Wo die Schweiz baden geht - VCS Verkehrs-Club der Schweiz
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Stockalperweg Auf den Spuren eines Frühkapitalisten<br />
Kaspar Jodok von Stockalper<br />
(1609–1691) war eine typisch<br />
barocke Figur und einer <strong>der</strong> ersten<br />
Kapitalisten <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Er handelte<br />
mit Salz, machte im Bergbau<br />
und im Kreditwesen Geschäfte<br />
und verkaufte Schnecken. Stockkatholisch<br />
und Herr <strong>der</strong> drei Türme<br />
in seinem Briger Schloss, häufte<br />
er ein riesiges Vermögen an und<br />
ebenso viel Macht. Er übertrieb es<br />
ein wenig mit dem Reichtum und<br />
<strong>der</strong> Macht und musste nach Domodossola<br />
fliehen. Wir tun es ihm<br />
nach: Auf dem Stockalperweg,<br />
den Kaspar Jodok als Saumpfad<br />
anlegen liess und <strong>der</strong> in den vergangenen<br />
Jahren restauriert wurde.<br />
Es dauerte ziemlich lange, bis<br />
es so weit war und man das nötige<br />
Geld fand. Zuerst wollte <strong>die</strong> Autobahn<br />
A9 über den Simplon gebaut<br />
sein für <strong>die</strong> 40-Tönner. Sie kostete<br />
eine Milliarde Franken, mehr<br />
als Stockalper je besass. Der alte<br />
Saumpfad, Unterlage für eine<br />
Drei tagewan<strong>der</strong>ung, war viel billiger<br />
und ist extrem viel schöner.<br />
Die Frühkapitalisten hatten noch<br />
Geschmack. Die Passhöhe stellt<br />
sich als grandiose Weite dar, <strong>die</strong><br />
Spätestens seit dem Kinohit<br />
«Saint Jacques... La meque» ist<br />
Pilgern wie<strong>der</strong> in. Da bewegungsfaule<br />
Menschen häufig eine Neigung<br />
zu Geistlichem haben, gerate<br />
auch ich in Versuchung, eine<br />
Fussreise ans Grab des heiligen Jakobus<br />
in Santiago de Compostela<br />
anzutreten. Als Trainingseinstieg<br />
bieten sich landauf, landab Kürzestvarianten<br />
an. Wir wählen <strong>die</strong>jenige<br />
vom bernischen Rüeggisberg<br />
nach Schwarzenburg.<br />
Gleich nach dem Ausstieg aus<br />
dem Postauto in «Rüeggisberg<br />
Post» zeigt <strong>der</strong> Wegweiser in<br />
Richtung <strong>der</strong> drei Minuten entfernten<br />
Klosterruine Rüeggisberg.<br />
sich nach Süden zu absenkt. In<br />
Simplon-Dorf beginnt <strong>der</strong> Süden<br />
schon. Und doch gibt es alles,<br />
was man in den Walliser Bergen<br />
erwartet: Roggenbrot, Trockenfleisch,<br />
<strong>die</strong> Raiffeisenbank. Wir<br />
schlagen zu.<br />
Böse Zungen würden Gabi als<br />
«Loch» bezeichnen. Es ist auch <strong>der</strong><br />
Eingang in <strong>die</strong> Gondoschlucht, <strong>die</strong><br />
zu einem Erlebnispfad zwischen<br />
hohen Felsen hergerichtet wurde.<br />
Hier zwängen sich <strong>die</strong> A9 durch<br />
sowie <strong>die</strong> Doveria. Mal hört man<br />
mehr den Wildbach rauschen,<br />
mal den wild gewordenen Verkehr.<br />
Die Wan<strong>der</strong>vögel bewegen<br />
sich neben und über den Galerien,<br />
fliegen über Brücken, schleichen<br />
durch den Stollen einer alten Festung<br />
und kommen nach Gondo.<br />
Dort biegen sie ins Zwischbergental<br />
ein und sehen wie<strong>der</strong> einmal etwas<br />
mehr als bloss einen Schlitz<br />
Himmel. Es folgt <strong>der</strong> Monscerapass.<br />
Oben empfängt Italien einen<br />
mit Föhren, kristallklaren Bergseen<br />
und dem einsamen Berghaus<br />
Gattascosa, wo üppige Mengen<br />
von Käse und Schinken aus Parma<br />
serviert werden, wo Weisswein<br />
Die romanische Kirche wurde um<br />
1175 erbaut, nachdem hier 100<br />
Jahre zuvor <strong>der</strong> erste Cluniazenserorden<br />
auf deutschsprachigem<br />
Gebiet entstanden war. Als Kraftort<br />
wird <strong>die</strong> Klosterruine von vielen<br />
auf dem Jakobsweg Wan<strong>der</strong>nden<br />
besucht.<br />
Beim Abstieg zum Schwarzwasser,<br />
dem Auftakt zu unserer<br />
Pilgerreise auf <strong>der</strong> Via Jacobi Nr. 4,<br />
lässt <strong>die</strong> Erleuchtung auf sich warten.<br />
Nicht einmal ein erhabenes<br />
Gefühl will uns überkommen –<br />
<strong>die</strong> Strasse mit zahlreichen Sonntagsfahrern,<br />
<strong>die</strong> ihre Motorrä<strong>der</strong><br />
in je<strong>der</strong> Kurve aufheulen lassen,<br />
ist einfach zu nah. Schon viel nä-<br />
und Honiggrappa fliessen. Berauscht<br />
von all <strong>die</strong>sen Eindrücken<br />
steigt man hinunter über Gallinera<br />
nach Bognanco, einer mehrstufigen<br />
Berggemeinde. Zuunterst<br />
befindet sich das alte Thermalbad.<br />
Es beginnt <strong>der</strong> letzte Akt, <strong>die</strong><br />
Wan<strong>der</strong>ung hoch über <strong>der</strong> linken<br />
Talseite nach Domodossola. Auf<br />
dem hinreissenden Kalvarienberg<br />
quar tierte sich Stockalper nach<br />
seinem Fall bescheidener ein als in<br />
Brig. Nach Jahren kehrte er als<br />
Aufstieg durch <strong>die</strong> Ganterschlucht oberhalb von Brig.<br />
Schwarzenburgerland Seelenfriede auf brennenden Pilgersohlen<br />
her kommen wir <strong>der</strong> Sache nach<br />
dem Aufstieg gegen Mamishaus;<br />
hier ist sie, <strong>die</strong> Idylle <strong>der</strong> bäuerlichen<br />
<strong>Schweiz</strong>! Die städtischen Pilgerseelen<br />
lassen den Blick in <strong>die</strong><br />
Ferne schweifen, <strong>die</strong> nur aus Blau<br />
(Himmel), Grün (Fel<strong>der</strong>) und<br />
Braun (Bauern häuser) besteht,<br />
umrahmt vom spätwinterlichen<br />
Weiss <strong>der</strong> Al pen und <strong>der</strong> Jurakette.<br />
Der Wind bläst munter, man<br />
wünschte sich einen Drachen, <strong>die</strong><br />
<strong>Wo</strong>lken sind wie von Kin<strong>der</strong>hand<br />
gezeichnet und hoch oben jubiliert<br />
eine Lerche in him mlischen<br />
Tönen. Es stellt sich nicht gerade<br />
Erleuchtung ein – aber Seelenfriede<br />
und Ruhe.<br />
WANDERN<br />
<strong>Schweiz</strong><br />
einfacher Bürger heim. Uns fährt<br />
bequem das Postauto zurück.<br />
Peter Krebs<br />
Kurzinfo<br />
Gut markierte mittelschwere, etappierbare<br />
Bergwan<strong>der</strong>ung. Von Juni bis<br />
Ende September. Varianten: Auf den<br />
Simplonpass von Gspon aus über den<br />
Gebidum- und den Bistinenpass. Von<br />
Gabi aus über <strong>die</strong> Furggu direkt nach<br />
Zwischbergen. Details auf www.verkehrsclub.ch/magazin<br />
Die Routenbeschreibung spricht<br />
von zweieinhalb Stunden Marschzeit.<br />
In unserem Fall sind mit den<br />
nötigen Ruhepausen fünf Stunden<br />
vergangen, als wir mit brennenden<br />
Pilgersohlen in Schwarzenburg<br />
einmarschieren, dem<br />
Herz stück des voralpinen und wenig<br />
industrialisierten Schwarzenburgerlands.<br />
Und jetzt: zurück ins<br />
faule Leben! Stefanie Stäuble<br />
Kurzinfo<br />
Einfache, als Via Jacobi markierte<br />
Wan<strong>der</strong>ung ohne grosse Steigungen,<br />
ganzjährig möglich. Details auf<br />
www.verkehrsclub.ch/magazin<br />
<strong>VCS</strong> MAGAZIN / JUNI 2008 29<br />
© Peter Krebs