Auferstanden aus Ruinen
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Deutlicher kann man gar nicht zeigen, dass die erstrebte Lebensverlängerung durch Verzicht<br />
in Wahrheit eine Verdrängung der Tatsache der Sterblichkeit ist. Hinter der Prohibition<br />
stecken weniger rationale Motive als vielmehr die Dogmen einer neochristlichen<br />
Heils- und Erlösungsbewegung. Der Kampf gegen Alkohol und auch Tabak hat seine<br />
Wurzeln in der Tradition der religiösen Ketzerverfolgung und wird auch mit deren Methoden<br />
geführt.<br />
Doch weiter mit Percy Andrae:<br />
Die Führer der Prohibitionsbewegung wissen genau, dass sie einen Menschen genau<br />
so wenig von Trinken abhalten können wie sie ihn vom Kratzen abhalten können,<br />
wenn es ihn juckt. Sie wettern gegen die Saloons. Nicht die schlecht geführten, wohlgemerkt,<br />
sondern gegen alle Saloons, auch die gut geführten, anständigen. Wo immer<br />
sie die letzteren zerstören können, tun sie es, denn dadurch erreichen sie ihr Ziel, die<br />
Manifestation ihrer politischen Macht.<br />
Ein interessanter Aspekt. Nicht selten hört man <strong>aus</strong> den Kreisen der Tabak-Prohibitionisten<br />
die hämische Bemerkung, dass es um den Untergang der klassischen Kneipen nicht schade<br />
sei, da gehe doch sowieso kein ‚anständiger’ Mensch hinein...<br />
Dass für jeden ordentlichen, anständigen Saloon ein Speakeasy entsteht, dass der<br />
Ausschank von Getränken munter weiter geht, stört sie nicht im geringsten. Sie kriminalisieren<br />
den Ausschank von Alkohol, aber nicht den Erwerb oder den Konsum. Jeder<br />
Versuch, den Erwerb und den Konsum als das eigentliche Übel unter Strafe zu<br />
stellen, stieß auf den entschlossenen Widerstand der Prohibitionisten. Warum? Weil<br />
sie nur zu genau wissen, dass jeder Versuch, eine echte Prohibition einzuführen, das<br />
Ende ihrer Macht bedeuten würde.<br />
Richtig. Wenn Zigaretten so enorm schädlich wären, müssten sie konsequenterweise sofort<br />
vollständig verboten werden. Warum wird diese Idee meist beharrlich totgeschwiegen?<br />
Und so geht die Farce der Prohibition weiter und wird so lange weitergehen, wie sie<br />
Wasser auf die Mühlen ihrer Protagonisten leitet. Aber diese Farce verdeckt etwas viel<br />
ernsteres. Prohibition ist bloß das Aushängeschild der Bewegung. Der wirkliche Zweck<br />
ist religiös und sektiererisch, und das gilt nicht nur für Amerika, sondern auch für die<br />
Prohibitionsbewegung in England.<br />
...<br />
Es sind die Launen und Einschränkungen ihrer traurigen religiösen Überzeugungen,<br />
die sie der Gesellschaft aufbürden wollen, ein Sonntag ohne Lächeln, ohne Spiel, ohne<br />
Entspannung, ohne Freuden und Musik. Glücksspiel wird verboten, Tanzen verdammt,<br />
die Künste als unrein verunglimpft. Die Welt wird zu einem unfreundlichen Ort,<br />
an dem wir, die Bewohner, Betrachtungen über die Freuden des Jenseits zu üben haben.<br />
Recht problematische Betrachtungen übrigens, denn wenn wir Gott in der anderen<br />
Welt wieder auf dieselbe Art dienen müssen ...<br />
Die Welt wird tatsächlich ein immer unfreundlicherer Ort. Moralisierende Sauertöpfigkeit<br />
appelliert allenthalben an unser ‚schlechtes Gewissen’ 16 . Ständig werden wir zu Heilsübungen<br />
aufgefordert. Rauchen wird bis 18 Jahren in der Öffentlichkeit ganz verboten, in<br />
der Disco sowieso, auch die bösen Sonnenstudios sollen Jugendliche meiden, wegen der<br />
Hautkrebsgefahr. Die ‚Umwelt’ und der Klimaschutz werden zu religiösen Bußübungen,<br />
die den Untergang der Welt hin<strong>aus</strong>zögern sollen. Und angeblich nimmt das Laster immer<br />
mehr zu, auch der Alkohol ist ja schon wieder unter heftigem Beschuss. Was sagte Percy<br />
Andreae vor fast einhundert Jahren dazu:<br />
16 Inzwischen ist es ja schon eine Gewissensfrage, ob man das richtige Mineralwasser gewählt hat...<br />
Netzwerk Rauchen: <strong>Auferstanden</strong> <strong>aus</strong> <strong>Ruinen</strong>, März 2008