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Hingerichtet in München-Stadelheim - NS-Dokumentationszentrum ...

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Irene Stuiber<br />

<strong>H<strong>in</strong>gerichtet</strong> <strong>in</strong> <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong>


Irene Stuiber<br />

<strong>H<strong>in</strong>gerichtet</strong> <strong>in</strong> <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong>


Irene Stuiber<br />

<strong>H<strong>in</strong>gerichtet</strong> <strong>in</strong> <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong><br />

Opfer nationalsozialistischer Verfolgung<br />

auf dem Friedhof am Perlacher Forst<br />

Mit e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>leitungskapitel von Jürgen Zarusky


© <strong>München</strong>, 2004<br />

Druck und Verlag: Books on Demand<br />

Satz und Grafik: Heidi Sorg & Christof Leistl, <strong>München</strong><br />

ISBN 3-8334-0733-6<br />

Mit f<strong>in</strong>anzieller Unterstützung<br />

des Kulturreferats der Landeshauptstadt <strong>München</strong>


Inhalt<br />

Vorwort von Irene Stuiber und Jürgen Zarusky 7<br />

Jürgen Zarusky<br />

E<strong>in</strong>leitung: <strong>NS</strong>-Justiz und Widerstand 8<br />

Politische Justiz <strong>in</strong> der <strong>NS</strong>-Zeit 20<br />

Das Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> 22<br />

Biographische Dokumentation zu den Toten des Sammelgrabs II 25<br />

auf dem Friedhof am Perlacher Forst<br />

Widerstand und Verfolgung <strong>in</strong> Deutschland 27<br />

Widerstand und Verfolgung <strong>in</strong> Österreich 30<br />

Widerstand und Verfolgung <strong>in</strong> der Tschechoslowakei 31<br />

Polen unter <strong>NS</strong>-Herrschaft 33<br />

„Asoziale“ unter dem Nationalsozialismus 34<br />

Biographien: Deutschland 36<br />

Biographien: Österreich 51<br />

Biographien: Tschechoslowakei 56<br />

Biographien: Polen 79<br />

Landesverrat e<strong>in</strong>es SS-Angehörigen 81<br />

Biographien: Die Verfolgung so genannter Asozialer 82<br />

Weitere Spuren von Widerstand und Verfolgung 85<br />

Danksagung 87


Vorwort<br />

Man traut sich fast nicht, die Metapher zu gebrauchen, so abgegriffen ist sie. Aber es ist<br />

eben immer wieder dieses e<strong>in</strong>e Bild, das sich aufdrängt, wenn erneut e<strong>in</strong>e verschüttete<br />

Spur des Dritten Reichs zum Vorsche<strong>in</strong> kommt: Man hat Gras über die Geschichte wachsen<br />

lassen. In dem Fall, um den es hier geht, kann man das durchaus wörtlich nehmen.<br />

Bereits am Volkstrauertag 1945 forderte der damalige Münchner Oberbürgermeister Karl<br />

Scharnagl bei e<strong>in</strong>er Gedenkveranstaltung, die Gräber von Opfern des Nationalsozialismus<br />

auf dem Friedhof am Perlacher Forst müssten würdig gestaltet werden. Auf Beschluss des<br />

Münchner Stadtrats wurden 1954 die sterblichen Überreste von 95 Opfern der politischen<br />

Justiz des <strong>NS</strong>-Regimes, vornehmlich des Volksgerichtshofs, die <strong>in</strong> den Jahren 1942–45 im<br />

Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> h<strong>in</strong>gerichtet worden waren, aus Reihengräbern <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Sammelgrab umgebettet, das die Bezeichnung „Sammelgrab II/KZ Ehrenha<strong>in</strong> II“ erhielt.<br />

Damit sollte e<strong>in</strong>e würdige letzte Ruhestätte geschaffen werden. Zwei der dort Bestatteten<br />

wurden Jahre später umgebettet. Das Sammelgrab II jedoch, das ausschließlich<br />

durch Bepflanzung markiert war, geriet bald <strong>in</strong> Vergessenheit. Was blieb, war e<strong>in</strong> Rasenstreifen<br />

an e<strong>in</strong>er Hecke, aber nichts, das irgend jemanden zum Innehalten oder gar Nachdenken<br />

hätte veranlassen können. Nur wer E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Lagepläne der Friedhofsverwaltung<br />

hatte, wusste, dass sich hier e<strong>in</strong> Grab befand. Und Marie-Luise Schultze-Jahn wusste<br />

es. Sie war die Freund<strong>in</strong> von Hans Leipelt gewesen, der an der besagten Stelle se<strong>in</strong>e letzte<br />

Ruhestätte gefunden hat. Sie erwirkte, dass zu Leipelts 75. Geburtstag am 18. Juli 1996<br />

endlich e<strong>in</strong> Grabste<strong>in</strong> errichtet wurde, der die Namen aller dort Bestatteten trägt. Damit<br />

wurden die Toten aus der Anonymität geholt, die ihnen das <strong>NS</strong>-Regime zugedacht hatte.<br />

Karl Alt, der von 1934 bis 1945 <strong>in</strong> <strong>Stadelheim</strong> als evangelischer Gefängnisgeistlicher<br />

wirkte und viele Todeskandidaten auf ihrem letzten Weg begleitet hat, hat bereits 1946 auf<br />

diesen Akt bewusster Entwürdigung h<strong>in</strong>gewiesen:<br />

„Sogar die Herausgabe und Bestattung der Leichen der <strong>H<strong>in</strong>gerichtet</strong>en (auf eigene<br />

Kosten der H<strong>in</strong>terbliebenen) wurde bei politischen ,Verbrechern’ verweigert, sie mussten<br />

den Anatomien übergeben oder, als diese wegen Überfüllung nicht mehr aufnahmefähig<br />

waren, <strong>in</strong> Massengräber e<strong>in</strong>gescharrt werden und erhielten weder Kreuz noch Namensschild,<br />

sodass die Stätte ihrer letzten Ruhe bei vielen nicht mehr auff<strong>in</strong>dbar ist.“ 1<br />

Fünfzig Jahre später ist die letzte Ruhestätte auff<strong>in</strong>dbar, die Namen s<strong>in</strong>d auf dem Grabste<strong>in</strong><br />

vermerkt. Das ist wichtig und doch nicht genug, denn die Aufhebung der Anonymität<br />

ist erst dann wirklich gelungen, wenn sich mit dem Namen auch die Vorstellung von e<strong>in</strong>em<br />

Menschen und se<strong>in</strong>er Lebensgeschichte verb<strong>in</strong>det. Dies will die vorliegende Publikation<br />

leisten.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus erlaubt die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den Schicksalen jener 93 Männer<br />

aus der Tschechoslowakei, aus Deutschland, Österreich und Polen, die im Sammelgrab II<br />

bestattet s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>en historischen E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Entwicklung und Funktionsweise der nationalsozialistischen<br />

Terrorjustiz und <strong>in</strong> die Vielfalt, Internationalität und auch die Widersprüchlichkeit<br />

des Phänomens „Widerstand“.<br />

Irene Stuiber Jürgen Zarusky<br />

1 Karl Alt: Überschreiten von Grenzen. Strafgefängis <strong>München</strong> <strong>Stadelheim</strong> zwischen 1934 und 1945: Der evangelische<br />

Seelsorger und Zeitzeuge Karl Alt begleitet die zum Tode Verurteilten bis zu ihrer H<strong>in</strong>richtung. <strong>München</strong> 1994,<br />

S. 17. Es handelt sich hierbei um e<strong>in</strong>e Neuauflage des Er<strong>in</strong>nerungsbuches von Karl Alt, das bereits 1946 <strong>in</strong> <strong>München</strong><br />

unter dem wesentlich prägnanteren Titel „Todeskandidaten. Erlebnisse e<strong>in</strong>es Seelsorgers im Gefängnis <strong>München</strong>-<br />

<strong>Stadelheim</strong> mit zahlreichen im Hitlerreich zum Tode verurteilten Männern und Frauen“ erschien.<br />

7


Jürgen Zarusky<br />

E<strong>in</strong>leitung: <strong>NS</strong>-Justiz und Widerstand<br />

Die Konjunktur der Guillot<strong>in</strong>e<br />

In ihren ideologischen Hassphantasien malten sich die Nationalsozialisten gerne aus, wie<br />

sie mit ihren Fe<strong>in</strong>den umspr<strong>in</strong>gen würden, wenn sie an der Macht wären. Das „Aufhängen“<br />

und „Köpfe rollen lassen“ spielte <strong>in</strong> derlei Tagträumen e<strong>in</strong>e zentrale Rolle. Der Reichstagsbrand<br />

vom 27./28. Februar 1933 lieferte den Anlass, mit der Verwirklichung dieser Visionen<br />

zu beg<strong>in</strong>nen. Die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“<br />

vom 28. Februar 1933 hob nicht nur zentrale, <strong>in</strong> der Weimarer Verfassung verankerte Grundrechte<br />

auf, sondern erhöhte auch für e<strong>in</strong>e ganze Reihe von politischen und krim<strong>in</strong>ellen<br />

Delikten den Strafrahmen bis h<strong>in</strong> zur Todesstrafe, so etwa für Hochverrat, Brandstiftung oder<br />

Beschädigung von Eisenbahnanlagen. 2 Dah<strong>in</strong>ter stand die – jedenfalls nach außen vorgetragene<br />

– Auffassung, der Reichstagsbrand sei von den Kommunisten als Fanal für e<strong>in</strong>en<br />

revolutionären Umsturz <strong>in</strong>s Werk gesetzt worden.<br />

Der Reichstagsbrandprozess, der von September bis Dezember 1933 vor dem Reichsgericht<br />

<strong>in</strong> Leipzig stattfand, erhärtete diese These nicht. Der Fraktionsvorsitzende der KPD,<br />

Torgler, musste ebenso freigesprochen werden wie drei der Beteiligung an der Brandstiftung<br />

beschuldigte bulgarische Kommunisten, darunter der spätere Vorsitzende der Kommunistischen<br />

Internationale, Georgi Dimitroff. Als Brandstifter verurteilt wurde alle<strong>in</strong> Mar<strong>in</strong>us van<br />

der Lubbe, e<strong>in</strong> junger holländischer Anarchokommunist. 3 In e<strong>in</strong>er Flut von Briefen an das<br />

Reichsjustizm<strong>in</strong>isterium hatten vor allem lokale <strong>NS</strong>-Aktivisten se<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>richtung gefordert,<br />

was voll und ganz mit den öffentlich vorgetragenen Wünschen von Adolf Hitler übere<strong>in</strong>stimmte.<br />

4 Brandstiftung war allerd<strong>in</strong>gs zum Zeitpunkt der Tat noch nicht mit der Todesstrafe<br />

bedroht gewesen. Hitler und se<strong>in</strong> Parteifreund und Innenm<strong>in</strong>ister Frick forderten daher im<br />

Reichskab<strong>in</strong>ett, es müsse e<strong>in</strong>e rechtliche Regelung geschaffen werden, die die rückwirkende<br />

Verurteilung van der Lubbes zum Tode ermögliche. Dies stieß auf Bedenken der konservativen<br />

Mitglieder der Regierung Hitler. Insbesondere Staatssekretär Schlegelberger vom<br />

Justizm<strong>in</strong>isterium verwies darauf, dass e<strong>in</strong> solches Vorgehen gegen den Grundsatz nulla<br />

poena s<strong>in</strong>e lege, das Rückwirkungsverbot, verstoßen würde, welches die „wichtigste Kulturgrundlage<br />

des Strafrechts“ bilde. Die Annahme des Ermächtigungsgesetzes vom 23. März<br />

1933, das der Regierung die Gesetzgebungskompetenz übertrug, ermöglichte es, den ebenfalls<br />

skeptischen Reichspräsidenten von H<strong>in</strong>denburg zu umgehen, und am 29. März nahm<br />

das Reichskab<strong>in</strong>ett das von Schlegelberger pflichtschuldigst und entgegen se<strong>in</strong>er ursprünglichen<br />

Bedenken entworfene „Gesetz über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe“ an. Es<br />

ist auch als „lex van der Lubbe“ bekannt geworden, weil es die H<strong>in</strong>richtung des 24jährigen<br />

Niederländers ermöglichte, <strong>in</strong>dem es den Strafverschärfungen der Reichstagsbrandverord-<br />

2 RGBl I 83.<br />

3 Vgl. Anklageschrift und Urteil des Reichstagsbrandprozesses <strong>in</strong>: Widerstand als „Hochverrat“ 1933–1945.<br />

Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht.<br />

Mikrofiche-Edition. Bearb. von Jürgen Zarusky und Hartmut Mehr<strong>in</strong>ger. <strong>München</strong> 1998, Verfahren<br />

15J 86/33 – XII H 42/33, Fiches 0615 ff.<br />

4 Richard J. Evans: Rituale der Vergeltung. Die Todesstrafe <strong>in</strong> der deutschen Geschichte 1532–1987. Berl<strong>in</strong> 2001,<br />

S. 747 f.; Lothar Gruchmann: Justiz im Dritten Reich 1933-1940. Anpassung und Unterwerfung <strong>in</strong> der Ära Gürtner.<br />

<strong>München</strong> 1988, S. 829.<br />

8


nung bereits rückwirkend zum 31. Januar Gültigkeit zuschrieb. 5 Die Datierung zeigt <strong>in</strong>des,<br />

dass es sich ke<strong>in</strong>eswegs um e<strong>in</strong>e ausschließlich auf den Reichstags-Brandstifter zugeschnittene<br />

Regelung handelte, denn er hatte se<strong>in</strong>e Tat ja am 27. Februar verübt. Die Botschaft dieses<br />

Gesetzes richtete sich zugleich an weitere Kreise, und das Signal war deutlich genug:<br />

Vom ersten Tag an sollte die Auflehnung gegen Hitlers Herrschaft als todeswürdig gelten.<br />

Am 10. Januar 1934 wurde van der Lubbe mit dem Fallbeil h<strong>in</strong>gerichtet. 6<br />

Die Nationalsozialisten jedoch waren damit ke<strong>in</strong>eswegs zufrieden gestellt. Der Prozess hatte<br />

ihnen zu lange gedauert und nicht die erhoffte propagandistische Wirkung gehabt, ja das<br />

frisch etablierte <strong>NS</strong>-Regime war durch die von dem e<strong>in</strong>fallsreichen kommunistischen Agitator<br />

Willi Münzenberg organisierte <strong>in</strong>ternationale Reichstagsbrand-Kampagne <strong>in</strong> der Weltöffentlichkeit<br />

sogar <strong>in</strong> die Defensive geraten und sah sich dem massiven Verdacht ausgesetzt,<br />

die Brandstiftung als politischen Coup selbst <strong>in</strong>szeniert zu haben 7. E<strong>in</strong> neues Gericht sollte<br />

daher künftig für kurzen Prozess sorgen. Se<strong>in</strong>e „Volksnähe“ sollte durch H<strong>in</strong>zuziehung von<br />

Vertretern der <strong>NS</strong>DAP und der SA gewährleistet werden. Die Zuständigkeit für Hoch- und<br />

Landesverrat wurde vom Reichsgericht auf den im Juli 1934 gegründeten Volksgerichtshof<br />

übertragen. 8 Diese Institution, die 1985 vom deutschen Bundestag e<strong>in</strong>stimmig als nationalsozialistisches<br />

Terror<strong>in</strong>strument e<strong>in</strong>gestuft wurde 9, verhängte <strong>in</strong>sgesamt gegen 5.279 Personen<br />

die Todesstrafe, d.h. gegen jeden dritten der 15.519 Angeklagten, die vor den Schranken<br />

des VGH standen. 10<br />

Allerd<strong>in</strong>gs setzte diese blutige Entwicklung nicht unmittelbar mit der Entstehung des VGH<br />

e<strong>in</strong>. Vielmehr knüpfte er zunächst sehr weitgehend an die Rechtsprechung des Reichsgerichts<br />

an, das bereits erheblich dazu beigetragen hatte, den Widerstand nicht nur der Kommunisten<br />

und anderer l<strong>in</strong>ksradikaler Gruppen, sondern auch den der Sozialdemokraten zu krim<strong>in</strong>alisieren.<br />

11 Die beim Volksgerichtshof deutlich erkennbare Tendenz zur Verschärfung der<br />

Strafen entwickelte sich zunächst vergleichsweise langsam. Von 1934 bis 1939 belief sich<br />

die Zahl der verhängten Todesurteile auf 108, 1940/41 auf 155, um dann geradezu zu explodieren:<br />

1192 Todesurteile im Jahr 1942, 1662 im Jahr 1943 und 2022 im Jahr 1944, und noch<br />

<strong>in</strong> den Monaten des Zusammenbruchs bis zum Mai 1945 wurden 140 Todesurteile gefällt. In<br />

den Jahren 1942 bis 1944 erreichte die Todesstrafenquote nahezu 50 Prozent. 12 Die Radikalisierung<br />

des VGH entspricht der allgeme<strong>in</strong>en Entwicklung des <strong>NS</strong>-Regimes, dessen Brutalität<br />

mit dem Beg<strong>in</strong>n des 2. Weltkriegs und dann vor allem mit dem Angriff auf die Sowjetunion<br />

am 22. Juni 1941 hemmungslos entfesselt wurde. Roland Freisler, der seit dem Som-<br />

5 Gruchmann, Justiz S. 826–830; Michael Förster: Jurist im Dienst des Unrechts. Leben und Werk des ehemaligen<br />

Staatssekretärs im Reichsjustizm<strong>in</strong>isterium, Franz Schlegelberger (1876-1970). Baden-Baden 1995, S. 39 ff.; Volker<br />

Epp<strong>in</strong>g: Die „Lex van der Lubbe“. Zugleich auch e<strong>in</strong> Beitrag zur Bedeutung des Grundsatzes „nullum crimen, nulla<br />

poena s<strong>in</strong>e lege“, <strong>in</strong>: Der Staat 34 (1995), S. 243–267.<br />

6 Gruchmann, Justiz, S. 830.<br />

7 Babette Gross: Willi Münzenberg. E<strong>in</strong>e politische Biographie. Stuttgart 1967, S. 257–268. Claus-Dieter Krohn:<br />

Propaganda als Widerstand? Die Braunbuch-Kampagne zum Reichstagsbrand 1933, <strong>in</strong>: Exilforschung 15 (1997),<br />

S. 10–32.<br />

8 Jürgen Zarusky: E<strong>in</strong>führung zum Erschließungsband der Mikrofiche-Edition Widerstand als „Hochverrat“ 1933–1945.<br />

<strong>München</strong> 1998, S. 11–44, hier: S. 29 ff.; leicht gekürzt auch greifbar unter dem Titel „Politischer Widerstand und<br />

Justiz im Dritten Reich“, <strong>in</strong>: Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte Band 1 (1999/2000), S. 36–87, hier: S. 66 ff.<br />

9 Bernhard Jahntz, Volker Kähne: Der Volksgerichtshof. Darstellung der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bei dem<br />

Landgericht Berl<strong>in</strong> gegen ehemalige Richter und Staatsanwälte am Volksgerichtshof. Berl<strong>in</strong> 31992, S. 48a.<br />

10 Holger Schlüter: Die Urteilspraxis des nationalsozialistischen Volksgerichtshofs. Berl<strong>in</strong> 1995, S. 37 f.<br />

11 Jürgen Zarusky: Politische Strafjustiz im nationalsozialistischen Doppelstaat, <strong>in</strong>: Jürgen Weber, Michael Piazolo<br />

(Hrsg.): Justiz im Zwielicht. Ihre Rolle <strong>in</strong> Diktaturen und die Antwort des Rechtsstaates. <strong>München</strong> 1998, S. 25–38,<br />

hier: S. 29–33.<br />

12 Schlüter, Urteilspraxis, S. 38.<br />

9


mer 1942 Präsident des VGH war, tat das se<strong>in</strong>e dazu, diese Entwicklung voranzutreiben. 13<br />

Dazu kamen neue sachliche Zuständigkeiten; vor allem diejenige für die Aburteilung der<br />

„Wehrkraftzersetzung“, die dem VGH Anfang 1943 übertragen wurde. 14 Und schließlich war<br />

mit der Expansion des <strong>NS</strong>-Regimes die Zahl se<strong>in</strong>er potentiellen Opfer gewachsen: Vor allem<br />

Angehörige des österreichischen und tschechischen, <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerem Maße auch des polnischen<br />

sowie des slowenischen und elsässischen Widerstands gerieten <strong>in</strong> die Schussl<strong>in</strong>ie der<br />

politischen Justiz des <strong>NS</strong>-Staates. 15<br />

Bemerkenswert ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang, dass die maßlose Radikalisierung nicht auf<br />

die Beiziehung von jeweils drei Laienrichtern aus <strong>NS</strong>-Organisationen und staatlichen E<strong>in</strong>richtungen<br />

zu den fünfköpfigen Senaten des VGH zurückzuführen ist, denn die Federführung<br />

<strong>in</strong> den Prozessen blieb bei den professionellen Juristen. Zwar waren viele juristische Verfahrensgarantien<br />

abgebaut und die Rechte der Verteidigung auf nahezu Null zurückgestutzt<br />

worden, dennoch blieb e<strong>in</strong> <strong>in</strong>stitutioneller Rahmen erhalten, der e<strong>in</strong>e völlig schrankenlose<br />

Willkür ausschloss. Das zeigt auch die Freispruchsquote, die sich während der gesamten<br />

Existenz des Volksgerichtshofs ungefähr zwischen fünf und zehn Prozent bewegte. 16 Dem<br />

Rechtshistoriker Holger Schlüter ist zuzustimmen, wenn er feststellt: „Gerade die Tatsache,<br />

dass der Terror mit tausenden von Todesurteilen von e<strong>in</strong>er Institution verbreitet wurde, die<br />

viele Züge e<strong>in</strong>er normalen Gerichtstätigkeit aufweist, gibt Anlass zur Besorgnis.“ 17<br />

Das gilt auch für die 1933 geschaffenen Sondergerichte. Auch hier waren viele Verfahrensgarantien<br />

abgeschafft worden, und auch gegen ihre Entscheidung gab es ke<strong>in</strong>e Rechtsmittel,<br />

doch legte die Justizverwaltung, zum<strong>in</strong>dest am Anfang, gerade deshalb Wert darauf, dass<br />

die Sondergerichte von erfahrenen Richtern geleitet wurden. Das Laienelement fehlte hier<br />

völlig. 18 Die Sondergerichte, von denen 1933 je e<strong>in</strong>es <strong>in</strong> jedem Oberlandesgerichtsbezirk<br />

gebildet, deren Zahl jedoch <strong>in</strong>sbesondere während des Krieges erheblich erhöht wurde, waren<br />

zunächst vor allem für die Aburteilung der „Heimtücke“ zuständig, also im wesentlichen<br />

für die justizielle Verfolgung von Unmutsäußerungen und Schmähkritik gegen die <strong>NS</strong>-Herrschaft<br />

ohne organisierten politischen H<strong>in</strong>tergrund. Es g<strong>in</strong>g um die justizielle Sicherung der<br />

Massenloyalität zum Regime. Auf diesem Gebiet erhielten die Sondergerichte zu Beg<strong>in</strong>n des<br />

Krieges e<strong>in</strong>e ganze Reihe weiterer Aufgaben. Verstöße gegen Kriegswirtschaftsbestimmungen<br />

etwa hatten sie ebenso zu ahnden wie „Rundfunkverbrechen“. Während des 2. Weltkriegs<br />

tobte e<strong>in</strong>e heftige Propagandaschlacht im Äther. Vorausschauend hatte der M<strong>in</strong>isterrat<br />

für Reichsverteidigung unter Hermann Gör<strong>in</strong>g am 1. September 1939 e<strong>in</strong>e „Verordnung<br />

über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ erlassen, die das Hören von „Fe<strong>in</strong>dsendern“<br />

unter Strafe stellte und für die Verbreitung von Nachrichten solcher Rundfunkstationen sogar<br />

die Todesstrafe vorsah. 19<br />

13 Walter Wagner: Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat. Stuttgart 1974, S. 832 ff. hebt die Rolle<br />

Freislers bei der Radikalisierung des VGH hervor. Schlüter, Urteilspraxis, S. 225 verweist demgegenüber vor allem<br />

auf die verschärfte Verfolgung der Tschechen nach dem tödlichen Attentat auf den Chef des Reichssicherheitshauptamtes<br />

und stellvertretenden Reichsprotektors von Böhmen und Mähren Re<strong>in</strong>hard Heydrich im Mai/Juni<br />

1942.<br />

14 Wagner, Volksgerichtshof, S. 63.<br />

15 Übersicht und Fallbeispiele ebenda, S. 442–659.<br />

16 Schlüter, Urteilspraxis, S. 38.<br />

17 Ebenda, S. 232.<br />

18 Ralph Angermund: Deutsche Richterschaft 1919–1945. Krisenerfahrung, Illusion, politische Rechtsprechung.<br />

Frankfurt a.M. 1990, S. 137 ff.<br />

19 RGBl I 1683; Elke Hilscher: Das alltägliche Verbrechen. Rundfunkvergehen im Widerspruch zum totalitären Machtanspruch,<br />

<strong>in</strong>: Ortsterm<strong>in</strong> Hamm: Zur Justiz im Dritten Reich. Hamm 1991, S. 51–55.<br />

10


Die Sondergerichte erhielten überdies e<strong>in</strong>e immer größere Bedeutung <strong>in</strong> der allgeme<strong>in</strong>en<br />

Rechtsprechung, da die Staatsanwälte mit Kriegsbeg<strong>in</strong>n die Möglichkeit bekamen, pr<strong>in</strong>zipiell<br />

jedes Delikt vor e<strong>in</strong>em Sondergericht anzuklagen, wenn sie e<strong>in</strong>e rasche Aburteilung für nötig<br />

hielten. 20 Bei Verstößen gegen die „Volksschädl<strong>in</strong>gsverordnung“ vom 5. September 1939 21<br />

sollten ebenfalls die Sondergericht tätig werden. 22 Diese Verordnung richtete sich gegen jegliche<br />

Vergehen und Verbrechen, die unter Ausnutzung der besonderen Kriegsumstände begangen<br />

wurden, und dehnte den Strafrahmen selbst bei leichten Delikten wie etwa kle<strong>in</strong>en<br />

Diebstählen bis h<strong>in</strong> zur Todesstrafe aus. In der <strong>in</strong>flationäre Anwendung der Todesstrafe, die<br />

von 1933 bis 1945 durch <strong>in</strong>sgesamt 26 Gesetze und Verordnungen ermöglicht und gefördert<br />

wurde 23, spiegelt sich die für das <strong>NS</strong>-Regime typische Entwertung des menschlichen Lebens<br />

wider.<br />

Besonders brutal kam diese Haltung gegenüber den unterworfenen Völkern und den als rassisch<br />

m<strong>in</strong>derwertig e<strong>in</strong>gestuften Gruppen zum Tragen. Im Protektorat Böhmen und Mähren,<br />

also der als autonomes Gebiet e<strong>in</strong>gegliederten „Resttschechei“, herrschte, vor allem seitdem<br />

Re<strong>in</strong>hard Heydrich dort im September als „Stellvertretender Reichsprotektor“ den kaltgestellten<br />

Konservativen Konstant<strong>in</strong> von Neurath ablöste, e<strong>in</strong> brutales Standrecht, mit dem<br />

der tschechische Widerstand gebrochen werden sollte. Dieser Terror steigerte sich noch<br />

erheblich nach dem Attentat auf Heydrich vom 27. Mai 1942, dem dieser am 4. Juni erlag.<br />

Das für Polen und Juden erlassene Sonderstrafrecht vom 4. Dezember 1941 24 bildete e<strong>in</strong>e<br />

Grundlage für harte Urteile <strong>in</strong>sbesondere gegen Polen 25, weniger gegen Juden, denn zu diesem<br />

Zeitpunkt hatte ihre systematische Ermordung bereits begonnen. Die dreizehnte Verordnung<br />

zum Reichsbürgergesetz vom 1. Juli 1943 – e<strong>in</strong>em der beiden antisemitischen Nürnberger<br />

Gesetze – verfügte denn auch lapidar: „Strafbare Handlungen von Juden werden<br />

durch die Polizei geahndet.“ 26 Aber auch die Strafhoheit gegen andere „Fremdvölkische“,<br />

vor allem Polen und aus der Sowjetunion stammende Ostarbeiter, wurde immer mehr von<br />

der Gestapo übernommen. Neben der E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong> die Arbeitserziehungs- und Konzentrationslager<br />

führte sie auch zunehmend standrechtliche H<strong>in</strong>richtungen durch. Anlässe hierfür<br />

konnten unter anderem „reichsfe<strong>in</strong>dliches Verhalten“, „schwere Diszipl<strong>in</strong>widrigkeiten“ oder<br />

der verbotene Geschlechtsverkehr mit Deutschen se<strong>in</strong>. 27<br />

Die Todesstrafenstatistik der Justiz des Dritten Reichs, <strong>in</strong> der die Lynchjustiz der Polizei nicht<br />

berücksichtigt ist, gibt also <strong>in</strong>sofern bei weitem ke<strong>in</strong> vollständiges Bild. Doch auch die Todesurteile<br />

der regulären Justiz während der ersten Kriegsjahre betrafen zu e<strong>in</strong>em großen Anteil<br />

Nichtdeutsche, so im Jahr 1942 rund 55 Prozent. 28<br />

20 Angermund, Richterschaft S. 204 f.<br />

21 RGBl. I 1679.<br />

22 Gerhard Werle: Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich. Berl<strong>in</strong>, New York 1989,<br />

S. 269.<br />

23 Nationalsozialistische Justiz und Todesstrafe. E<strong>in</strong>e Dokumentation zur Gedenkstätte <strong>in</strong> der Justizvollzugsanstalt<br />

Wolfenbüttel. Braunschweig 1991, S. 5.<br />

24 RGBl I 759.<br />

25 Als Beispiel hierzu Wolf-Dieter Mechler: Kriegsalltag an der „Heimatfront“. Das Sondergericht Hannover<br />

1939–1945. Hannover 1997, S. 203–226.<br />

26 Zit. nach Werle, Justizstrafrecht, S. 450.<br />

27 Ebenda, s. 598.<br />

28 Evans, Rituale, S. 872.<br />

11


Todesstrafe im „Großdeutschen Reich“<br />

29 Otto Hennicke: Auszüge aus der Wehrmachtskrim<strong>in</strong>alstatistik, <strong>in</strong>: Zeitschrift für Militärgeschichte 5 (1966),<br />

S. 438–456. Manfred Messerschmidt und Fritz Wüllner kommen aufgrund von Hochrechnungen zu der erheblich<br />

höheren Zahlen von ca. 35.000; Messerschmidt/Wüllner: Die Wehrmachtsjustiz im Dienst des Nationalsozialismus.<br />

Zerstörung e<strong>in</strong>er Legende. Baden-Baden 1987, S. 87; Fritz Wüllner: Die <strong>NS</strong>-Militärjustiz und das Elend der<br />

Geschichtsschreibung. E<strong>in</strong> grundlegender Forschungsbericht. Baden-Baden 1991, S.203.<br />

30 Evans, Rituale, S. 864.<br />

31 Nationalsozialistische Justiz und Todesstrafe, S. 18.<br />

32 Johann Dachs: Tod durch das Fallbeil. Der deutsche Scharfrichter Johann Reichhart (1893–1972). Mit e<strong>in</strong>em<br />

Nachwort von Friedrich-Christian Schroeder. Regensburg 1996, S. 32–40.<br />

33 Ebenda, S. 51 ff.<br />

34 Ebenda, S. 77.<br />

12<br />

Jahr Todesstrafen<br />

1933 78<br />

1934 102<br />

1935 98<br />

1936 76<br />

1937 86<br />

1938 85<br />

1939 139<br />

1940 250<br />

1941 1.292<br />

1942 4.457<br />

1943 5.336<br />

1944 4.264<br />

1945 297<br />

Summe 16.560<br />

Zusammenstellung der Zahlen nach Evans, Rituale, S. 831 (Anm. 4). Die Tabelle bezieht sich auf die Tätigkeit der<br />

zivilen Justiz, <strong>in</strong>sbesondere den Volksgerichtshof und die Sondergerichte im „Großdeutschen Reich“, d.h. Deutschland<br />

zuzüglich des Sudetenlands, Österreichs sowie der von Frankreich und Polen annektierten Gebiete. Ca. 12.000<br />

Todesurteile wurden vollstreckt. Nicht berücksichtigt ist die Tätigkeit deutscher Gerichte <strong>in</strong> den besetzten Ländern,<br />

ebensowenig die der Militärjustiz, die m<strong>in</strong>destens 25.000 Todesurteile verhängt hat. 29<br />

Scharfrichter Reichhart und se<strong>in</strong> Gewerbe<br />

Während an der Verhängung der Tausenden von Todesurteilen e<strong>in</strong>e große Anzahl von Richtern<br />

des Dritten Reichs beteiligt war, bildeten die Vollstrecker nur e<strong>in</strong>en ganz kle<strong>in</strong>en Personenkreis.<br />

Die Zahl der Scharfrichter erreichte 1944 mit zehn ihren Gipfelpunkt. Diese arbeiteten<br />

mit <strong>in</strong>sgesamt 38 Gehilfen zusammen 30, von denen jeweils drei bei e<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>richtung<br />

zum E<strong>in</strong>satz kamen. 31 Für Bayern war während der ganzen <strong>NS</strong>-Herrschaft Johann Reichhart<br />

zuständig. Er hatte se<strong>in</strong> Amt bereits 1924 als Nachfolger se<strong>in</strong>es Onkels Franz Xaver Reichhart<br />

angetreten. 32 Es brachte ihm zunächst allerd<strong>in</strong>gs nur e<strong>in</strong> Zubrot e<strong>in</strong>. Er war darauf angewiesen,<br />

sich die Basis se<strong>in</strong>es Lebensunterhalts mit allerhand Gewerben zu verdienen. So<br />

versuchte er sich als Gastwirt, Verlagsvertreter und Tanzlehrer. 33 Mit der Machtübernahme<br />

des Nationalsozialismus brachen für den Scharfrichter <strong>in</strong>des bessere Zeiten an. Die Etablierung<br />

des <strong>NS</strong>-Regimes, dem er von Anfang an mit Sympathie gegenüberstand 34, eröffnete<br />

ihm neue Chancen. Im Juni 1933 erhielt er bereits e<strong>in</strong>en Vertrag mit erheblich verbesserten<br />

Bed<strong>in</strong>gungen. Se<strong>in</strong> Jahresverdienst wurde auf 3.000 Reichsmark erhöht. Dazu kam e<strong>in</strong> Angebot<br />

vom sächsischen Justizm<strong>in</strong>isterium, wo man im Juli 1933 verstanden hatte, dass „die


Vollstreckung der Todesstrafe <strong>in</strong> Zukunft wieder öfter Platz greifen wird“, aber über ke<strong>in</strong>en<br />

eigenen Scharfrichter verfügte. Reichart zögerte nicht, die zusätzliche Verdienstmöglichkeit<br />

wahrzunehmen. 35<br />

Das Zwielicht zwischen hoheitlicher Verfügung über menschliches Leben, sozialer Ächtung<br />

und düsterer Fasz<strong>in</strong>ation, <strong>in</strong> dem sich der Scharfrichter bewegte, zeigt sich symptomatisch<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er grotesken Episode aus dem Jahr 1934. Karl Valent<strong>in</strong> hatte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Panoptikum e<strong>in</strong>e<br />

Guillot<strong>in</strong>e mit e<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>richtungsszene aufgestellt. Angeregt worden war er durch die Berichte<br />

über Exekutionen von Johann Reichharts Onkel Franz Xaver, der mit Valent<strong>in</strong>s Eltern bekannt<br />

war. Für e<strong>in</strong>e möglichst realitätsgetreue Inszenierung hatte Valent<strong>in</strong> Johann Reichharts<br />

Gehilfen Hermann Donderer als Exekutor engagiert. Als der Münchner Oberstaatsanwalt<br />

durch Johann Reichhart von der Installation und der Performance erfuhr, verfügte er deren<br />

Schließung. Donderer wurde entlassen. Reichhart ersetzte ihn durch se<strong>in</strong>en jüngeren Bruder<br />

Georg. Donderers Versuch, sich an Reichhart als dem verme<strong>in</strong>tlichen Verursacher se<strong>in</strong>es<br />

Malheurs zu rächen, <strong>in</strong>dem er ihn als Kommunisten denunzierte, hatte ke<strong>in</strong>en Erfolg. Reichhart<br />

hatte durch se<strong>in</strong> Insistieren auf der Würde se<strong>in</strong>es Amtes se<strong>in</strong>e Position gefestigt und<br />

erhielt im Dezember 1934 im Zuge e<strong>in</strong>er vom Reichsjustizm<strong>in</strong>isterium durchgeführten Reorganisation<br />

des Exekutionswesen als e<strong>in</strong>er von drei Scharfrichtern <strong>in</strong> Deutschland den süddeutschen<br />

Bezirk zugewiesen. Neben se<strong>in</strong>em festen Gehalt erhielt er für jede H<strong>in</strong>richtung<br />

60 Mark; se<strong>in</strong>e Gehilfen bekamen denselben Betrag. 36<br />

Den Gehilfen oblag es, den Del<strong>in</strong>quenten <strong>in</strong> die richtige Position unter das Fallbeil zu br<strong>in</strong>gen,<br />

das vom Scharfrichter bedient wurde. Alle Beteiligten hatten, wie es <strong>in</strong> Richtl<strong>in</strong>ien des<br />

Reichsjustizm<strong>in</strong>isteriums für den Scharfrichter heißt „<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dem Ernst der Handlung entsprechenden<br />

Kleidung zu ersche<strong>in</strong>en“. 37 Näheres führte e<strong>in</strong>e ältere Kleiderordnung aus, die<br />

für den Scharfrichter selbst Gehrock und schwarzen Zyl<strong>in</strong>der vorsah, während von den Gehilfen<br />

nur das Auftreten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dunklen Anzug erwartet wurde. 38 Die Kleidungsvorschriften<br />

bildeten lediglich e<strong>in</strong> Element der strengen Ritualisierung, der die Vollstreckung der Todesstrafe<br />

traditionell unterlag. Unter der <strong>NS</strong>-Herrschaft nahm ihr Ritualcharakter allerd<strong>in</strong>gs<br />

immer mehr ab, teils weil die Todesstrafe zunehmend als Mittel der „Ausmerze von Volksschädl<strong>in</strong>gen“<br />

und nicht mehr als ultimative Sühne verstanden wurde, teils weil das <strong>in</strong>flationäre<br />

Anschwellen der Zahl der Todesurteile e<strong>in</strong>e Rationalisierung erforderlich machte. Obwohl<br />

während der <strong>NS</strong>-Herrschaft die Vollstreckung von Todesurteilen häufig auf Plakaten<br />

öffentlich bekanntgemacht wurde, um e<strong>in</strong>e Abschreckungswirkung zu erzielen 39, wurde der<br />

Teilnehmerkreis bei den H<strong>in</strong>richtungen selbst immer mehr e<strong>in</strong>geengt. 1934 wurde die Regelung<br />

abgeschafft, dass zwölf bürgerlichen Zeugen der Exekution beizuwohnen hätten. Sie<br />

wurde als „Auswuchs e<strong>in</strong>es liberalistischen Staatsverständnisses betrachtet“. 40 Richtl<strong>in</strong>ien<br />

vom Februar 1939 legten fest, dass außer dem Del<strong>in</strong>quenten nur der Scharfrichter und se<strong>in</strong>e<br />

drei Gehilfen, e<strong>in</strong> Vertreter der Staatsanwaltschaft, der Vorsteher der Strafanstalt sowie e<strong>in</strong><br />

Geistlicher anwesend se<strong>in</strong> durften. Der Geistliche konnte auf Wunsch e<strong>in</strong> Gebet sprechen. 41<br />

Doch im Oktober 1942 untersagte das Reichsjustizm<strong>in</strong>isterium Priestern die Teilnahme an<br />

Exekutionen. Den Anstaltsgeistlichen wurde nur noch gestattet, <strong>in</strong> der Zelle vor der Abfüh-<br />

35 Ebenda, S. 61–72.<br />

36 Evans, Rituale, S. 810 f.<br />

37 Nationalsozialistische Justiz und Todesstrafe, S. 17 ff.<br />

38 Dachs, Fallbeil, S. 83<br />

39 Beispiele bei Mechler, Kriegsalltag, S. 180 und 182.<br />

40 Evans, Rituale, S. 795.<br />

41 Ebenda.<br />

13


ung des Del<strong>in</strong>quenten e<strong>in</strong> kurzes Gebet zu sprechen. 42 Kurz zuvor war verfügt worden, dass<br />

H<strong>in</strong>richtungen künftig zu jeder Tages- und Nachtzeit stattf<strong>in</strong>den konnten, wenn auch die<br />

Nachtstunden bevorzugt wurden. Die Eröffnungsfrist, also die Zeit zwischen der Vollstreckung<br />

und ihrer Ankündigung, wurde auf acht Stunden verkürzt 43, das Urteil nicht mehr verlesen<br />

und die Anstaltsglocke nicht mehr geläutet. 44 Das Läuten hätte an den zentralen Exekutionsplätzen<br />

wohl auch ke<strong>in</strong> Ende mehr genommen.<br />

Die zeremonielle Umkleidung weist ebenso wie Karl Valent<strong>in</strong>s Persiflage auf e<strong>in</strong>e eigentümliche<br />

Fasz<strong>in</strong>ation h<strong>in</strong>, die die Tötungsprozedur auf viele Menschen auszuüben vermag und<br />

die <strong>in</strong> den als Schauspiel <strong>in</strong>szenierten öffentlichen H<strong>in</strong>richtungen früherer Zeiten geradezu<br />

zelebriert wurde. Die Würdenträger des <strong>NS</strong>-Regimes waren offenbar besonders anfällig für<br />

diese Mischung aus <strong>in</strong>fantiler Neugier, Lust am Schauder und Freude an der Grausamkeit.<br />

So verteidigte der Justizstaatssekretär und nachmalige Volksgerichtshofspräsident Freisler<br />

die <strong>in</strong> Preußen noch übliche Methode des Köpfens mit dem Handbeil als ganz besonders<br />

„männlich“ und „natürlich“. 45 Der <strong>NS</strong>DAP-Gauleiter von Franken und Herausgeber des antisemitischen<br />

Hetzblattes „Der Stürmer“, Julius Streicher, ließ es sich nicht nehmen, an der<br />

H<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es Räubers aus se<strong>in</strong>em Machtbereich <strong>in</strong> <strong>München</strong> teilzunehmen. Er legte<br />

dabei größtes Interesse für die Mechanik der Guillot<strong>in</strong>e an den Tag. „Schon damals, noch vor<br />

dem Krieg, kam mir der Gedanke, wie und wo wohl der sensationslüsterne ,Frankenführer’<br />

e<strong>in</strong>mal enden würde?“ er<strong>in</strong>nerte sich später der Gefängnisgeistliche Karl Alt. 46 Adolf Hitler<br />

hatte Wert darauf gelegt, dass die Beteiligten am Umsturzversuch des 20. Juli nicht geköpft,<br />

sondern gehenkt würden. Bereits die „lex van der Lubbe“ hatte der Reichsregierung die<br />

Möglichkeit e<strong>in</strong>geräumt, diese H<strong>in</strong>richtungsart anstelle des Köpfens anzuordnen. 47 Hitler ließ<br />

die Exekution filmen, um sich anschließend an den Aufnahmen zu delektieren. 48<br />

Was für den „Führer“ e<strong>in</strong> Festakt war, war für die Scharfrichter des Deutschen Reiches<br />

längst Rout<strong>in</strong>e geworden. Johann Reichhart war bereits vor Kriegsbeg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong> so gefragter<br />

Mann und die Guillot<strong>in</strong>e e<strong>in</strong> so begehrtes Werkzeug geworden, dass die Justizbehörde sich<br />

gezwungen sah, e<strong>in</strong>en „Opel Blitz“ als Dienstreisefahrzeug anzuschaffen. 49 Unmittelbar vor<br />

Kriegsbeg<strong>in</strong>n wurde e<strong>in</strong> vierter Scharfrichter für das Reich <strong>in</strong> Dienst gestellt. Reichhart<br />

brauchte jedoch ke<strong>in</strong>e Konkurrenz zu fürchten. Durch die politischen und militärischen Eroberungen<br />

des Dritten Reichs wuchs se<strong>in</strong> Amtsbezirk erheblich an. Mitte 1940 war er Scharfrichter<br />

<strong>in</strong> Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Böhmen und Österreich und wal-<br />

42 Evans, Rituale, S. 854; Nationalsozialismus und Todesstrafe, S. 68.<br />

43 Alt sah dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e „wohltätige Abkürzung der qualvollen Wartezeit“; Alt, Überschreiten, S. 46.<br />

44 Nationalsozialismus und Todesstrafe, S. 35.<br />

45 Evans, Rituale, S. 784. Diese Methode des Köpfens wurde 1938 endgültig abgeschafft; Nationalsozialismus und<br />

Todesstrafe, S. 25.<br />

46 Alt, Überschreiten, S. 75. Streicher wurde im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher zum Tode verurteilt<br />

und am 16. Februar 1946 <strong>in</strong> Nürnberg gehenkt. Frappierend s<strong>in</strong>d die Ähnlichkeiten im Verhalten des Räubers<br />

und Streichers angesichts der H<strong>in</strong>richtung. Ersterer, so Alt, habe noch unmittelbar vor der H<strong>in</strong>richtung se<strong>in</strong>e Mutter<br />

mit gräßlichen Flüchen bedacht. Über die Exekution Streichers schreibt der amerikanische Hauptankläger des Nürnberger<br />

Prozesses, Telford Taylor: „Streicher betrat das Gebäude und schrie ständig ,Heil Hitler!’. Er weigerte sich,<br />

se<strong>in</strong>en Namen zu nennen, spuckte Sergeant Woods an, sagte zu ihm ,E<strong>in</strong>es Tages werden die Bolschewiken sie<br />

aufhängen’ und schrie wieder ,Heil Hitler!’, als er zur Plattform h<strong>in</strong>aufstieg. Als er oben war, kreischte er: ,Purimfest<br />

1946’ [Jüdisches Fest zur Er<strong>in</strong>nerung an die Errettung des jüdischen Volkes durch Ester – JZ], und als ihm die Kapuze<br />

übergezogen wurde, rief er noch: ,Nun b<strong>in</strong> ich bei Gott, me<strong>in</strong>em Vater! Adele, me<strong>in</strong>e liebe Frau.’ Telford Taylor: Die<br />

Nürnberger Prozesse. H<strong>in</strong>tergründe, Analysen und Erkenntnisse aus heutiger Sicht. <strong>München</strong> 31996, S. 704.<br />

Sergeant Hazel Woods war laut Dachs, Fallbeil, S. 120 von Scharfrichter Reichhart <strong>in</strong> der Technik des Erhängens<br />

unterwiesen worden. Zu Woods weiterem Schicksal siehe ebenda S. 121 f.<br />

47 Victor von Gostomski, Walter Loch: Der Tod von Plötzensee. Frankfurt a. M. 1993, S. 54.<br />

48 Evans, Rituale, S. 859.<br />

49 Dachs, Fallbeil, S. 82.<br />

14


tete se<strong>in</strong>es Amtes <strong>in</strong> den Justizvollzugsanstalten Dresden, Frankfurt-Preungesheim, <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong>,<br />

Stuttgart und Wien. 50<br />

Obwohl die Sonderzahlungen für durchgeführte Exekutionen 1941 von 60 auf 40 Mark für<br />

den Scharfrichter und 30 Mark für die Gehilfen gekürzt wurden, brachte es Reichhart doch<br />

zu e<strong>in</strong>em nicht unansehnlichen Wohlstand. Alle<strong>in</strong> 1942 erhielt er neben se<strong>in</strong>em jährlichen<br />

Grunde<strong>in</strong>kommen von 3.000 Mark 35.790 Mark Sondervergütungen für 764 Enthauptungen,<br />

sowie knapp 6.000 Mark für Fahrtauslagen und als Aufwandsentschädigung. 51<br />

Die Del<strong>in</strong>quenten verbrachten meist Wochen, oft Monate im Wartestand. 52 Viele werden<br />

sich an die Hoffnung auf Begnadigung geklammert haben, doch die Chancen, Gnade zu f<strong>in</strong>den,<br />

waren im Dritten Reich ger<strong>in</strong>g. So ist für die Jahre 1943/44 e<strong>in</strong>e Begnadigungsquote<br />

von unter drei Prozent errechnet worden. 53 Von der Eröffnung bis zur H<strong>in</strong>richtung war e<strong>in</strong>e<br />

Frist von 24 auf Antrag auch von 48 Stunden gesetzt, die aber, wie oben erwähnt, 1942 auf<br />

acht Stunden verkürzt wurde. Die eigentliche H<strong>in</strong>richtung dauerte <strong>in</strong> der Regel meist weniger<br />

als e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>ute. 54 Reichhart bemühte sich, den Vorgang durch technische Neuerungen<br />

an der Guillot<strong>in</strong>e zu beschleunigen. Dabei hat wohl kaum alle<strong>in</strong> das Motiv, den Del<strong>in</strong>quenten<br />

die Qual des Wartens zu verkürzen, e<strong>in</strong>e Rolle gespielt. Neben der technischen Innovationsfreude<br />

lag es wohl auch im Interesse des Scharfrichters, die Prozedur abzukürzen, die ihn<br />

offenbar psychisch doch nicht völlig unberührt ließ. Immerh<strong>in</strong>, so bemerkt Pfarrer Alt, habe<br />

er sich vor den H<strong>in</strong>richtungen jeweils „kräftig mit Alkohol versorgt“. 55<br />

Von 1924 bis 1945 richtete Johann Reichhart 3.009 Menschen h<strong>in</strong>, davon 250 Frauen. Mehr<br />

als 90 Prozent der Exekutionen, nämlich 2.805, fielen <strong>in</strong> die Jahre 1940 bis 1945. 56 Auch<br />

von den 104 H<strong>in</strong>richtungen davor entfielen die meisten auf die Zeit der <strong>NS</strong>-Diktatur. 57<br />

Doch Reichharts Karriere war 1945 noch nicht zuende. Nach e<strong>in</strong>er kurzfristigen Inhaftierung<br />

durch die US-Truppen wurde er <strong>in</strong> Landsberg am Lech als Henker für verurteilte Kriegsverbrecher<br />

e<strong>in</strong>gesetzt. Zu den <strong>in</strong>sgesamt 156 Del<strong>in</strong>quenten, die ihm überantwortet wurden,<br />

gehörte unter anderem Oswald Pohl, der als ehemaliger Chef des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes<br />

unter anderem als Adm<strong>in</strong>istrator des KZ-Systems fungiert hatte. 58<br />

Se<strong>in</strong>em Biographen Johann Dachs zufolge weigerte sich Reichhart nach e<strong>in</strong>er Exekution von<br />

14 SS-Angehörigen am 1. April 1946, weitere H<strong>in</strong>richtungen durchzuführen, da zwei der Gehenkten<br />

unschuldig gewesen und nur aufgrund von Namensverwechslungen verurteilt worden<br />

seien. „Lieber <strong>in</strong>s Loch, als noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en Unschuldigen ermorden“, zitiert Dachs<br />

den Scharfrichter 59, von dem derlei Skrupel aus der <strong>NS</strong>-Zeit nicht bekannt geworden s<strong>in</strong>d.<br />

50 Ebenda, S. 103.<br />

51 Dachs, Fallbeil, S. 104; Dachs bezieht diese E<strong>in</strong>künfte auf das Jahr 1943, doch betrug die Zahl der von Reichhart<br />

durchgeführten Exekutionen nach Evans im Jahr 1943 876, 756 dagegen im Jahr 1942; vgl. Evans, Rituale, S. 865.<br />

52 So verbrachte etwa der wegen Widerstandsaktivitäten zum Tode verurteilte Münchner Jugendliche Walter Kl<strong>in</strong>genbeck<br />

bis zu se<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>richtung fast elf Monate <strong>in</strong> <strong>Stadelheim</strong>. Jürgen Zarusky: „... nur e<strong>in</strong>e Wachstumskrankheit“?<br />

Jugendwiderstand <strong>in</strong> Hamburg und <strong>München</strong>, <strong>in</strong>: Dachauer Hefte 7 (1991): Solidarität und Widerstand,<br />

S. 210–229, hier: S. 224.<br />

53 Gostomski/Loch, Tod, S. 56.<br />

54 Dachs, Fallbeil, S. 78 ff. spricht von drei bis vier M<strong>in</strong>uten, H<strong>in</strong>richtungsprotokolle geben jedoch <strong>in</strong> der Regel<br />

kürzere Zeiten an; vgl. Gostomski/Loch, Tod, S. 58 f.<br />

55 Alt, Überschreiten, S. 51.<br />

56 Dachs, Fallbeil, S. 136.<br />

57 Ebenda, S. 141.<br />

58 Ebenda, S. 119.<br />

59 Ebenda, S. 120.<br />

15


Im Grunde hatte Reichhart damit e<strong>in</strong>es der klassischen Argumente gegen die Todesstrafe<br />

vorgebracht, nichtsdestoweniger trat er 1963 als Ehrenmitglied des <strong>in</strong> Köln gegründeten<br />

„Vere<strong>in</strong>s zur Wiedere<strong>in</strong>führung der Todesstrafe“ öffentlich für dessen Ziele e<strong>in</strong>. 60 Zu diesem<br />

Zeitpunkt lag e<strong>in</strong> tiefer Absturz h<strong>in</strong>ter ihm: Im Mai 1947 war er <strong>in</strong>s Internierungslager Moosburg<br />

e<strong>in</strong>geliefert worden, dessen Insassen ihn als Hochverräter, Feigl<strong>in</strong>g und Henker der<br />

Amerikaner beschimpften und so sehr drangsalierten, dass er versuchte, sich durch Aufschneiden<br />

der Pulsadern das Leben zu nehmen. In e<strong>in</strong>er Spruchkammerverhandlung wurde<br />

er Ende 1948 zu zwei Jahren Haft im Internierungslager, E<strong>in</strong>ziehung von 50 Prozent se<strong>in</strong>es<br />

Vermögens, Verlust der Rentenansprüche und weiteren Restriktionen verurteilt. In der Berufung<br />

erreichte er Ende 1949 nur die Reduzierung der Haftstrafe, die mit den e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahren<br />

Untersuchungshaft als abgegolten e<strong>in</strong>gestuft wurde. Reichharts gerade erst 23jähriger<br />

Sohn Hans nahm sich offenbar unter dem E<strong>in</strong>druck dieser Sanktionen und der sozialen Ächtung<br />

se<strong>in</strong>es Vaters im Jahr darauf das Leben. Johann Reichhart starb e<strong>in</strong>sam und verarmt im<br />

Jahr 1972. 61<br />

Facetten des Widerstands<br />

Die 93 Männer, die <strong>in</strong> dem Sammelgrab auf dem Friedhof am Perlacher Forst beerdigt s<strong>in</strong>d,<br />

hatten nicht so funktioniert, wie es die <strong>NS</strong>-Machthaber von ihnen erwarteten. Nicht alle<br />

hatten bewussten politischen Widerstand geleistet; e<strong>in</strong>ige wollten sich nur bestimmten Zumutungen<br />

des <strong>NS</strong>-Systems nicht fügen, und es s<strong>in</strong>d auch e<strong>in</strong>zelne zwiespältige Charaktere<br />

<strong>in</strong> dieser eigenartigen, erst post mortem entstandenen Gruppe zu f<strong>in</strong>den. Aus der Sicht der<br />

Machthaber des <strong>NS</strong>-Staats und der ihnen dienenden Juristen gehörten sie alle <strong>in</strong> e<strong>in</strong> und dieselbe<br />

Kategorie: Sie waren Fe<strong>in</strong>de, die es zu vernichten galt. Doch nicht nur ihre Nationalitäten,<br />

auch ihre politischen Überzeugungen, ihre Handlungsweisen und der jeweilige H<strong>in</strong>tergrund,<br />

vor dem sich diese entfalteten, waren höchst unterschiedlich.<br />

In Deutschland 62 g<strong>in</strong>g der zahlenmäßig stärkste Widerstand von der sozialistischen Arbeiterbewegung<br />

und hier vor allem von den Kommunisten aus. Der Versuch, e<strong>in</strong>en massenhaften<br />

Widerstand zu organisieren, endete für Tausende <strong>in</strong> Gefängnissen und Konzentrationslagern,<br />

und bis zirka 1936/37 war von den illegalen Organisationen bis auf kle<strong>in</strong>e Reste nichts mehr<br />

übrig. Die Erfolge des <strong>NS</strong>-Regimes <strong>in</strong> der Außenpolitik und beim Abbau der Arbeitslosigkeit<br />

taten das Ihre dazu, dass seitens der Arbeiterbewegung <strong>in</strong> den folgenden Jahren nur e<strong>in</strong><br />

„Widerstand auf kle<strong>in</strong>er Flamme“ (Mehr<strong>in</strong>ger) existierte.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs entwickelten sich ab 1937/38, als sich Hitlers verhängnisvoller Kriegskurs konkretisierte,<br />

die ersten Ansätze e<strong>in</strong>er Opposition seitens des Militärs und nationalkonservativer<br />

Eliten. In teils wechselnder personeller Zusammensetzung bestand die Verschwörung,<br />

die mehrere Anläufe zur Entmachtung Hitlers unternahm, bis zum gescheiterten Attentat<br />

Stauffenbergs am 20. Juli 1944.<br />

Ihre Strategie zielte auf e<strong>in</strong>en Staatsstreich, der natürlich Teilhabe an den Machtmitteln des<br />

Regimes voraussetzte und dessen Gel<strong>in</strong>gen von e<strong>in</strong>er ganzen Reihe von Faktoren abhängig<br />

war. Der Umsturz scheiterte, weil Hitler das Attentat überlebte und die Loyalität zu ihm<br />

und se<strong>in</strong>er Herrschaft <strong>in</strong> der Militärelite so groß war, dass die Widerständler nach dem Miss-<br />

60 Ebenda, S. 140.<br />

61 Ebenda, S. 126–141.<br />

62 Überblicksdarstellung: Hartmut Mehr<strong>in</strong>ger: Widerstand und Emigration. Das <strong>NS</strong>-Regime und se<strong>in</strong>e Gegner.<br />

<strong>München</strong> 1997. Mit Überblicks- und Sachartikeln zu e<strong>in</strong>zelnen Aspekten: Wolfgang Benz, Walter H. Pehle (Hrsg.):<br />

Lexikon des deutschen Widerstandes. Frankfurt a.M. 1994.<br />

16


l<strong>in</strong>gen des Anschlags auf den „Führer“ auf verlorenem Posten standen. In breiten Kreisen<br />

der Bevölkerung rief das Attentat ehrliche Empörung hervor, e<strong>in</strong>e Stimmung, die sich noch<br />

<strong>in</strong> den ersten Jahren der Nachkriegszeit <strong>in</strong> weit verbreiteten abschätzigen Urteilen über die<br />

angeblichen „Landesverräter“ des 20. Juli äußerte.<br />

Auch andere Widerstandsgruppen mussten die Erfahrung machen, dass sie <strong>in</strong> der deutschen<br />

Gesellschaft ziemlich alle<strong>in</strong> und verloren waren. Auch wenn es verbreitete Unmutsäußerungen<br />

über die Lasten gab, die das <strong>NS</strong>-Regime den Deutschen aufbürdete, auch wenn das<br />

Abhören ausländischer Rundfunksender e<strong>in</strong> Massendelikt war 63 – den Schritt zu e<strong>in</strong>er bewussten<br />

und aktiven politischen Opposition taten nur sehr wenige. Die Gruppen, die ke<strong>in</strong>en<br />

Zugang zu Machtmitteln hatten, waren auf den Versuch angewiesen, e<strong>in</strong>e Gegenöffentlichkeit<br />

zum Regime herzustellen, die dessen Legitimität und die Gefolgsbereitschaft der<br />

Bevölkerung untergraben sollte.<br />

Letztlich lief das auf die Vorbereitung e<strong>in</strong>er ant<strong>in</strong>azistischen Revolution h<strong>in</strong>aus. Weder die<br />

kommunistischen und KP-nahen Widerstandsgruppen, die vor allem nach dem deutschen<br />

Angriff auf die Sowjetunion <strong>in</strong> Hamburg, Berl<strong>in</strong>, im Ruhrgebiet, <strong>in</strong> Mitteldeutschland und <strong>in</strong><br />

<strong>München</strong> entstanden, noch die wenigen eher westorientierten Zusammenschlüsse junger<br />

Leute, bei denen an erster Stelle die Weiße Rose zu nennen ist, hatten damit allerd<strong>in</strong>gs Erfolg.<br />

Zahlenmäßig erreichten alle diese Gruppen bei weitem nicht die Stärke, die der frühe<br />

Widerstand gehabt hatte.<br />

Der Widerstands <strong>in</strong> Österreich 64 entfaltete sich unter etwas anderen Bed<strong>in</strong>gungen als der<br />

deutsche, obwohl auch <strong>in</strong> Österreich der Nationalsozialismus über e<strong>in</strong>e relativ breite Massenbasis<br />

verfügte und der „Anschluss“ ans deutsche Reich vom März 1938 über dieses Lager<br />

h<strong>in</strong>aus von Anhängern der großdeutschen Idee begrüßt wurde. Allerd<strong>in</strong>gs wuchs <strong>in</strong> den Jahren<br />

der nationalsozialistischen Herrschaft das Österreichbewusstse<strong>in</strong> erheblich an. Dieser<br />

Prozess wurde überdies von den Kriegsgegnern Deutschlands unterstützt: In der Moskauer<br />

Deklaration der USA, Großbritanniens, der Sowjetunion und Ch<strong>in</strong>as vom 1. November 1943<br />

wurde nicht nur die Wiederherstellung e<strong>in</strong>er österreichischen Republik reklamiert, sondern<br />

die Österreicher wurden darüber h<strong>in</strong>aus aufgefordert, e<strong>in</strong>en eigenständigen Beitrag zu ihrer<br />

Befreiung vom Nazismus zu leisten, wobei betont wurde, dass dieser Beitrag E<strong>in</strong>fluss auf die<br />

künftige <strong>in</strong>ternationale Stellung des Landes haben werde. Für die Wiederherstellung traten<br />

die österreichischen Kommunisten ebenso e<strong>in</strong> wie die konservativ-katholischen Österreichtraditionalisten<br />

und die Legitimisten, die sich für die Restauration der Habsburgermonarchie e<strong>in</strong>setzten.<br />

Diese beiden Lager – die Grenzen zwischen Traditionalisten und Legitimisten s<strong>in</strong>d<br />

fließend – bildeten die größten Gruppen des österreichischen Widerstands. Auch hier waren<br />

die Kommunisten zahlenmäßig am stärksten, aber ihr quantitatives Übergewicht war nicht<br />

ganz so stark wie <strong>in</strong> Deutschland. E<strong>in</strong>e Besonderheit war überdies, dass sehr viele Aktivisten<br />

des kommunistischen Widerstandes ehemalige Sozialdemokraten, <strong>in</strong>sbesondere Mitglieder<br />

des paramilitärischen „Schutzbundes“, waren, die erst nach dem niedergeschlagenen Aufstand<br />

vom Februar 1934 und der Etablierung des austrofaschistischen Ständestaates zur KP<br />

gestoßen waren. Die Sozialdemokraten bzw. Revolutionären Sozialisten spielten h<strong>in</strong>gegen<br />

e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Rolle.<br />

Während <strong>in</strong> Deutschland der Widerstand bereits <strong>in</strong> den ersten Jahren des Regimes durch die<br />

harte Verfolgung weitgehend dezimiert worden war, war der österreichische Widerstand <strong>in</strong><br />

den ersten Jahren nach dem Anschluss zahlenmäßig noch relativ stark und wurde nicht zu-<br />

63 Elke Hilscher: Das alltägliche Verbrechen. Rundfunkvergehen im Widerspruch zum totalitären Machtanspruch,<br />

<strong>in</strong>: Ortsterm<strong>in</strong> Hamm: Zur Justiz im Dritten Reich. Hamm 1991, S. 51–55.<br />

64 Grundlegende Darstellung: Radomír Luza: Der Widerstand <strong>in</strong> Österreich 1938 –1945. Wien 1985.<br />

17


letzt deshalb von der sich seit Kriegsbeg<strong>in</strong>n immer mehr radikalisierenden <strong>NS</strong>-Justiz mit<br />

besonderer Härte verfolgt. In Deutschland gab es kaum Formen bewaffneten Widerstands,<br />

abgesehen von e<strong>in</strong>igen Attentatsversuchen, von denen die Anschläge auf Hitler, die Johann<br />

Georg Elser 1939 und Claus von Stauffenberg 1944 durchführten, die e<strong>in</strong>zigen waren, die<br />

diesen und se<strong>in</strong> Regime wirklich gefährdeten. In Österreich h<strong>in</strong>gegen kooperierten Angehörige<br />

der slowenischen Bevölkerungsgruppe, aber auch österreichische Kommunisten <strong>in</strong> den<br />

Grenzbezirken zu Jugoslawien mit den Titopartisanen. Auch im Salzkammergut und <strong>in</strong> Tirol<br />

gab es kle<strong>in</strong>e Gruppen von Bewaffneten, die sich <strong>in</strong> die Berge zurückgezogen hatten, und<br />

dann vor allem am Kriegsende halfen, die Macht des Nationalsozialismus endgültig zu brechen.<br />

In Wien scheiterte am Kriegsende e<strong>in</strong> mit der heranrückenden Roten Armee koord<strong>in</strong>ierter<br />

Aufstandsplan, aber e<strong>in</strong>zelne Kampfgruppen, die davon nicht unterrichtet waren,<br />

lieferten sich Gefechte mit deutschen Truppen. Insgesamt war der Wert der bewaffneten Aktionen<br />

sicherlich weniger <strong>in</strong> militärischen als <strong>in</strong> moralisch-nationalen Kategorien zu messen.<br />

Der tschechische Widerstand 65 war von vornehere<strong>in</strong> e<strong>in</strong> nationaler Widerstand. Dies drückte<br />

sich unter anderem dar<strong>in</strong> aus, dass zwischen der tschechischen Protektoratsregierung, den<br />

Gruppen des Widerstands und dem von London aus agierenden Chef der tschechischen Exilregierung<br />

Eduard Benes Verb<strong>in</strong>dungen bestanden. Die deutsche Besatzungspolitik verfolgte<br />

zwei mite<strong>in</strong>ander unvere<strong>in</strong>bare Ziele: Volkstumspolitisch sollte die tschechische Nation durch<br />

Maßnahmen der Germanisierung aber auch der Vertreibung aufgelöst werden, jedoch stand<br />

zunächst die Ausnutzung des tschechischen Industriepotentials für die deutsche Kriegführung<br />

im Vordergrund. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion, die <strong>in</strong> weiten Kreisen<br />

der tschechischen Bevölkerung als slawischer Bruder und möglicher Retter vor der<br />

Germanisierung betrachtet wurde, stieg die Widerstandsaktivität erheblich an. Streiks, Sabotageakte,<br />

aber auch Flüsterpropaganda und Bummelantentum nahmen erheblich zu. Möglicherweise<br />

war diese Entwicklung e<strong>in</strong> Grund für die Ernennung Re<strong>in</strong>hard Heydrichs zum<br />

„stellvertretenden Reichsprotektor“, der die Geschäfte des wegen e<strong>in</strong>er angeblichen Erkrankung<br />

beurlaubten konservativen Diplomaten Konstant<strong>in</strong> von Neurath übernahm. Mit dem<br />

Auftreten des SS-Obergruppenführers und Chefs des Reichssicherheitshauptamtes im<br />

Reichsprotektorat am 27. September 1941 erhöhte sich schlagartig der Verfolgungsdruck<br />

auf den tschechischen Widerstand, der sich aus den tragenden Parteien der ersten Tschechischen<br />

Republik, Offizieren der aufgelösten Armee und den Anhängern der Kommunistischen<br />

Partei rekrutierte, jedenfalls schlagartig. Über weite Teile des Landes wurde noch am<br />

selben Tag der Ausnahmezustand verhängt, der mit der E<strong>in</strong>führung der Standgerichtsbarkeit<br />

e<strong>in</strong>herg<strong>in</strong>g. Den M<strong>in</strong>isterpräsidenten der Protektoratsregierung Alois Eliás ließ Heydrich<br />

ebenfalls noch am Tage se<strong>in</strong>es Amtsantritts verhaften und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em unter Umgehung der<br />

Reichsanwaltschaft anberaumten Eilverfahren drei Tage später vom Volksgerichtshof unter<br />

Georg Thierack wegen Hochverrat und Fe<strong>in</strong>dbegünstigung zum Tode verurteilen. Im September<br />

1940 hatte Hitler noch angeordnet, dass ke<strong>in</strong>e größeren Verfahren gegen den tschechischen<br />

Widerstand vor dem Volksgerichtshof durchgeführt werden sollten, um ke<strong>in</strong>e Märtyrer<br />

zu schaffen. Am 10. Oktober 1941 teilte Heydrich dem Präsidenten des Volksgerichtshofes<br />

mit, dass diese Entscheidung h<strong>in</strong>fällig geworden sei. 66 Die justizielle Verfolgung des<br />

tschechischen Widerstandes wurde damit zu e<strong>in</strong>em der zentralen Tätigkeitsgebiete des<br />

Volksgerichtshofs. 67 Die Zahl der tschechischen Angeklagten war <strong>in</strong> der Zeit vom Herbst<br />

1941 bis zum Kriegsende so groß, dass sie sich <strong>in</strong>sgesamt auf 25 Prozent aller Angeklagten<br />

65 Grundlegend hierzu: Detlef Brandes: Die Tschechen unter deutschem Protektorat. Besatzungspolitik, Kollaboration<br />

und Widerstand im Protektorat Böhmen und Mähren. 2 Bde. <strong>München</strong> und Wien 1969 und 1975.<br />

66 Wagner, Volksgerichtshof, S. 486 f.<br />

67 Übersicht mit vielen Fallbeispielen ebenda, S. 484–632.<br />

18


eläuft, die vor dem Volksgerichtshof standen. 68 Die Verfolgung unbotmäßiger Tschechen<br />

verschärfte sich e<strong>in</strong> weiteres Mal, nachdem tschechische Fallschirmagenten am 27. Mai<br />

1942 e<strong>in</strong>en Anschlag auf Heydrich verübt hatten, dem er am 4. Mai erlag. Am 10. Juni 1942<br />

wurde die gesamte männliche Bevölkerung des Dorfes Lidice, aus dem die Attentäter stammen<br />

sollten, von Kräften der Sicherheitspolizei und des SD ermordet. 198 Frauen wurden<br />

<strong>in</strong> Konzentrationslager e<strong>in</strong>gewiesen; 98 K<strong>in</strong>der wurden zum Teil „e<strong>in</strong>gedeutscht“, d.h. ihren<br />

Familien geraubt, zum Teil <strong>in</strong> Vernichtungslager Chelmno ermordet. Insgesamt verloren <strong>in</strong><br />

dem Rachefeldzug nach Heydrichs Tod m<strong>in</strong>destens 1.700 Tschechen das Leben.<br />

Der tschechische Widerstand hatte von Anfang an e<strong>in</strong>e militärische Komponente, wie es sie<br />

<strong>in</strong> dieser Art im österreichischen geschweige denn im deutschen Widerstand nicht gegeben<br />

hat. Sie kulm<strong>in</strong>ierte im Prager Aufstand vom 5. bis 7. Mai 1945. Ehemalige Offiziere versuchten<br />

von Beg<strong>in</strong>n der deutschen Besatzung an, <strong>in</strong> der „Obrana Národa“ Kader für e<strong>in</strong>e Untergrundarmee<br />

heranzubilden, und Benes forderte nach Kriegsausbruch dazu auf, möglichst<br />

viele ausgebildete Offiziere und Soldaten zum Dienst <strong>in</strong> den tschechischen Legionen <strong>in</strong>s Ausland<br />

zu schicken. E<strong>in</strong>ige Tausend Tschechen kämpften auf alliierter Seite, und viele Tausende<br />

junger Tschechen versuchten sich diesem Kampf anzuschließen, nicht zuletzt motiviert von<br />

der Tatsache, dass die tschechischen Legionen des 1. Weltkriegs wegen ihres Beitrags zur<br />

Entstehung des tschechischen Staates legendären Ruhm genossen. Viele Versuche, <strong>in</strong>s<br />

Ausland zu gelangen und sich den Legionen anzuschließen, endeten <strong>in</strong>des vor den Schranken<br />

des Volksgerichtshofs, der <strong>in</strong> solchen Fällen zumeist die Todesstrafe verhängte, übrigens<br />

auch gegen e<strong>in</strong>e Anzahl von Polen, die sich den polnischen Legionen anschließen wollten.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs wurden Polen zunehmend der Polizeijustiz überantwortet; immer weniger erhielten<br />

das „Privileg“ e<strong>in</strong>er Gerichtsverhandlung, wobei auch die Justiz die als rassisch m<strong>in</strong>derwertig<br />

betrachteten besiegten Kriegsgegner erheblich schlechter stellte als andere Angeklagte.<br />

Die Justizvollzugsanstalt <strong>Stadelheim</strong> mit ihrer H<strong>in</strong>richtungsstätte war e<strong>in</strong>er jener Orte, an<br />

denen die tragischen Schicksalsl<strong>in</strong>ien des deutschen mit denen des europäischen Widerstandes<br />

zusammenliefen. Das Sammelgrab II auf dem Friedhof am Perlacher Forst ist e<strong>in</strong><br />

bleibendes Zeugnis dafür.<br />

68 Errechnet aus den Angaben bei Schlüter, Urteilspraxis, S. 108 und 191.<br />

19


Irene Stuiber<br />

Politische Justiz <strong>in</strong> der <strong>NS</strong>-Zeit<br />

Ermittlungsverfahren gegen politische Gegner lagen während der <strong>NS</strong>-Zeit <strong>in</strong> Händen der<br />

Gestapo. Sie beobachtete und verfolgte sowohl die <strong>in</strong>- und ausländische Opposition als<br />

auch ausländische Zivil- und Zwangsarbeiter. Bei der politischen Beherrschung der besetzten<br />

Länder spielte die Gestapo e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle. Abhängig vom Ergebnis ihrer Ermittlungen<br />

entschied sie, ob e<strong>in</strong> Fall der Staatsanwaltschaft übergeben wurde, oder sie<br />

verhängte selbst ohne jede richterliche Kontrolle Haft <strong>in</strong> den Konzentrationslagern. Häufig<br />

wurden verme<strong>in</strong>tliche oder wirkliche politische Gegner auch nach Freisprüchen vor Gericht<br />

oder nach Verbüßung e<strong>in</strong>er Gefängnisstrafe <strong>in</strong> Konzentrationslager gesperrt. Rechtsmittel<br />

gegen die KZ-Haft gab es nicht. Wurde e<strong>in</strong> Verfahren an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet,<br />

so entschied diese über die Aufnahme e<strong>in</strong>es Gerichtsverfahrens. Politische Vergehen<br />

wie die Mitarbeit <strong>in</strong> Widerstandsorganisationen, Besitz oder Weitergabe illegaler<br />

Schriften, regimekritische Äußerungen oder das verbotene Abhören ausländischer Sender<br />

wurden dem Volksgerichtshof, den Oberlandesgerichten und den Sondergerichten zugewiesen.<br />

Diese Gerichte übernahmen e<strong>in</strong>en wesentlichen Part der staatlichen Verfolgung. In<br />

allen Oberlandesgerichtsbezirken waren Spezialstrafkammern für politische Delikte, die<br />

so genannten Sondergerichte, e<strong>in</strong>gerichtet worden.<br />

Das zentrale Gericht bei der Verfolgung politischen Widerstands und nicht-systemkonformen<br />

Verhaltens während der <strong>NS</strong>-Zeit war der berüchtigte Volksgerichtshof. Die weitaus<br />

größte Zahl der Toten des Sammelgrabs II ist diesem Gericht zum Opfer gefallen. Der<br />

Volksgerichtshof verurteilte <strong>in</strong> 7.022 Verfahren <strong>in</strong>sgesamt 15.519 Personen, davon wurden<br />

5.279 Menschen zum Tode verurteilt. Nahezu die Hälfte aller Verurteilten waren Oppositionelle<br />

der besetzten Länder. 95 Prozent der Todesurteile wurden ab 1942 verhängt. Dies war<br />

nicht nur e<strong>in</strong>e Folge der zunehmenden Barbarisierung der Gesellschaft <strong>in</strong> der Kriegszeit,<br />

sondern auch die Reaktion der Justiz auf den an sie gerichteten Vorwurf allzu großer Milde<br />

<strong>in</strong> der Reichstagsrede Hitlers vom 26. April 1942. Zudem wurde der tschechische Widerstand<br />

nach dem tödlichen Attentat auf den Reichsprotektor Re<strong>in</strong>hard Heydrich im Mai<br />

1942 noch unnachgiebiger als zuvor verfolgt. E<strong>in</strong> weiterer Grund für die Zunahme der Anzahl<br />

der Todesurteile war die Übernahme der Präsidentschaft des Volksgerichtshofs durch<br />

Roland Freisler. Der Volksgerichtshof urteilte <strong>in</strong> zeitweilig bis zu sechs Senaten mit jeweils<br />

fünf Richtern über die bei ihm anhängigen Verfahren; nur der Vorsitzende und e<strong>in</strong> Beisitzer<br />

mussten Berufsrichter se<strong>in</strong>, drei weitere waren jeweils Laienrichter aus Polizei, Wehrmacht<br />

und <strong>NS</strong>DAP-Gliederungen. Die Richter des Volksgerichtshofes wurden auf Vorschlag des<br />

Reichsjustizm<strong>in</strong>isters von Hitler ernannt. Rechtsmittel gegen Urteile des Volksgerichtshofs<br />

waren nicht zulässig. Der Verurteilte hatte die Möglichkeit, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em formalisierten Gnadenverfahren<br />

um Nichtvollzug der Todesstrafe zu bitten. Die Akten weisen e<strong>in</strong>e Fülle erschütternder<br />

Bittbriefe von Eltern, Ehefrauen und K<strong>in</strong>dern der Todeskandidaten auf. Meist waren<br />

diese Gnadenbitten von vornehere<strong>in</strong> aussichtslos.<br />

Trotz umfangreicher Ermittlungsverfahren <strong>in</strong> der Nachkriegszeit wurde ke<strong>in</strong> Richter des<br />

Volksgerichtshofs durch die Justiz zur Verantwortung gezogen.<br />

20


Literatur:<br />

Boberach, He<strong>in</strong>z: Nachkriegsprozesse. In: Enzyklopädie des Nationalsozialismus.<br />

Hg. von Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß. Stuttgart 1997, S. 592– 594.<br />

Eiber, Ludwig: Verfolgung. In: Enzyklopädie des Nationalsozialismus.<br />

Hg. von Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß. Stuttgart 1997, 275–295.<br />

Hensle, Michael: Volksgerichtshof. In: Enzyklopädie des Nationalsozialismus.<br />

Hg. von Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß. Stuttgart 1997, S. 786–787.<br />

Zarusky, Jürgen: E<strong>in</strong>leitung. In: Widerstand als „Hochverrat“ 1933–1945.<br />

Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem<br />

Reichskriegsgericht. Erschließungsband zur Mikrofiche-Edition. Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte<br />

bearbeitet von Jürgen Zarusky und Hartmut Mehr<strong>in</strong>ger unter Mitwirkung von Birgit Rätsch, Katr<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong>ack,<br />

Sybille Ste<strong>in</strong>bacher, Irene Stuiber, Andreas Toppe, Heike Zahn. (Texte und Materialien zur Zeitgeschichte,<br />

Bd. 7). <strong>München</strong> 1998, S. 11–44.<br />

21


Das Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong><br />

Wesentlich älter als der seit 1931 existierende Friedhof ist das direkt daneben liegende<br />

Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong>. 1892 wurde der Grundste<strong>in</strong> zu diesem Gebäude gelegt,<br />

1901 war der Gefängnisbau mit e<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>richtungsstätte und e<strong>in</strong>er Anstaltskirche abgeschlossen.<br />

Zwischen 1895 und 1927 wurden hier 14 Todesurteile vollstreckt.<br />

Im Frühjahr 1919 wurde das Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> zum ersten Mal <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Geschichte zur Vollzugsstätte politischen Mordes: Gustav Landauer und Eugen Lev<strong>in</strong>é als<br />

führende Repräsentanten der Münchner Räterepublik wurden von als Wachmannschaften<br />

e<strong>in</strong>gesetzten Freikorpssoldaten umgebracht, neben ihnen fanden m<strong>in</strong>destens 17 ihrer Kampfgefährten<br />

<strong>in</strong> <strong>Stadelheim</strong> den gewaltsamen Tod. Unter ihnen befand sich auch die Rotkreuzschwester<br />

Maria Kl<strong>in</strong>g, die Angehörigen der Roten Truppen mit der Rot-Kreuz-Fahne W<strong>in</strong>kzeichen<br />

gegeben hatte. Sie war von e<strong>in</strong>em Standgericht freigesprochen worden, wurde<br />

dennoch nach <strong>Stadelheim</strong> abgeführt und dort von Freikorpsangehörigen erschossen, die<br />

sie regelrecht als Zielscheibe nutzten. Zum Teil waren diese Morde <strong>in</strong> <strong>Stadelheim</strong> durch<br />

Standgerichtsurteile verme<strong>in</strong>tlich rechtlich legitimiert, größtenteils jedoch waren sie Ausdruck<br />

von unverbrämtem politischen Terror. Ernst Toller, ebenfalls im Gefängnis <strong>Stadelheim</strong><br />

e<strong>in</strong>gesperrt, entg<strong>in</strong>g nur knapp e<strong>in</strong>er tödlichen Intrige, die nach den Plänen se<strong>in</strong>er Gegner<br />

mit e<strong>in</strong>em „auf der Flucht erschossen“ hätte enden sollen. Er er<strong>in</strong>nerte sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch<br />

„Justiz-Erlebnisse“, dass außen an der Gefängnismauer mit weißer Kreide stand: „Hier werden<br />

Spartakisten kostenlos zu Tode befördert.“, und: „Hier wird aus Spartakistenblut frische<br />

Blut- und Leberwurst gemacht.“<br />

Davor und <strong>in</strong> der Zeit der Weimarer Republik diente das Gefängnis im Wesentlichen der<br />

Inhaftierung von Kle<strong>in</strong>krim<strong>in</strong>ellen und Untersuchungsgefangenen. Unter diesen Strafgefangenen<br />

befand sich auch Adolf Hitler. Zwischen dem 24. Juni und dem 27. Juli 1922 saß<br />

Hitler im Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> e<strong>in</strong>. Er war wegen Landfriedensbruchs zu drei<br />

Monaten Haft verurteilt worden, zwei davon wurden ihm nach e<strong>in</strong>er Klausel des Urteils<br />

„bei guter Führung“ erlassen. Grund der Verurteilung: Hitler hatte mit se<strong>in</strong>en Anhängern<br />

gewaltsam verh<strong>in</strong>dert, dass e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Gegner, e<strong>in</strong> bayerischer Separatist, öffentlich im<br />

Löwenbräukeller sprechen konnte.<br />

E<strong>in</strong>e Verschärfung der Strafjustiz führte gegen Ende der Weimarer Republik dazu, dass Anfang<br />

der dreißiger Jahre <strong>in</strong> Deutschland die Todesstrafe wieder verhängt und vollzogen<br />

wurde. Die Nationalsozialisten machten sie zu e<strong>in</strong>em zentralen Faktor ihrer Justizpolitik. Se<strong>in</strong>en<br />

letzten <strong>in</strong>nerparteilichen Widersacher Ernst Röhm ließ Hitler im Gefängnis <strong>München</strong>-<br />

<strong>Stadelheim</strong> ohne Urteil umbr<strong>in</strong>gen: Am 1.7.1934 wurde er an diesem Ort von e<strong>in</strong>em SS-<br />

Kommando erschossen. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 veränderte<br />

das Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> se<strong>in</strong>en Charakter grundlegend: Auch politische Gefangene<br />

wurden nun e<strong>in</strong>geliefert. Das Gefängnis bekam im nationalsozialistischem Staat e<strong>in</strong>e<br />

wichtige Funktion <strong>in</strong> der Unterdrückung aller Formen von Widerstand, Opposition und<br />

nichtkonformen Verhaltens. Bis 1942 war Berl<strong>in</strong>-Plötzensee die zentrale H<strong>in</strong>richtungsstätte<br />

für alle vom Volksgerichtshof zum Tode Verurteilten gewesen, angesichts der vielen Todesurteile<br />

wurde der Vollzug dieser Justizmorde dann dezentralisiert. <strong>Stadelheim</strong> wurde zur<br />

Vollzugsstätte der Todesstrafe für das südöstliche Reichsgebiet und für Teile der besetzten<br />

Gebiete. Die Zahl der vollzogenen Todesurteile liegt weit über 1.000. E<strong>in</strong>e endgültige<br />

Klärung der genauen Daten steht noch aus.<br />

22


Die zum Tode verurteilten Menschen verbrachten häufig mehrere Monate <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er der <strong>Stadelheim</strong>er<br />

Todeszellen. Die Zahl der Todeskandidaten betrug <strong>in</strong> den letzten Jahren des 2.<br />

Weltkriegs ständig zwischen 100 und 140 Personen. Zwei H<strong>in</strong>richtungstage <strong>in</strong> der Woche<br />

wurden zur Regel. Bisweilen wurden dann über dreißig Todesurteile an e<strong>in</strong>em Tag vollzogen.<br />

Die bevorstehende H<strong>in</strong>richtung teilte man den Häftl<strong>in</strong>gen zwischen 8 und 12 Stunden<br />

vor ihrem Vollzug mit. Im Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> gab es mehrere Gefängnisgeistliche,<br />

die e<strong>in</strong>em Teil der zum Tode verurteilten Häftl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> ihren letzten Stunden beistanden.<br />

Der protestantische Pfarrer Alt hielt se<strong>in</strong>e Erlebnisse nach dem Krieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em erschütternden<br />

Buch fest, der katholische Priester Anton Maier berichtete 1953 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er öffentlichen<br />

Veranstaltung von se<strong>in</strong>en Erfahrungen.<br />

Die H<strong>in</strong>richtung selbst wurde nach e<strong>in</strong>em genau vorgeschriebenen Ritual fast fabrikmäßig<br />

vollzogen. E<strong>in</strong> Protokoll gab Aufschluss über ihre Dauer – <strong>in</strong> Sekunden. Häufig wurde der<br />

Leichnam der Ermordeten an anatomische Universitäts<strong>in</strong>stitute übergeben und noch <strong>in</strong><br />

der Nachkriegszeit zur Ausbildung von Mediz<strong>in</strong>studenten verwendet.<br />

Vor allem den Anstrengungen der Journalist<strong>in</strong> Kar<strong>in</strong> Friedrich ist es zu verdanken, dass <strong>in</strong><br />

<strong>Stadelheim</strong> heute e<strong>in</strong>e Gedenkstätte an die Opfer der Nationalsozialisten er<strong>in</strong>nert.<br />

Literatur:<br />

Alt, Karl: Überschreiten von Grenzen. Strafgefängnis <strong>München</strong> <strong>Stadelheim</strong> zwischen 1934 und 1945: Der evangelische<br />

Seelsorger und Zeitzeuge Karl Alt begleitet die zum Tode Verurteilten bis zu ihrer H<strong>in</strong>richtung.<br />

<strong>München</strong> 1994. (Neuauflage von: Alt, Karl: Todeskandidaten. Erlebnisse e<strong>in</strong>es Seelsorgers im Gefängnis<br />

<strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> mit zahlreichen im Hitlerreich zum Tode verurteilten Männern und Frauen. <strong>München</strong><br />

1946).<br />

Br<strong>in</strong>kmann, Elisabeth: Der letzte Gang. E<strong>in</strong> Priesterleben im Dienste Todgeweihter. Er<strong>in</strong>nerungen an me<strong>in</strong>en<br />

Bruder. Münster 1950.<br />

Friedrich, Kar<strong>in</strong>: Zeitfunken. Biographie e<strong>in</strong>er Familie. <strong>München</strong> 2000.<br />

Freudenreich, Johann: „Das Gefangenenviertel am Rand der Stadt.“ In: Süddeutsche Zeitung, Jg. 48, Nr. 160,<br />

14.7.1992, S. 15.<br />

Gumbel, Emil Julius: Vier Jahre politischer Mord. Berl<strong>in</strong> 1922.<br />

„In den Todeszellen von <strong>Stadelheim</strong>. Erlebnisse und Er<strong>in</strong>nerungen e<strong>in</strong>es Gefängnisgeistlichen im Dritten<br />

Reich.“ In: Münchner Stadtanzeiger Nr. 47, 27.11.1953, S. 3–4.<br />

Kershaw, Ian: Hitler 1889–1936. Stuttgart 1998.<br />

Reichelt, Stefanie: „Für mich ist der Krieg aus!“ Deserteure und Kriegsverweigerer des 2. Weltkriegs <strong>in</strong><br />

<strong>München</strong>. <strong>München</strong> 1995.<br />

Toller, Ernst: Justiz-Erlebnisse. Nachdruck Berl<strong>in</strong> 1979. Hier<strong>in</strong> auch die im Text erwähnten Zitate.<br />

Ziegler, Adolf Wilhelm: Seelsorgerlicher Beistand beim „Letzten Gang“ im Gefängnis <strong>Stadelheim</strong> während des<br />

2. Weltkriegs. In: Jahrbuch 1964 für altbayerische Kirchengeschichte. <strong>München</strong> 1964.<br />

Quellen:<br />

Justizvollzugsanstalt <strong>Stadelheim</strong>; Totenbuch.<br />

Staatsarchiv <strong>München</strong>; JVA <strong>Stadelheim</strong>.<br />

23


Sammelgrab II, (Planquadrat 77); © Kulturreferat der Landeshauptstadt <strong>München</strong><br />

24


Biographische Dokumentation zu den Toten des<br />

Sammelgrabs II auf dem Friedhof am Perlacher Forst<br />

93 Tote liegen <strong>in</strong> diesem Sammelgrab, Männer aus Deutschland, Österreich, der Tschechoslowakei<br />

und Polen. Sie wurden aufgrund so genannter politischer Straftaten zum Tode<br />

verurteilt. Manche waren überzeugte Gegner des Nationalsozialismus, aus Überzeugung<br />

bewusst im Widerstand tätig. E<strong>in</strong>ige wollten sich lediglich dem Herrschaftsbereich des<br />

Nationalsozialismus entziehen, ihren persönlichen Unmut kundtun oder sich durch das<br />

verbotene Hören von so genannten Fe<strong>in</strong>dsendern <strong>in</strong>formieren. Wieder andere passten aufgrund<br />

ihrer Herkunft oder ihres Lebensstils nicht <strong>in</strong> das strenge rassistische und biologistische<br />

Raster, mit dem die Nationalsozialisten def<strong>in</strong>ierten, wer es ihrer Me<strong>in</strong>ung nach<br />

wert war, überleben zu dürfen.<br />

Mit der Grabste<strong>in</strong>legung 1996 wurden zwar Namen und Nationalitäten der hier begrabenen<br />

Männer e<strong>in</strong>er breiteren Öffentlichkeit bekannt. Über ihr Leben wusste man allerd<strong>in</strong>gs<br />

bis auf wenige Ausnahmen kaum etwas. Diese Lücke will die hier vorliegende Veröffentlichung<br />

schließen. Die Quellenlage war dank der deutschen Vere<strong>in</strong>igung und den damit zusammenhängenden<br />

Veränderungen im Archivwesen günstig. Über erstaunlich viele der<br />

Ermordeten ließ sich Näheres <strong>in</strong> Erfahrung br<strong>in</strong>gen.<br />

Und dies, obwohl die Quellenlage diesen Nachforschungen enge Grenzen setzt. In der<br />

Regel bestehen die erhaltenen Quellen aus Gerichtsakten der nationalsozialistischen Justiz,<br />

die den biographischen H<strong>in</strong>tergrund und den so genannten Tathergang <strong>in</strong> der Regel akribisch<br />

beschreiben. Auskünfte über die persönliche Motivation der Verurteilten s<strong>in</strong>d den<br />

erhaltenen Unterlagen kaum zu entnehmen. Auch die dreiteiligen Portraits stammen aus<br />

den Akten der Staatsanwaltschaft. Der Blickw<strong>in</strong>kel des Fotografen ist klar: Er hat den Auftrag,<br />

Menschen als „Verbrecher“ abzubilden. Der wahren Persönlichkeit der dargestellten<br />

Personen werden diese Fotos nicht gerecht, aber als visuelles Dokument der nationalsozialistischen<br />

Verfolgungspraxis sollen sie dennoch ihren Platz <strong>in</strong> dieser Publikation f<strong>in</strong>den.<br />

Bisweilen wird das Sammelgrab II am Münchner Friedhof am Perlacher Forst als KZ-Ehrenha<strong>in</strong><br />

II bezeichnet. Im Gegensatz zu den über viertausend Toten des angrenzenden KZ-Ehrenha<strong>in</strong>s<br />

I starben die hier Beerdigten jedoch nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em der vielen Konzentrationslager,<br />

sondern wurden unter dem Fallbeil im Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> ermordet. Die<br />

fehlerhafte Bezeichnung spiegelt Lücken <strong>in</strong> der kollektiven Er<strong>in</strong>nerung unserer Gesellschaft.<br />

Die Toten des Sammelgrabs II wurden auf dem Friedhof am Perlacher Forst bestattet, weil<br />

er direkt an das ältere Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> angrenzt. Das Gefängnis entwickelte<br />

sich während der <strong>NS</strong>-Zeit zu e<strong>in</strong>er der zentralen H<strong>in</strong>richtungsstätten Deutschlands.<br />

Die Schicksale der 93 im Sammelgrab II am Friedhof am Perlacher Forst begrabenen<br />

Justizopfer werden im Hauptteil dieser Publikation dargestellt. Ihre Lebensgeschichten<br />

sollen, soweit möglich, <strong>in</strong> die entsprechenden nationalen Widerstandszusammenhänge<br />

e<strong>in</strong>geordnet werden. E<strong>in</strong>ige Biographien betreffen eher Randbereiche der Widerstandsgeschichte.<br />

Sie zeigen, dass politische Verfolgung oft auch Menschen traf, die sich eher<br />

zufällig e<strong>in</strong>es politischen Vergehens <strong>in</strong> den Augen der nationalsozialistischen Justiz schuldig<br />

gemacht hatten. E<strong>in</strong>e Zuordnung der Personen nach Ländern erfolgt unter Zugrundelegung<br />

der Grenzen vor der Ausweitung des nationalsozialistischen Machtbereichs, also vor dem<br />

25


KZ-Ehrenha<strong>in</strong> I; © Kulturreferat der Landeshauptstadt <strong>München</strong><br />

Anschluss Österreichs an das deutsche Reich und vor dem Münchner Abkommen, durch<br />

den das Sudetenland an Deutschland fiel. Das pervertierte Staatsangehörigkeitsrecht, mit<br />

dem die Nationalsozialisten die unter ihren E<strong>in</strong>fluss geratenen Vielvölkerstaaten zu beherrschen<br />

versuchten, macht e<strong>in</strong>e nationale Zuordnung nach anderen Kriterien sehr schwer.<br />

Persönliche Identifikationsmuster liefen häufig quer zur tatsächlichen Staatsangehörigkeit.<br />

Die Reihenfolge der Darstellung folgt der nationalsozialistischen Expansion und trägt damit<br />

auch der Entwicklung des Unterdrückungsapparats Rechnung.<br />

Daher werden zuerst die Lebensgeschichten von Menschen aus deutschem Gebiet vorgestellt.<br />

Es folgen österreichische, tschechoslowakische und polnische Biographien. Die<br />

e<strong>in</strong>zelnen Länderkapitel beg<strong>in</strong>nen zunächst mit e<strong>in</strong>er kurzen E<strong>in</strong>führung. Leider kann nicht<br />

jeder Lebenslauf und jede politische Aktivität ausführlich geschildert werden. Im Kontext<br />

der erwähnten Gruppenzugehörigkeit s<strong>in</strong>d die ausführlicher beschriebenen Biographien<br />

jedoch von exemplarischem Charakter. Zudem werden zu jedem e<strong>in</strong>zelnen der im Sammelgrab<br />

II bestatteten Menschen die biographischen Rahmendaten wiedergegeben, soweit<br />

möglich mit e<strong>in</strong>er kurzen Zusammenfassung ihrer gegen das <strong>NS</strong>-Regime gerichteten<br />

Aktivitäten. Außerhalb der nationalen Zuordnungen f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> Kapitel, das sich mit<br />

Menschen beschäftigt, die die Nationalsozialisten als „asozial“ stigmatisierten. Deren Verfolgung<br />

erfolgte offensichtlich unabhängig von nationalen Zuordnungen.<br />

26


Widerstand und Verfolgung <strong>in</strong> Deutschland<br />

Kaum waren die Nationalsozialisten an der Macht, begannen sie mit der Ausschaltung der<br />

politischen Opposition. Sie setzten wichtige Grundrechte wie die Me<strong>in</strong>ungs-, Presse- und<br />

Organisationsfreiheit außer Kraft. Die ersten Konzentrationslager – unter ihnen Dachau –<br />

wurden e<strong>in</strong>gerichtet und vor allem Mitglieder von SPD und KPD, aber auch bürgerliche Anhänger<br />

e<strong>in</strong>es demokratischen Staates, ohne jede justizielle Grundlage auf Wochen, Monate<br />

und Jahre e<strong>in</strong>gesperrt.<br />

Widerstand gegen die nationalsozialistische Politik kam <strong>in</strong> den ersten Jahren des Dritten<br />

Reiches vor allem aus der Arbeiterbewegung, bisweilen auch aus bürgerlichen Kreisen.<br />

Zahlenmäßig bei weitem am stärksten war der kommunistische Widerstand, der getragen<br />

wurde von der Erwartung e<strong>in</strong>er sozialistischen Revolution. Die hierarchische Organisation<br />

der KPD ermöglichte e<strong>in</strong>e schnelle Reorganisation nach Verhaftungen, stellte aber auch e<strong>in</strong><br />

ideales Terra<strong>in</strong> für Gestapo-Spitzel dar. Verglichen mit ihrer ger<strong>in</strong>gen Mitgliederzahl entfalteten<br />

auch die kle<strong>in</strong>eren l<strong>in</strong>ken Parteien e<strong>in</strong>e recht aktive Widerstandstätigkeit, während<br />

die sozialdemokratische Partei zurückhaltender war und e<strong>in</strong>en Schwerpunkt auf das Sammeln<br />

von Informationen legte. Bei all diesen Organisationen muss auf die enge Verb<strong>in</strong>dung<br />

zum politischen Exil h<strong>in</strong>gewiesen werden. Bis 1937 gelang es den Nationalsozialisten, diese<br />

Widerstandsgruppen im wesentlichen auszuschalten. Ihre aktiven Mitglieder saßen <strong>in</strong><br />

Gefängnissen und Konzentrationslagern oder waren <strong>in</strong>s Ausland geflüchtet.<br />

Kommunistischer Widerstand <strong>in</strong> Deutschland<br />

Wilhelm Lai, Hans Hartwimmer Johann Reis<strong>in</strong>ger und s<strong>in</strong>d dem kommunistischen Widerstand<br />

zuzurechnen. Auch die Personen, denen e<strong>in</strong>e Unterstützung e<strong>in</strong>es sowjetischen Fallschirmagenten<br />

vorgeworfen wurde, gehören <strong>in</strong> dieses Umfeld.<br />

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten hatte die unmittelbare Zerschlagung der KPD<br />

zur Folge. Die Partei konnte sich jedoch <strong>in</strong> beachtlichem Umfang <strong>in</strong> der Illegalität reorganisieren,<br />

etwa e<strong>in</strong> Zehntel aller Mitglieder der legalen Partei der Weimarer Republik zahlte<br />

1935 noch Beiträge. Auch die Nebenorganisationen der Partei, unter ihnen der Kommunistische<br />

Jugendverband Deutschlands (KJVD) wurden zunächst noch aufrechterhalten. Die<br />

Partei sah e<strong>in</strong> wesentliches Moment ihrer Widerstandstätigkeit <strong>in</strong> der massenweisen Verbreitung<br />

illegaler Literatur. Die hierarchische Struktur der Partei erwies sich als höchst störanfällig,<br />

der Gestapo gelang es, Spitzel an zentralen Stellen zu platzieren. Massenverhaftungen<br />

waren die Folge. Ab Mitte der dreißiger Jahre schließlich war die Regenerationskraft<br />

der Partei erschöpft. Dazu beigetragen hatte auch die zunehmende Fähigkeit des <strong>NS</strong>-<br />

Staats, große Teile der zunächst abwehrenden Arbeiterschaft zu <strong>in</strong>tegrieren. Die kommunistische<br />

Widerstandstätigkeit kam bis auf e<strong>in</strong>zelne Zirkel nahezu völlig zum Erliegen. Der<br />

Überfall <strong>NS</strong>-Deutschlands auf die Sowjetunion im Juni 1941 wurde zum belebenden Element<br />

der kommunistischen Widerstandstätigkeit. Unabhängig vone<strong>in</strong>ander agierten während<br />

des Krieges e<strong>in</strong>zelne Gruppen, unter ihnen die Organisation um Robert Uhrig und<br />

Beppo Römer, der, wie weiter unten ausgeführt, Hans Hartwimmer und Johann Reis<strong>in</strong>ger<br />

angehörten. Weit über 100 ihrer Mitglieder wurden vor Gericht gestellt.<br />

27


Anpassung, nichtkonformes Verhalten und Widerstand<br />

Die geschickte nationalsozialistische Propaganda, die Mitgliedschaft der meisten Menschen<br />

<strong>in</strong> <strong>NS</strong>-Massenorganisationen, die Unterdrückung der Opposition sowie die sche<strong>in</strong>bare<br />

oder tatsächliche Verbesserung der Lebensbed<strong>in</strong>gungen – dies alles führte dazu, dass<br />

e<strong>in</strong> großer Teil der Bevölkerung sich anpasste, sich konform zu den Nationalsozialisten verhielt<br />

oder sich aktiv an der politischen Machtausübung beteiligte. Gleichzeitig wurde die<br />

Unterdrückung von Menschen, deren Lebensstil nicht <strong>in</strong> das nationalsozialistische Muster<br />

passte oder die gemäß der <strong>NS</strong>-Rassenbiologie als m<strong>in</strong>derwertig bezeichnet wurden, immer<br />

härter und gnadenloser. Wer nicht im Gleichschritt mitmarschierte, musste mit Verfolgung<br />

rechnen. Die antisemitischen Maßnahmen wurden Zug um Zug verschärft, bis h<strong>in</strong> zum<br />

systematisch geplanten und durchgeführten Massenmord. Wer sich durch ausländische,<br />

d.h. im S<strong>in</strong>ne der Nazis fe<strong>in</strong>dliche, Rundfunksender <strong>in</strong>formierte oder e<strong>in</strong>e abweichende<br />

Me<strong>in</strong>ung äußerte, erlitt im schlimmsten Fall die Todesstrafe. Häufig war Denunziation der<br />

Ausgangspunkt für die justizielle Verfolgung. In diesem Zusammenhang sei auf die Biographien<br />

von Josef Bollwe<strong>in</strong>, Max He<strong>in</strong>dl und von Karl Dürr h<strong>in</strong>gewiesen.<br />

Widerstand während des Krieges<br />

Gnadenlos geurteilt wurde während der Kriegsjahre auch über Personen, die bewusst oder<br />

unwissend Angehörige alliierter Armeen unterstützt hatten. Unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

war aktiver Widerstand selten geworden. E<strong>in</strong>em breiteren Publikum bekannt geworden<br />

s<strong>in</strong>d hier neben e<strong>in</strong>igen kommunistischen und sozialistischen Gruppen vor allem die Weiße<br />

Rose (Biographie: Hans Leipelt) und der 20. Juli 1944 und se<strong>in</strong> Umfeld. Widerstandsgruppen<br />

setzten sich häufig nicht mehr gegen den Status Quo zur Wehr, sondern trafen Vorbereitungen<br />

für die Nachkriegszeit.<br />

Im Umfeld der „Weißen Rose“<br />

Insgesamt sechs Flugblätter verbreitete e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Freundesgruppe zwischen Juni 1942<br />

und Februar 1943 zunächst vor allem <strong>in</strong> <strong>München</strong> und im gesamten süddeutschen Raum.<br />

Die Kerngruppe bestand aus Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph<br />

Probst, Willi Graf und Professor Kurt Huber. Die ersten vier Flugblätter wurden mit der Post<br />

versandt – wohl nicht mehr als 100 Stück pro Flugblatt. Die Erfahrung des totalen Kriegs<br />

und des totalen Terrors bewirkte e<strong>in</strong>e Radikalisierung der Gruppe: Das fünfte Flugblatt,<br />

ebenfalls von Hans Scholl und Alexander Schmorell verfasst, wurde mit wesentlich höherer<br />

Auflage hergestellt (6.000–9.000 Stück) und nicht mehr nur mit der Post verschickt,<br />

sondern auch durch Streuaktionen verteilt, dies nicht nur <strong>in</strong> <strong>München</strong> sondern auch an anderen<br />

Orten. Am 18. Februar 1943 warfen Hans und Sophie Scholl etliche Exemplare des<br />

sechsten Flugblatts von der Brüstung des zweiten Stocks <strong>in</strong> den Lichthof der Münchner<br />

Universität. Diese Aktion beobachtete der Hausschlosser Jakob Schmid und denunzierte<br />

die Studenten. Die Geschwister Scholl und Christoph Probst wurden bereits am 22. Februar<br />

1943 zum Tode verurteilt und noch am selben Tag h<strong>in</strong>gerichtet. Alexander Schmorell, Willi<br />

Graf und Professor Kurt Huber wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren Prozess im April ebenfalls zum<br />

Tode verurteilt.<br />

Der aktive Kreis der Widerstandsgruppe erweiterte sich <strong>in</strong>sbesondere durch persönliche<br />

und <strong>in</strong>formelle Kontakte nach Ulm, Stuttgart, Freiburg, Saarbrücken, Hamburg und<br />

28


Berl<strong>in</strong>. Das sechste Flugblatt stand auch im Zentrum englischer Propaganda-Aktionen: Thomas<br />

Mann machte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er von der BBC gesendeten Rundfunkansprache „Deutsche<br />

Hörer“ im Mai 1943 die Aktionen der Weißen Rose bekannt, die Royal Air Force <strong>in</strong>formierte<br />

<strong>in</strong> mehreren tausend über Deutschland abgeworfenen Flugblättern über die Weiße Rose.<br />

Zum Tode verurteilt wurde auch Hans Leipelt, der ebenfalls an der Münchner Universität<br />

studierte und zusammen mit se<strong>in</strong>er Freund<strong>in</strong> Marie-Luise Jahn die Aktivitäten der Weißen<br />

Rose fortsetzte.<br />

Literatur:<br />

Detjen, Marion: „Zum Staatsfe<strong>in</strong>d ernannt“. Widerstand, Resistenz und Verweigerung gegen das <strong>NS</strong>-Regime <strong>in</strong><br />

<strong>München</strong>. <strong>München</strong> 1998.<br />

Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Hg. von Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß.<br />

Stuttgart 1997.<br />

Lexikon des deutschen Widerstandes. Hg. von Wolfgang Benz und Walter H. Pehle. Frankfurt a.M. 1994.<br />

Lexikon des Widerstandes 1933–1945. Hg. von Peter Ste<strong>in</strong>bach und Johannes Tuchel. <strong>München</strong> 1994.<br />

Mallmann, Klaus-Michael: Kommunistischer Widerstand 1933–1945. Anmerkungen zu Forschungsstand und<br />

Forschungsdefiziten. In: Peter Ste<strong>in</strong>bach/Johannes Tuchel (Hg.): Widerstand gegen den Nationalsozialismus.<br />

Bonn 1994, S. 113 –125.<br />

Mehr<strong>in</strong>ger, Hartmut: Die KPD <strong>in</strong> Bayern 1919–1945. Vorgeschichte, Verfolgung und Widerstand. In: Bayern <strong>in</strong><br />

der <strong>NS</strong>-Zeit, Bd. V, S. 1–286.<br />

Mehr<strong>in</strong>ger, Hartmut: Widerstand und Emigration. Das <strong>NS</strong>-Regime und se<strong>in</strong>e Gegner. <strong>München</strong> 1997.<br />

Moll, Christiane: Die Weiße Rose. In: Peter Ste<strong>in</strong>bach/Johannes Tuchel (Hg.): Widerstand gegen den Nationalsozialismus.<br />

Bonn 1994, S. 443–467.<br />

Nollau, Günther/Z<strong>in</strong>del, Ludwig: Gestapo ruft Moskau. Sowjetische Fallschirmagenten im 2. Weltkrieg.<br />

<strong>München</strong> 1979.<br />

Peukert, Detlev: Die KPD im Widerstand. Verfolgung und Untergrundarbeit an Rhe<strong>in</strong> und Ruhr 1933 bis 1945.<br />

Wuppertal 1980.<br />

Schafranek, Hans: Im H<strong>in</strong>terland des Fe<strong>in</strong>des: Sowjetische Fallschirmagenten im Deutschen Reich 1942–1944.<br />

In: Jahrbuch 1996. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, S. 10–40.<br />

Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Hg. von Peter Ste<strong>in</strong>bach und Johannes Tuchel. Bonn 1994.<br />

29


Widerstand und Verfolgung <strong>in</strong> Österreich<br />

Unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 begann e<strong>in</strong> brutaler Terror gegen<br />

die jüdische Bevölkerung. Sofort setzte auch die Verfolgung der Gegner des Nationalsozialismus<br />

e<strong>in</strong>. Über 35.000 Österreicher verloren <strong>in</strong> den nächsten Jahren ihr Leben im<br />

Widerstand, als Partisanen oder Angehörige <strong>in</strong> den alliierten Armeen, ungefähr 100.000<br />

Österreicher wurden aus politischen Gründen <strong>in</strong> Konzentrationslager oder Gefängnisse gesperrt.<br />

Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass sich nicht wenige Österreicher aktiv<br />

an der nationalsozialistischen Herrschaft beteiligten.<br />

Betrachtet man den österreichischen Widerstand, so fällt die organisatorische Zurückhaltung<br />

der österreichischen Sozialdemokraten auf: Sie hatten sich bereits im Widerstand gegen<br />

den österreichischen Ständestaat <strong>in</strong> der Zeit vor 1938 exponiert, viele wichtige Funktionäre<br />

waren beim Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich bereits im Ausland.<br />

Zudem schätzten sie die zu erwartende Härte der Verfolgung richtig e<strong>in</strong>. Viele Mitglieder<br />

der sozialdemokratischen Basis schlossen sich jedoch der KPÖ an, der die weitaus meisten<br />

Widerstandsgruppen angehörten. Auffällig ist die besondere Härte der Vorgehensweise<br />

gegen den österreichischen Widerstand, schon wegen ger<strong>in</strong>gfügiger Vergehen wurden<br />

Todesurteile gefällt. Der nationalsozialistische Verfolgungsapparat holte <strong>in</strong>nerhalb weniger<br />

Wochen nach, was <strong>in</strong> Deutschland Jahre gedauert hatte: die fast völlige Ausschaltung der<br />

politischen Opposition.<br />

Unnachsichtig wurden auch <strong>in</strong> der „Ostmark“, d.h. im ans Deutsche Reich angeschlossenen<br />

Österreich, oppositionelle Äußerungen verfolgt. Denunziantentum war ebenfalls ke<strong>in</strong><br />

unbekanntes Phänomen, wie diese Dokumentation zeigt.<br />

Literatur:<br />

Hagspiel, Hermann: Die Ostmark. Österreich im Großdeutschen Reich 1938 bis 1945. Wien 1995.<br />

Herbert, Ulrich: Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft. Bonn 1996.<br />

Luza, Radomír: Der Widerstand <strong>in</strong> Österreich 1938 –1945. Wien 1983<br />

Molden, Otto: Der Ruf des Gewissens. Der österreichische Freiheitskampf 1938-45. Beiträge zur Geschichte<br />

der österreichischen Widerstandsbewegung. Wien u.a. 1958.<br />

Spann, Gustav: Österreich 1938 –1945. In: Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Hg. von Wolfgang Benz,<br />

Hermann Graml und Hermann Weiß. Stuttgart 1997, S. 630–631.<br />

Widerstand und Verfolgung <strong>in</strong> Oberösterreich. E<strong>in</strong>e Dokumentation. Wien 1975.<br />

Widerstand und Verfolgung <strong>in</strong> Salzburg. E<strong>in</strong>e Dokumentation. 2 Bde, Wien 1992.<br />

Widerstand und Verfolgung <strong>in</strong> Wien. E<strong>in</strong>e Dokumentation. 2 Bde, Wien 1975.<br />

30


Widerstand und Verfolgung <strong>in</strong> der Tschechoslowakei<br />

Im Vielvölkerstaat Tschechoslowakei lebte <strong>in</strong> den dreißiger Jahren e<strong>in</strong>e deutschsprachige<br />

M<strong>in</strong>derheit, die etwa 3,2 Millionen Personen umfasste. Die meisten Angehörigen dieser<br />

M<strong>in</strong>derheit lebten im Sudetenland. 1935 gehörte fast e<strong>in</strong> Fünftel der deutschen Bevölkerung<br />

der nationalsozialistischen Sudetendeutschen Partei an. Die von Hitler mit Hilfe der<br />

nationalsozialistischen Sudetendeutschen Partei provozierte Sudetenkrise fand 1938 ihren<br />

Endpunkt im Münchner Abkommen. Die Regierungschefs Deutschlands, Italiens, Großbritanniens<br />

und Frankreichs verpflichteten die Tschechoslowakei zur Abtretung des Sudetenlandes<br />

an Deutschland. Es sah zunächst so aus, als sei damit e<strong>in</strong> Krieg verh<strong>in</strong>dert worden –<br />

tatsächlich konnte das nationalsozialistische Deutschland e<strong>in</strong> Jahr später unter ungleich besseren<br />

Voraussetzungen den 2. Weltkrieg beg<strong>in</strong>nen. Die Nationalsozialisten bereiteten die<br />

„Zerschlagung der Rest-Tschechei“ vor. Im März 1939 überschritten deutsche Truppen die<br />

Grenzen der Tschechoslowakei und besetzten das tschechische Gebiet, es entstand das Protektorat<br />

Böhmen und Mähren. Die Slowakei dagegen wurde zum deutschen Vasallenstaat.<br />

Die Nationalsozialisten regierten im Protektorat mit dem Fernziel der totalen Germanisierung<br />

des Raumes unter rassistischen Gesichtspunkten. Tschechen galten den Nationalsozialisten<br />

als rassisch m<strong>in</strong>derwertig. E<strong>in</strong> Teil der Bevölkerung mit deutschen Vorfahren<br />

wurde als „e<strong>in</strong>deutschungsfähig“ betrachtet und im Falle e<strong>in</strong>er Annahme der deutschen<br />

Staatsangehörigkeit privilegiert. Jeder Widerstand gegen die Politik der Besatzer wurde<br />

durch brutalen Terror unterdrückt.<br />

Die folgenden Abschnitte befassen sich mit Personen, die aus dem Gebiet der Tschechoslowakischen<br />

Republik kamen, unter nationalsozialistischer Okkupation im „Reichsprotektorat<br />

Böhmen und Mähren“ Widerstand leisteten bzw. aufgrund ihres nichtkonformes Verhalten<br />

<strong>in</strong> die Hände der nationalsozialistischen Terrorjustiz fielen.<br />

Kommunistischer Widerstand im Protektorat „Böhmen und Mähren“<br />

Die KPC war e<strong>in</strong>er der Hauptträger des tschechischen Widerstands gegen die deutsche<br />

Besatzungsmacht. Ihre Politik orientierte sich eng an Weisungen aus Moskau. Die KPC<br />

war bereits vor dem E<strong>in</strong>marsch deutscher Truppen nach dem Münchner Abkommen verboten<br />

worden, zunächst die zentrale Partei und Ende Dezember 1938 auch die Parteiorganisationen.<br />

Sie war bis zum Sommer 1939 im wesentlichen mit e<strong>in</strong>er Reorganisation <strong>in</strong> der<br />

Illegalität beschäftigt und trat nach außen h<strong>in</strong> kaum <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung, half aber nach dem<br />

deutschen E<strong>in</strong>marsch im März 1939 vielen gefährdeten Parteimitgliedern bei der Flucht <strong>in</strong>s<br />

Ausland. Im August 1939 wurde der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt geschlossen.<br />

Während des Hitler-Stal<strong>in</strong>-Pakts lag der Schwerpunkt kommunistischer Widerstandstätigkeit<br />

<strong>in</strong> der Flugblattpropaganda, Sabotageakte und Streiks fanden so gut wie nicht statt.<br />

Beispiele hierfür s<strong>in</strong>d die Widerstandsaktivitäten <strong>in</strong> Königgrätz (Hradec Králové), Budweis<br />

(Ceské Budejovice) und Erlitz.<br />

Die Struktur der KPC war wie <strong>in</strong> allen kommunistischen Parteien streng hierarchisch. Vom<br />

Zentralkomitee g<strong>in</strong>gen die Weisungen über so genannte Instrukteure an die Landesleitungen,<br />

dann an die Kreise, von dort an die Bezirke, deren Gebiete wiederum <strong>in</strong> Orts- und<br />

Betriebsgruppen unterteilt waren. Die e<strong>in</strong>zelnen organisatorischen E<strong>in</strong>heiten bestanden<br />

31


jeweils aus drei bis fünf Personen. Leider müssen wir unser Wissen über die beteiligten<br />

Personen den Verfolgerakten entnehmen. Persönliche Beweggründe spielten <strong>in</strong> diesen<br />

Unterlagen ke<strong>in</strong>e Rolle.<br />

Anschluss an die tschechische Legion<br />

Tausende junger Tschechen s<strong>in</strong>d während des 2. Weltkriegs geflohen, um <strong>in</strong> die tschechischen<br />

E<strong>in</strong>heiten der alliierten Armeen e<strong>in</strong>zutreten und an deren Seite für e<strong>in</strong>e unabhängige<br />

Tschechoslowakei zu kämpfen. Alle<strong>in</strong> die <strong>in</strong> Großbritannien aufgestellte tschechische E<strong>in</strong>heit<br />

umfasste 5000 Männer, auch <strong>in</strong> der Sowjetunion wurden entsprechende Armeee<strong>in</strong>heiten<br />

aufgestellt.<br />

Der Präsident der tschechischen Exilregierung, Eduard Benes, forderte nach Ausbruch des<br />

Krieges die Widerstandsgruppen auf, möglichst viele Offiziere und Soldaten zu diesem<br />

Zweck <strong>in</strong>s Ausland zu schicken. Auch die tschechischen Sendungen der BBC warben<br />

dafür. Es s<strong>in</strong>d verschiedene Fluchtwege bekannt: Bis zur Besetzung Polens wurde die<br />

Grenze häufig bei Mährisch-Ostrau überschritten, später lief e<strong>in</strong>er der Hauptfluchtwege<br />

über die Slowakei, Ungarn und Jugoslawien. Trotz des Risikos der Durchquerung Österreichs<br />

fand die Flucht häufig über die Schweiz statt. Der deutsche Sicherheitsdienst beschwerte<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief an das Auswärtige Amt über das wohlwollende Verhalten der<br />

Schweizer Behörden gegenüber den jungen Flüchtl<strong>in</strong>gen. Deutsche und tschechische<br />

Grenzpolizisten konnten nur e<strong>in</strong>en Teil der Grenzüberquerer fassen. Dennoch wurden alle<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> der Zeitspanne von Februar bis Mai 1940 ungefähr 500 Personen festgenommen. Etwa<br />

zwei Drittel dieser Männer unterstellte die deutsche Justiz die Absicht, <strong>in</strong> die tschechoslowakische<br />

Legion e<strong>in</strong>treten zu wollen. Der nationalsozialistische Staat verfolgte dieses<br />

Delikt unnachgiebig: Es wurde strafrechtlich als Fe<strong>in</strong>dbegünstigung, landesverräterische<br />

Waffenhilfe und Vorbereitung zum Hochverrat bewertet.<br />

Da dieser Personenkreis <strong>in</strong> der vorliegenden Literatur kaum erwähnt wird, werden die Lebensgeschichten<br />

dieser Männer verhältnismäßig ausführlich wiedergegeben. Die betreffenden<br />

Personen waren oft sehr jung, ohne jede militärische Erfahrung und <strong>in</strong> anderen Widerstandsorganisationen<br />

nicht vertreten. Der illegale Grenzübertritt wurde <strong>in</strong> vielen Fällen<br />

auf Grund e<strong>in</strong>er sehr <strong>in</strong>dividuellen Entscheidung <strong>in</strong> Angriff genommen.<br />

Literatur:<br />

Brandes, Detlev: Die Tschechen unter deutschem Protektorat. Bd. I und II. <strong>München</strong> u.a. 1969, 1975.<br />

The Oxford Companion to the Second World War. Oxford 1995.<br />

Wagner, Walter: Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat. Stuttgart 1974.<br />

Brandes, Detlev: Die Tschechen unter deutschem Protektorat. Bd. I und II. <strong>München</strong> u.a. 1969, 1975.<br />

Deutsche Politik im „Protektorat Böhmen und Mähren“ unter Re<strong>in</strong>hard Heydrich. Hg. von Miroslav Kárny,<br />

Joaroslava Milotová und Margita Kárná. Berl<strong>in</strong> 1997.<br />

Heumos, Peter: Die Emigration aus der Tschechoslowakei nach Westeuropa und dem Nahen Osten 1938–1945.<br />

Politisch-soziale Struktur, Organisation und Asylbed<strong>in</strong>gungen der tschechischen, jüdischen, deutschen und<br />

slowakischen Flüchtl<strong>in</strong>ge während des Nationalsozialismus. Darstellung und Dokumentation. <strong>München</strong> 1989.<br />

(Veröffentlichungen des Collegium Carol<strong>in</strong>um Bd. 63).<br />

Kárny, Miroslav: Protektorat Böhmen und Mähren. In: Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Hg. von Wolfgang<br />

Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß. Stuttgart 1997, S. 656–657.<br />

Kárny, Miroslav: Tschechoslowakei. In: Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Hg. von Wolfgang Benz, Hermann<br />

Graml und Hermann Weiß. Stuttgart 1997, S. 766–768.<br />

Geschichte der Tschechoslowakischen Republik 1918–1948. Hg. von Victor S. Mamatey und Radomir Luza.<br />

Wien, Köln, Graz 1980.<br />

Brandes, Detlev: Die Tschechen unter deutschem Protektorat. Bd. I und II. <strong>München</strong> u.a. 1969, 1975.<br />

32


Polen unter <strong>NS</strong>-Herrschaft<br />

Am 1.9.1939 griffen deutsche Truppen Polen an und konnten <strong>in</strong>nerhalb kurzer Zeit das gesamte<br />

Land unter ihre Kontrolle br<strong>in</strong>gen. Ziel der nationalsozialistischen Okkupation war<br />

die Schaffung e<strong>in</strong>es so genannten führerlosen Arbeitsvolks. Polen galten den Nationalsozialisten<br />

als „Untermenschen“, das Land sollte <strong>in</strong>dustriell und landwirtschaftlich völlig ausgebeutet<br />

werden. In den ersten Wochen der <strong>NS</strong>-Okkupation wurden Tausende von Polen<br />

ermordet, zum Teil nach vorbereiteten Fahndungslisten, zum Teil völlig willkürlich. Ab<br />

26.10.1939 galt e<strong>in</strong>e Arbeitspflicht für die gesamte polnische Bevölkerung vom 14. bis<br />

zum 60. Lebensjahr.<br />

Rechtlich galten für Polen besondere Bestimmungen: Zum e<strong>in</strong>en wurden große Bereiche<br />

der Strafverfolgung der Justizzuständigkeit völlig entzogen und SS und Polizei übertragen. In<br />

anderen Bereichen wurden neue Strafrechtsnormen gesetzt. Die „Verordnung über die Strafrechtspflege<br />

gegen Polen und Juden <strong>in</strong> den angegliederten Ostgebieten“ vom 4.12.1941<br />

schuf e<strong>in</strong> drakonisches Sonderstrafrecht. E<strong>in</strong> geheimer Runderlass des Reichssicherheitshauptamtes<br />

vom 30.6.1943 hält e<strong>in</strong>e Absprache zwischen dem Reichsführer SS und dem<br />

Reichsjustizm<strong>in</strong>ister fest, wonach gegen polnische und sowjetrussische Zivilarbeiter nur<br />

dann vor e<strong>in</strong>em Gericht verhandelt werden sollte, wenn die Polizei dies aus „stimmungspolitischen<br />

Gründen“ für wünschenswert hielt und von vornehere<strong>in</strong> klar sei, dass die Todesstrafe<br />

verhängt werden würde.<br />

Ungefähr 1,2–1,3 Millionen Polen wurden zum Arbeitsdienst <strong>in</strong>s Deutsche Reich gebracht;<br />

die gelegentlich behauptete Freiwilligkeit war Propaganda. Die deutschen Behörden übten<br />

massiven Druck aus. Für die polnischen Arbeiter <strong>in</strong> Deutschland galt e<strong>in</strong>e Vielzahl rechtlicher<br />

Sonderregeln. Sie verdeutlichen, dass es hier ausschließlich um die schonungslose<br />

Ausbeutung der Arbeitskraft g<strong>in</strong>g: So war die Arbeitsverpflichtung zeitlich unbegrenzt, die<br />

Entlohnung m<strong>in</strong>imal, polnische Arbeiter mussten e<strong>in</strong> „P“ auf ihren Kleidungsstücken anbr<strong>in</strong>gen,<br />

durften den Arbeitsort nicht verlassen, ke<strong>in</strong>e öffentlichen Verkehrsmittel benutzen<br />

oder Fahrräder besitzen, nicht an Gottesdiensten teilnehmen, ke<strong>in</strong>e öffentlichen Theateroder<br />

K<strong>in</strong>ovorführungen besuchen. Sie erhielten nur m<strong>in</strong>imale Verpflegung und Kleidung.<br />

Starb e<strong>in</strong> polnischer Zivilarbeiter <strong>in</strong> Deutschland – bei den unmenschlichen Lebensbed<strong>in</strong>gungen<br />

häufig vorkommend –, so war es sogar verboten, den Leichnam <strong>in</strong>s Heimatland<br />

zu überführen.<br />

Literatur:<br />

Broszat, Mart<strong>in</strong>: Nationalsozialistische Polenpolitik 1939–1945. Stuttgart 1961.<br />

Herbert, Ulrich: Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländere<strong>in</strong>satzes“ <strong>in</strong> der Kriegswirtschaft des Dritten<br />

Reiches. Berl<strong>in</strong>/Bonn 1985.<br />

Herrenmensch und Arbeitsvölker. Ausländische Arbeiter und Deutsche 1939–1945. Hg. von Götz Aly. Berl<strong>in</strong> 1986.<br />

Heusler, Andreas: Zwangsarbeit für die Münchner Kriegswirtschaft 1939–1945. <strong>München</strong> 1996.<br />

Kosmala, Beate: Polen. In: Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Hg. von Wolfgang Benz, Hermann Graml und<br />

Hermann Weiß. Stuttgart 1997, S. 641–646.<br />

September 1939. Krieg, Besatzung, Widerstand <strong>in</strong> Polen. Hg. von Christoph Kleßmann. Gött<strong>in</strong>gen 1989.<br />

33


„Asoziale“ unter dem Nationalsozialismus<br />

Die Verfolgung von als „asozial“ bezeichneten Menschen war nicht an Nationalitäten gebunden.<br />

Mit diesem Begriff fassten die Nationalsozialisten unangepasste Personengruppen<br />

vor allem der Unterschichten zusammen. Das Verhalten dieser Menschen galt nach<br />

der <strong>NS</strong>-Rassenlehre als angeboren, also durch Vererbung erworben, und wurde gnadenlos<br />

verfolgt. „Asozialität“ wurde nie genau def<strong>in</strong>iert, sondern ausschließlich als negative Zuschreibung<br />

benutzt. Ins Visier der Gestapo gerieten Wohnungslose, Fürsorgeempfänger,<br />

Alkoholkranke sowie auch so genannte asoziale Großfamilien. Richtl<strong>in</strong>ien von 1939 zur<br />

Vergabe von Ehestandsdarlehen lassen erahnen, welche Spannweite der Begriff der Asozialität<br />

haben konnte: „Demnach s<strong>in</strong>d Anträge solcher Antragsteller nicht zu befürworten,<br />

die e<strong>in</strong>er Sippe entstammen, deren Mitglieder zu e<strong>in</strong>em mehr oder m<strong>in</strong>der großen Teil<br />

laufend Konflikte mit Strafgesetzen, der Polizei oder sonstigen Behörden haben oder arbeitsscheu,<br />

hemmungslos oder unwirtschaftlich s<strong>in</strong>d und den Unterhalt für sich oder ihre<br />

K<strong>in</strong>der dauernd aus fremden Mitteln zu erlangen suchen. Ebenso zu bewerten s<strong>in</strong>d Antragssteller<br />

aus solchen Sippen, die ohne fremde Hilfe, Beaufsichtigung oder Führung<br />

weder e<strong>in</strong>en geordneten Haushalt führen noch ihre K<strong>in</strong>der zu brauchbaren Volksgenossen<br />

zu erziehen vermögen oder wenn <strong>in</strong> der Sippe Tr<strong>in</strong>ker, Prostituierte, Landstreicher, Rauschgiftsüchtige,<br />

Spieler, betrügerische Hausierer usw. nicht als E<strong>in</strong>zelfall vorkommen.“ (zit.<br />

bei Ayaß, S. 108).<br />

Literatur:<br />

Ayaß, Wolfgang: „Asoziale“ im Nationalsozialismus. Stuttgart 1995.<br />

34


Das Sammelgrab II am Friedhof am Perlacher Forst (Planquadrat 77);<br />

© Kulturreferat der Landeshauptstadt <strong>München</strong><br />

35


Biographien: Deutschland<br />

Kommunistischer Widerstand<br />

Wilhelm Lai; © Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

Wilhelm Lai, geboren am 17.1.1909 <strong>in</strong> Würzburg, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

1.7.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 21.9.1943.<br />

Der KPD-Funktionär Wilhelm Lai kämpfte gegen den Nationalsozialismus im In- und Ausland.<br />

Widerstand, Flucht und Verfolgung führten ihn <strong>in</strong> die Tschechoslowakei, die Schweiz,<br />

Frankreich und Spanien. Er wurde von Gleichges<strong>in</strong>nten unterstützt und geriet <strong>in</strong>s Fadenkreuz<br />

tschechischer, französischer, spanischer und schweizer Behörden.<br />

Wie viele andere Kommunisten war Wilhelm Lai e<strong>in</strong> Mann der ersten Stunde im Widerstand<br />

gegen die Nationalsozialisten: Unmittelbar nach der Machtergreifung begann er als<br />

24jähriger damit, den Aufbau der bereits verbotenen KPD im Stadtviertel Darmstadt-Mart<strong>in</strong>sviertel<br />

<strong>in</strong> die Wege zu leiten. Bereits seit 1926 hatte er <strong>in</strong> verschiedenen Funktionen <strong>in</strong><br />

kommunistischen Organisationen mitgearbeitet.<br />

Im Zuge der Ausschaltung der politischen Opposition sperrten ihn die Nationalsozialisten<br />

Anfang Juni 1933 für e<strong>in</strong>en Monat <strong>in</strong> e<strong>in</strong> KZ, e<strong>in</strong> Schicksal, das er mit vielen anderen KPD-<br />

Politikern teilte. Dies führte ihm vor Augen, wie gefährdet er <strong>in</strong>nerhalb Deutschlands war.<br />

Im Juni 1933, nach se<strong>in</strong>er Entlassung, flüchtete er vor se<strong>in</strong>en Verfolgern <strong>in</strong>s Ausland. Er<br />

emigrierte <strong>in</strong> die Tschechoslowakei, die erste Station auf se<strong>in</strong>em Fluchtweg durch mehrere<br />

europäische Länder.<br />

Die Emigration bedeutete nicht das Ende, sondern war der eigentliche Anfang se<strong>in</strong>er Widerstandstätigkeit.<br />

Illegale Gruppen mussten mit Propaganda- und Informationsmaterial<br />

versorgt werden. Wilhelm Lai schmuggelte größere Mengen illegaler Literatur über die<br />

streng bewachte Grenze.<br />

36


Die Kommunistische Partei sah ihn für den illegalen E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong>nerhalb Deutschlands vor: Im<br />

Juni 1934 nahm er an e<strong>in</strong>em 4wöchigen Vorbereitungskurs <strong>in</strong> Kladno und anschließend an<br />

e<strong>in</strong>em kurzen Lehrgang <strong>in</strong> Prag teil. Er erhielt den Parteiauftrag, den Kommunistischen Jugendverband<br />

<strong>in</strong> Sachsen wiederzubeleben. Im Oktober 1934 lebte er illegal <strong>in</strong> Leipzig, f<strong>in</strong>anziell<br />

von der Kommunistischen Partei unterstützt. Trotz vielfältiger Bemühungen konnte<br />

er ke<strong>in</strong>e Organisation aufbauen. Im Januar 1935 erfuhr er, dass er von der Polizei beobachtet<br />

wurde. Sofort emigrierte er <strong>in</strong> die Tschechoslowakei. Aufgrund des Misserfolgs <strong>in</strong> Sachsen<br />

wurden ihm von den Prager Exil-Funktionären Vorwürfe gemacht. Daraufh<strong>in</strong> beendete<br />

er se<strong>in</strong>e Widerstandstätigkeit im Rahmen der KP. Auch die ihm angetragene Mitarbeit bei<br />

e<strong>in</strong>er trotzkistischen Widerstandsgruppe lehnte Lai ab.<br />

Se<strong>in</strong> selbstgewähltes unpolitisches Dase<strong>in</strong> dauerte <strong>in</strong>des nur kurze Zeit. Im Herbst 1935<br />

erhielt Lai e<strong>in</strong> Angebot, das e<strong>in</strong>er Erpressung gleichkam. Der tschechoslowakische Nachrichtendienst<br />

nutzte den unsicheren Exilstatus des Emigranten Lai und forderte Lai zur Mitarbeit<br />

auf. Er sollte militärische Maßnahmen im deutschen Grenzgebiet und Teilen Bayerns<br />

erkunden. Lai unternahm daraufh<strong>in</strong> illegale Fahrten nach <strong>München</strong>, Würzburg, Nürnberg,<br />

Regensburg und Amberg und <strong>in</strong> verschiedene Ortschaften im Grenzgebiet. Unter der Agentennummer<br />

Z 1519 schrieb er m<strong>in</strong>destens acht Berichte, die später den Nationalsozialisten<br />

<strong>in</strong> die Hände fielen. Im Januar 1936 sollte Lai e<strong>in</strong>en deutschen Wehrmachtsangehörigen <strong>in</strong><br />

die Tschechoslowakei locken. Wilhelm Lai benutzte den damit verbundenen Aufenthalt <strong>in</strong><br />

Deutschland, um über <strong>München</strong> <strong>in</strong> die Schweiz zu fliehen und sich damit dem E<strong>in</strong>flussbereich<br />

des tschechoslowakischen Geheimdienstes zu entziehen.<br />

E<strong>in</strong>e Odyssee durch Europa begann: Nach kurzem Aufenthalt reiste Lai weiter nach Frankreich.<br />

Hier hatte er <strong>in</strong> Romilly Kontakt zu ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen, die während<br />

des 1. Weltkriegs <strong>in</strong> Deutschland von Lais Mutter unterstützt worden waren. Mit<br />

deren Hilfe fand er e<strong>in</strong>en Arbeitsplatz. Im Oktober 1936 trat er <strong>in</strong> die rotspanische Armee<br />

e<strong>in</strong>. Er nahm am Spanischen Bürgerkrieg teil und floh nach dessen Beendigung nach Frankreich,<br />

wiederum nach Romilly. Die französischen Behörden nahmen ihn nach kurzem Aufenthalt<br />

fest und verurteilten ihn zu vier Wochen Gefängnis. Anschließend wurde er <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

französisches Lager e<strong>in</strong>gewiesen. Während e<strong>in</strong>es Transports <strong>in</strong> e<strong>in</strong> anderes Lager konnte<br />

er fliehen und <strong>in</strong> die Schweiz flüchten, wo ihn Angehörige der Sozialistischen Partei unterstützten.<br />

Im Juli 1941 schoben ihn die Schweizer Behörden nach Frankreich ab. Wiederum<br />

gelang ihm die Flucht, diesmal über die französisch-spanische Grenze. Lais Versuch, sich<br />

nach Portugal durchzuschlagen, misslang. In Spanien wurde er festgenommen und <strong>in</strong> das<br />

KZ „Miranda del Ebro“ e<strong>in</strong>gesperrt. Die deutschen Behörden beantragten se<strong>in</strong>e Auslieferung,<br />

das faschistische Spanien entsprach diesem Ans<strong>in</strong>nen: Am 16. Oktober 1942 wurde<br />

Lai an der Grenze den deutschen Behörden übergeben. Sämtliche Widerstandsaktivitäten<br />

im In- und Ausland seit 1933 bildeten die Grundlage der gegen ihn gerichteten Anklage.<br />

Er wurde zum Tode verurteilt.<br />

Quellen:<br />

Edition „Widerstand als Hochverrat“; MF 180, 446 (6J 12/43g, 1H 147/43).<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; NJ 3636.<br />

***<br />

37


Hans Hartwimmer, geboren am 31.7.1902 <strong>in</strong> Braunschweig, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 19.4.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 30.10.1944<br />

Johann Reis<strong>in</strong>ger, geboren am 8.2.1897 <strong>in</strong> Oberschleißheim, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 18.4.1944. h<strong>in</strong>gerichtet am 31.10.1944.<br />

Hartwimmer und Reis<strong>in</strong>ger gehörten während des 2. Weltkriegs <strong>in</strong> <strong>München</strong> e<strong>in</strong>er überregionalen<br />

kommunistischen Gruppe an, die Anhänger <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Mittel- und Westdeutschland<br />

sowie <strong>in</strong> Tirol und Bayern hatte. Zu diesem Zeitpunkt gab es nur noch sehr vere<strong>in</strong>zelte<br />

überregionale Widerstandsgruppen. Das Zentrum dieser Gruppe bildeten Robert Uhrig<br />

und Beppo Römer.<br />

Der bayerische Zweig dieser Organisation hatte e<strong>in</strong>e lange Vorgeschichte: Der ehemalige<br />

Reichswehrhauptmann und Führer des Freikorps Oberland, Beppo Römer, war 1932 der<br />

KPD beigetreten und sammelte vor allem ehemalige Kampfgefährten aus dem nationalrevolutionären<br />

Lager um sich. Auch Hans Hartwimmer hatte se<strong>in</strong> politisches Engagement<br />

am äußersten rechten Rand der politischen Szene begonnen: 1902 geboren, wurde er ab<br />

1922 Mitglied des Bundes Oberland und nahm als Zugführer e<strong>in</strong>er MG-Kompanie am Hitlerputsch<br />

1923 <strong>in</strong> <strong>München</strong> teil. Dann wechselte er die Seiten, aus dem Nationalsozialisten<br />

wurde e<strong>in</strong>er ihrer engagiertesten Gegner. Spätestens ab 1931 engagierte er sich im Rahmen<br />

des Aufbruch-Arbeitskreises für die Kommunistische Partei. Dieser Arbeitskreis war<br />

e<strong>in</strong> Sammelbecken nationalrevolutionärer KPD-Anhänger.<br />

Beurteilung Wilhelm Lais durch die Untersuchungshaftanstalt Nürnberg; © Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

38


Die Beerdigung e<strong>in</strong>e geheime Staatsaktion. – Anweisung des Reichssicherheitshauptamtes nach dem Tode<br />

Hans Hartwimmers; © Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

39


Bald nach der nationalsozialistischen Machtergreifung geriet die Gruppe <strong>in</strong>s Visier der Gestapo.<br />

Hans Hartwimmer wurde am 8. März 1934 wegen angeblicher Tätigkeit für den illegalen<br />

Nachrichtendienst der KPD festgenommen. Allerd<strong>in</strong>gs reichte die dünne Beweislage<br />

nicht für e<strong>in</strong>e Verurteilung. Er wurde freigesprochen – und nach dem Freispruch als Gegner<br />

des Nationalsozialismus im KZ Dachau <strong>in</strong>haftiert. Hier lernte er nach eigenen Angaben<br />

Johann Reis<strong>in</strong>ger kennen: Der 1897 <strong>in</strong> Oberschleißheim geborene Masch<strong>in</strong>enschlosser<br />

hatte politisch immer schon der Arbeiterbewegung nahegestanden. Nach dem 1. Weltkrieg<br />

sympathisierte er zunächst mit der SPD, später mit der KPD. 1935 wurde er vor Gericht<br />

gestellt, weil er angeblich für die „Rote Hilfe“ tätig gewesen sei und kommunistische<br />

Schriften vertrieben habe. Auch er wurde mangels stichhaltiger Beweise freigesprochen<br />

und nach dem Freispruch im KZ Dachau gefangengehalten. Hartwimmer wurde 1937, Reis<strong>in</strong>ger<br />

1938 entlassen.<br />

Mit Kriegsbeg<strong>in</strong>n begann Beppo Römer wiederum ehemalige Kampfgefährten um sich zu<br />

sammeln. Er wollte bei e<strong>in</strong>er Niederlage Deutschlands sofort mit e<strong>in</strong>er antikapitalistischen<br />

Organisation aufwarten können. Jedem Angehörigen der Gruppe war die Pflicht zur Mitgliederwerbung<br />

und zur Bildung von Kle<strong>in</strong>gruppen auferlegt. Unter den Mitgliedern dieser<br />

Organisation befand sich auch Hans Hartwimmer, der unter anderem Johann Reis<strong>in</strong>ger <strong>in</strong><br />

die Organisation e<strong>in</strong>band. Ab 1940 existierten Kontakte zur Berl<strong>in</strong>er Gruppe um Robert Uhrig.<br />

Die Gestapo war über die Aktivitäten der Widerstandsgruppe <strong>in</strong>formiert: Zwei Mitglieder<br />

der fünfköpfigen Spitze der Uhrig-Organisation waren Gestapo-Spitzel. Die Gestapo wartete<br />

mit den Verhaftungen, bis sowohl Ziele wie auch Mitglieder der Organisation genauestens<br />

bekannt waren. Insgesamt wurden etwa 40 Mitglieder der Organisation um Robert Uhrig<br />

und Beppo Römer zum Tode verurteilt, darunter auch Hans Hartwimmer und Johann Reis<strong>in</strong>ger.<br />

Quellen:<br />

Edition „Widerstand als Hochverrat“; MF 483, 484 (6J 115/43, 2H 16/44).<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; NJ 1633.<br />

Hilfeleistungen für e<strong>in</strong>en sowjetischen Fallschirmagenten<br />

Erich Porsch, geboren am 23.4.1909 <strong>in</strong> Oberhausen, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 21.6.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 20.10.1944.<br />

Gerhard Possner, geboren am 6.5.1909 <strong>in</strong> Niederhermsdorf, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 21.6.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 20.10.1944.<br />

Andreas Schillack, geboren am 10.11.1907 <strong>in</strong> Gelsenkirchen, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 21.6.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 20.10.1944.<br />

Andreas Schillack, geboren am 29.11.1898 <strong>in</strong> Beuthen, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 18.7.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 20.10.1944.<br />

Friedrich Struckmeier, geboren am 13.4.1900 <strong>in</strong> Herne, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 2.7.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 20.10.1944.<br />

40


Gnadengesuch der Witwe Friedrich Struckmeiers; © Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

41


Anordnung der Todesstrafe; © Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

42


Deutsche Zivilisten, die von den <strong>NS</strong>-Behörden beschuldigt wurden, fe<strong>in</strong>dliche Fallschirmagenten<br />

unterstützt zu haben, wurden von den Gerichten gnadenlos zu drakonischen Strafen<br />

verurteilt. So führten die gescheiterten Aktionen des sowjetischen Fallschirmagenten<br />

Franz Zielasko im Ruhrgebiet zu e<strong>in</strong>er Reihe von Gerichtsverfahren. Bereits ab 1942 setzte<br />

die Sowjetunion gezielt Fallschirmagenten h<strong>in</strong>ter den fe<strong>in</strong>dlichen L<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>. Ihre Anzahl<br />

schwankte im weiteren Verlauf des Krieges beträchtlich. 1942/43 dürften ca. 35 dieser<br />

Agenten tätig geworden se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> späteren Jahren waren jeweils mehrere Hundert dieser<br />

Männer und Frauen im E<strong>in</strong>satz. Noch größer war die Zahl der Fallschirmspr<strong>in</strong>ger, die <strong>in</strong> der<br />

Endphase des Krieges e<strong>in</strong>gesetzt wurde. Vor ihrem E<strong>in</strong>satz wurden sie <strong>in</strong> Schulen der<br />

Roten Armee nachrichtendienstlich ausgebildet; diese Schulungen dauerten mehrere Monate.<br />

Die Tätigkeit der Agenten war äußerst riskant, vor allem <strong>in</strong> den ersten Jahren überlebten<br />

nur wenige von ihnen den E<strong>in</strong>satz.<br />

Franz Zielasko stammte aus dem Ruhrgebiet. Er hatte <strong>in</strong> Gladbeck gewohnt und dort ab<br />

1915 dem Arbeiter-Radfahrerbund angehört. 1927 war er der <strong>NS</strong>DAP beigetreten, se<strong>in</strong>e<br />

politische Zugehörigkeit zu den Nationalsozialisten beendete er jedoch bald wieder. 1932<br />

wanderte der Bergarbeiter <strong>in</strong> die Sowjetunion aus. Ab 1941 wurde er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halbjährigen<br />

Ausbildung auf den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Deutschland vorbereitet. E<strong>in</strong> sowjetisches Flugzeug<br />

setzte ihn <strong>in</strong> der Nähe von Warschau ab. Er konnte sich bis <strong>in</strong> das Ruhrgebiet durchschlagen,<br />

hier sollte er e<strong>in</strong> loses Netz von Sympathisanten knüpfen. Es gelang ihm, <strong>in</strong> mehreren<br />

Städten Kontakte zu knüpfen: In Gladbeck, Gelsenkirchen, Bottrop, Herne, Münster,<br />

Wanne, Hagen und Dortmund. Anfang August 1943 wurde Zielasko festgenommen, e<strong>in</strong>en<br />

Monat später kam er im Gefängnis ums Leben.<br />

Über 40 Personen wurden verhaftet, weil ihnen Kontakte zu Zielasko vorgeworfen wurden.<br />

Etliche von ihnen starben unter der Guillot<strong>in</strong>e, darunter Gerhard Possner, Erich Porsch,<br />

Fritz Struckmeier sowie Andreas Schillack und dessen gleichnamiger Onkel. Diese sechs<br />

Männer stammten aus dem typischen Arbeitermilieu des Ruhrgebiets, alle hatten zum<strong>in</strong>dest<br />

zeitweilig als Bergleute gearbeitet. Fast alle hatten für e<strong>in</strong>ige Zeit e<strong>in</strong>er der Arbeiterparteien<br />

oder e<strong>in</strong>er Gewerkschaft angehört, waren jedoch politisch nie besonders hervorgetreten.<br />

Lediglich Andreas Schillack, geb. 1898, hatte bereits während der Weimarer<br />

Republik <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de Heerungen als kommunistischer Vertreter im Geme<strong>in</strong>deparlament<br />

amtiert.<br />

Zielasko erzählte se<strong>in</strong>en Unterstützern, die er teilweise von früher aus dem Arbeiterradfahrvere<strong>in</strong><br />

kannte, er sei schon vor längerer Zeit aus der Sowjetunion zurückgekehrt und<br />

wolle jetzt se<strong>in</strong>en Urlaub im Ruhrgebiet verbr<strong>in</strong>gen. Dadurch erhielt er Essen und Übernachtungsmöglichkeiten<br />

sowie H<strong>in</strong>weise auf weitere Kontaktmöglichkeiten. Unterstützung<br />

<strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>igkeiten, während der Kriegsjahre dennoch zum bloßen Überleben nötig, zog für die<br />

Spender das Todesurteil nach sich. 1943 erfolgten die Verhaftungen. Dem 1907 geborenen<br />

Andreas Schillack wurde im Gerichtsverfahren des Volksgerichtshofs vorgeworfen, er habe<br />

Franz Zielasko mit Brotmarken für 600 g, e<strong>in</strong>er Dose Schuhcreme und e<strong>in</strong>er Tube Zahnpasta<br />

unterstützt.<br />

Quellen:<br />

Edition „Widerstand als Hochverrat“; MF 187, 450, 635 (9J 64/44, 2H 27/37, 9J 64/44, 2H 80/44).<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; NJ 1390, NJ 1392.<br />

43


Hans Leipelt 1939; © Privatbesitz<br />

44


Im Umfeld der Weißen Rose<br />

Hans Leipelt, geboren am 18.7.1921 <strong>in</strong> Wien, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

13.10.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 29.1.1945.<br />

Hans Leipelt gehörte zu den wenigen Studenten der <strong>NS</strong>-Zeit, die sich zum Widerstand<br />

entschlossen. Er wollte zusammen mit se<strong>in</strong>er Freund<strong>in</strong>, Marie-Luise Jahn, das Werk der<br />

Weißen Rose weiterführen. Nicht viele Studenten trafen ähnliche Entscheidungen: Im allgeme<strong>in</strong>en<br />

war das Maß an Zustimmung zur <strong>NS</strong>-Politik unter den Studierenden dieser<br />

Jahre sehr hoch.<br />

Die Geschichte der Weißen Rose ist bekannt: Ihr Widerstand begann im Sommer 1942<br />

im kle<strong>in</strong>sten Kreis. Hans Scholl und Alexander Schmorell verfassten und vervielfältigten die<br />

ersten vier Flugblätter dieser studentischen Widerstandsgruppe. Die Verbreitung der Schriften<br />

erfolgte auf dem Postweg: Adressaten waren zunächst Schriftsteller, Professoren,<br />

Schuldirektoren, Buchhändler und Ärzte <strong>in</strong> <strong>München</strong>. Von den ca. 100 Empfängern lieferten<br />

etwa 35 das Flugblatt bei der Gestapo ab. Die Erfahrung des totalen Kriegs und des<br />

totalen Terrors bewirkte e<strong>in</strong>e Radikalisierung der Gruppe: Das fünfte Flugblatt wurde mit<br />

wesentlich höherer Auflage hergestellt (6.000–9.000 Stück) und nicht mehr nur mit der<br />

Post verschickt, sondern auch durch Streuaktionen verteilt. Das sechste Flugblatt verfassten<br />

die Studenten nicht selbst, sondern es wurde von Professor Kurt Huber nach dem Fall<br />

von Stal<strong>in</strong>grad verfasst. Am 18. Februar warfen Hans und Sophie Scholl e<strong>in</strong>ige Exemplare<br />

des sechsten Flugblatts von der Brüstung der Münchner Universität <strong>in</strong> deren Lichthof –<br />

diese Aktion führte zur Denunziation und zur Verhaftung. Alle sechs Hauptangeklagten,<br />

Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst, Willi Graf und Professor<br />

Kurt Huber, wurden <strong>in</strong> zwei Prozessen vor dem Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und<br />

h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Hans Leipelt hatte sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet, als Soldat den Polen- und den<br />

Frankreichfeldzug mitgemacht und Auszeichnungen erhalten. Durch e<strong>in</strong>en Geheimerlass<br />

des Führers vom 8. April 1940 wurde er aus der Wehrmacht als sogenannter Halbjude entlassen.<br />

Er entschied sich daraufh<strong>in</strong> für e<strong>in</strong> Chemie-Studium, das er <strong>in</strong> Hamburg begann.<br />

Studieren durfte er als „Halbjude“ nur mit m<strong>in</strong>isterieller Erlaubnis. Im W<strong>in</strong>tersemester<br />

1941/42 wechselte Hans Leipelt an die Universität <strong>München</strong>. Das chemischen Staatslabor<br />

der Ludwig-Maximilians-Universität <strong>in</strong> <strong>München</strong> hatte noch so genannte Halbjuden unter<br />

se<strong>in</strong>en Studenten – dies war dem Institutsleiter, Professor He<strong>in</strong>rich Wieland, zu verdanken,<br />

der dies entgegen der nationalsozialistischen Ideologie nach wie vor durchhielt.<br />

Bereits <strong>in</strong> Hamburg hatte sich Hans Leipelt illegale Literatur beschafft. Der talentierte junge<br />

Mann setzte se<strong>in</strong>e Ges<strong>in</strong>nung auch <strong>in</strong> eigene literarische Texte um. Er <strong>in</strong>formierte sich<br />

mithilfe der deutschen Sendungen der BBC und der „Stimme Amerikas“. Im Februar 1943<br />

konnte er sich die von alliierten Flugzeugen abgeworfene Broschüre „Die andere Seite“<br />

besorgen. Diese Texte, darunter Thomas Manns „Nachruf auf e<strong>in</strong>en Henker“, bee<strong>in</strong>druckten<br />

Hans Leipelt so sehr, dass er sie abtippte und Freunden zeigte. Auch eigene kritische<br />

Texte las er im Freundeskreis vor.<br />

Ebenfalls im Februar 1943 sorgte das sechste Flugblatt der Weißen Rose an der Universität<br />

<strong>München</strong> für Aufsehen. Hans Leipelt und Marie-Luise Jahn hatten es mit der Post erhalten<br />

und schrieben es nach der H<strong>in</strong>richtung von Hans und Sophie Scholl und Christoph<br />

Probst mit vielen Durchschlägen auf der Schreibmasch<strong>in</strong>e ab. Sie versahen es zusätzlich<br />

45


mit der Überschrift: „Und ihr Geist lebt trotzdem weiter!“. Die Abschriften des Flugblatts<br />

gaben Hans Leipelt und Marie-Luise Jahn an Freunde weiter oder lasen sie vor, und zwar<br />

sowohl <strong>in</strong> <strong>München</strong> als auch <strong>in</strong> Hamburg. Hans Leipelt rief e<strong>in</strong>e Geldsammlung für die<br />

mittellose Familie Professor Hubers <strong>in</strong>s Leben. Dieser war nach se<strong>in</strong>er Verhaftung und<br />

Verurteilung zum Tode als Staatsbeamter entlassen worden, se<strong>in</strong>e Familie konnte ke<strong>in</strong>e<br />

Pensionsansprüche mehr geltend machen. Im Hamburger Freundeskreis der beiden Studierenden<br />

wurde überlegt, ob es die Möglichkeit gäbe, den Krieg durch Sabotageaktionen<br />

abzukürzen. Zur Ausführung gelangten diese Pläne nie.<br />

Am 13. Oktober 1944 wurde Hans Leipelt vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Im<br />

Gerichtsverfahren versuchte Hans Leipelt erfolgreich, die Beteiligung se<strong>in</strong>er Freund<strong>in</strong><br />

Marie-Luise Jahn herunterzuspielen, die zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Der<br />

Grundton der Urteilsbegründung <strong>in</strong> den Ausführungen über Hans Leipelt ist deutlich antisemitisch.<br />

Dessen Gnadengesuch ehnte der Reichsm<strong>in</strong>ister der Justiz ab. In mehreren<br />

Telegrammen drängten Beamte des Reichsjustizm<strong>in</strong>isteriums und der Staatsanwaltschaft<br />

auf den Vollzug des Todesurteils, der zunächst aufgrund von Fliegerangriffen verschoben<br />

werden musste. Am 29.1.1945 wurde Hans Leipelt <strong>in</strong> <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

In e<strong>in</strong>em Telegramm an den Oberreichsanwalt Dr. Bach beim Volksgerichtshof heißt es am<br />

31.1.1945 <strong>in</strong> der lapidaren Sprache der bürokratischen Mörder: „Angelegenheit ohne Zwischenfall<br />

erledigt.“<br />

Quellen:<br />

Edition „Widerstand als Hochverrat“; MF 577 (11J 118/44, 2H 230/44).<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; NJ 5057.<br />

Dienstliches Schreiben der Universität <strong>München</strong>; © Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

46


Gnadengesuch Hans Leipelts; © Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

47


Die Depesche, mit der die H<strong>in</strong>richtung Hans Leipelts nach Berl<strong>in</strong> gemeldet wurde; © Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

Die verbotenen Grundrechte: Informations- und Me<strong>in</strong>ungsfreiheit<br />

Josef Bollwe<strong>in</strong>, geboren am 29.6.1904 <strong>in</strong> Burgwe<strong>in</strong>t<strong>in</strong>g, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 9.6.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 12.8.1943.<br />

Gespräche mit Bekannten über die politische Situation wurden Josef Bollwe<strong>in</strong> zum Verhängnis.<br />

Der nationalsozialistische Staat unterdrückte jede Form der unabhängigen Informationsbeschaffung<br />

und -weitergabe. Das Grundrecht der freien Me<strong>in</strong>ungsäußerung wurde<br />

unmittelbar nach der Machtergreifung außer Kraft gesetzt. Ab 1939 wurde das staatliche<br />

Me<strong>in</strong>ungsmonopol zudem durch die „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“<br />

zementiert: Sie verbot das Hören ausländischer Rundfunksender und sanktionierte<br />

es mit Zuchthausstrafen. Die Weitergabe gehörter Nachrichten konnte mit dem<br />

Tode bestraft werden. Dies bekamen jene Regensburger Bürger zu spüren, die sich regelmäßig<br />

auf dem Neupfarrplatz trafen. Sie tauschten Informationen aus, die sie sich mit Hilfe<br />

ausländischer Rundfunksender verschafft hatten.<br />

Der 1904 geborene Postfacharbeiter Josef Bollwe<strong>in</strong> gehörte zu dieser Gruppe. Vor se<strong>in</strong>en<br />

Arbeitskollegen machte Bollwe<strong>in</strong> ebenfalls ke<strong>in</strong> Geheimnis aus se<strong>in</strong>en Ansichten, dass der<br />

Krieg für <strong>NS</strong>-Deutschland bereits verloren sei und die Siegesaussichten für die Sowjetunion<br />

günstig stünden.<br />

48


Josef Bollwe<strong>in</strong> begann, sich systematisch auf die Niederlage Deutschlands vorzubereiten.<br />

Irgendwie konnte er sich e<strong>in</strong>e Pistole besorgen. Die Waffe bewahrte er ebenso wie e<strong>in</strong>en<br />

Sowjetstern, den ihm e<strong>in</strong> Soldat geschenkt hatte, für den Zeitpunkt des Zusammenbruchs<br />

des Nationalsozialismus auf. Zwei von alliierten Flugzeugen abgeworfene Flugblätter verwahrte<br />

er ebenfalls. In e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Heft notierte er sowohl die Namen besonders überzeugter<br />

Nazis als auch die von Personen mit antifaschistischer Haltung.<br />

Im Oktober 1942 geriet Josef Bollwe<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Hände der Gestapo. Im Juni 1943 wurde er<br />

vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, zwei Monate später <strong>in</strong> <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong><br />

h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Quelle:<br />

Edition „Widerstand als Hochverrat“; MF 178, 485 (6J 13/43, 6H 85/43).<br />

Max He<strong>in</strong>dl, geboren am 8.6.1899 <strong>in</strong> Fürth, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

28.7.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 22.10.1943.<br />

***<br />

Bei der Durchsetzung dieses Me<strong>in</strong>ungsmonopols erwies sich die Mobilisierung der Denunziationsbereitschaft<br />

<strong>in</strong> der Bevölkerung als schlagkräftiges Instrument. Viele Denunziationen<br />

waren privat motiviert. Max He<strong>in</strong>dl fiel der Denunziation e<strong>in</strong>er Freund<strong>in</strong> zum Opfer.<br />

Den <strong>in</strong> Fürth lebenden Handelsvertreter, Jahrgang 1899, verband mit se<strong>in</strong>er Denunziant<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e enge, <strong>in</strong>time Freundschaft. Ihr gegenüber äußerte Max He<strong>in</strong>dl se<strong>in</strong>e Vermutung, dass<br />

Deutschland den Krieg verlieren würde. Unbekannt ist, was diese Frau zu ihrer Denunziation<br />

veranlasste. Bevor sie Anzeige erstattete, sorgte sie dafür, dass Max He<strong>in</strong>dl se<strong>in</strong>e<br />

Ansichten vor e<strong>in</strong>er ihrer Freund<strong>in</strong>nen wiederholte. Vor Gericht machte sie verme<strong>in</strong>tlich<br />

uneigennützige Gründe geltend, das nationalsozialistische Frauenidealbild geschickt ausspielend:<br />

Sie habe <strong>in</strong> diesen Äußerungen e<strong>in</strong>e Gefahr für ihr K<strong>in</strong>d gesehen.<br />

Vor Gericht stritt Max He<strong>in</strong>dl se<strong>in</strong>e Bemerkungen ab. Die Richter des Volksgerichtshof urteilten<br />

jedoch am 28. Juli 1943 unter Vorsitz von Freisler, die beiden Denunziant<strong>in</strong>nen seien<br />

absolut glaubwürdig. Sie hätten ohne jedes Hass- und Fe<strong>in</strong>dschaftsgefühl ausgesagt. In<br />

der Urteilsbegründung des Todesurteils heißt es: „Wer so wie He<strong>in</strong>dl redet, geht damit<br />

daran, unseren Willen zur Wehr gegen unseren Kriegsfe<strong>in</strong>d zu schwächen, strebt auf e<strong>in</strong><br />

neues 1918 h<strong>in</strong> (...)“. Die Dolchstoßlegende diente den Richtern als Begründung für ihren<br />

Justizmord.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; R 60 I/41.<br />

***<br />

49


Karl Dürr, geboren am 23.4.1901 <strong>in</strong> Leupold, Verurteilt vom Sondergericht Nürnberg am<br />

3.3.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 18.5.1943.<br />

Seit Beg<strong>in</strong>n der nationalsozialistischen Herrschaft hatte die Gestapo e<strong>in</strong> besonderes Augenmerk<br />

auf katholische Geistliche gerichtet. In den Jahren 1936/37 führte der nationalsozialistische<br />

Staat etwa 250 so genannte Sittlichkeitsprozesse gegen katholische Priester<br />

und Ordensleute. Das Ziel, mit diesen Prozessen Illoyalität gegenüber der Kirche unter<br />

katholischen Gläubigen zu stiften, wurde nicht erreicht. Aus e<strong>in</strong>deutig politischen Gründen<br />

wurden Prozesse gegen Geistliche immer wieder nach Anweisung des Reichsjustizm<strong>in</strong>isters<br />

ausgesetzt, und zwar ohne die dem Del<strong>in</strong>quenten vorgeworfene Straftat bei dieser<br />

Entscheidung zu berücksichtigen. Karl Dürr wurde lange nach diesen Prozessen verurteilt,<br />

doch ist auch das Verfahren gegen ihn <strong>in</strong> diese Traditionsl<strong>in</strong>ie nationalsozialistischer Justiz<br />

zu stellen.<br />

Im Falle Dürrs war der Vorwurf der „Sittlichkeitsverbrechen“ mit dem politischen Vorwurf,<br />

häufig „fe<strong>in</strong>dliche“ Rundfunksender (darunter den Sender des Vatikans) gehört zu haben,<br />

gekoppelt. Karl Dürr hatte sich im Herbst 1936 e<strong>in</strong>er religiösen Gruppe um e<strong>in</strong>en Pfarrer<br />

angeschlossen, <strong>in</strong> deren Weltbild sich angeblich sexuelle mit religiös-mystischen Vorstellungen<br />

vermischten. Karl Dürr wurde Sexualverkehr mit se<strong>in</strong>er Schwester nachgesagt. E<strong>in</strong>e<br />

Sexualpartner<strong>in</strong> Dürrs, ebenfalls e<strong>in</strong> Mitglied dieser religiösen Gruppe, wurde schwanger.<br />

Bei der Geburt des K<strong>in</strong>des bat die Gebärende Karl Dürr und e<strong>in</strong>en anderen anwesenden<br />

Mann, ke<strong>in</strong>en Arzt zu holen. Sie starb an Blutungen nach der Geburt. Ausschließlich auf die<br />

Aussage zweier K<strong>in</strong>der im Alter von sieben und neun Jahren stützt sich das Gericht beim<br />

Vorwurf der Unzucht mit M<strong>in</strong>derjährigen.<br />

Das Urteil gegen Karl Dürr hat e<strong>in</strong>e lange Geschichte: Zunächst wurde e<strong>in</strong> Todesurteil vom<br />

Sondergericht beim Landgericht <strong>München</strong> I am 28. Oktober 1942 ausgesprochen. Diesem<br />

Urteil folgte se<strong>in</strong>e Aufhebung durch das Reichsgericht am 18. Dezember 1942, das den<br />

Fall zu neuer Entscheidung an das Sondergericht Nürnberg überwies. Das endgültige Todesurteil<br />

gegen Karl Dürr fällte das Sondergericht Nürnberg unter Richter Rothaug am<br />

3.3.1943. Der politische Vorwurf des so genannten „Rundfunkbrechens“, des Abhörens<br />

ausländischer Rundfunksender, hatte bei der Verurteilung denselben Stellenwert wie die<br />

so genannten Sittlichkeitsverbrechen. „Für jede se<strong>in</strong>er Taten kann dem Erfordernis nach<br />

gerechter Sühne nur durch die Todesstrafe entsprochen werden.“, heißt es im Urteil.<br />

Quelle:<br />

Staatsarchiv <strong>München</strong>; JVA <strong>München</strong> 146.<br />

Literatur:<br />

Hockerts, Hans Günther: Die Sittlichkeitsprozesse gegen katholische Ordensangehörige und Priester<br />

1936/1937. E<strong>in</strong>e Studie zur nationalsozialistischen Herrschaftstechnik im Kirchenkampf. Ma<strong>in</strong>z 1971.<br />

50


Biographien: Österreich<br />

Monarchistischer Widerstand<br />

Wilhelm Hebra; © Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes<br />

Wilhelm Hebra, geboren am 11.10.1885 <strong>in</strong> Wien, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

16.11.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 27.10.1944.<br />

In Österreich existierte während der <strong>NS</strong>-Zeit ungefähr e<strong>in</strong> Dutzend monarchistischer Widerstandsgruppen.<br />

Ihre politische Zielvorstellung war die Wiederherstellung der Habsburger<br />

Monarchie. Leiter e<strong>in</strong>er dieser Kreise war Wilhelm Hebra. Diese Gruppen formierten<br />

sich als <strong>in</strong>formelle Gesprächskreise, bauten schließlich festere organisatorische Strukturen<br />

auf und versuchten, Kontakt zu Otto von Habsburg herzustellen. Die weitaus meisten dieser<br />

Widerstandsorganisationen wurden 1940 von der Gestapo zerschlagen, e<strong>in</strong>ige wenige<br />

überdauerten bis 1942. Wilhelm Hebra gründete <strong>in</strong> Wien die monarchistisch-legitimistische<br />

Organisation „Ostfrei“.<br />

Hebra stammte aus e<strong>in</strong>er alte<strong>in</strong>gesessenen Wiener Familie: Sowohl se<strong>in</strong> Vater wie auch<br />

se<strong>in</strong> Großvater waren Professoren der Mediz<strong>in</strong> <strong>in</strong> Wien, die Großmutter mütterlicherseits<br />

war Jüd<strong>in</strong>. Hebra studierte <strong>in</strong> Wien und <strong>München</strong> Rechts- und Staatswissenschaften,<br />

diente als E<strong>in</strong>jährig-Freiwilliger beim österreichischen Militär, von 1914 bis 1918 nahm er<br />

am Weltkrieg an der Ostfront und <strong>in</strong> Italien teil. Die Habsburger Monarchie blieb se<strong>in</strong> politisches<br />

und persönliches Leitbild: Für sie trat er nach dem Weltkrieg e<strong>in</strong>, er arbeitete als<br />

belletristischer und politischer Schriftsteller und für sie agitierte er als Redner <strong>in</strong> öffentlichen<br />

Versammlungen. 1936 wurde Wilhelm Hebra Mitglied des monarchistischen „Reichsbund<br />

der Österreicher“. Er veröffentlichte mehrere Aufsätze, die sich zum Beispiel mit der militärischen<br />

Bedeutung der Unabhängigkeit Österreichs befassten. E<strong>in</strong>e Erkrankung beendete<br />

1937 se<strong>in</strong>e legitimistische Tätigkeit vorläufig.<br />

Den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich lehnte Wilhelm Hebra ab. Ausschlaggebend<br />

für ihn war, dass die Habsburger damit ke<strong>in</strong>e Aussicht mehr hatten, an die Macht<br />

<strong>in</strong> Österreich zu kommen. Ebenso wie andere Monarchisten <strong>in</strong> Österreich begann er noch<br />

51


1938 mit dem Aufbau e<strong>in</strong>er illegalen Organisation. Sie sollte möglichst kle<strong>in</strong> bleiben, aber<br />

Kontakte zu Gleichges<strong>in</strong>nten halten. Die Sudetenkrise war der Anlass zur Herstellung der<br />

ersten Flugblätter. Da das Münchner Abkommen die Krise den Ausbruch des von Hitler<br />

gewünschten Krieges noch e<strong>in</strong>mal abwandte, vernichtete Hebra die Flugblätter. Im Oktober<br />

oder November 1938 verfasste Wilhelm Hebra e<strong>in</strong>en weiteren Aufruf. In ihm hieß es:<br />

„Wir Österreicher s<strong>in</strong>d durch Geschichte und Kultur, <strong>in</strong> Geist und Ges<strong>in</strong>nung, <strong>in</strong> Charakter<br />

und Lebensform von den anderen Deutschen unterschieden, den Preußen gegensätzlich.“<br />

Zum Druck des Flugblatts fehlte es an den nötigen Geldmitteln.<br />

Auch andere Aktionen Hebras scheiterten: So versuchte er erfolglos, den katholischen Bischof<br />

von Wien zu überzeugen, e<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>er Schriften von den Kanzeln verlesen zu lassen.<br />

Auch Eisenbahnsabotagepläne und die Planung e<strong>in</strong>es Geheimsenders blieben im Ungefähren.<br />

Erfolgreich konnten dagegen Kontakte zum Ausland über e<strong>in</strong>e englische Mitarbeiter<strong>in</strong> von<br />

Hebras Gruppe geknüpft werden. Diese Engländer<strong>in</strong>, die übrigens e<strong>in</strong>e längere Gefängnisstrafe<br />

verbüßen musste, erzählte nach dem Krieg vom Ende der Gruppe: „Leider wie es<br />

nun bekannt ist, hatten wir <strong>in</strong> der „Ostfrei“ Spionen, die uns an der Gestapo verkauften.“<br />

[sic!]<br />

Bereits im März 1939 nahm die Gestapo die etwa 20 Gruppenmitglieder fest, darunter<br />

auch Wilhelm Hebra. Bis zur Verhandlung des Volksgerichtshofs und dem Todesurteil im<br />

Jahr 1943 verg<strong>in</strong>gen aufgrund e<strong>in</strong>es von Hitler verhängten Moratoriums mehrere Jahre.<br />

1944, fast e<strong>in</strong> Jahr nach dem Urteil, wurde Wilhelm Hebra <strong>in</strong> <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Quellen:<br />

Edition „Widerstand als Hochverrat“; MF 401, 402 (7J 376/42, 2H 273/42);<br />

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands; 3665, 5529.<br />

Kommunistischer Widerstand <strong>in</strong> Österreich<br />

KPÖ Salzburg<br />

Johann Illner, geboren am 8.12.1908 <strong>in</strong> St. Laurenz, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 3.11.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 19.4.1943.<br />

Bereits 1933 hatte die österreichische Regierung die KPÖ verboten. Die Partei verfolgte ab<br />

1937 e<strong>in</strong>e nationalpatriotische L<strong>in</strong>ie, die ihr schließlich nach dem Anschluss Österreichs an<br />

das deutsche Reich die Legitimationsgrundlage dafür gab, die nationalsozialistische Herrschaft<br />

als ausländisches Besatzungsregime zu bekämpfen. Diese Haltung ermöglichte ihr<br />

bereits während des Hitler-Stal<strong>in</strong>-Pakts den Widerstand. Die Organisation der KPÖ Salzburg<br />

stellt e<strong>in</strong> frühes Beispiel für kommunistischen Widerstand nach dem „Anschluss“<br />

Österreichs dar. Sie fiel der ersten Unterdrückungs- und Verhaftungswelle zum Opfer.<br />

Bereits im Herbst 1938 begannen die Versuche, die illegale Parteistruktur <strong>in</strong> Salzburg wieder<br />

aufzubauen. Johann Illner war Mitglied dieser Organisation.<br />

52


Der Telegraphenarbeiter Johann Illner, der übrigens seit Mai 1938 der <strong>NS</strong>DAP angehörte,<br />

wurde im Mai 1940 von e<strong>in</strong>em Arbeitskameraden für die KPÖ geworben. Illner zögerte längere<br />

Zeit und entschloss sich Anfang 1941 zum Beitritt. Er wurde Mitglied e<strong>in</strong>er Fünfergruppe,<br />

übernahm die Funktion des Kassiers und des Zellenleiters. Anfangs bekam Johann<br />

Illner immer wieder verbotene Flugblätter zugespielt, die er las und weitergab. Im Herbst<br />

1941 erhielt Johann Illner e<strong>in</strong>e Schreibmasch<strong>in</strong>e zur Herstellung illegaler Literatur. Als er<br />

am 18. Januar 1942 von der Verhaftung e<strong>in</strong>es führenden salzburgischen Funktionärs erfuhr,<br />

wurde ihm se<strong>in</strong>e eigene Gefährdung bewusst: Er warf die Schreibmasch<strong>in</strong>e noch am<br />

selben Abend <strong>in</strong> die Salzach. Ende Januar 1942 fiel er <strong>in</strong> die Hände der Gestapo. Die Schreibmasch<strong>in</strong>e<br />

musste er unter den Augen der Polizei aus dem Wasser holen.<br />

Im November 1942 wurde Illner vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Se<strong>in</strong> am H<strong>in</strong>richtungstag<br />

im April 1943 geschriebener Abschiedsbrief an se<strong>in</strong>e Frau erreichte die Adressat<strong>in</strong><br />

nicht. Frau Illner versuchte noch nach se<strong>in</strong>em Tod, mit ihrem Mann <strong>in</strong> Kontakt zu<br />

treten. Am 5.5.1943 wurde ihr lapidar mitgeteilt: Die von ihr beantragte Sprecherlaubnis<br />

könne nicht gewährt werden, das Todesurteil sei bereits vollstreckt.<br />

Quellen:<br />

Edition „Widerstand als Hochverrat“; MF 354 (/J 376/42, 2H 273/42).<br />

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands; 1448, 18232.<br />

KPÖ Steyr-Werke<br />

Johann Palme, geboren am 8.4.1909 <strong>in</strong> Amstetten, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 24.5.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 5.12.1944.<br />

Karl Punzer, geboren am 18.10.1912 <strong>in</strong> Wals, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

24.5.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 5.12.1944.<br />

Johann Riepl, geboren am 16.8.1900 <strong>in</strong> Mittertrixen, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 24.5.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 5.12.1944.<br />

Anton Ulram, geboren am 25.11.1921 <strong>in</strong> Wien, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

24.5.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 5.12.1944.<br />

Rüstungsbetriebe hatten sowohl für die Nationalsozialisten wie auch für ihre Gegner e<strong>in</strong>en<br />

besonderen Stellenwert. In den Steyr-Werken gelang es der KPÖ, e<strong>in</strong>e etwa 35 Personen<br />

umfassende illegale Betriebsorganisation aufzubauen und trotz der scharfen Beobachtung<br />

des Betriebs durch die Gestapo illegale Literatur zu verteilen. Palme, Punzer, Riepl und<br />

Ulram gehörten der illegalen Betriebsorganisation der KPÖ <strong>in</strong> den Steyr-Werken an.<br />

Der Masch<strong>in</strong>enschlosser Johann Palme und der Dreher Johann Riepl lernten sich bei der<br />

Arbeit <strong>in</strong> den Steyr-Werken kennen. 1940 entdeckten sie ihre politische Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

und entschlossen sich, Kontakt zur verbotenen kommunistischen Betriebsorganisation<br />

zu suchen. Johann Palme und Johann Riepl warben Mitglieder, zahlten und kassierten Mitgliedsbeiträge.<br />

53


Johann Riepl kam bald <strong>in</strong> Konflikt mit der KPÖ: Ihm wurde vorgeworfen, er habe zu wahllos<br />

an se<strong>in</strong>em Heimatort Mitglieder geworben und damit die Sicherheit der illegalen Arbeit<br />

gefährdet. Se<strong>in</strong>e Zelle wurde daher von der KPÖ aufgelöst. Er ärgerte sich sehr darüber<br />

und wollte se<strong>in</strong>e Organisation ohne organisatorische Verb<strong>in</strong>dung zur KPÖ weiterführen. Ob<br />

ihm dies gelang, ist nicht bekannt.<br />

Auch Johann Palme musste im Januar 1942 auf Partei-Anweisung se<strong>in</strong>e illegale Arbeit e<strong>in</strong>stellen.<br />

Anlass war die Festnahme e<strong>in</strong>iger Mitglieder der Roten Hilfe <strong>in</strong> Steyr. Im April 1942<br />

nahm er wieder Verb<strong>in</strong>dung zu den verlässlichsten Mitgliedern se<strong>in</strong>er Gruppe auf. Auch<br />

mit Anton Ulram hatte Johann Palme Kontakt. Ulram leitete ebenfalls e<strong>in</strong>e Betriebszelle.<br />

Ihm riet Palme, weniger zu arbeiten und dies auch anderen zu empfehlen. Durch diese Art<br />

des passiven Widerstands sollte der nationalsozialistische Kriegsapparat geschwächt werden.<br />

Schriftliches Propagandamaterial gegen die Nationalsozialisten war <strong>in</strong> den Steyr-Werke selten.<br />

Anton Ulram bekam e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Flugblatt zugespielt, das die Aufforderung zu „Sabotage<br />

und Arbeitsverweigerung“ enthielt. Er gab es an Gleichges<strong>in</strong>nte weiter, darunter an<br />

Johann Palme. Andere Versuche, Schulungs- und Propagandamaterial zu besorgen, scheiterten.<br />

Höher als diese drei Männer sche<strong>in</strong>t Karl Punzer <strong>in</strong> der betriebs<strong>in</strong>ternen Hierarchie der<br />

illegalen KPÖ gestanden zu haben. Leider ist darüber wenig bekannt.<br />

Die Widerstandsgruppe fiel der Gestapo <strong>in</strong> der zweiten Jahreshälfte 1942 <strong>in</strong> die Hände. Zur<br />

Zeit der Anklageerhebung waren die Männer bereits Gefangene im Münchner Gefängnis<br />

<strong>in</strong> <strong>Stadelheim</strong>. Der Volksgerichtshof verurteilte sie im Mai 1944 zum Tode. Im Dezember<br />

desselben Jahres wurden die H<strong>in</strong>richtungen vollzogen.<br />

Quelle:<br />

Edition „Widerstand als Hochverrat“; MF 364, 736 (7J 109/43, 6(7)J 108/43.<br />

Verbotene Me<strong>in</strong>ungsäußerungen<br />

Ferd<strong>in</strong>and Lang, geboren am 27.3.13 <strong>in</strong> Unterlangendorf, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 10.10.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 21.11.1944.<br />

E<strong>in</strong>e von der <strong>NS</strong>-Ideologie abweichende politische Me<strong>in</strong>ung und die Denunziation e<strong>in</strong>er<br />

Kolleg<strong>in</strong> führte zur Verhaftung von Ferd<strong>in</strong>and Lang. Nicht nur entsprechende Äußerungen,<br />

auch die Lektüre verbotener Bücher und das Hören ausländischer verbotener Rundfunksender<br />

wurde ihm von se<strong>in</strong>en Verfolgern vorgeworfen.<br />

Jack Londons Buch „Die eiserne Ferse“ hatte Ferd<strong>in</strong>and Lang bee<strong>in</strong>druckt. Das Buch lieh<br />

er anderen, dies war <strong>in</strong> den Augen se<strong>in</strong>er Verfolger e<strong>in</strong>e politische Straftat. Auch hörte er<br />

seit 1940 regelmäßig Radio Moskau und Radio London, e<strong>in</strong>e Möglichkeit, sich Informationen<br />

zu verschaffen, die nicht von der Propagandamasch<strong>in</strong>e des <strong>NS</strong>-Staates manipuliert<br />

worden waren. Als so genanntes Rundfunkverbrechen wurde dieses Verhalten strafrechtlich<br />

verfolgt. Zudem hielt Ferd<strong>in</strong>and Lang mit se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung über die <strong>NS</strong>-Herrschaft nicht<br />

h<strong>in</strong>ter dem Berg. Lang wurde vorgeworfen, politische Witze erzählt zu haben, auch habe<br />

54


er die Verhältnisse <strong>in</strong> der Sowjetunion, <strong>in</strong> der früheren tschechoslowakischen Republik und<br />

<strong>in</strong> Amerika gelobt. Ferd<strong>in</strong>and Lang sprach im Kollegenkreis zudem die verbotene Wahrheit<br />

aus, dass die Nationalsozialisten die besetzten Länder zu Unrecht unterdrückten und ausraubten.<br />

Diese Äußerungen veranlassten e<strong>in</strong>e nationalsozialistische Kolleg<strong>in</strong> zu der Drohung, er<br />

werde wegen se<strong>in</strong>er Hetzreden noch nach „Dachau“ kommen. Eben diese Kolleg<strong>in</strong> denunzierte<br />

ihn bei der Gestapo. Ferd<strong>in</strong>and Lang erfuhr davon und verstummte daraufh<strong>in</strong> vorübergehend.<br />

Aber es drängte ihn, politische Wahrheiten auch weiterh<strong>in</strong> auszusprechen:<br />

1943 äußerte er über den Krieg, dieses Blutvergießen könne doch ke<strong>in</strong> Mensch mehr verantworten.<br />

Am 21. Oktober 1943 wurden Ferd<strong>in</strong>and Lang und se<strong>in</strong>e schwangere Ehefrau Herta Lang<br />

verhaftet. Ferd<strong>in</strong>and Lang wurde bis Anfang Februar 1944 im Salzburger Polizeigefängnis<br />

<strong>in</strong> die berüchtigte Zelle 13 gesperrt. Dann wurde er <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>er Gefängnis überstellt.<br />

Am 11. Oktober 1944 fand die Verhandlung gegen Ferd<strong>in</strong>and Lang vor dem Volksgerichtshof<br />

statt. Herta Lang hatte wegen der bevorstehenden Entb<strong>in</strong>dung Hafturlaub und wohnte<br />

der Gerichtsverhandlung bei. Sie äußerte später, ihr Mann sei „zum Tode verurteilt worden,<br />

obwohl die Zeugenaussagen derart lächerlich und widersprechend waren und e<strong>in</strong>e von der<br />

Gestapo gedungene Zeug<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Me<strong>in</strong>eid schwor, der vom Verteidiger me<strong>in</strong>es Mannes<br />

aufgezeigt und widerlegt wurde, jedoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er beispiellos dem Gesetz und Recht hohnsprechenden<br />

Weise vom Vorsitzenden anerkannt wurde.“ Herta Lang wurde vom Sondergericht<br />

Salzburg wegen Rundfunkverbrechens zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Am<br />

30. April 1945 entließ man sie beim Näherrücken der Amerikaner aus der Haft.<br />

Quellen:<br />

Edition „Widerstand als Hochverrat“; MF 419, 529 (11J 72/44, 2H 53/44).<br />

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands; 18334.<br />

55


Biographien: Tschechoslowakei<br />

Jugendwiderstand <strong>in</strong> der CSR<br />

Josef Medek, geboren am 10.4.1925 <strong>in</strong> Kirchschlag, h<strong>in</strong>gerichtet am 24.8.1943. Verurteilt<br />

durch den Volksgerichtshof, Urteilsdatum unleserlich.<br />

Josef Cába, geboren am 8.9.1911 <strong>in</strong> Dumrowitz, h<strong>in</strong>gerichtet am 24.6.1943. Verurteilt<br />

durch den Volksgerichtshof, Urteilsdatum unleserlich.<br />

Unabhängig vone<strong>in</strong>ander planten zwei junge Männer zusammen mit <strong>in</strong>s Vertrauen gezogenen<br />

Freunden während des 2. Weltkriegs die Errichtung e<strong>in</strong>es illegalen Radiosenders.<br />

Beide wollten damit verbotene Propaganda gegen die Nationalsozialisten senden. Beide<br />

waren durch Sendungen der BBC, die sie trotz des strengen Verbots gehört hatten, auf<br />

diese Idee gekommen. Sie wurden Opfer der Terrorjustiz des mächtigen Gegners: Der<br />

Volksgerichtshof verurteilte sie zum Tode. E<strong>in</strong>er der beiden jungen Männer stammte aus<br />

<strong>München</strong>, der andere aus der Tschechoslowakei. Sie erfuhren niemals vone<strong>in</strong>ander. Beide<br />

wurden im Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> h<strong>in</strong>gerichtet und auf dem direkt daneben liegenden<br />

Friedhof am Perlacher Forst bestattet. Ursprünglich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Reihengrab beerdigt,<br />

wurden sowohl der Münchner Walter Kl<strong>in</strong>genbeck wie auch der Tscheche Josef Medek<br />

später umgebettet. Der Münchner fand se<strong>in</strong>e letzte Ruhe auf Wunsch se<strong>in</strong>er Angehörigen<br />

auf e<strong>in</strong>em anderen Münchner Friedhof. Die Widerstandstätigkeit dieser jungen Männer<br />

kann mit dem Begriff Jugendwiderstand zutreffend beschrieben werden: Jugendliche organisierten<br />

sich selbst <strong>in</strong> von ihnen bestimmten Strukturen. Technikbegeisterung, Abenteuergeist,<br />

Opposition gegen die Eltern und politischer Gestaltungswille äußerten sich <strong>in</strong><br />

eigenen typischen Formen. Der junge Tscheche Josef Medek und se<strong>in</strong> Freund Josef Cába<br />

gehören zu den Toten des Sammelgrabs II, se<strong>in</strong>e Lebensgeschichte und die Lebensgeschichte<br />

se<strong>in</strong>es Freundes wird im folgenden dokumentiert.<br />

Der Rundfunktechniker Josef Medek und der Schlosser Josef Cába lebten beide <strong>in</strong> Weichseln.<br />

Der jüngere der beiden, Josef Medek, war im Bezirk Krumau am 10. April 1925 als<br />

Sohn e<strong>in</strong>es Tschechen und e<strong>in</strong>er Deutschen zur Welt gekommen. In den Akten des Volksgerichtshofs<br />

ersche<strong>in</strong>t dies als „völkische Mischehe“. Als Weichseln 1938 dem Deutschen<br />

Reich angegliedert wurde, optierte se<strong>in</strong> Vater, e<strong>in</strong> tschechischer Polizist, für die<br />

deutsche Staatsangehörigkeit. Auch Josef Medek war also formal deutscher Staatsangehöriger,<br />

sprach fließend deutsch und hatte sowohl deutsche als auch tschechische Schulen<br />

besucht. Er selbst fühlte, dachte und handelte jedoch als engagierter Verfechter der<br />

tschechischen Nation.<br />

Josef Medek begeisterte sich sehr für die noch neue Rundfunktechnik: In den Jahren<br />

1940/41 baute der 16jährige <strong>in</strong> der elterlichen Wohnung e<strong>in</strong>en Mittelwellensender, mit<br />

dem er e<strong>in</strong>ige Sendeversuche unternahm, bevor er den Sender wieder zerlegte. Zu se<strong>in</strong>en<br />

Aufgaben als Lehrl<strong>in</strong>g gehörte es, fremde Radiogeräte auf ihre Leistungsfähigkeit zu testen.<br />

Dies führte dazu, dass er ab 1941 bis <strong>in</strong> den Herbst 1942 regelmäßig zu Hause <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Zimmer die tschechischen Sendungen des Londoner Rundfunks und e<strong>in</strong>mal auch den<br />

Moskauer Sender hörte. Dazu lud er Freunde e<strong>in</strong>. Unter ihnen war der 24jährige Josef<br />

Cába, den die Arbeit <strong>in</strong> den Kalkwerken der Gegend nach Krumau geführt hatte. Der Freundeskreis<br />

begann, BBC zu hören. Die Freunde besprachen die gehörten Sendungen und<br />

56


schlossen sich der Me<strong>in</strong>ung an, dass Deutschland nach dem Kriegse<strong>in</strong>tritt der Sowjetunion<br />

und der USA den Krieg verlieren werde und dass aus dem Protektorat Böhmen und Mähren<br />

e<strong>in</strong> neuer tschechischer Staat entstehen werde.<br />

Durch eigene Sendungen wollte Josef Medek zur Niederlage des nationalsozialistischen<br />

Deutschlands beitragen. Josef Cába erklärte sich bereit, beim Aufbau e<strong>in</strong>es Senders zu<br />

helfen. Er wollte sich zur Bewachung des Senders zur Verfügung stellen. Medek baute im<br />

Frühjahr 1942 e<strong>in</strong>en Mittel- und e<strong>in</strong>en Kurzwellensender, richtete e<strong>in</strong>en schon vorher für<br />

ausschließlich technische Zwecke erbauten Ultra-Kurzwellensender sowie e<strong>in</strong>en Mikrokurzwellensender<br />

zu diesem Zweck her und baute zudem e<strong>in</strong>en Umformer sowie e<strong>in</strong> Motoraggregat<br />

zum Aufladen der Akkumulatoren. Damit wollte er im Wald bei Weichseln e<strong>in</strong>e<br />

Funkstation errichten, die Cába und mehrere <strong>in</strong> Weichseln arbeitende serbische Kriegsgefangene<br />

bewachen sollten. Zunächst hatte Medek vor, den Text e<strong>in</strong>er Schallplatte zu senden,<br />

die er auf e<strong>in</strong>em selbst gefertigten Aufnahmegerät hergestellt und besprochen hatte.<br />

Der tschechische Text lautet <strong>in</strong> deutscher Übersetzung:<br />

„Tschechen, vorwärts h<strong>in</strong>ter der Fahne der Freiheit!<br />

Tschechoslowakische Soldaten, jetzt ist Eure Zeit!<br />

Die Freiheit marschiert! Schluss mit der Sklaverei!<br />

Die Freiheit kommt!“<br />

Die Platte hatte jedoch zu viele Nebengeräusche, so dass sich Josef Medek entschloss,<br />

den Text „live“ wiederzugeben.<br />

Medek verschaffte sich Waffen und Munition zur Bewachung se<strong>in</strong>er Sendestation. Er<br />

machte mehrere Fotos, die ihn und e<strong>in</strong>en se<strong>in</strong>er Freunde mit e<strong>in</strong>er Pistole <strong>in</strong> der Hand vor<br />

den Sendeanlagen zeigte. E<strong>in</strong> Schild erläuterte den Namen des Senders: „VCA“, dies bedeutete<br />

„Sender der tschechoslowakischen Armee“.<br />

Ab August 1942 verfolgte Medek se<strong>in</strong>e Rundfunkpläne nicht mehr weiter, da er damit<br />

rechnete, <strong>in</strong> den Flugzeugwerken <strong>in</strong> Hörsch<strong>in</strong>g zur Arbeit e<strong>in</strong>gesetzt oder als deutscher<br />

Staatsangehöriger zur Wehrmacht e<strong>in</strong>berufen zu werden. Bevor dies geschah, wurde er<br />

am 3. Oktober 1942 festgenommen. Die Gestapo fand <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Wohnung die oben erwähnten<br />

Waffen, Pulver- und Munitionsvorräte sowie mehrere Empfangsgeräte.<br />

Während se<strong>in</strong>er Haft im Nürnberger Gefängnis schrieb Josef Medek am 18. März 1943<br />

folgenden tschechischen Text auf e<strong>in</strong>e Schiefertafel <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zelle:<br />

„Hier war der Tscheche Josef Medek aus Böhmisch-Krumau <strong>in</strong> Untersuchungshaft wegen<br />

Hochverrats. Ich habe vier Schwarzsender hergestellt, hatte zu Hause Waffen und Rüstung<br />

für drei Soldaten und habe ausländischen Rundfunk abgehört, <strong>in</strong>sbesondere London und Moskau.<br />

Zusammen mit mehreren Kameraden und mit serbischen Kriegsgefangenen wollten wir<br />

antideutsche Propaganda machen. Unseren Rundfunksender nannten wir „Sender der tschechoslowakischen<br />

Armee“, abgekürzt VCA. Auf Wiedersehen <strong>in</strong> der befreiten Heimat.“<br />

57


Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; R 60 I/80.<br />

Literatur:<br />

Zarusky, Jürgen: Jugendliche „Vierergrupen“ (Hübener, Kl<strong>in</strong>genbeck, Landgraf). In: Lexikon des deutschen<br />

Widerstandes, Hg. von Wolfgang Benz und Walter H. Pehle, Frankfurt a.M. 1994, S. 236 –239.<br />

Mit dem Schicksal Walter Kl<strong>in</strong>genbecks befasst sich folgender Aufsatz: Zarusky, Jürgen: „... nur e<strong>in</strong>e Wachstumskrankheit“?<br />

Jugendwiderstand <strong>in</strong> Hamburg und <strong>München</strong>. In: Dachauer Hefte 7 (1991), S. 210–229.<br />

UVOD – nationaltschechischer Widerstand<br />

Karel Hladecek, geboren am 13.3.1908 <strong>in</strong> Brüx, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

17. April 1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 19.9.1944.<br />

Es gelang den Nationalsozialisten, die nationaltschechischen Widerstandsgruppen <strong>in</strong> den<br />

ersten Monaten ihrer Herrschaft schwer zu treffen. Drei der großen tschechischen Widerstandsorganisationen,<br />

die militärische Widerstandsbewegung Obrana národa (ON), die vom<br />

ehemaligen und späteren Staatspräsidenten und Präsidenten der Exilregierung Eduard<br />

Benes geführte Politicke ustredi (PU) und die überparteiliche Peticni vybor verny (PVVZ),<br />

schlossen sich daraufh<strong>in</strong> 1940 zum überparteilichen „Zentralkomitee des Widerstands“,<br />

dem UVOD, zusammen. Aus Sicherheitsgründen operierten die drei <strong>in</strong> ihm vere<strong>in</strong>ten Widerstandsgruppen<br />

nach wie vor getrennt vone<strong>in</strong>ander. E<strong>in</strong>e der wesentlichen Aufgaben, die<br />

dem UVOD als Dachorganisation blieben, war es, <strong>in</strong> der Regel recht zuverlässige Informationen<br />

über die Situation im Protektorat <strong>in</strong>s Ausland zu schaffen. Karel Hladecek gehörte<br />

zu den Informanten des UVOD.<br />

Der frühere Sozialdemokrat wurde im Juni 1940 von e<strong>in</strong>em Bekannten gebeten, Nachrichten<br />

über die wirtschaftlichen Verhältnisse <strong>in</strong> Kol<strong>in</strong>, die Stimmung der Bevölkerung, das Verhalten<br />

des deutschen Bevölkerungsteils sowie andere ihm wichtig ersche<strong>in</strong>ende Vorgänge<br />

zu sammeln und an e<strong>in</strong>en Bibliothekar <strong>in</strong> Prag weiterzugeben. Karel Hladecek bemühte<br />

sich m<strong>in</strong>destens bis September 1941, möglichst viele derartige Nachrichten zusammenzutragen.<br />

Se<strong>in</strong>e schriftlichen Berichte sandte er an e<strong>in</strong>e Deckadresse <strong>in</strong> Prag. Sie befassten<br />

sich zum Beispiel mit Unregelmäßigkeiten <strong>in</strong> der Lebensmittelversorgung (vor allem<br />

zugunsten von Beamten der Gestapo), mit Vorfällen bei der Abreise tschechischer Arbeiter<br />

<strong>in</strong> das Deutsche Reich und mit Ause<strong>in</strong>andersetzungen um Lohnforderungen <strong>in</strong> Fabriken<br />

sowie mit der Situation <strong>in</strong> der Petroleumraff<strong>in</strong>erie <strong>in</strong> Kol<strong>in</strong>. Für diesen Betrieb konnte<br />

Hladecek Angaben über die Anzahl der Arbeiter und Angestellten, die Art und den Umfang<br />

der Produktion, über die Luftschutzmaßnahmen sowie über e<strong>in</strong>e Tarnanlage zur Irreführung<br />

fe<strong>in</strong>dlicher Flieger machen.<br />

Der Kontaktmann Hladeceks, der erwähnte Bibliothekar <strong>in</strong> Prag, war <strong>in</strong> die Strukturen des<br />

UVOD e<strong>in</strong>gebunden und konnte die Berichte <strong>in</strong>s Ausland weiterleiten. Der Volksgerichtshof<br />

stellte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Todesurteil fest, die gesammelten Nachrichten seien objektiv nicht<br />

geheimhaltungsbedürftig gewesen. Zur Begründung des Todesurteils genügte den Richtern,<br />

dass Hladecek sie dafür gehalten habe.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; R 60 I/61.<br />

58


KP Königgrätz (Hradec Králové)<br />

Der KPC war es gelungen, auch im Kreis Königgrätz (Hradec Králové) e<strong>in</strong>e illegale Parteiorganisation<br />

aufzubauen. Deren Tätigkeit bestand im wesentlichen aus Mitgliederwerbung<br />

und Verbreitung illegaler Literatur. Noch vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion<br />

konnte die Gestapo diese Widerstandsorganisation aufrollen. Die ersten Festnahmen erfolgten<br />

im Frühjahr 1940, die letzten im Frühjahr 1941. Hierüber gibt e<strong>in</strong> im April 1941 abgeschlossener<br />

Ermittlungsbericht der Gestapo-Leitstelle Prag Auskunft. 183 Personen werden<br />

namentlich erwähnt. Von diesen 166 Männern und 18 Frauen wurden 177 Personen<br />

festgenommen, davon wurden nur zehn wieder entlassen. Nicht festgenommen wurden<br />

fünf Menschen, e<strong>in</strong>er davon beg<strong>in</strong>g vor se<strong>in</strong>er Festnahme Selbstmord und e<strong>in</strong>er war für<br />

se<strong>in</strong>e Verfolger nicht zu ermitteln, konnte sich also vermutlich <strong>in</strong>s Ausland oder <strong>in</strong> die Illegalität<br />

absetzen. Auch diejenigen, bei denen die Beweislage schließlich nicht für e<strong>in</strong>en<br />

Haftbefehl reichte, hatten Schlimmes zu befürchten. In dem Ermittlungsbericht heißt es:<br />

„Sollte Haftbefehl für e<strong>in</strong>zelne der Beschuldigten nicht erlassen werden oder der derzeitige<br />

Haftgrund entfallen, wird um Rücküberstellung der betr. Beschuldigten gebeten.“<br />

Dies bedeutete KZ-Haft. Auch ermittelte die Gestapo zu diesem Zeitpunkt noch gegen andere<br />

Personen. In dem Bericht heißt es: „Weitere Festnahmen <strong>in</strong> der Sache stehen bevor.<br />

Hierüber folgt besonderer Vorgang.“<br />

Es ist nicht bekannt, wie viele der 177 Festgenommenen die Verfolgung durch die Nationalsozialisten<br />

überlebten. 16 Männer dieser Gruppe liegen im Sammelgrab II am Münchner<br />

Friedhof am Perlacher Forst begraben. An drei Beispielen soll ihre Tätigkeit und ihr Schicksal<br />

exemplarisch geschildert werden, für die verbleibenden Personen werden biographische<br />

Grunddaten genannt.<br />

Emanuel Safranek, geboren am 4.11.1897 <strong>in</strong> Zamcoti, verurteilt durch den Volksgerichtshof,<br />

Urteilsdatum unleserlich, h<strong>in</strong>gerichtet am 8.10.1942.<br />

Emanuel Safranek war „kreistechnischer Leiter“ der KP Königgrätz (Hradec Králové), d.h.<br />

er besorgte die notwendigen Materialien für die Herstellung illegaler Literatur und kümmerte<br />

sich um die Herstellung und Verbreitung der Widerstandsflugblätter.<br />

Der Kellner Emanuel Safranek begann se<strong>in</strong>e Tätigkeit für die illegale kommunistische Partei<br />

bereits vor der deutschen Besetzung um die Jahreswende 1938/39. Zuvor war er nicht<br />

Mitglied e<strong>in</strong>er politischen Partei gewesen. Safranek sollte den kreistechnischen Apparat<br />

im Kreis Königgrätz (Hradec Králové) leiten, das heißt, er war für die Herstellung illegaler<br />

Literatur verantwortlich. Zu se<strong>in</strong>er Verfügung hatte er e<strong>in</strong>e Schreibmasch<strong>in</strong>e, e<strong>in</strong>en Abziehapparat<br />

und Wachsmatrizen. Bis zur Jahreswende 1939/40 stellte Safranek die Flugblätter<br />

nach handschriftlichen Manuskripten, die er von anderen Parteigenossen erhielt, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Wohnung her. Aus Sicherheitsgründen brachte er im Januar 1940 die Gerätschaften bei<br />

anderen Leuten unter, die Schreibmasch<strong>in</strong>e im Laden e<strong>in</strong>er Ges<strong>in</strong>nungsgenoss<strong>in</strong> und den<br />

Abziehapparat bei e<strong>in</strong>em Lehrer. Safranek besorgte das Material für die Herstellung der<br />

Flugblätter (Papier, Wachsbögen und Farbe). Auch kümmerte er sich um deren Verteilung.<br />

Die von ihm hergestellten Flugblätter hatten folgende Titel: „An alle“, „An das tschechische<br />

Volk“, „Geme<strong>in</strong>same Äußerungen der tschechischen, deutschen und österreichischen<br />

Partei“, „E<strong>in</strong>ige Fragen an Dr. Benesch“, „Der Kampf der F<strong>in</strong>nen um die Freiheit<br />

ist e<strong>in</strong> Kampf aller arbeitenden Völker der ganzen Welt“, „An die tschechische Jugend“,<br />

„Liebe Freund<strong>in</strong>“ und „Zum 28. Oktober“. Die letzten Flugblätter wurden etwa im Mai<br />

59


1940 produziert, also kurz vor se<strong>in</strong>er Festnahme am 22. Mai 1940. Zudem war Emanuel<br />

Safranek gelegentlich als Kurier des KP-Kreisleiters tätig gewesen. Das Datum se<strong>in</strong>er Verurteilung<br />

ist unbekannt, im Oktober 1942 musste Emanuel Safranek unter dem Fallbeil des<br />

Henkers sterben.<br />

Wenzel Honcl, geboren am 17.8.1870 <strong>in</strong> Ohnisov, verurteilt durch den Volksgerichtshof,<br />

Urteilsdatum unbekannt, h<strong>in</strong>gerichtet am 9.11.1942.<br />

***<br />

Wenzel Honcl war Mitglied e<strong>in</strong>er illegalen KP-Bezirksleitung und deren technischer Leiter.<br />

Wenzel Honcl war zum Zeitpunkt se<strong>in</strong>er Verhaftung am 2. Juli 1940 bereits 69 Jahre alt. Er<br />

fungierte als Mitglied der illegalen KP-Bezirksleitung Neustadt a.d. Mettau und als Ortsleiter<br />

<strong>in</strong> Gutenfeld. Honcl hatte an mehreren Bezirkssitzungen teilgenommen, auf denen der<br />

Kreissekretär des Kreises Königgrätz (Hradec Králové) über die politische Lage referierte<br />

und Anweisungen zum organisatorischen Aufbau erteilte. Er leitete den technischen Apparat<br />

des Bezirks, fertigte Auszüge aus illegalen Schriften an, stellte eigenes örtliches Propagandamaterial<br />

her und sorgte für dessen Verbreitung. Kurz vor se<strong>in</strong>er Verhaftung gelang es<br />

ihm noch, den im Bezirk benutzten Vervielfältigungsapparat zu zerstören. Im Juli 1940 fiel<br />

er <strong>in</strong> die Hände der Gestapo. Im Alter von 72 Jahren wurde der zum Tode Verurteilte h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Jaroslav Zmítko, geboren am 4.7.1907 <strong>in</strong> Holohlavy, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 12.6.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 27.10.1942.<br />

***<br />

Nur wenige Monate beteiligte sich Jaroslav Zmítko, e<strong>in</strong> verheirateter Mann mit zwei kle<strong>in</strong>en<br />

K<strong>in</strong>dern, an der Widerstandstätigkeit der KPC. Se<strong>in</strong>e Söhne erfuhren erst 1996 durch<br />

e<strong>in</strong>e Notiz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er tschechischen Zeitung, wo das Grab ihres Vaters liegt.<br />

Als deutsche Truppen se<strong>in</strong> Land besetzten, lebte Jaroslav Zmítko mit se<strong>in</strong>er Frau und zwei<br />

kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> Josefstadt. Er arbeitete auf dem Fliegerhorst Königgrätz (Hradec Králové)<br />

als Zimmermann. In den Jahren 1935 und 1936 war er Mitglied der KPC gewesen.<br />

Im Herbst 1939 erfuhr Jaroslav Zmítko durch e<strong>in</strong>e Bekannte von der Neuorganisation der<br />

KP und bekam den Auftrag, die Ortsleitung von Josefstadt zu übernehmen. Das hieß, er<br />

sollte Mitglieder werben und <strong>in</strong> Fünfergruppen zusammenschließen. Jaroslav Zmítko hat<br />

sich mehrmals mit se<strong>in</strong>en Mitarbeitern und mit Kreisfunktionären getroffen und mit ihnen<br />

über die politische Lage und die illegale Tätigkeit gesprochen. E<strong>in</strong>ige Male erhielt er illegale<br />

Schriften, die er nach eigenen Angaben – se<strong>in</strong>e Verfolger konnten ihm nichts Gegenteiliges<br />

beweisen – bis auf e<strong>in</strong>e Ausnahme nach der Lektüre verbrannte. Im Frühjahr 1940<br />

wurde der Kreisleiter festgenommen, Zmítko erhielt die Anweisung, sich aus der illegalen<br />

Arbeit zurückzuziehen. Für die Zeit danach ist nur noch bekannt, dass Zmítko an e<strong>in</strong>er Zusammenkunft<br />

im September 1940 teilnahm, auf der er se<strong>in</strong>en Rückzug aus der illegalen<br />

Tätigkeit bekannt gab. Im November 1940 wurde er verhaftet, im Juni 1942 vom Volksgerichtshof<br />

zum Tode verurteilt. E<strong>in</strong> Detail wirft e<strong>in</strong> bezeichnendes Schlaglicht auf die Umstände<br />

des Lebens und Sterbens im Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong>: Es kam vor, dass der<br />

Pfarrer den hungernden Häftl<strong>in</strong>g erst e<strong>in</strong>mal mit Essen versorgen musste, damit dieser<br />

60


Jaroslav Zmítko; © Privatbesitz<br />

61


überhaupt fähig war, e<strong>in</strong>en Abschiedsbrief an se<strong>in</strong>e Familie zu schreiben. Auch Jaroslav<br />

Zmítko, e<strong>in</strong>es der Opfer, schrieb <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em letzten Brief an se<strong>in</strong>e Familie noch über die entsetzliche<br />

Kälte und den grausamen Hunger, die ihn im Gefängnis gequält hatten.<br />

***<br />

Bohumír Cejnar, geboren am 13.9.1910 <strong>in</strong> König<strong>in</strong>hof, h<strong>in</strong>gerichtet am 22.11.1942. verurteilt<br />

durch den Volksgerichtshof am 8.6.1942. KP Königgrätz (Hradec Králové), Mitglied der<br />

Bezirksleitung König<strong>in</strong>hof. Aufbau e<strong>in</strong>er Fabrikorganisation <strong>in</strong> drei Fabriken im Bezirk König<strong>in</strong>hof.<br />

Filomén Danicek, geboren am 21.12.1917 <strong>in</strong> Bras<strong>in</strong>ec, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 8.6.41, h<strong>in</strong>gerichtet am 27.11.1942 <strong>in</strong> <strong>Stadelheim</strong>. KP Königgrätz (Hradec Králové),<br />

Verb<strong>in</strong>dungsmann zwischen Bezirks- und Ortsleitung <strong>in</strong> Eisenbrod, später Bezirksleiter.<br />

Anton Doman, geboren am 25.3.1889 <strong>in</strong> Zlic, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

11.6.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 27.10.1942. KP Königgrätz (Hradec Králové), Mitglied der Bezirksleitung<br />

Zlic, Böhmisch-Skalitz.<br />

Josef Flégr, geboren am 18.3.1907 <strong>in</strong> Radschitz, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

8.6.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 27.11.1942. KP Königgrätz (Hradec Králové). Er arbeitete im<br />

technischen Apparat e<strong>in</strong>er Betriebszelle mit.<br />

Friedrich Hetfleys, geboren am 18.7.1910 <strong>in</strong> Nachodt, verurteilt durch den Volksgerichtshof,<br />

Urteilsdatum unbekannt h<strong>in</strong>gerichtet am 9.11.1942. Bezirksleiter der KP Königgrätz<br />

(Hradec Králové), Deckname „Olda“.<br />

Josef Hoyny, geboren am 13.1.1907 <strong>in</strong> Wien, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

11.6.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 27.10.1942. KP Königgrätz (Hradec Králové), Leiter des technischen<br />

Apparats des Bezirks Hoschitz.<br />

Franz Korda, geboren am 7.8.1894 <strong>in</strong> Doubrava, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

11.6.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 27.10.42. KP Königgrätz (Hradec Králové). E<strong>in</strong>e Bezirksleiterfunktion<br />

wurde ihm unterstellt, konnte aber nicht bewiesen werden. Korda gab illegale<br />

Literatur weiter.<br />

Josef Melichar, geboren am 9.3.1889 <strong>in</strong> Polic, verurteilt durch den Volksgerichtshof, Urteilsdatum<br />

unleserlich, h<strong>in</strong>gerichtet am 8.10.1942. KP Königgrätz (Hradec Králové). Der<br />

Kaufmann Melichar hatte se<strong>in</strong>en Laden als Lager für illegale Schriften zur Verfügung gestellt.<br />

Bohuslav Nykl, geboren am 4.4.1909 <strong>in</strong> Kostalov, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

8.6.1941, h<strong>in</strong>gerichtet am 27.11.42. KP Königgrätz (Hradec Králové), Mitglied der Bezirksleitung<br />

Semely, später deren Leiter.<br />

Alois Pertlícek, geboren am 19.4.1906 <strong>in</strong> Bolevic, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

8.6.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 27.11.1942. KP Königgrätz (Hradec Králové), Mitglied der Bezirksleitung<br />

König<strong>in</strong>hof.<br />

62


Rudolf Prochaska, geboren am 3.11.1905 <strong>in</strong> Ostrov, verurteilt durch den Volksgerichtshof,<br />

Urteilsdatum unbekannt, h<strong>in</strong>gerichtet am 9.11.1942. KP Königgrätz (Hradec Králové), Bezirks-<br />

und Ortsleiter <strong>in</strong> Adler-Kosteletz.<br />

Franticek Selichar, geboren am 9.4.1901 <strong>in</strong> Königgrätz (Hradec Králové), verurteilt durch<br />

den Volksgerichtshof, Urteilsdatum unleserlich, h<strong>in</strong>gerichtet am 8.10.1942. KP Königgrätz<br />

(Hradec Králové), Ortsleiter Prager Vorstadt.<br />

J<strong>in</strong>drich Cerny, geboren am 15.11.1907 <strong>in</strong> Dolany, verurteilt vom Volksgerichtshof am<br />

11.6.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 27.10.1942. Wurde auf Wunsch der Angehörigen umgebettet.<br />

KP Königgrätz (Hradec Králové).<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; VGH Z, Baudisch, Rosa; R 60 I/474; RJM/MR 1284–1289/42; BA; R 60 I/611; R 60 I/30.<br />

KP Budweis (Ceské Budejovice)<br />

Václav Eller, Frantisek Bauer, Frantisek Cerveny, Karel Lavicka und Karel Satal hatten sich<br />

am Widerstand der KP im Kreis Budweis (Ceské Budejovice) <strong>in</strong> den Jahren 1939 und 1940<br />

beteiligt. Ke<strong>in</strong>er von ihnen war vor se<strong>in</strong>er illegalen Tätigkeit Mitglied der Kommunistischen<br />

Partei gewesen. Dies ist typisch für die reorganisierte illegale KPC nach den Verhaftungswellen<br />

im März und im September 1939. Fünf der Männer arbeiteten als Facharbeiter,<br />

e<strong>in</strong>er hatte studiert und unterrichtete als Gymnasiallehrer <strong>in</strong> Budweis (Ceské Budejovice).<br />

Stellvertretend für diese sechs Männer soll hier das Schicksal Václav Ellers ausführlicher<br />

geschildert werden.<br />

Václav Eller, geboren am 23.9.1917 <strong>in</strong> Enhuschitz, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

13.7.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 27.10.1942.<br />

Václav Eller hatte Mitglieder für die illegale KP geworben, illegale Literatur erhalten und verteilt.<br />

Der 22jährige Masch<strong>in</strong>enschlosser kam im Herbst 1939 über e<strong>in</strong>en Bekannten <strong>in</strong> Kontakt<br />

zur illegalen kommunistischen Partei. Während se<strong>in</strong>er Widerstandstätigkeit erhielt und verteilte<br />

er verbotene Flugschriften. Er warb auch selbst weitere Personen für die Parteimitgliedschaft<br />

und sammelte deren Mitgliedsbeiträge e<strong>in</strong>. Die Gestapo führte am 22. März<br />

1941 bei Václav Eller e<strong>in</strong>e Hausdurchsuchung durch. Bei dieser Durchsuchung wurden<br />

e<strong>in</strong>ige illegale Schriften gefunden, die Eller auf dem Dachboden h<strong>in</strong>ter Balken versteckt<br />

hatte. Nicht verborgen hatte er ältere kommunistische und sozialdemokratische Schriften<br />

aus der Zeit vor 1938. Diese Druckerzeugnisse waren damals völlig legal erhältlich gewesen<br />

– gleichwohl wurde Eller auch deren Besitz als politische Straftat zur Last gelegt. Der<br />

Volksgerichtshof verurteilte ihn im Juli 1942 zum Tode, im Oktober desselben Jahres wurde<br />

er h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Frantisek Bauer, geboren am 15.4.1896 <strong>in</strong> Hochofen, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 16.7.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 2.11.42. KP Budweis (Ceské Budejovice).<br />

63


Frantisek Cerveny, geboren am 7.2.1904 <strong>in</strong> Aussig (Usti nad Labem), h<strong>in</strong>gerichtet am<br />

2.11.1942. Verurteilt durch den Volksgerichtshof am 16.7.1942. Gehörte ab Sommer 1940<br />

der KP Budweis (Ceské Budejovice) an, wurde später Leiter e<strong>in</strong>es Gebiets, dem die Orte<br />

Mesimost, Sobieslau, Kardasch-Retschitz und schließlich auch Tabor und Besch<strong>in</strong>g angehörten.<br />

Versuchte Mitglieder zu werben.<br />

Karel Lavicka, geboren am 15.10.1909 <strong>in</strong> Sch<strong>in</strong>delhöf (S<strong>in</strong>dlory), verurteilt vom VGH am<br />

17.7.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 8.10.1942. Ab Herbst 1939 Mitglied der illegalen KP Budweis<br />

(Ceské Budejovice), ab Sommer 1940 politischer Leiter dieses KP-Kreises. Versuchte, die<br />

KP im Bezirk Budweis-Land durch Mitgliedswerbung und Weitergabe von illegaler Literatur<br />

aufzubauen.<br />

Karel Satal, geboren am 14.4.1915 <strong>in</strong> Prag, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

17.7.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 8.10.1942. Ab 1940 Mitglied der KP Budweis (Ceské Budejovice),<br />

g<strong>in</strong>g Karel Satal bei Organisationsbestrebungen Lavicka im Bezirk Budweis-Land zur<br />

Hand.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; VGH Z, Václav Eller; VGH Z, Kalkus, Vojtech.<br />

KPC Erlitz<br />

Josef Smid, geb. am 30.9.1884 <strong>in</strong> Ewitz, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

20.6.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 12.9.1944<br />

E<strong>in</strong> weiteres Beispiel für die Widerstandstätigkeit der KPC während des Hitler-Stal<strong>in</strong>-Pakts<br />

ist Josef Smids Tätigkeit für die KP <strong>in</strong> Erlitz. Deren Parteiorganisation sollte 1940 wieder<br />

aufgebaut werden.<br />

Der ehemalige Eisenbahnarbeiter Josef Smid hörte im Sommer 1940 von se<strong>in</strong>em Schwager,<br />

dass die KP <strong>in</strong> Erlitz wieder aktiv werden wollte. Er schlug e<strong>in</strong>en Bekannten für die Mitarbeit<br />

<strong>in</strong> der illegalen Partei vor und sprach mit diesem Mann über die se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach wichtige<br />

illegale Arbeit. Josef Smid selbst zahlte e<strong>in</strong>mal 15 Kronen für die Angehörigen politischer<br />

Häftl<strong>in</strong>ge und erhielt zweimal illegale Flugblätter. Im Herbst 1940 überließ er se<strong>in</strong>em<br />

Schwager se<strong>in</strong>e Wohnung zur Herstellung illegaler Literatur, er selbst g<strong>in</strong>g ihm dabei e<strong>in</strong>mal<br />

e<strong>in</strong> wenig zur Hand. Im W<strong>in</strong>ter 1940/41 beherbergte er e<strong>in</strong>en flüchtigen KP-Funktionär, stellte<br />

später die Verb<strong>in</strong>dung der Ehefrau dieses Funktionärs zur KP her und nahm 140 Kronen Parteigeld<br />

<strong>in</strong> Verwahrung. Diese Aktivitäten bezeichneten die Richter des Volksgerichtshofs<br />

ausdrücklich nicht als aktive Parteiarbeit. Dennoch verurteilten sie Josef Smid zum Tode.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; R 60 I/480.<br />

KPC Prag: Betriebszellen <strong>in</strong> der Rüstungsfabrik „Eta“<br />

Leopold Flajser, geboren am 10.9.1914 <strong>in</strong> Jung-Bunzlau, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 24.6.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 26.9.1944.<br />

64


Mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion änderte sich die Position und die Strategie<br />

der KPC, die sich bis dah<strong>in</strong> vor allem auf Flugblattpropaganda gegen die Nationalsozialisten<br />

beschränkt hatte. Ab diesem Zeitpunkt forderte die KPC wieder e<strong>in</strong>e tschechoslowakische<br />

Republik und wurde zu e<strong>in</strong>er nationalen Sammlungsbewegung. Auch Sabotageakte<br />

und die aktive Unterstützung der alliierten Kriegsanstrengungen wurden nun wieder propagiert.<br />

Beispiele f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Leopold Flajsers Widerstandsgeschichte.<br />

Der Eisendreher Leopold Flajser lernte durch e<strong>in</strong>en Arbeitskollegen <strong>in</strong> der Rüstungsfirma<br />

„Eta“ <strong>in</strong> Prag 1941 e<strong>in</strong>en kommunistischen Funktionär kennen, mit dem er sich über die<br />

Verhältnisse <strong>in</strong> der Sowjetunion sprach. Se<strong>in</strong> Gesprächspartner versprach ihm illegale Literatur.<br />

Flajser holte diese illegalen Schriften am vere<strong>in</strong>barten Ort ab. Dabei ergab sich e<strong>in</strong>e<br />

Gelegenheit zu e<strong>in</strong>em Gasthausbesuch mit zwei aktiven KP-Mitgliedern. Auf dem Heimweg<br />

ermunterten ihn die beiden Männer, an se<strong>in</strong>er Arbeitsstelle, <strong>in</strong> der Rüstungsfirma<br />

„Eta“, e<strong>in</strong>e kommunistische Betriebszelle zu gründen. Flajser erster Versuch, im Betrieb<br />

e<strong>in</strong>en Bundesgenossen zu werben, scheiterte: Der angesprochene Kollege bezeichnete<br />

e<strong>in</strong>en entsprechenden Versuch als zwecklos und lehnte die Mitarbeit ab. Flajser gab daraufh<strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>e Versuche zur Gründung e<strong>in</strong>er kommunistischen Betriebszelle auf. Im Frühjahr<br />

1942 erhielt Flajser zum ersten Mal e<strong>in</strong> illegales Flugblatt, <strong>in</strong> dem u.a. die Herstellung<br />

von Brandbomben beschrieben wurde. Dies entsprach der Parteitaktik, die nach dem deutschen<br />

Überfall auf die Sowjetunion mehr und mehr auf den bewaffneten Kampf umgestellt<br />

worden war. Der Überbr<strong>in</strong>ger dieses Flugblattes forderte ihn auf, sich die notwendigen<br />

Chemikalien zu besorgen. Flajser war dies jedoch zu gefährlich. Als das Attentat auf Heydrich<br />

bekannt wurde, vernichtete er das Flugblatt, um nicht <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zur illegalen KP<br />

gebracht werden zu können.<br />

Flajser traf sich e<strong>in</strong>ige Male mit anderen Kommunisten, die ihm von gelungenen Versuchen<br />

erzählten, e<strong>in</strong>e kommunistische Betriebsorganisation aufzubauen. Er nahm während der<br />

Abwesenheit se<strong>in</strong>er Ehefrau e<strong>in</strong>en illegal lebenden KP-Funktionär für e<strong>in</strong>ige Tage <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Wohnung auf, der als Fallschirmagent von sowjetischen Flugzeugen abgesetzt worden<br />

war. Sowohl britische als auch sowjetische Armeee<strong>in</strong>heiten setzten ab der zweiten Hälfte<br />

des Jahre 1941 auf dem Gebiet der Tschechoslowakei Fallschirmagenten h<strong>in</strong>ter den fe<strong>in</strong>dlichen<br />

L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>. Dieser Mann wies Leopold Flajser die Aufgabe e<strong>in</strong>es Radiotelegrafisten bei<br />

e<strong>in</strong>em noch aufzubauenden Radiosender zu. Flajser erhielt 500 Kronen, mit denen er die für<br />

diesen Sender notwendigen Materialien besorgen sollte. Er bestellte das nötige Zubehör<br />

bei e<strong>in</strong>em Arbeitskollegen und lernte morsen. Nach e<strong>in</strong>igen Tagen drängte Leopold Flajser<br />

den KP-Funktionär, se<strong>in</strong>e Wohnung wieder zu verlassen, da er se<strong>in</strong>e Frau zurückerwartete.<br />

E<strong>in</strong>ige Zeit später erhielt Leopold Flajser e<strong>in</strong>e Instruktionsschrift für Funktionäre der KP,<br />

die er e<strong>in</strong>em Genossen weitergeben sollte. Diese Schrift enthielt Weisungen zur Partisanenbewegung,<br />

die Beseitigung von Provokateuren, das Verhalten bei Haussuchungen oder<br />

Festnahmen sowie die Verübung von Sabotageakten. Dem Adressaten war die Entgegennahme<br />

des Flugblatts zu gefährlich, Flajser <strong>in</strong>formierte ihn mündlich über den Inhalt. Am<br />

7. Februar 1944 wurde Leopold Flajser verhaftet, im Juli desselben Jahres durch den Volksgerichtshof<br />

zum Tode verurteilt.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; R 60 I/480.<br />

65


KPC Leitomischl<br />

Frantisek Famfulík, geboren am 28.9.1912 <strong>in</strong> Leitomischl, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 23.6.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 26.9.1944.<br />

Stanislav Zachar, geboren am 5.5.1907 <strong>in</strong> Leitomischl, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 23.6.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 26.9.1944.<br />

Stanislav Zachar und Frantisek Famfulík waren Mitglieder der KPC Leitomischl. Sie beteiligten<br />

sich an illegalen Treffen, versteckten Widerstandsliteratur und dachten vage über<br />

mögliche Sabotageakte nach. Diese Widerstandsaktivitäten geschahen <strong>in</strong> den Jahren 1941<br />

und 1942. Erst e<strong>in</strong>ige Monate später, im April 1943, wurden Famfulík und Zachar verhaftet.<br />

Stanislav Zachar hatte von 1936 bis zu ihrem Verbot der KPC angehört. Hier<strong>in</strong> unterscheidet<br />

er sich von vielen anderen Mitgliedern der illegalen KPC, die häufig vor ihrer Widerstandstätigkeit<br />

politisch nicht aktiv gewesen waren. Aus se<strong>in</strong>er Zeit als Parteimitglied<br />

kannte er zwei kommunistische Funktionäre, die am spanischen Bürgerkrieg auf seiten der<br />

Roten Armee gekämpft hatten und im Frühjahr 1941 nach Leitomischl zurückkehrten. Bei<br />

e<strong>in</strong>em zufälligen Treffen stellten die Männer fest, dass sie politisch immer noch e<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung<br />

waren. Am nächsten Tag wurde Stanislav Zachar zu e<strong>in</strong>er Spende zur Unterstützung<br />

von Angehörigen politischer Gefangener aufgefordert, lehnte jedoch ab. Die beiden Spanienkämpfer<br />

besuchten ihn e<strong>in</strong>ige Tage später nochmals und brachten illegale Flugschriften<br />

mit. E<strong>in</strong>en Teil davon gab Zachar später an e<strong>in</strong>en anderen Kommunisten weiter, den<br />

Rest wollte er selbst verteilen. E<strong>in</strong>er der beiden Spanienkämpfer übernachtete e<strong>in</strong>mal bei<br />

Zachar. In der nächsten Zeit erhielt Zachar gelegentlich illegales Material, das er an ihm zuverlässig<br />

ersche<strong>in</strong>ende Bekannte weitergab. Anfang 1941 wurde Stanislav Zachar von e<strong>in</strong>em<br />

höheren Funktionär der KP zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiveren illegalen Tätigkeit <strong>in</strong> Leitomischl aufgefordert.<br />

Zachar bat daraufh<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Schwäger<strong>in</strong>, konspirative Post für ihn anzunehmen und<br />

erhielt auf diese Weise auch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en Brief. Er nahm an m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>em illegalen<br />

Treffen teil und versuchte, e<strong>in</strong>en Vervielfältigungsapparat zu kaufen.<br />

Mitte Mai 1942 wurden zwei der Kontaktpersonen Zachars festgenommen. Im Juli 1942<br />

nahm Stanislav Zachar an e<strong>in</strong>em Treffen mit elf anderen Funktionären teil, bei dem die<br />

Anwesenden zu Sabotageakten und Attentaten aufgefordert wurden. Vier Wochen später<br />

wurde bei e<strong>in</strong>em erneuten Treffen besprochen, ob es möglich sei, e<strong>in</strong>e Eisenbahn entgleisen<br />

zu lassen. Ab Anfang Oktober nahm auch Famfulík an illegalen Zusammenkünften teil,<br />

bei denen über die Werbung weiterer Mitglieder, die Besorgung von Schusswaffen und<br />

Sprengstoffen sowie Sabotageakte gesprochen wurde. Dies entsprach der Parteil<strong>in</strong>ie nach<br />

dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion. Konkretere Planungen für Sabotageaktionen<br />

sche<strong>in</strong>t es jedoch nicht gegeben zu haben.<br />

Im Dezember 1942 richtete Frantisek Famfulík im Auftrag e<strong>in</strong>es vorgesetzten Funktionärs<br />

die Warnung an Zachar aus, er solle e<strong>in</strong>en vere<strong>in</strong>barten Term<strong>in</strong> nicht wahrnehmen, da die<br />

ganze Gegend unter Beobachtung stünde. Bald darauf erkrankte Stanislav Zachar schwer,<br />

und konnte daher se<strong>in</strong>e illegale Arbeit nicht mehr fortsetzen. Auch Frantisek Famfulík stellte<br />

se<strong>in</strong>e illegale Tätigkeit e<strong>in</strong>.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; VGH Z, Stanislav Zachar<br />

66


KPC Rüstungswerke Prag-Lieben<br />

Josef Kolar, geboren am 30.7.1916 <strong>in</strong> Wien, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

23.8.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 19.12.1944.<br />

Karel Zakouril, geboren am 1.10.1906 <strong>in</strong> Liebenau, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 23.8.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 19.12.1944.<br />

In dem Rüstungsbetrieb Prag-Lieben der Böhmisch-Mährischen Masch<strong>in</strong>enfabriken A.G.<br />

existierte von 1942 bis 1943 e<strong>in</strong>e Betriebszelle der KPC. Die von der Prager Zentralleitung<br />

der KPC ausgegebene Losung lautete: „E<strong>in</strong> jeder Betrieb unsere Burg.“ Im September<br />

1943 flog die Widerstandsgruppe auf. Zu den Mitgliedern dieser Betriebszelle gehörten<br />

Josef Kolar und Karel Zakouril.<br />

Als Funktionäre der Betriebszellenorganisation der KPC <strong>in</strong> den Rüstungswerken der Böhmisch-Mährischen<br />

Masch<strong>in</strong>enfabriken AG warben Josef Kolar und Karel Zakouril Mitglieder,<br />

sammelten Mitgliedsbeiträge e<strong>in</strong>, nahmen an Versammlungen teil und bezogen illegale<br />

Flugblätter.<br />

Karel Zakouril wurde im Frühsommer 1942 von e<strong>in</strong>em Kollegen angesprochen: Er solle<br />

sich an e<strong>in</strong>er Sammelaktion für die notleidenden Angehörigen politischer Häftl<strong>in</strong>ge beteiligen.<br />

Zakouril spendete e<strong>in</strong>ige Male jeweils 10 Kronen und ignorierte damit absichtlich<br />

oder unabsichtlich das im Betrieb angeschlagene Sammelverbot. Nachdem ihm mitgeteilt<br />

wurde, dass se<strong>in</strong> Geld an die verbotene KPC g<strong>in</strong>g, entrichtete Zakouril weiterh<strong>in</strong> pünktlich<br />

se<strong>in</strong>en Beitrag und erklärte se<strong>in</strong>en Beitritt. Er konnte im Lauf der Zeit 80 Betriebsangehörige<br />

<strong>in</strong> die KP-Arbeit e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den. Im April 1943 erfuhr er von der Existenz e<strong>in</strong>es Geheimsenders,<br />

den er sich für die Arbeit der KP sichern konnte. Im Juni oder Juli 1943 stellte er<br />

zwei illegal lebenden Funktionären der KPC se<strong>in</strong>e Wohnung als Nachtquartier zur Verfügung.<br />

E<strong>in</strong>em weiteren zur Flucht entschlossenen Kommunisten konnte Karel Zakouril im<br />

Juli 1943 e<strong>in</strong>e Blankobürgerlegitimation besorgen.<br />

Josef Kolar wurde im Juli 1942 von e<strong>in</strong>em Kollegen gebeten, Geld und Lebensmittel für<br />

die Angehörigen politischer Häftl<strong>in</strong>ge zu spenden. Als er später die H<strong>in</strong>tergründe der<br />

Sammlung – also von der Existenz der KP – erfuhr, entschloss er sich zur Mitarbeit <strong>in</strong> der<br />

Widerstandsorganisation. Er übernahm den Posten e<strong>in</strong>es Zellen<strong>in</strong>strukteurs, sollte Verb<strong>in</strong>dung<br />

mit den Gruppenleitern aufrechterhalten und weitere Mitglieder <strong>in</strong> der Belegschaft<br />

werben. Kolar wollte jedoch möglichst selten als Funktionär <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung treten und<br />

lehnte e<strong>in</strong>e eigene Werbetätigkeit ab. Als Ausgleich dafür zahlte er den doppelten Monatsbeitrag.<br />

***<br />

Oldrich Berdych, geboren am 27.5.1902 <strong>in</strong> Prag, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

31.8.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 10.12.1944. Warb für die KPC <strong>in</strong> den Rüstungswerken Prag-<br />

Lieben Mitglieder, nahm an Versammlungen teil und verteilte illegale Flugschriften.<br />

Josef Dzus, geboren am 21.2.1910 <strong>in</strong> Prag, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

31.8.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 20.12.1944. Warb für die KPC <strong>in</strong> den Rüstungswerken Prag-<br />

Lieben Mitglieder, nahm an Versammlungen teil und verteilte illegale Flugschriften.<br />

67


Václav Pavel, geboren am 3.11.1896 <strong>in</strong> Prag, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

31.8.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 20.12.1944. Warb für die KPC <strong>in</strong> den Rüstungswerken Prag-<br />

Lieben Mitglieder, nahm an Versammlungen teil und verteilte illegale Flugschriften.<br />

Josef Prchal, geboren am 20.3.1904 <strong>in</strong> Kletetscha, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 28.8.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 20.12.1944. Warb für die KPC <strong>in</strong> den Rüstungswerken<br />

Prag-Lieben Mitglieder, nahm an Versammlungen teil und verteilte illegale Flugschriften.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv; VGH Z, Zakouril, Karel.<br />

Unerlaubter Grenzübertritt und versuchter Anschluss an die<br />

Tschechische Legion<br />

Josef Bruna, geboren am 26.5.1924 <strong>in</strong> Plaw, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

23.8.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 20.12.1944.<br />

Josef Ladislav Rehak, geboren am 9.8.1922 <strong>in</strong> Ponikla, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 23.8.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 20.12.1944.<br />

Politische Opposition gegen die deutschen Besatzer, nicht parteipolitisch gebunden, motivierte<br />

zwei junge Männer zur Flucht über die Landesgrenzen. Die Richter des VGH unterstellten<br />

<strong>in</strong> solchen Fällen immer die Absicht des E<strong>in</strong>tritts <strong>in</strong> die tschechische Legion,<br />

Todesurteile waren die Folge.<br />

Der 18jährige kaufmännische Angestellte Josef Bruna rechnete mit se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>berufung zur<br />

Waffen-SS. Auf Druck des Arbeitsamtes <strong>in</strong> Jitsch<strong>in</strong> hatte er sich, wie es beschönigend<br />

hieß, als Freiwilliger gemeldet. Bruna wollte jedoch nicht als Deutscher für die nationalsozialistischen<br />

Okkupanten kämpfen, er fühlte sich als Tscheche. Für diesen Fall e<strong>in</strong>er drohenden<br />

Rekrutierung hatte er sich schon früher mit e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> Amstetten arbeitenden Freund,<br />

Josef Ladislav Rehak, verabredet, <strong>in</strong> die Schweiz zu fliehen. Von Kollegen und se<strong>in</strong>em<br />

Arbeitgeber wurde er mit Geld und Dokumenten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Fluchtplänen unterstützt.<br />

Am 22. März 1943 fuhr Josef Bruna mit der Bahn über Reichenberg nach Wien, am nächsten<br />

Tag reiste er nach L<strong>in</strong>z. Dort traf er Josef Rehak, mit dem er die Bahnreise nach Bludenz<br />

<strong>in</strong> Vorarlberg fortsetzte. Der Versuch, e<strong>in</strong>e Landkarte des deutsch-schweizerischen<br />

Grenzgebiets zu kaufen, blieb erfolglos. Vermutlich waren solche Karten überhaupt nicht<br />

mehr im Handel, um Fluchtversuche zu erschweren. Bruna und Rehak verschafften sich<br />

aus Eisenbahnübersichtskarten e<strong>in</strong>en Überblick über den Grenzverlauf, bevor sie sich am<br />

24. März 1943 zu Fuß auf den Weg über die Grenze machten. Sie waren schon mehrere<br />

Stunden unterwegs, als sie <strong>in</strong> der Ortschaft Brand von e<strong>in</strong>em Hilfszöllner festgenommen<br />

wurden.<br />

Josef Brunas politischer Standpunkt lässt sich aus se<strong>in</strong>em Verhalten im Nürnberger Gefängnis<br />

schließen. Dort bestrafte man ihn wiederholt wegen se<strong>in</strong>es „frechen und widersetzlichen“<br />

Benehmens mit Hausstrafen. H<strong>in</strong>ter diesen Vorwürfen versteckten sich politische<br />

Aktivitäten des Gefangenen: So wurde ihm vorgehalten, auf dem Boden e<strong>in</strong>er<br />

Versandkiste <strong>in</strong> tschechischer Sprache „die Jungens aus dem Sudetengau“ und die „Rie-<br />

68


sengebirgler“ zu e<strong>in</strong>em Treffen nach dem Krieg <strong>in</strong> Gablonz an der Neiße aufgefordert zu<br />

haben. Weiter lautete der Text: „Wir müssen <strong>in</strong> Zukunft zu e<strong>in</strong>em festen Wall werden, was<br />

der ganzen Welt beweisen wird, dass auch die Tschechen an e<strong>in</strong>em Strang ziehen und für<br />

den Staat und nicht aus dem Staat leben können. Das ist unser künftiges Programm. E<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>iger, e<strong>in</strong> tschechischer, wenn auch kle<strong>in</strong>er Staat. Wir müssen <strong>in</strong> Zukunft auch zu den<br />

Tschechen hart se<strong>in</strong>, die glauben, dass der Staat e<strong>in</strong>e Kuh zum Melken ist, an der jeder<br />

Ochse zutzeln kann!!! Unser Staat wird so se<strong>in</strong>, wie wir ihn uns selbst ausbauen.“<br />

Im Januar 1944 musste Josef Bruna im Gefängnis Metallösen <strong>in</strong> Kunstharzdeckenplatten<br />

befestigen. Auf etwa sechs dieser Platten ritzte er Parolen e<strong>in</strong>, zwei dieser Platten wurden<br />

beschlagnahmt. Auf diesen stand: „Heil Liberté, Egalité, Fraternité“, „Fressen wollen wir!<br />

Nicht organisiert, beappelliert und <strong>in</strong> den Tod gejagt werden!“, „Heil UdSSR!“, „Schluss<br />

mit Hunger. Heil Dir Demokratie“. Zur gleichen Zeit ritzte er <strong>in</strong> se<strong>in</strong> z<strong>in</strong>nernes Zellenwaschbecken<br />

auf tschechisch: „Es wird e<strong>in</strong>e glückliche Rache, Freiheit 1946 – halte aus bis zum<br />

Jahre 1946, dann die Freiheit – Freiheit 1946 – 1946 Ende des Hungers.“ Josef Bruna<br />

weigerte sich während se<strong>in</strong>es Gefängnisaufenthalts se<strong>in</strong>en Verfolgern als nützliche Arbeitskraft<br />

zu dienen: Er zerschlug 480 der Deckenplatten <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>e Teile und spülte sie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Zellenklosett h<strong>in</strong>unter.<br />

Zum Tode verurteilt wurden die beiden jungen Männer im August 1944 durch den Volksgerichtshof.<br />

Im Januar 1944 mussten sie sterben.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; VGH Z, Josef Bruna.<br />

***<br />

Josef Deserta, geboren am 2.4.1921 <strong>in</strong> Hoch-Lieben, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 3.12.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 30.7.1943.<br />

Václav Hanek, geboren am 15.9.1921 <strong>in</strong> Hoch-Lieben, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 3.12.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 30.7.1943.<br />

Durch e<strong>in</strong>en Zufall <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unangenehme Situation geraten, schien der Kampf <strong>in</strong> der tschechischen<br />

Legion für Josef Deserta und Václav Hanek der Ausweg. Von deren Existenz<br />

wussten sie aus Rundfunksendungen der BBC. Der direkten Lebensgefahr, der sich Deserta<br />

und Hanek durch ihre Entscheidung aussetzten, waren sie sich offensichtlich nicht<br />

bewusst.<br />

Die beiden Holzarbeiter hatten 2.000 Kronen zuviel an Lohn ausbezahlt bekommen und<br />

sollten diesen Betrag entweder abarbeiten oder zurückzahlen. Durch tschechische Sendungen<br />

der BBC wussten sie von der Existenz der tschechischen Legion. Von Prag aus<br />

wollten Václav Hanek und Josef Deserta über die Slowakei, Ungarn und Bulgarien <strong>in</strong> die<br />

Türkei und schließlich nach England reisen, um dort <strong>in</strong> die tschechische Legion e<strong>in</strong>zutreten.<br />

Diesen Entschluss setzten Deserta und Hanek am 9. März 1942 <strong>in</strong> die Tat um und fuhren<br />

zunächst nach Prag. Hier besichtigten die jungen Männer e<strong>in</strong>e Ausstellung und g<strong>in</strong>gen<br />

anschließend <strong>in</strong> die Gaststätte am Hauptbahnhof. In dieser Gaststätte schrieb Deserta<br />

69


Josef Deserta; © Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

Václav Hanek; © Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en Brief an se<strong>in</strong>e Eltern. Er teilte ihnen mit, dass er vorhabe, <strong>in</strong>s Ausland zu gehen. Deserta<br />

und Hanek unterhielten sie sich mit e<strong>in</strong>er Zufallsbekanntschaft, e<strong>in</strong>em Ehepaar N.,<br />

über ihre Absichten. Herr und Frau N. wünschten den beiden viel Glück für ihr Vorhaben.<br />

Sie wurden später ebenfalls angeklagt, da sie es unterlassen hatten, Anzeige zu erstatten:<br />

Herr N. wurde deswegen vom Volksgerichtshof zu zwei Jahren Gefängnis, se<strong>in</strong>e Frau zu<br />

e<strong>in</strong>em Jahr Gefängnis verurteilt.<br />

Bei der Weiterfahrt über Brünn nach Landshut <strong>in</strong> Mähren wurden Deserta und Hanek von<br />

der Grenzpolizei bei e<strong>in</strong>er Zugkontrolle festgenommen. Die Polizei überstellte Deserta und<br />

Hanek an die Gestapo, zuerst <strong>in</strong> Ludenburg, dann <strong>in</strong> Wien, später <strong>in</strong> Prag.<br />

Im Laufe der Zeit sche<strong>in</strong>t Josef Deserta klargeworden zu se<strong>in</strong>, dass er sich durch se<strong>in</strong>e<br />

offenherzige Aussage zu Beg<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>er Haft <strong>in</strong> große Gefahr gebracht hatte. Er berichtete<br />

dem Ermittlungsrichter des Volksgerichtshofs Nürnberg, dass ihm der vernehmende Polizeibeamte<br />

gesagt habe, er „solle nur alles zugeben, die Strafe werde dann ger<strong>in</strong>ger. Er<br />

me<strong>in</strong>te, ich würde vielleicht 2 Jahre absitzen müssen, dann komme doch e<strong>in</strong>e Amnestie.“<br />

70


Der Volksgerichtshof verurteilte die beiden jungen Männer am Jahresende 1942 zum Tode.<br />

Sieben Monate später wurden sie <strong>in</strong> <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; VGH Z, Josef Deserta.<br />

Josef Miroslav Fleißner, geboren am 4.10.1914 <strong>in</strong> Melnik, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 23.6.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 12.9.1944.<br />

***<br />

Drohende Unannehmlichkeiten im Inland waren auch für Josef Fleißer der Anlass zur<br />

Flucht <strong>in</strong>s Ausland. E<strong>in</strong>e unvorsichtige Bemerkung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em noch nicht abgeschickten Brief<br />

wurde Fleißer zum Verhängnis.<br />

Josef Fleißner arbeitete von 1941 bis 1943 als Rentmeister beim Stadtamt Wemschen<br />

(Böhmen). Er geriet <strong>in</strong> den Verdacht, Geld veruntreut zu haben und wurde zum 1. Juni<br />

1943 wegen „liederlichen Lebenswandels und Verdacht der Unterschlagung“ entlassen.<br />

Als dann Ende Juni 1943 die Landesbehörde <strong>in</strong> Prag e<strong>in</strong>e Buchprüfung anordnete, brach<br />

Fleißner auf zur Reise <strong>in</strong>s Ausland. Er fuhr über Prag, Pardubitz und Brünn nach Zl<strong>in</strong>. Hier<br />

konnte er sich von e<strong>in</strong>em Eisenbahnbeamten e<strong>in</strong>e Uniform ausleihen und damit die Grenze<br />

ohne die vorgeschriebenen Papiere überqueren. „Als sie mich auf der Grenze fragten<br />

woh<strong>in</strong> ich fahre, so sagte ich: Dienstlich nach Strashof für den Zug Nr. 41035.“ Auf der<br />

Bahnhofstoilette <strong>in</strong> Strashof kleidete sich Fleißner um, packte die geliehene Uniform <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en Koffer und bat e<strong>in</strong>en Zugschaffner, den Koffer an den Eigentümer zurückzugeben.<br />

Fleißner reiste weiter über Wien nach Graz. Hier arbeitete er zwei Tage beim Zirkus Krone<br />

und schrieb e<strong>in</strong>en Brief an e<strong>in</strong>en Freund <strong>in</strong> Melnik, der ihm später zum Verhängnis werden<br />

sollte. In diesem Brief beteuerte er, er sei zwar leichts<strong>in</strong>nig gewesen, habe aber nicht e<strong>in</strong>en<br />

Heller unterschlagen. Er wolle <strong>in</strong> die Schweiz gehen und sich dort mustern lassen. Anschließend<br />

reiste er weiter über St. Veit, <strong>München</strong>, Kempten, L<strong>in</strong>dau, Bregenz nach Lustenau.<br />

Als er die schweizerische Rhe<strong>in</strong>brücke bei Brugg <strong>in</strong> Augensche<strong>in</strong> nehmen wollte,<br />

wurde er durch e<strong>in</strong>en Zollbeamten festgenommen. Den Brief trug er nach wie vor bei sich.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; VGH Z, Josef Fleißner.<br />

***<br />

71


Josef Cimburek; © Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

Josef Cimburek, geboren am 3.8.1916 <strong>in</strong> Skrotschau, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 4.12.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 31.8.1943.<br />

Die persönliche Misere der Arbeitslosigkeit veranlasste Josef Cimburek zur Flucht <strong>in</strong>s Ausland.<br />

Die tschechische Legion sollte lediglich e<strong>in</strong> letzter Anlaufpunkt werden, falls es ihm<br />

<strong>in</strong> Jugoslawien nicht möglich se<strong>in</strong> sollte, Arbeit zu f<strong>in</strong>den. Zur Vollstreckung des Todesurteils<br />

kam es erst mit e<strong>in</strong>iger Verzögerung: Der begabte Techniker Cimburek hatte <strong>in</strong> Untersuchungshaft<br />

e<strong>in</strong>ige waffentechnische Innovationen entwickelt. Diese Erf<strong>in</strong>dungen wurden<br />

von Fachleuten begutachtet, u.a. von Wissenschaftlern der TU <strong>München</strong>. Deren E<strong>in</strong>schätzung<br />

der Leistungen Cimbureks trug zum Vollzug des Todesurteils bei.<br />

Josef Cimburek gehörte von 1937 bis zur Auflösung des tschechoslowakischen Heeres<br />

als Militärpilot und Jagdflieger mit dem Dienstgrad e<strong>in</strong>es Gefreiten der Luftwaffe an. Im<br />

Anschluss an se<strong>in</strong>e Militärzeit war er arbeitslos.<br />

Josef Cimburek beschloss, Ende des Jahres 1940 zusammen mit e<strong>in</strong>igen Freunden <strong>in</strong> ähnlicher<br />

Lage nach Jugoslawien zu reisen. Sie wollten sich dort Arbeit suchen und, falls sie<br />

ke<strong>in</strong>e fänden, <strong>in</strong> die tschechische Legion e<strong>in</strong>treten. Der Initiator dieser Pläne konnte e<strong>in</strong>en<br />

Kontaktmann <strong>in</strong> Graz vermitteln. Am 1. März 1941 brach die kle<strong>in</strong>e Gruppe auf. Es gelang<br />

ihnen, illegal über die Protektoratsgrenze zu kommen. Von Wels aus reisten sie nach Graz<br />

weiter. Dort trafen sie ihren Kontaktmann, der ihnen Zutritt zu e<strong>in</strong>er Ziegeleikant<strong>in</strong>e verschaffte,<br />

<strong>in</strong> der sie übernachten konnten. Er begleitete sie auf ihrer weiteren Reise und<br />

sollte ihnen bei Radkersburg den Weg über die Grenze zeigen. Bevor es dazu kam, wurde<br />

die Gruppe von der deutschen Grenzpolizei im Zug verhaftet.<br />

Der Volksgerichtshof fällte vier Todesurteile, auch über Josef Cimburek. E<strong>in</strong>e Begnadigung<br />

wurde <strong>in</strong> drei Fällen sofort abgelehnt. Nicht jedoch bei Josef Cimburek. Er war e<strong>in</strong> begabter<br />

Techniker und hatte <strong>in</strong> Untersuchungshaft e<strong>in</strong>en Motorentyp und e<strong>in</strong>e Kontrollanlage<br />

für Masch<strong>in</strong>engewehre <strong>in</strong> Flugzeugen erfunden. Diese Sachlage wurde dem Reichsm<strong>in</strong>ister<br />

der Justiz am 19. Februar 1943 vorgetragen. M<strong>in</strong>ister Thierack beschloss, die „angeb-<br />

72


lichen Erf<strong>in</strong>dungen sollen beschleunigt nachgeprüft werden“. Am 22. Februar 1943 wandte<br />

sich das Reichsjustizm<strong>in</strong>isterium an die Physikalisch-Technische Reichsanstalt, e<strong>in</strong>e höchst<br />

renommierte Forschungse<strong>in</strong>richtung. In diesem Schreiben wurde der gesamte Vorgang<br />

geschildert und um e<strong>in</strong>e Stellungnahme zu den Erf<strong>in</strong>dungen gebeten. Bereits am 3. März<br />

1943 antwortete die Reichsanstalt, sie sähe sich aus fachlichen Gründen nicht zu e<strong>in</strong>er<br />

Beurteilung <strong>in</strong> der Lage und verwies auf die entsprechenden Lehrstühle an den Technischen<br />

Hochschulen. Daraufh<strong>in</strong> wandte sich das Reichsjustizm<strong>in</strong>isterium an die Technische<br />

Hochschule <strong>München</strong>. Der zuständige Professor teilte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Gutachten mit, er habe<br />

den Verurteilten am 16. März 1943 <strong>in</strong> <strong>Stadelheim</strong> aufgesucht, von drei Vorschlägen stellten<br />

zwei ke<strong>in</strong>e Neuerungen dar, der dritte liege außerhalb se<strong>in</strong>es Fachgebietes. Zu e<strong>in</strong>er anderen<br />

Sicht der D<strong>in</strong>ge kamen die Waffenwerke Brünn, die von der Verteidigung Cimbureks<br />

um e<strong>in</strong>e Stellungnahme gebeten wurden: Sie besche<strong>in</strong>igten Cimburek „<strong>in</strong>itiativen Geist<br />

und erf<strong>in</strong>derische Fähigkeit“, hielten e<strong>in</strong>e ausführliche Überprüfung durch Erstellung e<strong>in</strong>es<br />

Prototyps für notwendig und <strong>in</strong>teressierten sich für e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung se<strong>in</strong>er Arbeiten.<br />

Dieser Äußerung hat das Justizm<strong>in</strong>isterium jedoch ke<strong>in</strong>en Wert beigemessen. Die Masch<strong>in</strong>engewehrsteuerung<br />

dagegen wurde vom Reichsm<strong>in</strong>isterium der Luftfahrt überprüft.<br />

Das M<strong>in</strong>isterium hielt Vorschlag Cimbureks für „wertlos“. Josef Cimburek wurde daraufh<strong>in</strong><br />

h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; RJM IV g 10a 5033/43.<br />

Zdenek Saba; © Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

Zdenek Jaroslav Saba, geboren am 3.6.1923 <strong>in</strong> Prag, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 25.3.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 22.10.1943.<br />

***<br />

E<strong>in</strong> Onkel von Zdenek Saba war General im aufgelösten tschechischen Heer gewesen.<br />

Dies reichte se<strong>in</strong>en Verfolgern, um dem 20jährigen zu unterstellen, er wolle dessen Vorbild<br />

nacheifern und sich der tschechischen Legion anschließen. Er wurde zum Tode verurteilt.<br />

73


Am 20. August 1942 täuschte der 19jährige Zeichner beim Baden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stausee se<strong>in</strong>en<br />

Selbstmord vor. Zuvor hatte er e<strong>in</strong>en entsprechenden Abschiedsbrief an se<strong>in</strong>e Eltern<br />

verfasst. Teils mit der Bahn, teils zu Fuß machte er sich auf den Weg <strong>in</strong> Richtung Schweizer<br />

Grenze. Es gelang ihm, über die Protektoratsgrenze zu kommen. In Spitz a.d. Donau<br />

besuchte er e<strong>in</strong>en Bekannten se<strong>in</strong>es Vaters und lehnte dessen Angebot, ihm e<strong>in</strong>e Arbeitsstelle<br />

zu vermitteln, ab, weil er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Flugzeugfabrik arbeiten wolle. Er lieh sich 20 RM<br />

und fuhr mit der Eisenbahn nach Innsbruck, besorgte sich dort e<strong>in</strong>e Karte der Ostalpen und<br />

fuhr nach Bludenz. E<strong>in</strong>e kurze Nachtruhe verbrachte er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Heuhütte, dann wanderte<br />

er, über St. Gallenkirch und Gargellen auf die Schweizer Grenze zu. Festgenommen wurde<br />

er etwa e<strong>in</strong>e Wegstunde von der Grenze entfernt.<br />

Saba erklärte se<strong>in</strong>en Verfolgern, er sei weggelaufen, weil er die Schule nicht mehr besuchen<br />

wollte. Er hätte nur noch e<strong>in</strong>en Ausflug <strong>in</strong> die Berge machen wollen, bevor er sich<br />

Arbeit suchen wollte. Der 1. Senat des Volksgerichtshof unter Richter Koehler hielt diese<br />

Aussagen für nicht glaubwürdig: Zdenek Saba hätte e<strong>in</strong>em Onkel nacheifern wollen, der<br />

General im aufgelösten tschechischen Heer gewesen wäre und den er sich zum Vorbild<br />

genommen hätte.<br />

Zdenek Saba erreichte e<strong>in</strong>en Aufschub se<strong>in</strong>er Ermordung durch e<strong>in</strong>e möglicherweise rüstungstechnisch<br />

verwertbare Erf<strong>in</strong>dung. Das um e<strong>in</strong>e Stellungnahme gebetene Oberkommando<br />

des Heeres hielt diese aber für „wertlos“. In höflichem Kanzleiton wurde daraufh<strong>in</strong><br />

die Vollstreckung des Todesurteils durch das Reichsjustizm<strong>in</strong>isterium am 8. Oktober 1943<br />

angeordnet: „Ich bitte, das Todesurteil gegen Saba nunmehr alsbald zu vollstrecken.“<br />

Am 22. Oktober 1943 wurde der 20jährige Verurteilte <strong>in</strong> <strong>Stadelheim</strong> h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; RJM IVg 10a 5105/43.<br />

Josef Horácek, geboren am 6.2.1924 <strong>in</strong> Niederstapanio, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 29.10.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 7.1.1944.<br />

Josef Horácek hoffte, <strong>in</strong> Bern für die tschechische Legion arbeiten zu können. Beim Versuch,<br />

die Möglichkeiten für e<strong>in</strong>e Flucht <strong>in</strong> die Schweiz auszuloten, wurde er verhaftet.<br />

1943 musste Josef Horácek im Rahmen der Arbeitspflicht für Protektoratsangehörige <strong>in</strong><br />

Ilmenau arbeiten. Er lernte dort e<strong>in</strong>en deutschen Kollegen näher kennen.<br />

***<br />

Die beiden Männer planten die Flucht <strong>in</strong> die Schweiz. Horácek hoffte, <strong>in</strong> Bern für die tschechische<br />

Legion arbeiten zu können, da er drei Sprachen sprach. Am 18. September 1943<br />

traten die beiden jungen Männer die Bahnreise nach Konstanz an. Nach ihrer Ankunft am<br />

19. September h<strong>in</strong>terlegten sie ihr Gepäck am Bahnhof und g<strong>in</strong>gen zur Grenze, um die<br />

Möglichkeiten e<strong>in</strong>es illegalen Grenzübertritts zu erkunden. Dabei wurden sie von e<strong>in</strong>em<br />

Zollbeamten festgenommen. Josef Horácek wurde zum Tode verurteilt, über das Schicksal<br />

se<strong>in</strong>es Kollegen ist nichts bekannt.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; VGH Z, Horácek, Josef.<br />

74


Václav Jara; © Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

Václav Jara, geboren <strong>in</strong> Pilsen (Plzen) am 31.12.1912 (23.12.1914), verurteilt durch den<br />

Volksgerichtshof am 26.2.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 28.5.1943.<br />

Als Rüstungsarbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em heimatfernen Ort dienstverpflichtet, entschloss sich Václav<br />

Jara zur Flucht. Die deutschen Besatzer unterstellten den Willen zum Anschluss an die<br />

tschechische Legion. Insbesondere <strong>in</strong> den noch erhaltenen Gnadengesuchen, die die mitleidslose<br />

deutsche <strong>NS</strong>-Justiz ablehnte, dokumentiert sich das Schicksal Václav Jaras.<br />

Nicht e<strong>in</strong>mal das Geburtsdatum des <strong>in</strong> Pilsen (Plzen) geborenen Metalldrehers lässt sich<br />

aus den vorliegenden Quellen mit Sicherheit erschließen. Das Gerichtsurteil nennt den<br />

31. Dezember 1912, der Verurteilte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em handschriftlichen Gnadengesuch den 23. Dezember<br />

1914. Václav Jara wurde 1941 als Rüstungsarbeiter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Werk der Skoda-<br />

Werke <strong>in</strong> Dubnika (Slowakei) dienstverpflichtet. Zusammen mit e<strong>in</strong>em Kollegen entschloss<br />

er sich zur Flucht.<br />

Die beiden Männer fuhren am 2.11.1941 nach Brecour (Slowakei). Am nächsten Tag g<strong>in</strong>gen<br />

sie <strong>in</strong> Richtung ungarisch-slowakische Grenze. Bevor sie die Grenze überschreiten konnten,<br />

wurden sie von slowakischen Grenzbeamten festgenommen. Am 22. Februar 1942<br />

wurden sie der deutschen Grenzpolizei im Protektorat übergeben.<br />

Ansche<strong>in</strong>end hatten sich die Versuche, <strong>in</strong>s Ausland zu gelangen, unter den Arbeitern der<br />

Skoda-Werke gehäuft. Im Urteil heißt es: „Nach Lage der D<strong>in</strong>ge besteht sogar der dr<strong>in</strong>gende<br />

Verdacht, dass die Abwanderung der tschechischen Arbeiter (...) das Werk sowjetischer<br />

Saboteure war.“<br />

Das Schicksal des Gefangenen Václav Jara veranlasste selbst die Leitung der Untersuchungshaftanstalt<br />

Nürnberg zu e<strong>in</strong>er Bitte um Gnade: Jara sei sehr ruhig und anständig<br />

gewesen, ordentlich, höflich und fleißig, heißt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vertraulichen E<strong>in</strong>schreiben vom<br />

21. Februar 1943. „Da Jara nur wenig deutsch versteht, hat er ansche<strong>in</strong>end das Urteil nicht<br />

richtig verstanden. Bei se<strong>in</strong>er Rückkehr <strong>in</strong> die Anstalt sagte er zu se<strong>in</strong>em Aufsichtsbeamten:<br />

„Morgen fahre ich nach Hause, habe nicht Strafe bekommen, b<strong>in</strong> frei.“<br />

75


Václav Jara selbst schrieb e<strong>in</strong> verzweifeltes Gnadengesuch. Dar<strong>in</strong> heißt es: „Ich habe<br />

immer gerne gearbeitet und will auch ferner als ordentlicher und ehrlicher Mensch bis zu<br />

me<strong>in</strong>em Tode arbeiten, ehrlich, wie früher, mich weiter auf die Welt freuen, wie früher. Ich<br />

b<strong>in</strong> frohen S<strong>in</strong>nes, ich b<strong>in</strong> gern auf der Welt.“ Der Grund für se<strong>in</strong> Verhalten <strong>in</strong> Dubnica sei<br />

gewesen, dass er <strong>in</strong> der letzten Zeit dort oft unangenehme Arbeiten verrichten musste und<br />

deshalb unzufrieden gewesen wäre. Davor hätte ihn lediglich gestört, dass er nicht mehr<br />

nach Hause fahren durfte. Er wollte nach Pilsen (Plzen) zurückversetzt werden, dem wurde<br />

jedoch nicht entsprochen. „Ich bitte neuerd<strong>in</strong>gs herzlich um Gnade. Ich b<strong>in</strong> unschuldig. Ich<br />

werde niemals mehr etwas Ähnliches wagen. Ich will weiter arbeiten, allenfalls hier, so<br />

wie früher, gerecht und ehrlich. Ich will mich weiter mit me<strong>in</strong>en Eltern, mit der Mutter und<br />

dem Vater, mit me<strong>in</strong>en Schwestern und ihren Familien, mit allen Verwandten und Bekannten<br />

bis zu unserem Tode freuen, lieben. Ich bitte herzlich, sprechen Sie mich frei, ich<br />

b<strong>in</strong> unschuldig. Ich will die Freiheit und die Arbeit, ich will zu me<strong>in</strong>en Liebsten.“<br />

Der Reichsm<strong>in</strong>ister der Justiz verfügte am 13. Mai 1943 den Vollzug der Todesstrafe. Václav<br />

Jara wurde am 28. Mai 1943 <strong>in</strong> <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; VGH Z, Jara, Václav.<br />

***<br />

Stanislav Hanys, geboren am 16.2.1925 <strong>in</strong> Streletsch, h<strong>in</strong>gerichtet am 16.12.1943. Verurteilt<br />

durch den Volksgerichtshof am 28.10.1943. Hanys wurde beim Versuch, die Grenze<br />

zur Schweiz geme<strong>in</strong>sam mit Seps und Nedbal zu überqueren, festgenommen. Nach Ansicht<br />

se<strong>in</strong>er Verfolger wollte er sich der tschechischen Legion anschließen.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; VGH Z, Olrich Seps; RJM IVg 10a 56663/43.<br />

***<br />

Vlastibor Nedbal, geboren am 6.10.1923 <strong>in</strong> Chust, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

28.10.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 16.12.1943. Nedbal wurde beim Versuch, die Grenze zur<br />

Schweiz geme<strong>in</strong>sam mit Seps und Hanys zu überqueren, festgenommen. Nach Ansicht<br />

se<strong>in</strong>er Verfolger wollte er sich der tschechischen Legion anschließen.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; VGH Z, Olrich Seps; RJM IVg 10a 56663/43.<br />

***<br />

Oldrich Seps, geboren am 11.1.1924 <strong>in</strong> Oberrosental, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 28.10.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 16.12.1943. Seps wurde beim Versuch, die Grenze zur<br />

Schweiz geme<strong>in</strong>sam mit Nedbal und Hanys zu überqueren, festgenommen. Nach Ansicht<br />

se<strong>in</strong>er Verfolger wollte er sich der tschechischen Legion anschließen.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; VGH Z, Olrich Seps; RJM IVg 10a 56663/43.<br />

76


***<br />

Franz Fuxa, geboren am 14.5.1921 <strong>in</strong> Klansau, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

19.5.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 22.9.1943. Plante von e<strong>in</strong>em Ulmer Arbeitsdienstlager aus,<br />

<strong>in</strong> die Schweiz zu fliehen.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; RJM IIIg 19 1121/40.<br />

***<br />

Emil Jel<strong>in</strong>ek, geboren am 23.11.1923 <strong>in</strong> Kanitz, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

19.5.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 22.9.1943. Plante von e<strong>in</strong>em Ulmer Arbeitsdienstlager aus,<br />

<strong>in</strong> die Schweiz zu fliehen.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; RJM IIIg 19 1121/40.<br />

***<br />

Stanislav Polena, geboren am 11.2.1914 <strong>in</strong> Postowitz, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 19.5.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 22.9.1943. Plante von e<strong>in</strong>em Ulmer Arbeitsdienstlager<br />

aus, <strong>in</strong> die Schweiz zu fliehen.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; RJM IIIg 19 1121/40.<br />

Unbekannte tschechische Widerstandskämpfer<br />

Bei manchen der <strong>in</strong> <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> ermordeten Männer s<strong>in</strong>d nur noch wenige Lebensdaten<br />

<strong>in</strong> Erfahrung zu br<strong>in</strong>gen. Die meisten dieser Menschen waren Tschechen. Bisweilen<br />

s<strong>in</strong>d sogar die Namensschreibweise, die Nationalität und das Geburtsdatum unklar.<br />

Die wenigen bekannten Daten werden kurz dargestellt.<br />

Jiri Arnost, geboren am 16.8.1915 <strong>in</strong> Prag, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

11.8.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 22.10.1943. „Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

Miroslav Cermak, geboren am 26.12.1918 <strong>in</strong> Prag, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 28.8.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 19.12.1944.“Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

Wenzel Danikolka (Danikelka), geboren am 19.7.1911 <strong>in</strong> Pschlelautsch, verurteilt durch den<br />

Volksgerichtshof am 7.7.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 29.9.1942. „Hochverräterische Betätigung<br />

und Fe<strong>in</strong>dbegünstigung“.<br />

Václav Dobias, geboren am 8.9.1903 <strong>in</strong> Stötschewec (Steltschowes), verurteilt durch den<br />

Volksgerichtshof am 28.9.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 19.12.1944. „Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

77


Jean Dolezal (Delezal), geboren am 23.5.1896 <strong>in</strong> Nedesch<strong>in</strong> (Nedusch<strong>in</strong>), verurteilt durch<br />

den Volksgerichtshof am 1.9.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 20. Dezember 1944. „Vorbereitung<br />

zum Hochverrat“.<br />

Jan Drobny, geboren am 20.10.1898 <strong>in</strong> Chotouch (Chotouchov), verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 28.8.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 12.12.1944. „Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

Stanislaus Franta, geboren am 6.9.1899 <strong>in</strong> Zdar bei Strokwitz, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 1.9.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 20.12.1944. „Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

Josef Jaro, geboren am 20.1.1901 <strong>in</strong> Großreditz, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

14.7.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 24.9.1942. „Wiederaufbau der kommunistischen Partei im<br />

Protektorat und Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

Ladislav Kirbis, geboren am 16. März 1892 <strong>in</strong> Jetice, h<strong>in</strong>gerichtet am 12.12.1944. Verurteilt<br />

durch den Volksgerichtshof am 28.8.1944. „Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

Karl Knop, geboren am 11.8.1908 <strong>in</strong> Lemnitz (Somnitz) an der Popelka, verurteilt durch den<br />

Volksgerichtshof am 14.7.1942, h<strong>in</strong>gerichtet am 20.12.1944. „Vorbereitung zum Hochverrat.“<br />

Jaroslav Matejovsky, geboren am 28.1.1901 <strong>in</strong> Prag, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 11.8.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 22.10.1943. „Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

Wenzel Naprestek (Naprstek), geboren am 27.5.1886 <strong>in</strong> R<strong>in</strong>hletz, verurteilt durch den<br />

Volksgerichtshof am 28.4.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 12.12.1944. „Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

Josef Skribsrsky (Stribsky oder Stribrsky), geboren am 11.3.1903 <strong>in</strong> Prag, verurteilt durch<br />

den Volksgerichtshof am 28.8.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 19.12.1944. „Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

Josef Stochl, geboren am 21.5.1903 <strong>in</strong> Mesnovico (Hosnowitz), verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 13.8.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 19.12.1944. „Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

Josef Sulamski (Subanski, Sulansky), geboren am 24.7.1913 <strong>in</strong> Prag, verurteilt durch den<br />

Volksgerichtshof am 28.8.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 19.12.1944. „Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

Bohuslav Szlezak oder Schuslav Slezak, geboren am 29.5.1902 <strong>in</strong> Vejetshof oder Veojetchov,<br />

verurteilt durch den Volksgerichtshof am 1.9.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 20.10.1944.<br />

„Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

Johann Szpahicz, auch Jiran Szpakierwich. Geburtsdatum und Geburtsort: nicht bekannt,<br />

die Nationalität ebensowenig. H<strong>in</strong>richtung am 9.10.1942. „Rundfunkverbrechen“.<br />

Karel Urbanek, geboren am 6.12.1918 <strong>in</strong> Bojkowitz, h<strong>in</strong>gerichtet am 19.12.1944. „Vorbereitung<br />

zum Hochverrat“.<br />

Paul Vancura, geboren am 15.10.1901 <strong>in</strong> Dauba Sadet, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 11.8.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 22.10.1943. „Vorbereitung zum Hochverrat“.<br />

78


Biographien: Polen<br />

Das „Rundfunkverbrechen“ e<strong>in</strong>es Fremdarbeiters<br />

Henrik Pecak, Landarbeiter, geb. am 26.9.1918 <strong>in</strong> Chlewice, verurteilt am 15.2.1943 durch<br />

das Sondergericht Nürnberg, h<strong>in</strong>gerichtet am 23.3.1943.<br />

Die Arbeit von polnischen Arbeitskräften <strong>in</strong> Deutschland hatte schon vor dem Nationalsozialismus<br />

e<strong>in</strong>e längere Tradition, die ihre Spuren h<strong>in</strong>terlassen hatte. Die besonderen rechtlichen<br />

Regeln, die die Nationalsozialisten für die als rassisch m<strong>in</strong>derwertig e<strong>in</strong>gestuften<br />

Polen aufstellten, waren weder der deutschen Bevölkerung noch den ausländischen Arbeitern<br />

ständig bewusst. Henrik Pecak meldete sich freiwillig zum Arbeitse<strong>in</strong>satz nach Deutschland.<br />

In Polen und auch für polnische Fremdarbeiter <strong>in</strong> Deutschland galt e<strong>in</strong> besonderes<br />

Strafrecht, mit dem absoluter Gehorsam erzwungen werden sollte. Auch im nachfolgenden<br />

Fall wurde das Urteil anhand der „Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen<br />

und Juden <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>gegliederten Ostgebieten“ vom 4.12.1941 gefällt.<br />

Der polnische Fremdarbeiter Henrik Pecak lebte seit 1939 <strong>in</strong> Lauf an der Pegnitz. Der am<br />

26.9.1918 geborene Pecak meldete sich 1936 zum polnischen Arbeitsdienst, wo er bis zur<br />

Besetzung Polens durch Deutschland beschäftigt war. 1939 kamen se<strong>in</strong>e Eltern ums Leben.<br />

In diesem Jahr ließ sich Henrik Pecak zum Arbeitse<strong>in</strong>satz nach Deutschland e<strong>in</strong>teilen. Ab<br />

14.12.1939 arbeitete er beim Metzgermeister R. <strong>in</strong> Lauf an der Pegnitz, ab 15.10.1941 beim<br />

Kohlenhändler Sch., ebenfalls <strong>in</strong> diesem Ort. Während se<strong>in</strong>es Aufenthalts <strong>in</strong> Deutschland<br />

wurde er e<strong>in</strong>mal zu 3 Wochen Haft verurteilt, weil er e<strong>in</strong>e Gastwirtschaft besucht hatte.<br />

Dies war polnischen Fremdarbeitern verboten. E<strong>in</strong> andermal musste er e<strong>in</strong>e Geldbuße von<br />

5 RM zahlen, weil er abends noch unterwegs war. Auch dies war verboten.<br />

Pecak wurde vorgeworfen, fünf- oder sechsmal im September 1941 im Wohnzimmer se<strong>in</strong>es<br />

Dienstherren, des obengenannten Metzgermeisters, die polnischen Nachrichten der<br />

BBC gehört zu haben. Der Sender brachte Nachrichten über die Bombardierung deutscher<br />

Städte, die Versenkung deutscher Schiffe, die Gefangennahme deutscher Soldaten an der<br />

Ostfront, den E<strong>in</strong>marsch englischer und sowjetischer Truppen im Iran. Außerdem hörte<br />

Pecak e<strong>in</strong>e Rede des polnischen Generals Sikorski, der alle Polen aufforderte, ihre <strong>in</strong> Polen<br />

zurückgebliebenen Landsleute zu unterstützen. Pecak erzählte diese Neuigkeiten zwei anderen<br />

polnischen Fremdarbeitern. E<strong>in</strong>er Deutschen, der Inhaber<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Schuhgeschäfts,<br />

teilte Pecak auf der Straße mit: „Deutsche vor Moskau zurückgeschlagen.“ E<strong>in</strong>er ebenfalls<br />

im Haushalt se<strong>in</strong>es Dienstherrn beschäftigten deutschen Frau sagte Pecak, Deutschland<br />

werde den Krieg verlieren, die Grenzen würden von Roosevelt gezogen werden und<br />

Deutschland werde neu aufgeteilt werden. E<strong>in</strong> neues Polen werde erstehen, aber zuvor<br />

nochmals e<strong>in</strong>en Krieg durchmachen müssen. Dabei zeichnete er auf e<strong>in</strong> Blatt Papier die<br />

Landkarte dieses neuen Europas.<br />

Pecak gab all dies vor se<strong>in</strong>en Verfolgern zu und erzählte, dass er von der Strafbarkeit se<strong>in</strong>er<br />

so genannten Vergehen nichts gewusst habe. Das Sondergericht Nürnberg unter Richter<br />

Rothaug verurteilte ihn am 15.2.1943 zum Tode.<br />

Quelle:<br />

Staatsarchiv <strong>München</strong>; JVA <strong>München</strong> 845; JVA <strong>München</strong> 525.<br />

79


Versuchter Anschluss an die polnische Legion<br />

Jan Hebda, geboren am 3.12.1911 <strong>in</strong> Dobzyce, Verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

25.3.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 8.7.1943.<br />

Ebenso wie tschechische Armeee<strong>in</strong>heiten hatten <strong>in</strong>nerhalb der alliierten Armeen auch<br />

polnische E<strong>in</strong>heiten ihren Platz. Auch <strong>in</strong> Polen hatten derartige Bestrebungen historische<br />

Tradition, der Legionärsmarsch war sogar zur Nationalhymne Polens geworden. Der Volksgerichtshof<br />

verurteilte die Beschuldigten meist wegen Vorbereitung zum Hochverrat oder<br />

auch wegen Fe<strong>in</strong>dbegünstigung. Für e<strong>in</strong> derartiges Urteil reichten <strong>in</strong> der Regel Schlussfolgerungen<br />

und Mutmaßungen der <strong>NS</strong>-Richter.<br />

Seit dem 26. April 1942 musste Jan Hebda <strong>in</strong> Erz<strong>in</strong>gen (Baden) als Landarbeiter arbeiten.<br />

Wenige Tage nach se<strong>in</strong>er Ankunft, Anfang Mai 1942, erklärte Hebda se<strong>in</strong>en Kollegen, er<br />

wolle <strong>in</strong> die Schweiz gehen und sich dort zur polnischen Legion melden. Zwei weitere polnische<br />

Zwangsarbeiter schlossen sich se<strong>in</strong>em Vorhaben an.<br />

Am 8. Mai 1942 überschritten die drei Männer <strong>in</strong> den Abendstunden unter Hebdas Führung<br />

die Grenze zur Schweiz, die <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe Erz<strong>in</strong>gens verläuft. Die drei Polen<br />

wurden von Schweizer Beamten aufgegriffen und am nächsten Tag über die deutsche<br />

Grenze abgeschoben. Es war ihnen nicht erlaubt worden, mit der englischen Botschaft<br />

zu telefonieren. Offensichtlich verständigten die Schweizer Behörden auch die deutsche<br />

Polizei, denn am nächsten Tag wurden die drei Männer verhaftet.<br />

E<strong>in</strong> Jahr später, im März 1943, fand die Verhandlung vor dem Volksgerichtshof statt, <strong>in</strong> der<br />

Jan Hebda zum Tode verurteilt wurde. Im Juli 1943 musste er unter dem Fallbeil des<br />

Henkers sterben.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; VGH Z, Kuopkiewiecz, Franz.<br />

80


Landesverrat e<strong>in</strong>es SS-Angehörigen<br />

Waldemar Schildhabel, geboren am 21.5.1903 <strong>in</strong> Ksawarov (Usamarov), Verurteilt vom<br />

Obersten SS- und Polizeigericht <strong>München</strong> am 1.10.1942 wegen „Landesverrat“, h<strong>in</strong>gerichtet<br />

am 7.1.1943.<br />

SS-Angehörige unterlagen e<strong>in</strong>er besonderen Gerichtsbarkeit, die 1939 e<strong>in</strong>gerichtet worden<br />

war. Die SS-Gerichte sollten Bestimmungen des Militärgerichts s<strong>in</strong>ngemäß anwenden<br />

und an den so genannten SS-Ehrenkodex anpassen. Bis zum Frühjahr 1941 waren die<br />

zivilen Gefängnisse auch für den Vollzug der durch diese Strafen verhängten Freiheitsstrafen<br />

zuständig, ab März 1941 lag dies <strong>in</strong> der Kompetenz des eigens e<strong>in</strong>gerichteten „Straflagers<br />

der SS und Polizei Dachau“. Dieser Teilbereich des Dachauer Konzentrationslagers<br />

wurde zentrale Vollzugsstätte der SS-Gerichtsbarkeit. Dennoch wurden nach wie vor H<strong>in</strong>richtungen<br />

von SS-Angehörigen auch <strong>in</strong> <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> vollstreckt.<br />

Waldemar Schildhabel war SS-Mann. Ob der Angehörige der deutschen M<strong>in</strong>derheit <strong>in</strong> Polen<br />

der SS freiwillig beitrat oder e<strong>in</strong>gezogen wurde, ist unbekannt. Warum Schildhabel<br />

dennoch <strong>in</strong> <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> sterben musste, ist ebenso wenig zu klären wie se<strong>in</strong><br />

„Vergehen“. Als SS-Angehöriger wurde er erschossen und starb nicht unter dem Fallbeil.<br />

Bekannt s<strong>in</strong>d lediglich e<strong>in</strong>ige persönliche Daten. Schildhabel wurde am 21. Mai 1903 <strong>in</strong><br />

Usamarow <strong>in</strong> Polen geboren. Er war polnischer Staatsangehöriger, vermutlich jedoch<br />

Volksdeutscher. Im Zivilberuf war er Kaufmann.<br />

Am 18. August 1942 schrieb das SS- und Polizeigericht Posen an das Untersuchungsgefängnis<br />

<strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong>: „Der Obengenannte ist des Kriegsverrats dr<strong>in</strong>gend verdächtig.“<br />

Auch der Transportzettel für die so genannte Gefangenen-Beförderung ist erhalten:<br />

„27.8.42 Litzmannstadt, 28.8. Posen, 4.9. Posen, 4.9. Berl<strong>in</strong>, 8.9. Nürnberg, 11.9.<br />

<strong>München</strong>.<br />

Quelle:<br />

Staatsarchiv <strong>München</strong>; JVA <strong>München</strong> 845; JVA <strong>München</strong> 652.<br />

JVA <strong>Stadelheim</strong>; Totenbuch.<br />

81


Biographien: Die Verfolgung so genannter Asozialer<br />

Josef Brzek, geboren am 5.11.1922 <strong>in</strong> Neratau, verurteilt durch den Volksgerichtshof am<br />

29.10.1943, h<strong>in</strong>gerichtet am 8.12.1943.<br />

Für die Nationalsozialisten galt Obdachlosigkeit und Landstreicherei als Merkmal angeborenen<br />

„asozialen“ Verhaltens. Das Todesurteil gegen Josef Brzek wurde damit begründet,<br />

dass Brzek als „moralisch m<strong>in</strong>derwertiger, geistig niedrig stehender Mensch schon an<br />

sich e<strong>in</strong>e Belastung für das Reich bilde“. Dieser Satz verdeutlicht, dass e<strong>in</strong> Menschenleben<br />

unter nationalsozialistischer Herrschaft nur dann e<strong>in</strong>en Wert hatte, wenn es im Rahmen<br />

des Vernichtungs- und Eroberungskrieges ausgebeutet werden konnte.<br />

Josef Brzek war am 5.11.1922 <strong>in</strong> Brosan (Böhmen) zur Welt gekommen. Die Berufsbezeichnung<br />

<strong>in</strong> den Akten lautet „Kutscher“. Brzek schlug sich 1943 <strong>in</strong> Prag als Landstreicher<br />

durch, nachdem er se<strong>in</strong>e Arbeitsstellen im Deutschen Reich immer wieder verlassen<br />

hatte. Die Akten vermerken, Brzek sei e<strong>in</strong>ige Male wegen Betrugs und Diebstahls vorbestraft<br />

gewesen und hätte se<strong>in</strong> Dase<strong>in</strong> <strong>in</strong> Prag als Dieb und Zuhälter f<strong>in</strong>anziert. Der Volksgerichtshof<br />

spricht von e<strong>in</strong>er „asozialen Veranlagung“. Kurz vor Ostern 1943 lernte er <strong>in</strong><br />

Prag e<strong>in</strong>en anderen Landstreicher kennen, mit dem er e<strong>in</strong>ige Male im Freien übernachtete.<br />

Die beiden beschlossen über die Türkei <strong>in</strong> die Sowjetunion zu reisen und dort <strong>in</strong> die<br />

Rote Armee e<strong>in</strong>zutreten. Brzek geriet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Polizeikontrolle, se<strong>in</strong>e Ausweispapiere wurden<br />

ihm abgenommen. Daher stahl er den Personalausweis se<strong>in</strong>es Kompagnons und<br />

klebte se<strong>in</strong> eigenes Bild e<strong>in</strong>. Er entschloss sich, nun alle<strong>in</strong>e nach Russland fahren. In dem<br />

gestohlenen Mantel, den er auf se<strong>in</strong>er Reise trug, fand man außerdem Papiere, die auf<br />

e<strong>in</strong>en weiteren Namen lauteten. Am 18. Mai 1943 fuhr Josef Brzek von Prag nach Frimberg<br />

(Böhmen) und von dort nach Katowitz (Böhmen). Er plante, von hier aus nach Plzen<br />

und dann über den Balkan nach Russland weiterzureisen. Bevor er <strong>in</strong> Katowitz <strong>in</strong> den Zug<br />

stieg, wurde er verhaftet.<br />

Der Volksgerichtshof verurteilte Josef Brzek im Oktober 1943 zum Tode. Im Dezember<br />

desselben Jahres wurde er <strong>in</strong> <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; VGH Z, Josef Brzek.<br />

Karl Lid, geboren am 6.7.1899 <strong>in</strong> Kradrob, h<strong>in</strong>gerichtet am 11.4.1944. Verurteilt durch den<br />

Volksgerichtshof, Datum unleserlich.<br />

***<br />

Karl Lid verbüßte 1943 im Zellengefängnis Nürnberg e<strong>in</strong>e zweijährige Haftstrafe, die im Juli<br />

1942 verhängt worden war. Der nationalsozialistische Staat erwartete von allen se<strong>in</strong>en Bürgern,<br />

auch von Gefängnis<strong>in</strong>sassen, ideologisches Wohlverhalten. Dass Karl Lid diesem<br />

Anspruch nicht genügte, wurde ihm zum Verhängnis.<br />

Der Protektoratsangehörige und Bergarbeiter war am 6. Juli 1899 <strong>in</strong> Kradrob geboren worden.<br />

Im Urteil heißt es lapidar, er sei schon <strong>in</strong> frühester Jugend straffällig geworden und<br />

<strong>in</strong>sgesamt 24mal v.a. wegen Eigentumsdelikten vor Gericht gewesen. Wie es dazu kam,<br />

82


wird nicht erklärt – im biologistischen Weltbild der Nationalsozialisten war e<strong>in</strong> derartiges<br />

Verhalten angeboren.<br />

Im Laufe des Jahres 1943 bekam er Kontakt zu anderen Gefängnis<strong>in</strong>sassen, und diese<br />

habe er, so se<strong>in</strong>e Verfolger, „planmäßig defaitistisch-zersetzend“ zu bee<strong>in</strong>flussen versucht.<br />

Was war tatsächlich geschehen? Karl Lid hatte zu e<strong>in</strong>em Mitgefangenen gesagt, die Bombardierung<br />

deutscher Städte sei nicht schlimmer als das, was die Deutschen bei ihrem E<strong>in</strong>marsch<br />

im Sudetenland und der Tschechoslowakei verbrochen hätten. Deutschland werde<br />

auf jeden Fall den Krieg verlieren, me<strong>in</strong>te er, dies bedeute e<strong>in</strong> fürchterliches Blutbad, denn<br />

alle unterdrückten Völker würden sich später an den Deutschen rächen.<br />

Karl Lid versuchte, se<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung auch auf Zetteln zu verbreiten. Auf diese Blätter schrieb<br />

er zum Beispiel: „Lieber e<strong>in</strong> Kaiser von Gottes Gnaden als e<strong>in</strong> Mörder von Berchtesgaden!!!“<br />

Zur Verteilung se<strong>in</strong>er handgeschriebenen Flugblätter kam er nicht mehr.<br />

Karl Lid wurde am 11.4.1944 <strong>in</strong> <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; R 60 I/51.<br />

Zygmund Bak, geboren am 16.7.1920 <strong>in</strong> Plöhmen, verurteilt durch den Volksgerichtshof<br />

am 27.6.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 12.9.1944.<br />

Arthur Vogt, geboren am 24.7.1912 <strong>in</strong> St. Gallen (deutscher Staatsangehöriger), verurteilt<br />

durch den Volksgerichtshof am 27.6.1944, h<strong>in</strong>gerichtet am 12.9.1944.<br />

***<br />

***<br />

Ungewöhnlich genug, wurden hier e<strong>in</strong> Deutscher und e<strong>in</strong> Pole zusammen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Verfahren<br />

verurteilt. Ihr Delikt <strong>in</strong> den Augen ihrer Verfolger: der Versuch, <strong>in</strong> die Schweiz zu gelangen.<br />

Beide Männer hatten aus unterschiedlichen, auch aus gesundheitlichen Gründen,<br />

Schwierigkeiten, sich <strong>in</strong> den harten Arbeitsalltag der deutschen Kriegswirtschaft e<strong>in</strong>zugliedern.<br />

Den Richtern galten sie daher als „Asoziale“. Dem deutschen Staatsbürger wurde im<br />

Urteil vorgeworfen, er stelle sich durch die Reichsflucht „bewusst gegen se<strong>in</strong> eigenes Volk<br />

und hilft dem Fe<strong>in</strong>d“.<br />

Die beiden Männer lernten sich im Februar 1943 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Münchner Lokal kennen und trafen<br />

sich auch später noch mehrmals. Arthur Vogt äußerte se<strong>in</strong>e Unzufriedenheit mit den<br />

Lebensverhältnissen <strong>in</strong> Deutschland und erklärte, dass er <strong>in</strong> die Schweiz gehen wolle, da<br />

sich <strong>in</strong> Deutschland die Lage ständig verschlechtere. Am 22. März 1943 trafen sich die<br />

Männer zufällig vor dem Münchner Hauptbahnhof. Vogt hatte zu diesem Zeitpunkt bereits<br />

e<strong>in</strong>e Fahrkarte nach Bregenz, er ließ sich von Zygmund Bak Geld geben und löste auch für<br />

ihn e<strong>in</strong>e Karte. Im Anschluss an die Bahnreise nach Bregenz fuhren Vogt und Bak nach Dornbirn.<br />

Von Dornbirn führte ihr Weg sie weiter nach Lustenau, dort wurden sie unweit der<br />

Grenze am Rhe<strong>in</strong>damm <strong>in</strong> der Nähe der Eisenbahnbrücke von e<strong>in</strong>em Zöllner festgenommen.<br />

83


Sie wurden vom Volksgerichtshof im Sommer 1944 zum Tode verurteilt und mussten im<br />

September 1944 im Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> sterben.<br />

Quelle:<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>; NJ 3640; NJ 3562.<br />

84


Weitere Spuren von Widerstand und Verfolgung<br />

KZ-Ehrenha<strong>in</strong><br />

Während der <strong>NS</strong>-Zeit überzog e<strong>in</strong> dichtes Netz von Konzentrationslagern das nationalsozialistische<br />

E<strong>in</strong>flussgebiet. Das etwa 20 Kilometer nördlich von <strong>München</strong> gelegene KZ<br />

Dachau war e<strong>in</strong>es der ersten und nahm e<strong>in</strong>e herausragende Rolle im <strong>NS</strong>-Unterdrückungsapparat<br />

e<strong>in</strong>. Von den etwa 200.000 Häftl<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> Dachau starben weit mehr als 30.000 an<br />

Krankheiten, Erschöpfung, unwürdigen Lebensbed<strong>in</strong>gungen oder wurden ermordet, zum<br />

Teil durch mediz<strong>in</strong>ische Versuche. Ab Januar 1942 wurden mehr als 3.000 kranke oder erschöpfte<br />

Häftl<strong>in</strong>ge („Invalide“) nach Schloss Hartheim bei L<strong>in</strong>z gebracht und mit Giftgas<br />

ermordet.<br />

In diesem KZ-Ehrenha<strong>in</strong> liegen mehr als 4.000 Urnen vor allem von KZ-Häftl<strong>in</strong>gen begraben.<br />

Viele von ihnen starben im Konzentrationslager Dachau, die Leichen wurden im dortigen<br />

Krematorium verbrannt und die Urnen an verschiedenen Stellen <strong>in</strong> <strong>München</strong> „h<strong>in</strong>terstellt“.<br />

Auch die Urnen vieler Opfer der oben erwähnten Invalidentransporte wurden nach<br />

<strong>München</strong> gebracht. Warum dies so war, lässt sich nicht feststellen. Genaue Regularien<br />

zum Umgang mit der Asche der Opfer gab es während der <strong>NS</strong>-Zeit nicht.<br />

Der KZ-Ehrenha<strong>in</strong> auf dem Münchner Friedhof am Perlacher Forst wurde aufgrund e<strong>in</strong>es<br />

Beschlusses des Münchner Stadtrats vom 7.2.1950 angelegt. Damit sollte für diese Urnen,<br />

die sich nach Kriegsende an verschiedenen Stellen im Münchner Stadtgebiet gefunden<br />

hatten, e<strong>in</strong>e würdige Bestattungsstätte geschaffen werden.<br />

DP-Grabanlage (Planquadrat 88); © Kulturreferat der Landeshauptstadt <strong>München</strong><br />

85


Ehrenmal für „Displaced Persons“ (DPs)<br />

Der Name des Ehrenmals ist verwirrend: Bestattungen ausländischer Fremdarbeiter fanden<br />

hier bereits während des 2. Weltkriegs statt. Zu dieser Zeit wurde der Arbeitskräftemangel<br />

<strong>in</strong> der deutschen Kriegswirtschaft durch nach Deutschland verschleppte oder<br />

angeworbene ausländische Arbeiter behoben: Im Herbst 1944 arbeiteten 7,8 Millionen<br />

ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene <strong>in</strong> der deutschen Wirtschaft. Nach Ende<br />

des Weltkriegs nannte man diese Menschen, deren Rückkehr <strong>in</strong> ihre Heimatländer erst<br />

noch bevorstand, „Displaced Persons“. Die Toten dieses Grabs starben <strong>in</strong> <strong>München</strong> <strong>in</strong> den<br />

Jahren 1942 bis 1946. In dieser Grabanlage liegen 434 Russen, 17 Belgier, 4 Bulgaren, 12<br />

Holländer, 6 Rumänen, 30 Franzosen, 49 Tschechen, 21 Ungarn, 274 Polen, 17 Griechen,<br />

2 Türken und 183 Menschen unbekannter Nationalität.<br />

In unmittelbarer Nähe des Ehrenmals f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> weiterer Gedenkste<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>ige polnische<br />

Fremdarbeiter, die während des 2. Weltkriegs <strong>in</strong> <strong>München</strong> starben.<br />

Literatur:<br />

Wetzel, Juliane: Jüdisches Leben <strong>in</strong> <strong>München</strong>. <strong>München</strong> 1987.<br />

Heusler, Andreas: Ausländere<strong>in</strong>satz. Zwangsarbeit für die Münchner Kriegswirtschaft 1939–1945. <strong>München</strong><br />

1996.Wetzel, Juliane: Jüdisches Leben <strong>in</strong> <strong>München</strong>. <strong>München</strong> 1987.<br />

E<strong>in</strong>zelgräber der Weißen Rose<br />

Die E<strong>in</strong>zelgräber von vier der wichtigsten Mitglieder der „Weißen Rose“ bef<strong>in</strong>den sich<br />

ebenfalls auf diesem Münchner Friedhof. Sophie Scholl (18 Jahre), Hans Scholl (24 Jahre),<br />

Christoph Probst (23 Jahre) und Alexander Schmorell (25 Jahre) starben nach ihrer Verurteilung<br />

durch den Volksgerichtshof ebenfalls unter dem Fallbeil im angrenzenden Gefängnis<br />

<strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong>. Zur Geschichte ihrer Widerstandstätigkeit liegt e<strong>in</strong>e Vielzahl von<br />

Veröffentlichungen vor.<br />

86


Danksagung<br />

Vor allem danke ich dem Kulturreferat der Stadt <strong>München</strong> für die f<strong>in</strong>anzielle<br />

Unterstützung des Projekts.<br />

Für H<strong>in</strong>weise, Quellene<strong>in</strong>sicht und Redaktion möchte ich mich bei folgenden<br />

Institutionen und Personen herzlich bedanken:<br />

Dr. Angelika Baumann<br />

Bundesarchiv Berl<strong>in</strong><br />

Collegium Carol<strong>in</strong>um<br />

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Wien<br />

Friedhofsverwaltung Perlacher Forst<br />

Institut für Zeitgeschichte, <strong>München</strong><br />

Justizvollzugsanstalt <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> (Herrn Kronzucker)<br />

KZ-Gedenkstätte Dachau<br />

Dr. Bernd Landau<br />

He<strong>in</strong>z-Werner Plage<br />

Staatsarchiv <strong>München</strong><br />

Stadtarchiv <strong>München</strong><br />

Städtisches Bestattungsamt, <strong>München</strong><br />

Dr. Marie-Luise Schultze-Jahn<br />

Dr. Jürgen Zarusky, Institut für Zeitgeschichte<br />

Familie Zmítko<br />

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