben sie auch ein sensationelles<br />
Rathaus aus dem Jahr 1747,<br />
ganz rosarot. Ein redseliger Passant<br />
schlüpft in <strong>die</strong> Rolle des Fremdenführers,<br />
gibt <strong>die</strong> Kurzfassung ungefragt: In Bischofszell<br />
sei stets <strong>der</strong> St.Galler Bischof auf<br />
dem Weg nach Einsiedeln in seiner Zelle<br />
abgestiegen, von daher habe <strong>der</strong> Ort ja seinen<br />
Namen, doch dadurch sei <strong>der</strong> Klerus<br />
immer mächtiger geworden, und alle<br />
schönen Bauten hätten <strong>der</strong> Kirche gehört.<br />
Da hätten <strong>die</strong> reichen Bürger beschlossen,<br />
es den Pfaffen heimzuzahlen. Aus Italien<br />
hätten sie einen Stararchitekten kommen<br />
lassen, und <strong>der</strong> habe ein erstklassiges Rathaus<br />
hingestellt, wie ein rosarotes Bonbon.<br />
Jetzt beginnt <strong>die</strong> schönste Land partie,<br />
<strong>die</strong> man sich denken kann. Die Topografie<br />
ist so flach und <strong>der</strong> Belag so gut, dass<br />
wir uns <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Landschaft<br />
hingeben, <strong>die</strong> Weiten Mostin<strong>die</strong>ns in uns<br />
hineinfliessen lassen. Die einheimischen<br />
Gümeler haben gesagt, «Mostin<strong>die</strong>n» sei<br />
kein Schimpfwort. Also dürfen wir es<br />
brauchen. Die Weiten Mostin<strong>die</strong>ns also.<br />
Wir fahren hinein in <strong>die</strong> milde Nachmittagssonne.<br />
Es ist so warm, dass wir eine<br />
Schicht ausziehen. In den Obstgärten werden<br />
bald <strong>die</strong> Apfelbäume blühen. Doch<br />
was heisst da Obstgärten? Das ganze Land<br />
ist eine einzige, riesige Apfelplantage. Apfelbäume<br />
stehen, wo man hinblickt.<br />
Wir verlassen <strong>die</strong> Hauptroute in Frauenfeld<br />
und machen einen Abstecher zur<br />
Kartause Ittingen. Es ist ein kleiner Stich<br />
zu überwinden, denn <strong>die</strong> riesige Anlage,<br />
ein Gutsbetrieb mit allem Drum und<br />
Dran, steht auf einer Anhöhe. An einem<br />
gewöhnlichen Werktag spürt man den<br />
Charakter des Ortes am besten. Hier ist es<br />
spirituell und handfest zugleich. Man hatte<br />
zu beten und Gott zu <strong>die</strong>nen, und man<br />
liess es sich dabei wohl sein. Die Kartäuser,<br />
<strong>die</strong> das Kloster im 15. Jahrhun<strong>der</strong>t übernahmen,<br />
waren ziemlich exklusive Herrschaften.<br />
Je<strong>der</strong> Mönch hatte für sich ein eigenes<br />
Häuschen mit einem kleinen Gärtchen.<br />
Die Klosterbrü<strong>der</strong> machten sich<br />
aber unbeliebt, indem sie <strong>die</strong> Bevölkerung<br />
aus ihren Gottes<strong>die</strong>nsten ausschlossen. Da<br />
geschah 1471 etwas Unerhörtes: Die Frauen<br />
aus <strong>der</strong> Gegend drangen in <strong>die</strong> Klosterkirche<br />
ein und ertrotzten mit einem Sitz-<br />
Nützliche Informationen<br />
Schaffhausen<br />
Andelfingen<br />
Frauenfeld<br />
Wil<br />
Wattwil<br />
Nesslau<br />
Weinfelden<br />
Bischofszell<br />
St. Gallen<br />
Wildhaus<br />
Buchs SG<br />
Die «Route 95» durchquert in <strong>der</strong> ersten Hälfte<br />
das Toggenburg.<br />
streik eine eigene Kirche in Warth. Heutzutage<br />
koordiniert eine Stiftung viele<br />
Aktivitäten. Hier sind neben dem Gutsbetrieb<br />
ein Heim mit Werkstätten, ein<br />
Schulungs-, Tagungs- und Kulturzentrum<br />
sowie ein Gastwirtschaftsbetrieb vorhanden.<br />
Heute hat das Heim gerade Besuchstag,<br />
und es ist ein ziemlicher Rummel. Ein<br />
Jodelklub jodelt, im Garten trinken <strong>die</strong><br />
Gäste das klostereigene Bier. Das gibt<br />
Kraft für <strong>die</strong> letzten Kilometer. Die Sonne<br />
steht tief. Wir rollen über <strong>die</strong> Fel<strong>der</strong> zum<br />
glühenden Horizont. Bei Sonnenuntergang<br />
erreichen wir Andelfinden. Noch ein<br />
Stück weiter, und wir wären wie<strong>der</strong> am<br />
Rhein, von dem aus wir aufgebrochen<br />
sind. Dres Balmer<br />
Auf einen Blick: Die beschriebene Velotour ist durchgehend signalisiert<br />
mit Wegweisern <strong>der</strong> Regionalroute 95, <strong>der</strong> Thur-Route. Diese<br />
führt von Buchs (447 m.ü.M.) über Wildhaus (1098), Nesslau, Wattwil,<br />
Wil, Bischofszell, Weinfelden und Frauenfeld nach Andelfingen<br />
(402). Distanz: 137 km, davon 10 km Naturbelag, 1200 Höhenmeter.<br />
Öffentlicher Verkehr: Ausser Buchs-Nesslau, wo Postautos verkehren,<br />
ist <strong>die</strong> ganze Strecke durch <strong>die</strong> Eisenbahn erschlossen. Wer den<br />
Aufstieg von Buchs nach Wildhaus mit dem Postauto bewältigen will,<br />
reserviert den Platz fürs Velo bei Tel. 071 375 68 91.<br />
Reisezeit: Mai bis Oktober<br />
Dokumentation: Veloland <strong>Schweiz</strong>, Highlights. Offizieller Routenführer.<br />
Weitere Auskünfte bei www.toggenburg.org, www.wil.ch, www.thurgau-tourismus.ch,<br />
www.weinfelden.ch, www.kartause.ch.<br />
VELO<br />
Ostschweiz<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 47<br />
© Daniel Ammann
© Walter Imhof<br />
Idyll auf <strong>der</strong> Aare.<br />
Das Faltboot erlaubt ein<br />
zügiges Vorankommen.<br />
Ab Bern fliesst <strong>die</strong> Aare wie<strong>der</strong><br />
in ihrem ursprünglichen Bett<br />
und mäandriert aufs Schönste um<br />
<strong>die</strong> Hauptstadt herum. In zügiger<br />
Strömung umpaddelt man <strong>die</strong><br />
Altstadt, in gemächlichem Tempo<br />
<strong>geht</strong>s am Lorrainebad vorbei zum<br />
Felsenau-Wehr, das rechter Hand<br />
umgangen – in <strong>der</strong> Kanutensprache<br />
«umtragen» – wird. Es folgt<br />
ununterbrochener Genuss. Im<br />
Rhythmus <strong>der</strong> Paddelschläge gleitet<br />
man in eine an<strong>der</strong>e Welt, hier<br />
eine flache Kiesbank, dort steile<br />
Sandstein-Prallwände, von <strong>der</strong><br />
Überall in <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> finden sich Flüsse und Seen, <strong>die</strong> zum Paddeln<br />
einladen, zum Beispiel auf <strong>der</strong> 26 km langen Route, <strong>die</strong> in Sichtweite<br />
des Bundeshauses beginnt.<br />
Aare in jahrtausendelanger Arbeit<br />
freigelegt und mit eleganten runden<br />
Dellen verziert. Zudem sortiert<br />
sie unermüdlich Feinsand,<br />
schichtet Treibholz auf, parkiert<br />
schön gebän<strong>der</strong>te Kalksteine o<strong>der</strong><br />
harten Granit aus dem Berner<br />
Oberland.<br />
Die Kanufahrt führt mitten in<br />
<strong>die</strong> aktuelle Sammlung vieler kleiner<br />
Kunstwerke – aktuell bis zum<br />
nächsten Hochwasser. Bei <strong>der</strong><br />
Brücke von <strong>Wo</strong>rblaufen zeigt sich<br />
<strong>der</strong> Fluss, hohe Wellen schlagend,<br />
nochmals von seiner wilden Seite.<br />
Entfaltbare Freiheit auf <strong>der</strong> Aare und an<strong>der</strong>swo<br />
Mit dem Boot ins Postauto<br />
Tourenhinweise: Einbooten zur 1., schwierigen Etappe unterhalb des Restaurants<br />
Schwellenmätteli (5 Fussminuten ab Tramhaltestelle «Helvetiaplatz»), zur<br />
2., auch für Anfänger geeigneten Etappe unterhalb <strong>der</strong> Holzbrücke Neubrück (5<br />
Min. ab Bushaltestelle Bremgarten BE).<br />
Ausstiegsmöglichkeiten: auf <strong>der</strong> linken<br />
Seite <strong>der</strong> Brücke bei Hinterkappelen (3<br />
Fussminuten zur Postautohaltestelle Eymatt<br />
b. Bern), auf <strong>der</strong> linken Seite vor <strong>der</strong><br />
Staumauer (20 Min. zur Postautohaltestelle<br />
Fuchsenried Mühlebergwerk).<br />
Sicherheit: Weil immer auch mit einem unfreiwilligen, je nachdem sehr kalten<br />
Bad zu rechnen ist, trägt, wer auf Seen und Fliessgewässern paddelt, eine<br />
Schwimmweste. Kanuklubs o<strong>der</strong> professionelle Anbieter erleichtern den Einstieg<br />
und vermitteln das nötige Können.<br />
Zehn<strong>der</strong>mätteli und Schloss Reichenbach<br />
heissen <strong>die</strong> Restaurant-<br />
Idyllen am Ufer, <strong>die</strong> allfälligen<br />
Durststrecken ein Ende setzen.<br />
Während <strong>die</strong>se erste Etappe bis<br />
Bremgarten-Neubrücke (12 km)<br />
Erfahrung o<strong>der</strong> Führung (siehe<br />
z.B. www.siestaoppi.ch) voraussetzt,<br />
ist <strong>die</strong> unterhalb <strong>der</strong> historischen<br />
Holzbrücke beginnende<br />
zweite Etappe (14 km) <strong>die</strong> ideale<br />
Einsteigertour. Hier ist <strong>die</strong> Aare<br />
<strong>die</strong> Gemütlichkeit in Person. Sanft<br />
<strong>geht</strong> sie in den <strong>Wo</strong>hlensee über.<br />
Wer nach den ersten vier Kilome-<br />
tern müde Arme hat, steigt in<br />
Hinterkappelen aus und aufs Postauto<br />
um. Was schade wäre, denn<br />
nun weitet sich das Tal und gibt<br />
<strong>die</strong> Sicht frei auf Frienisberg und<br />
Jura. In den zahlreichen Windungen<br />
des Stausees verstecken sich<br />
reiz- und wertvolle Schätze. Einerseits<br />
Naturschutzgebiete, so bei<br />
<strong>der</strong> <strong>Wo</strong>hleibrücke, wo zur Brutzeit<br />
<strong>der</strong> Vögel gebühren<strong>der</strong> Abstand<br />
zu den Schilfgürteln geboten ist.<br />
An<strong>der</strong>erseits lauschige Rastplätze<br />
mit Bademöglichkeit.<br />
Michael Rytz<br />
Falten als Alternative: Das faltbare Kanu, vor 100 Jahren erfunden und seither<br />
stark weiterentwickelt, bringt <strong>die</strong> Lösung<br />
für viele logistische Probleme,<br />
<strong>die</strong> sich sonst beim Kanutransport<br />
stellen. Es lässt sich in Rucksackform<br />
in Zug, Bus o<strong>der</strong> Tram mitnehmen<br />
und ist an <strong>der</strong> Einbootstelle rasch<br />
startklar. Für den Transport eines Kajaks<br />
braucht es sonst ein Auto mit<br />
Dachträger, zur Lagerung genügend Stauraum o<strong>der</strong> einen netten Abwart. Wer<br />
auf dem Wasser fährt, muss irgendwie zurück zum Auto und dann damit wie<strong>der</strong><br />
zum Boote: das Faltboot bringts.<br />
Allgemeine Infos zu Faltboot, Anbietern von Kanutouren o<strong>der</strong> Kanuklubs in<br />
Ihrer Nähe auf www.verkehrsclub.ch/magazin<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 49
Der Vulcano ist neben dem Stromboli<br />
<strong>der</strong> zweite, weniger bekannte aktive<br />
Vulkan <strong>der</strong> Äolischen Inseln. Auf seinem<br />
Krater rauchen schwefelhaltige<br />
Fumarolen. Im Hintergrund Lipari<br />
und Salina.<br />
Leben auf dem Vulkan: auf <strong>der</strong> Insel Stromboli ist das Alltag. Und <strong>der</strong><br />
Vulcano ist auch nah. Besuch auf den Äolischen Inseln, wo man mehr<br />
als <strong>baden</strong> gehen kann.<br />
Den Stromboli erklimmt man<br />
am Nachmittag in Wan<strong>der</strong>schuhen<br />
und grossen Touristengruppen<br />
sowie mit einem Bergführer,<br />
das ist seit einigen Jah -<br />
ren Vorschrift. Unser Bergführer<br />
heisst Mario Pruiti. Er stammt aus<br />
Sizilien, stu<strong>die</strong>rte Politologie und<br />
erteilt uns einen Crashkurs in<br />
Strombologie. Er sagt, dass auf<br />
dem Stromboli alles normal sei.<br />
Es sei normal, wenn <strong>der</strong> alte Vulkan<br />
ein berauschendes Spektakel<br />
biete, ebenso, wie wenn er streike<br />
und sich in dicke <strong>Wo</strong>lken hülle, so<br />
dass man nichts zu sehen bekomme<br />
für <strong>die</strong> 25 Euro Exkursions -<br />
kosten. Der Feuerberg mache, was<br />
er wolle, ohne sich nach den Wünschen<br />
seiner Bewun<strong>der</strong>er zu richten.<br />
Später hebt Mario Pruiti einen<br />
<strong>der</strong> porösen, schwarzen Gesteinsbrocken<br />
auf. Es sei ein Teil<br />
des Kraterrands, <strong>der</strong> bei einer Explosion<br />
im Jahr 2002 weggesprengt<br />
wurde. Alles sei normal,<br />
auch dass einem ein Stein auf den<br />
Kopf falle.<br />
Nach gut zwei Stunden kommen<br />
wir bei den Schutzhütten auf<br />
900 Meter an. Die Abendsonne<br />
schwebt über dem Tyrrhenischen<br />
Meer. Die Bergflanke erscheint im<br />
Gegenlicht als schwarzes Dach,<br />
über dem eine dunkle Rauchfahne<br />
aufsteigt. Der Scirocco weht.<br />
Wir ziehen <strong>die</strong> Jacken an, setzen<br />
<strong>die</strong> Helme auf wegen <strong>der</strong> fliegenden<br />
Steine und begeben uns auf<br />
den Kraterrand. Dieser fällt halsbrecherisch<br />
steil nach innen ab.<br />
Die Sohle liegt etwa 200 Meter tiefer.<br />
Dort raucht und dampft es wie<br />
von 100 Lokomotiven. An einer<br />
Stelle ist Glut sichtbar. Rechts davon<br />
beginnt es zu brodeln. Plötzlich<br />
schleu<strong>der</strong>t eine unsichtbare<br />
Kraft eine Fontäne aus Gasen,<br />
Magma und Asche in <strong>die</strong> Höhe,<br />
blutrot mit gelbem Kern. Sie<br />
zischt, wächst, wird zu einer betörend<br />
schönen Säule aus rasenden<br />
Glutbrocken. Die<br />
Leuchtspuren ihrer<br />
Wurfparabeln<br />
formen für kurze<br />
Zeit einen Feuerbusch.<br />
Nach einigen<br />
Sekunden<br />
ver welkt er erschöpft. Die Zuschauer,<br />
<strong>die</strong> in Reih und Glied<br />
über dem Abgrund stehen, sagen<br />
«Aah» und «Ooh, did you see»<br />
und knipsen digital drauflos.<br />
Der kleinste <strong>der</strong> drei aktiven<br />
Schlote ist <strong>der</strong> fleissigste und <strong>der</strong><br />
fröhlichste. Er wie<strong>der</strong>holt seine<br />
Vorstellung alle paar Minuten.<br />
Der mittlere Schlot hingegen<br />
glüht und brüht nur vor sich hin.<br />
Er produziert mehr Rauch als<br />
Schall, während sich <strong>der</strong> dritte<br />
Zeit lässt, um uns dann aber mit<br />
dem eindrücklichsten Feuerwerk<br />
zu belohnen. Mario Pruiti vergleicht<br />
<strong>die</strong>se normale strombolische<br />
Aktivität mit einer Champagnerflasche.<br />
Ein Pfropfen aus flüssigem<br />
Material verstopfe <strong>die</strong><br />
Schlote bis <strong>der</strong> Gasdruck im Innern<br />
so hoch sei, dass <strong>der</strong> Zapfen<br />
weggesprengt werde. Dann steigen<br />
wir im Licht <strong>der</strong> Taschenlampen<br />
durch einen weichen Aschenpfad<br />
vom Berg hinunter wie durch<br />
schwarzen Pulverschnee. Am Firmament<br />
funkelt unglaublich klar<br />
das anarchisch-schöne Heer <strong>der</strong><br />
Sterne.<br />
Manchmal hat <strong>der</strong> Stromboli<br />
grössere Eruptionen. Das pyroklastische<br />
Material, das <strong>die</strong> Vulkanologen<br />
je nach dem Volumen in<br />
ITALIEN<br />
Äolische Inseln<br />
Schön und gleichgültig wie ein Gott<br />
Text und Fotos: Peter Krebs<br />
Asche, Lapilli und Bomben einteilen,<br />
fliegt dann in einem beträchtlichen<br />
Radius durch <strong>die</strong> Luft. Am<br />
Morgen des 5. April 2003, beim<br />
letz ten bedeutenden Ausbruch,<br />
Wir ziehen <strong>die</strong> Jacken an,<br />
setzen <strong>die</strong> Helme auf wegen<br />
<strong>der</strong> fliegenden Steine.<br />
beschädigten metergrosse Flugbomben<br />
das kleine Dorf Ginostra<br />
im Südwesten <strong>der</strong> Insel, wo Mario<br />
Pruiti wohnt. Die Jahre 2002 und<br />
2003 kannten eine erhöhte Aktivität.<br />
Über <strong>die</strong> Sciara del Fuoco, den<br />
Weg des Feuers, rutschten Lavaströme<br />
ins Meer, <strong>der</strong>en lange Bahnen<br />
in <strong>der</strong> Nacht leuchteten.<br />
Aschen regen fiel auf <strong>die</strong> Inseldörfer<br />
Ginostra und Stromboli, <strong>die</strong><br />
für zwei Monate evakuiert wurden.<br />
Dennoch leben <strong>die</strong> Bewohner<br />
keineswegs in Angst und Schrecken.<br />
Pericoloso? Ma che! Der<br />
Stromboli tue keinem etwas. Der<br />
sei einfach nur schweigend da,<br />
ganz im Gegensatz zu den Leuten,<br />
mit ihren bösartigen Zungen. Vor<br />
denen müsse man sich hüten, sagt<br />
<strong>der</strong> Fischer und Bootsvermieter,<br />
<strong>der</strong> am Hafen von Stromboli auf<br />
Kunden wartet. Es ist vier Uhr,<br />
bald legt das Boot aus Lipari an.<br />
Vor je<strong>der</strong> Ankunft belebt sich <strong>der</strong><br />
Hafen. Dreirädrige Töffs mit Ladebühne<br />
fahren vor: <strong>die</strong> grössten<br />
<strong>Verkehrs</strong>mittel, <strong>die</strong> sich in den engen<br />
Gassen bewegen können.<br />
Touristen mit Koffern, Einheimische<br />
mit Plastiksäcken und Kartonschachteln<br />
finden sich ein.<br />
Man plau<strong>der</strong>t, trinkt einen Es-<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 51
INSERAT<br />
presso. Zwei Carabinieri in eleganten<br />
Uniformen zeigen sich mit<br />
lässigem Stolz in ihrem singenden<br />
Elektrofahrzeug, das wie <strong>die</strong> Miniaturausgabe<br />
des Papamobils<br />
aussieht. Im schwarzen Sand unter<br />
dem Landungssteg spielen<br />
Kin<strong>der</strong> und machen sich zum Ärger<br />
<strong>der</strong> Mütter in <strong>der</strong> Brandung<br />
<strong>die</strong> Schuhe nass.<br />
Den Vulkan, <strong>der</strong> über allem thront<br />
Nützliche Inselinfos<br />
und seine Rauchfahne mal nach<br />
Norden, mal nach Süden schwenkt,<br />
beachten sie kaum. Und doch ist<br />
er präsent. Als Bergmasse und in<br />
den Köpfen. Er gibt <strong>der</strong> Insel das<br />
beson<strong>der</strong>e Gepräge. Er ist <strong>die</strong><br />
Insel. Seit Jahrtausenden ist er<br />
aktiv. Es scheint, als hebe er <strong>die</strong><br />
Zeit auf, als erlaube er einen Blick<br />
in den Ursprung <strong>der</strong> Erde, in ihre<br />
Eingeweide, in denen es rumpelt<br />
Anreise/Rückreise: Ab Mailand am besten mit dem Nachtzug bis Milazzo<br />
(Sizilien). Von hier aus fahren Fährschiffe und schnelle Tragflächenboote<br />
(Aliscafi) <strong>der</strong> Gesellschaften Ustica und Siremar. Fahrpläne: www.bahn.de;<br />
www.siremar.it; www.usticalines.it<br />
Vor Ort: Auf den grösseren Inseln mit nennenswerten Distanzen und Strassen<br />
(Lipari, Vulcano, Salina) mieten sich viele einen Scooter. Es gibt aber auch Veloverleihe<br />
und auf Lipari sowie Salina Busverbindungen o<strong>der</strong> Taxis. Fragen ist<br />
immer besser als bloss den Fahrplan lesen.<br />
Tipp: Im Ristorante Osservatorio beim Punto Labronzo kann man den Stromboli<br />
aus <strong>der</strong> Ferne durchs Glasdach beobachten. Schöner Spaziergang.<br />
Vulkanbesichtigung: Auf den Stromboli nur geführt am Nachmittag. Drei<br />
Anbieter rund um <strong>die</strong> Kirche San Vincenzo im Ortskern, unter an<strong>der</strong>em<br />
www.magmatrek.it. Auf den Vulcano freier Zugang von Porto di Levante aus.<br />
An<strong>der</strong>e Aktivitäten: Baden (eher kleine aber teils sehr schöne Strände, auf<br />
Vulcano auch im von Fumarolen erwärm ten Wasser), Tauchen, Essen, Bootsfahrten<br />
und Wan<strong>der</strong>n.<br />
Führer: Zahlreiche Führer im Buch handel. Für Wan<strong>der</strong>nde ist folgen<strong>der</strong> Titel<br />
zu empfehlen: Iwanowski’s, Liparische Inseln. Infos: www.iwanowski.de.<br />
Karte: Kompass 693, Liparische Inseln, Massstab 1:25 000.<br />
Beste Reisezeit: Frühling bis Spätherbst. Juli und August sind heiss und überfüllt.<br />
Unterkunft: Zahlreiche Hotels verschiedener Preisklassen sowie günstigere<br />
Privatzimmer.<br />
Via verde Reisen: Der <strong>VCS</strong>-Reisepartner hat <strong>die</strong> Liparischen Inseln mit<br />
Un terkünften auf Stromboli, Salina, Lipari und Vulcano in seinem Pro gramm,<br />
inklusive Bahnanreise.<br />
Infos und Buchung: www.via-verde-reisen.ch; Tel. 0848 823 823<br />
Cefalù<br />
Alicudi<br />
Filicudi<br />
Salina<br />
Vulcano<br />
Stromboli<br />
Lipari<br />
Sizilien<br />
Panarea<br />
Milazzo<br />
Messina<br />
Reggio<br />
Calabria
und glüht wie in <strong>der</strong> Werkstatt des<br />
Schmiedegotts Hephaistos, als <strong>die</strong><br />
<strong>der</strong> Stromboli in <strong>der</strong> Antike galt.<br />
In <strong>die</strong>ser Küche walten viel kolossalere<br />
Kräfte als jene, <strong>die</strong> <strong>der</strong><br />
Mensch zu erzeugen vermag. Der<br />
Vulkan grollt manchmal, manchmal<br />
speit er Feuer. Er führt sein eigenes<br />
Leben, ohne sich um <strong>die</strong><br />
Geschäfte <strong>der</strong> Bewohner zu kümmern.<br />
Er ist schön, unbestechlich,<br />
mächtig und gleichgültig wie ein<br />
Gott. Er tauchte vor 40 000 Jahren<br />
aus den Tiefen des Meers auf, wie<br />
alle sieben Äolischen (Liparischen)<br />
Inseln nördlich von Sizilien.<br />
Die noch rund 400 ständigen<br />
Bewohner von Stromboli verdanken<br />
ihr Auskommen vorwiegend<br />
dem Tourismus. Einst florierte auf<br />
<strong>der</strong> fruchtbaren Vulkanerde auch<br />
<strong>die</strong> Landwirtschaft. Süsser Malvasierwein<br />
wurde in alle Welt exportiert,<br />
bis <strong>die</strong> Reblaus <strong>die</strong> Pflanzen<br />
zerstörte. Auf alten Schwarzweissfotos<br />
aus den 1930er-Jahren erkennt<br />
man <strong>die</strong> Schilfreihen, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> Weinberge einteilten und gegen<br />
den Wind schützten. Im 19.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t lebten noch bis zu<br />
2700 Menschen auf <strong>der</strong> Insel. Viele<br />
sind später ausgewan<strong>der</strong>t. Sie<br />
wohnten in den typischen Gebäu-<br />
Duftende Gräser und Kräuter am Stromboli (oben links).<br />
Aufstieg von Pollara aus Richtung Monte Porri auf <strong>der</strong> Insel Salina (oben).<br />
Gasse in <strong>der</strong> Festung über <strong>der</strong> Stadt Lipari (links).<br />
den mit Flachdächern, <strong>die</strong> oft zum<br />
Sammeln des spärlichen Regenwassers<br />
<strong>die</strong>nen. Dieser mo<strong>der</strong>n<br />
anmutende liparische «Kubismus»<br />
ist von ehrlichem Charme.<br />
Die heutigen, strahlend weiss verputzten<br />
Ferienunterkünfte geben<br />
vor, ihn zu imitieren; mit ihrem<br />
üppigen Säulentum und dem<br />
Rundbogenfensterwesen sind sie<br />
letztlich aber Kitsch.<br />
Die Inseln, auf denen <strong>die</strong> Alten<br />
Griechen <strong>die</strong> Heimat des Windgottes<br />
Aeolos vermuteten, sind<br />
das Land des Tramontana und des<br />
warmen Scirocco, <strong>der</strong> den gelben<br />
Sand aus <strong>der</strong> Sahara über das<br />
Meer trägt. Sie sind auch das Land<br />
<strong>der</strong> Düfte. Wer durch <strong>die</strong> Gärten<br />
<strong>der</strong> Dörfer und durch <strong>die</strong> Macchia<br />
spaziert, wird von einem südländischen<br />
Parfum betört, von den<br />
Aromen <strong>der</strong> blühenden Glyzinen,<br />
des Thymians, des wilden Fenchels,<br />
des Ginsters und des Wermuths,<br />
<strong>der</strong> üppig wuchert und aus<br />
dem man einst Absinth braute.<br />
ITALIEN<br />
Äolische Inseln<br />
Ganz an<strong>der</strong>e Düfte steigen einem<br />
in <strong>die</strong> Nase, wenn man von Porto<br />
di Levante aus auf den Vulcano<br />
steigt. Hier riecht es nach faulen<br />
Eiern. Oben auf dem Krater, <strong>der</strong><br />
einen fast perfekten Kegel bildet,<br />
treten heisse Schwefelgase und<br />
an<strong>der</strong>e Chemikalien aus <strong>der</strong> Erdenküche<br />
an den Tag. Sie entweichen<br />
aus dampfenden und giftigen<br />
Fumarolen, um <strong>die</strong> herum<br />
blumenkohlartige Schwefelkristalle<br />
das Geröll gelb färben. Auch<br />
<strong>der</strong> Vulcano ist in seinem hohen<br />
Alter noch aktiv. Explo<strong>die</strong>rt ist er<br />
allerdings seit 1890 nicht mehr.<br />
Damals erschreckte ein wuchtiger<br />
Ausbruch <strong>die</strong> Einheimischen.<br />
«Man hörte ein fortwährendes<br />
Rollen, als wenn ein Eisenbahnzug<br />
über eine Brücke führe», notierte<br />
ein Zeitgenosse.<br />
Fumarolen gelten als Zeichen<br />
erlahmen<strong>der</strong> Tätigkeit. Einige<br />
Tou risten, <strong>die</strong> den Krater in <strong>der</strong><br />
Hochsaison erstürmen, wagen<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 53
ITALIEN<br />
Äolische Inseln<br />
Immer bei <strong>der</strong> Ankunft <strong>der</strong> Boote erwacht <strong>der</strong> Hafen von Lipari (oben).<br />
Mit etwas Glück kann man <strong>die</strong> «normale» Aktivität des Stromolis aus <strong>der</strong> Nähe<br />
betrachten (rechts).<br />
sich auf den Grund des Vulcano,<br />
auf den sie fromme Wünsche<br />
schreiben. «Pax» zum Beispiel.<br />
Der kurze Aufstieg lohnt sich<br />
auch, weil man auf dem Gipfel eine<br />
wun<strong>der</strong>bare Aussicht geniesst.<br />
Weit im Süden schimmert <strong>die</strong> Silhouette<br />
des Ätna, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Seite <strong>die</strong> nahe Insel Lipari und dahinter<br />
Salina mit dem Doppelkegel.<br />
Dort fahren wir hin mit dem<br />
Boot, vorbei an <strong>der</strong> Küste von Lipari.<br />
Eigentlich hat Salina drei<br />
Krater. Einer ist zur Hälfte im<br />
Meer versunken, so dass das Gelände<br />
nun einem Amphitheater<br />
gleicht. Eine einmalige Lage. Das<br />
Dorf Pollara, ein Nest, döst auf<br />
dem Kraterboden. In einem unscheinbaren<br />
Haus drehte Michael<br />
Redford 1994 den Film «Il Postino».<br />
Er erzählt, wie <strong>der</strong> im Exil lebende<br />
Dichter Pablo Neruda einen<br />
Postboden in <strong>die</strong> Geheimnis-<br />
se <strong>der</strong> Liebe und des sonstigen Lebens<br />
einführt. Der Besitzer des<br />
Hauses, ein Maler, sei durch den<br />
Film zu Geld gekommen, weiss eine<br />
Einheimische. Aber er fährt<br />
weiterhin in seinem uralten Renault<br />
herum. Für grosse Schlitten<br />
ist <strong>die</strong> Insel eh zu klein. Es gibt nur<br />
ein paar Kilometer Asphalt.<br />
Es gibt zum Glück auch ein paar<br />
Kilometer bezaubernde Wan <strong>der</strong>wege.<br />
Zum Beispiel jenen, <strong>der</strong> vom<br />
Semaforo oberhalb Pollara aus<br />
startet und um den Monte Porri<br />
herumführt, immer mit Blick auf<br />
das Meer. Man klettert durch <strong>die</strong><br />
verfallenden Stützmauern eines alten<br />
Olivenhains hinunter, um<br />
schliesslich in Rinella wie<strong>der</strong> das<br />
Schiff zu nehmen. Jede Insel habe<br />
ihren eigenen Charakter und <strong>die</strong><br />
Bewohner ebenso, behaupten <strong>die</strong><br />
Liparoten. Mit <strong>der</strong> Zeit, beginnen<br />
wir ihnen zu glauben.<br />
Salina ist <strong>die</strong> grünste, <strong>die</strong> bäuerlichste,<br />
auf ihr spriessen <strong>die</strong> besten<br />
Kapern; Vulcano erkennt man<br />
schon bei <strong>der</strong> Ankunft im Hafen<br />
am Eiergeruch, <strong>der</strong> tagelang in<br />
den Klei<strong>der</strong>n haftet. Lipari ist <strong>die</strong><br />
grösste Insel, das Zentrum, <strong>die</strong> geschäftigste.<br />
Sie kennt, wie das<br />
Festland, Lärm und <strong>Verkehrs</strong>probleme,<br />
sie besitzt aber auch <strong>die</strong><br />
einzige Stadt des Archipels mit<br />
Gässchen voller Poesie und Pflanzenschmuck,<br />
mit guten Restaurants,<br />
Önotheken, Cafés, mit stol-<br />
zen und eloquenten Bürgern und<br />
mit <strong>der</strong> dominierenden Festung,<br />
in <strong>der</strong>en Schutz fünf Kirchen und<br />
ein Kreuzgang aus normannischer<br />
Zeit <strong>die</strong> Stürme überdauerten.<br />
Das Ensemble ist eine geballte Ladung<br />
Katholizismus und beherbergt<br />
auch das liparische Museum.<br />
Dann wären da noch <strong>die</strong><br />
Kleinsten: Panarea, Filicudi und<br />
ganz im Westen Alicudi, das keine<br />
<strong>Verkehrs</strong>sorgen kennt. Statt Motorfahrzeuge<br />
gibt es hier Esel. Auf<br />
Alicudi sind sie noch normal.<br />
54 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008
ANSICHTEN<br />
Leserbriefe<br />
<strong>VCS</strong>-Magazin 2/08<br />
Zum neuen Auftritt<br />
Ich habe das neue <strong>VCS</strong>-Magazin mit grossem Vergnügen gelesen und<br />
muss sagen: Toll, was Sie und Ihr Team uns zu bieten haben. So macht<br />
es richtig Spass, sich mit zum Teil ziemlich ärgerlichen Themen auseinan<strong>der</strong><br />
zu setzen. Was ja bekanntlich <strong>die</strong> grösste Kunst ist: gute Unterhaltung<br />
mit Tiefgang. Kompliment! Sybil Schreiber, Bad Zurzach<br />
Herzliche Gratulation zu dem erstklassigen Wurf des neuen Magazins<br />
(obwohl mir <strong>der</strong> Name Leonardo sehr sympathisch gewesen ist). Beson<strong>der</strong>s<br />
angesprochen hat mich <strong>der</strong> hervorragende Artikel «Halb so<br />
gross und doppelt so spät»: klar, gut formuliert, leicht zu lesen und<br />
überzeugend. Alles wirkt sehr professionell und das ist wichtig, weil<br />
<strong>die</strong> Gegenseite, <strong>die</strong> Autolobby, mit Werbemillionen<br />
operieren kann. Da hätten<br />
wir mit «Seide-<strong>Wo</strong>lle-Bast»-Touch keine<br />
Chance ausser bei den schon Überzeugten.<br />
Peter Früh, Basel<br />
Das neue Kleid passt und mit «<strong>VCS</strong>-<br />
Magazin» ist <strong>der</strong> Absen<strong>der</strong> nun klar.<br />
Nur das Titelbild ist etwas gar langweilig<br />
und fad. Es liegt aber nicht nur am<br />
Foto, und nichts gegen <strong>die</strong> junge Frau.<br />
Der Schriftzug <strong>VCS</strong> (grau im grau-<br />
Ton), «Magazin für zeitgemässe Mobilität»<br />
und <strong>die</strong> Aufrisszeile im «Negativ» sind schlecht leserlich. Auch<br />
<strong>der</strong> Balken unten wirkt ziemlich fad. Wieso nicht oben etwas mehr<br />
Luft, Schriftzug farbig und das Logo grösser? Etwas mehr Farbe –<br />
muss ja nicht gleich ein «Blick» werden – aber wenigstens ein Blickfang<br />
täte gut. Ulla Senn, Schönenberg<br />
Danke, das neue Kleid tut gut! Regine Born, Solothurn<br />
Gratulation. Das neue Magazin ist sehr «aamächalig» und gelungen.<br />
Es reizt richtig zum Lesen. Die Integration des Lokalteiles finde ich<br />
sehr gut. Alles in Allem, ein bedeuten<strong>der</strong> Schritt vorwärts in <strong>der</strong> auch<br />
bisher guten Kommunikation. Georges Ragaz, Chur<br />
Ich gratuliere zur neu gestalteten <strong>VCS</strong>-Zeitschrift. Zuallererst dazu,<br />
dass <strong>der</strong> unsägliche Titel Leonardo fallengelassen wurde. Dann aber<br />
auch zur Gestaltung an sich: Mo<strong>der</strong>n, klar, übersichtlich, aber gleichzeitig<br />
Verzicht auf unnötigen sogenannt trendigen Schnick-Schnack.<br />
Lösung des Sudoku<br />
3 9 7 4 6 5<br />
4 6 2 9 8 1<br />
8 5 1 7 2 3<br />
5 8 9 3 1 2<br />
1 7 4 6 5 9<br />
6 2 3 8 7 4<br />
2 4 8 5 3 6<br />
9 3 6 1 4 7<br />
7 1 5 2 9 8<br />
8 1 2<br />
7 3 5<br />
6 9 4<br />
4 6 7<br />
2 8 3<br />
9 5 1<br />
1 7 9<br />
5 2 8<br />
3 4 6<br />
Marco Zaugg, Bern<br />
Ich bin sehr froh, dass Leonardo<br />
nun endlich abgedankt<br />
hat und ich mich als<br />
Frau auch wie<strong>der</strong> angesprochen<br />
fühle. Ich habe das<br />
neue Magazin zwar erst<br />
oberflächlich angeschaut,<br />
aber ich finde es sehr ansprechend<br />
und es verlockt zum<br />
Lesen.<br />
Heidi Duppenthaler, Bubendorf<br />
Leonardo 1/08/Auto-Umweltliste<br />
Trend zum grossen Auto<br />
Über eine Folge von breiteren und auch höheren Fahrzeugen ist selten<br />
zu lesen: Die Strassen haben nach wie vor <strong>die</strong> gleiche Breite wie seit<br />
Jahrzehnten. Sehr oft teilen sich Autos und Velos den Strassenraum.<br />
Durch <strong>die</strong> breiteren Fahrzeuge reduziert sich <strong>der</strong> ohnehin schon geringe<br />
Raum für Velofahrer. Denn wie selbstverständlich werden Velos<br />
überholt, <strong>die</strong>s ist für Autofahrer normal – egal wie gross <strong>der</strong>en Gefährt<br />
ist.<br />
Dadurch entsteht bei mir als Velofahrer ein Unsicherheitsgefühl. Vielleicht<br />
würde es helfen, so konsequent wie irgend möglich Velostreifen<br />
an den Strassenrän<strong>der</strong>n vorzusehen. Und wo <strong>die</strong>s nicht umsetzbar<br />
ist wäre im innerstädtischen Raum zu prüfen, ob solche schmaleren<br />
Strassen in Einbahnverkehr umgestellt werden können. Vielleicht<br />
sollte <strong>der</strong> Bewegungsraum für <strong>die</strong>se Vehikel auf <strong>die</strong> Autostrassen generell<br />
beschränkt werden – Spezialstrassen für speziellere Autos.<br />
<strong>VCS</strong>-Magazin 2/08<br />
Subventionierte Flüge<br />
Thomas Schmidt, Bern<br />
Im <strong>VCS</strong>-Magazin musste ich lesen, dass <strong>der</strong> Bund ernsthaft und mit<br />
allen Mitteln dahin arbeitet, <strong>die</strong> Inland-Retourflüge Bern–Lugano pro<br />
Flug mit Fr. 400.— zu subventionieren. Ich habe ja ein gewisses Verständnis<br />
für den Gewissenskonflikt des <strong>Verkehrs</strong>- und Umweltministers.<br />
Die «Feinklingenreden» Leuenbergers zu Gunsten des Klimaschutzes,<br />
all over the world, hinterlassen den Eindruck, dass <strong>der</strong> Umweltminister<br />
sich klar für den Klimaschutz einsetzt. Siehe auch <strong>die</strong><br />
überaus mutige Verordnung: Ein Verbot, ab 2009 keine «normalen»<br />
Glühbirnen mehr!<br />
Die Frage sei erlaubt: Warum will das Departement Leuenberger unbedingt<br />
«verschiedenen Anliegen aus dem Kanton Tessin» Rechnung<br />
tragen? Ich liebe das Tessin und schon seit Jahrzehnten verbringen ich<br />
und meine Familie <strong>die</strong> Ferien dort (ohne<br />
zu fliegen), deshalb bin ich über <strong>die</strong> Verhältnisse<br />
informiert! Seit Jahren konnten<br />
Herr Bignasca & Co mittels Auto (eher<br />
nicht per SBB) ihren Weg ins Berner Parlament<br />
finden. Jetzt will man <strong>die</strong>sen Weg<br />
per Flug erleichtern und <strong>der</strong> Steuerzahler<br />
hat <strong>die</strong>s auch noch zu finanzieren.<br />
Herr Bundesrat Leuenberger sollte sich<br />
doch langsam über den Weg seines Gewissens<br />
Gedanken machen, könnte es<br />
sein, dass «es» im <strong>Wo</strong>hlleben versunken sein könnte? Die aufmerksame<br />
Bürgerin fragt sich ernsthaft wozu wir eigentlich (noch) Bundessteuern<br />
bezahlen müssen.<br />
Ursula Hofstetter, Forch<br />
56 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008
F R E I Z E I T<br />
Unterhaltung<br />
WETTBEWERB<br />
Als Wilhelm Tell sich nach dem<br />
Sprung auf <strong>die</strong> Tellsplatte in<br />
Richtung <strong>der</strong> Hohlen Gasse aufmachte,<br />
um Hermann Gessler mit<br />
einem Pfeil vom hohen Ross zu<br />
holen, hätte er unseren gesuchten<br />
Berg überschritten, wenn er den<br />
direktesten Weg eingeschlagen hätte.<br />
Der Tyrannenmör<strong>der</strong> und spätere<br />
Nationalheld wählte aber –<br />
will man Friedrich Schiller und<br />
seinem Drama glauben – den Umweg<br />
hinter dem Berg durch, eine<br />
Route, <strong>die</strong> zweifellos schneller, da<br />
flacher war und ist.<br />
Ob <strong>der</strong> Jäger und Naturbursche<br />
Tell mit seiner Hedwig je auf dem<br />
Berg war, ist nicht überliefert aber<br />
eher unwahrscheinlich, da man<br />
seinerzeit wenig Zeit für romantische<br />
touristische Ausflüge erübrigen<br />
konnte. Schon nur, weil <strong>der</strong><br />
Tourismus noch nicht erfunden<br />
war und <strong>die</strong> Romantik ebenso wenig.<br />
Sicher nicht oben war Schiller,<br />
<strong>der</strong> zwar sein letztes Drama, «Wilhelm<br />
Tell», in <strong>die</strong>ser Gegend ansiedelte,<br />
ohne sie jedoch persönlich<br />
zu kennen. Dennoch gibt es<br />
heute in <strong>der</strong> Nähe den Schiller-<br />
Wie heisst <strong>der</strong> Berg, den <strong>die</strong> erste Zahnradbahn<br />
Europas bezwingt?<br />
Wie heisst <strong>die</strong> Königin<br />
<strong>der</strong> Berge?<br />
© ST/swiss-image.ch<br />
stein inmitten eines komplizierten<br />
Sees, <strong>der</strong> sich am Fuss unseres<br />
Bergs ausbreitet.<br />
In jüngerer Zeit, als <strong>die</strong> Freizeit<br />
zunahm und <strong>der</strong> Reisemöglichkeiten<br />
mehr wurden, hat sich <strong>der</strong><br />
Berg zu einem Touristenmagneten<br />
entwickelt, wobei er eine Pionierrolle<br />
innehatte. Er war <strong>der</strong> erste<br />
rundumerschlossene Hoger <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong>. Europas älteste Zahnradbahn<br />
erleichterte dem Publikum<br />
den Aufstieg auf den Gipfel. Der<br />
ist zwar bei weitem nicht <strong>der</strong><br />
höchste im Land. Doch wurde er<br />
in den höchsten Tönen gelobt, vor<br />
allem wegen des Sonnenaufgangs,<br />
den es oben zu geniessen gibt.<br />
Auch <strong>der</strong> amerikanische Schriftsteller<br />
Mark Twain tat <strong>die</strong>s, bis er<br />
merkte, dass er sich verschlafen<br />
hatte und <strong>die</strong> Sonne am Untergehen<br />
war.<br />
Der Berg hat genau genommen<br />
mehrere Gipfel, ist ein Gebirge,<br />
das einst zwei Grand Hotels verzierten,<br />
<strong>die</strong> allerdings ähnlich wie<br />
Gessler nicht überlebten. Und nun<br />
kommen wir zum Wichtigsten,<br />
dem Namen. Der ist kurz, aber<br />
DIE NÄCHSTE<br />
NUMMER<br />
Kleine Städte, grosser<br />
Verkehr<br />
Die grossen Städte haben ihre<br />
Trams und S-Bahnen. Doch<br />
wie lösen kleinere Städte ihre<br />
<strong>Verkehrs</strong>probleme? Wir haben uns<br />
umgeschaut. In Freiburg, Solothurn<br />
und an<strong>der</strong>swo. Fazit: Es hat<br />
überall viel Verkehr und es<br />
braucht überall neue Lösungen.<br />
Nur welche?<br />
man weiss trotzdem<br />
nicht, woher<br />
er stammt. Es gibt<br />
zwei Denkschulen.<br />
Beide lehnen<br />
sich ans Latein an. Die eine huldigt<br />
dem Marketingdenken und<br />
behauptet, <strong>der</strong> Name gehe auf das<br />
lateinische <strong>Wo</strong>rt für «Königin» zurück,<br />
unser Berg sei somit <strong>die</strong> Königin<br />
<strong>der</strong> Berge. Die an<strong>der</strong>e Schule<br />
hält es mit <strong>der</strong> Naturwissenschaft<br />
und mit den nackten Flühen, <strong>der</strong>en<br />
deutlich sichtbaren Schichtungen<br />
und Falten auf Latein ähnlich<br />
klingen wie «Königin» – und wie<br />
<strong>der</strong> gesuchte Bergname. Peter Krebs<br />
Wir wollen wissen: Wie heisst <strong>der</strong> Berg?<br />
Antworten: Bis 20. Juni 2008 an <strong>VCS</strong>-Magazin, Wettbewerb, Postfach<br />
8676, 3001 Bern o<strong>der</strong> an wettbewerb@verkehrsclub.ch<br />
1. Preis: eine Übernachtung im Doppelzimmer mit Südsicht in einem<br />
schönen Hotel auf dem gesuchten Berg im Wert von Fr. 230.–.<br />
2. Preis: zwei Tageskarten für den gesuchten Berg im Wert von Fr. 124.–.<br />
Lösung des letzten Wettbewerbs: La Chaux-de-Fonds<br />
Gewinnerin: Rosmarie Brülisauer, 6370 Stans<br />
Sudoku Lösung auf Seite 56<br />
6 2<br />
58 <strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008<br />
8<br />
5 9<br />
1<br />
2<br />
2 8<br />
3<br />
1<br />
6 5<br />
9 1<br />
7<br />
6 5<br />
8<br />
2<br />
6<br />
1 4 7<br />
2 8<br />
8 2<br />
3 5<br />
8<br />
9 5 1<br />
7 9<br />
2 8<br />
6<br />
© ST/swiss-image.ch