Carolo-Wilhelmina - Technische Universität Braunschweig
Carolo-Wilhelmina - Technische Universität Braunschweig
Carolo-Wilhelmina - Technische Universität Braunschweig
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
10 <strong>Carolo</strong>-<strong>Wilhelmina</strong><br />
JÜRGEN MOSER<br />
(Dr.); Jg. 1971; 1991-1996 Studium<br />
der Chemie an der <strong>Universität</strong> Freiburg,<br />
1996-1997 Diplomarbeit im<br />
Fach Biochemie über die Struktur der<br />
Phospholipase C; 1997-2000 Dissertation<br />
über den Katalysemechanismus<br />
der Glutamyl-tRNA-Reduktase;<br />
seit 2000 Akademischer Rat in der<br />
Arbeitsguppe von Prof. Jahn – Struktur-<br />
und Funktionsuntersuchungen<br />
an Enzymen der Hämbildung in Bakterien.<br />
und viel Kreativität erfordert. Durch Beschuss<br />
der Proteinkristalle mit gebündelten<br />
Röntgenstrahlen werden schließlich Beugungsbilder<br />
erzeugt, aus denen die atomare<br />
Struktur der Proteinmoleküle im Kristall<br />
über Umwege »berechnet« werden kann.<br />
Die Glutamyl-tRNA-Reduktase aus dem<br />
extrem thermophilen Archaeon Methanopyrus<br />
kandleri wurde im Komplex mit<br />
Glutamycin, einem synthetischen Substrat-<br />
Analogon, kristallisiert und die Struktur bei<br />
hoher Auflösung mittels Röntgenstrukturanalyse<br />
aufklärt. Das ungewöhnlich V-förmige<br />
Enzym besteht aus drei Domänen,<br />
die über eine lange α-Helix miteinander<br />
verbunden sind (Abb. 1). Das Enzym<br />
wechselwirkt spezifisch mit dem Hemmstoff<br />
Glutamycin über konservierte Aminosäuren<br />
im aktiven Zentrum der zentralen<br />
katalytischen Domäne (Abb. 3). Die Bindung<br />
von Glutamycin an das Enzym erklärt<br />
damit die chemischen Grundlagen der<br />
Substraterkennung und Katalyse.<br />
ABBILDUNG 3<br />
Die Bindung des Inhibitors Glutamycin<br />
im aktiven Zentrum des Enzyms<br />
Glutamyl-tRNA-Reduktase.<br />
NEUE HERBIZIDE UND<br />
ANTIBIOTIKA, PREIS-<br />
GÜNSTIGE VITAMINE<br />
Die Chlorophyllbiosynthese ist bereits ein<br />
erfolgreich genutzter Ansatz für die Entwicklung<br />
von Herbiziden, die eine Oxidase<br />
inhibieren. Allerdings besitzen Mensch und<br />
Tier ein Enzym gleichen Typs für ihre Hämbiosynthese,<br />
sodass längerfristig durchaus<br />
Probleme auftreten können. Wie schon erwähnt,<br />
besitzen aber Mensch und Tier<br />
keine Glutamyl-tRNA-Reduktase. Ausgehend<br />
von der Kenntnis der Bindung von<br />
Glutamycin im aktiven Zentrum der<br />
Glutamyl-tRNA-Reduktase auf atomarer<br />
Ebene ist daher eine gezielte, systematische<br />
chemische Weiterentwicklung dieses<br />
Moleküls geplant. Es wurde bereits in<br />
klinischen Studien gezeigt, dass die gezielte<br />
Inhibition der Hämbiosynthese einiger<br />
pathogener Bakterien, wie zum Beispiel<br />
Salmonellen, zum Verlust ihres pathogenen<br />
Potenzials führt. Allerdings gelingt es anderen<br />
pathogenen Bakterien, einen induzierten<br />
Hämmangel durch Hämaufnahme vom<br />
Wirt auszugleichen. Prinzipiell ist aber eine<br />
zur Herbizidentwicklung analoge Strategie<br />
zur Antibotikaentwicklung denkbar. Sie<br />
bedarf jedoch einer bakterienspezifischen<br />
Modifikation.<br />
Vitamin B 12 wird heute industriell mittels<br />
Bakterien hergestellt. Der limitierende initale<br />
Schritt der Biosynthese aller Tetrapyrrole,<br />
einschließlich des Vitamin B 12 , ist die<br />
Bildung von ALA. Dabei wird in vielen Bakterien<br />
Glutamyl-tRNA-Reduktase durch<br />
Bindung des Endprodukts Häm einem gezielten<br />
proteolytischen Abbau zugeführt. So<br />
wird bei hohem intrazellulären Hämgehalt<br />
die Konzentration des ersten Enzyms des<br />
gesamten Biosyntheseweges gesenkt und<br />
damit der metabole Fluss in den Weg erniedrigt.<br />
Durch Strukturstudien der Glutamyl-tRNA-Reduktase<br />
mit gebundenem<br />
Häm könnten gezielt hämresistente Enzyme<br />
konstruiert werden, die so zur Erhöhung<br />
der Vitamin-B 12 -Produktion in Bakterien<br />
beitragen. In Zusammenarbeit mit der<br />
BASF AG sollen dann die auf diese Weise<br />
verbesserten bakteriellen Vitamin-B 12 -Produzenten<br />
bis zur Produktreife entwickelt<br />
werden.<br />
<strong>Carolo</strong>-<strong>Wilhelmina</strong> 2/2002