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Hellwach am Steuer

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<strong>Hellwach</strong> <strong>am</strong> <strong>Steuer</strong><br />

1 Vorbemerkungen und Ziele<br />

Unsere Volkswirtschaft ist im Zuge der Globalisierung zwingend auf ein funktionierendes Güterverkehrssystem angewiesen.<br />

Die Logistikbranche hat mit 189 Milliarden Euro Umsatz (2006) eine hohe und wachsende volkswirtschaftliche Bedeutung 1 .<br />

Bei den Herstellungskosten für Waren machen Logistikkosten bis zu 30 % aus. Der Wert des Güteraufkommens auf der<br />

Straße hat sich mit rund 3.000 Mio. Tonnen seit 40 Jahren fast verdoppelt 2 . Die Anzahl der Transportfahrzeuge auf deutschen<br />

Straßen hat sich in den letzten 15 Jahren um ein Viertel erhöht. Bis 2030 rechnet die Europäische Union mit einem<br />

Anstieg des Güterverkehrs um 75% 3 . Sie prognostiziert nach einer Studie von Prognos AG und Progtrans AG Basel zudem<br />

eine weitere Zunahme des LKW-Verkehrs um 60% bis zum Jahre 2050 4 .<br />

Die Logistikbranche erweist sich dabei langfristig gesehen als Jobmotor. Umso wichtiger sind adäquate Arbeitsschutzmaßnahmen<br />

für die Beschäftigten, denn sichere Transporte sind von wachen, aufmerks<strong>am</strong>en sowie gesunden Fahrern abhängig.<br />

Investitionen in die Arbeitssicherheit der Fahrer sind daher wirtschaftlich sinnvolle Investitionen.<br />

Die Medien berichten oft über Verkehrsunfälle durch den sogenannten Sekundenschlaf <strong>am</strong> <strong>Steuer</strong>. Je größer und schwerer<br />

die an Unfällen beteiligten Fahrzeuge sind, umso ernster können Unfallfolgen sein. Schon aus diesem Grund ist es wichtig<br />

zu vermeiden, dass LKW-Fahrer <strong>am</strong> <strong>Steuer</strong> einschlafen oder durch Übermüdung unaufmerks<strong>am</strong> sind. Das Unfallrisiko dürfte<br />

in Zukunft durch den Einsatz von Mega- oder Gigalinern mit einer Länge von über 25 Meter und einem zulässigen Ges<strong>am</strong>tgewicht<br />

von 60 Tonnen erhöht werden, falls diese auch in Deutschland großflächig zugelassen würden, wie ein Gutachten<br />

der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) voraussagt 5 . Übermüdung wird als Unfallursache möglicherweise unterschätzt.<br />

2005 wurde beispielsweise in Baden-Württemberg lediglich bei 104 von 13.594 Unfällen mit LKW-Beteiligung Übermüdung<br />

als Ursache festgehalten. Da nach einem Unfall derzeit nicht mehr beweissicher ermittelt werden kann, ob der Fahrer übermüdet<br />

war, dürfte die Dunkelziffer vermutlich um ein Vielfaches höher sein. Das European Transport Safety Council machte<br />

Schläfrigkeit für etwa 20% der LKW-Unfälle verantwortlich. Für die Bedeutung von Schläfrigkeit als Unfallursache spricht<br />

auch die Tatsache, dass schwere Unfälle signifikant häufiger in den Nachtstunden auftreten, also zu einer Zeit, in der die<br />

meisten Menschen schläfrig sind (Bartl et alii 2006). Schläfrigkeit lässt sich mit Hilfe der Pupillographie nachweisen. Dabei<br />

wird die unwillkürliche Pupillenbewegungen des zu Untersuchenden vor dem Einschlafen (Pupillenunruheindex), als objektives<br />

Maß für die Schläfrigkeit, gemessen. Pupillographische Untersuchungen von Fahrern haben ergeben, dass 8% bis 25%<br />

zu schläfrig sind, um sicher weiterzufahren.<br />

Das steigende Verkehrsaufkommen auf den Straßen verlangt von den Fahrern eine permanent hohe Aufmerks<strong>am</strong>keit, Konzentration<br />

und Reaktionsbereitschaft. Dies setzt jedoch voraus, dass die Fahrer in den Nachtstunden ausreichend schlafen<br />

können und keine zu langen ununterbrochenen Lenkzeiten haben oder gar an einer Schlafstörung leiden. Fahrer mit Erkrankungen,<br />

durch die der Nachtschlaf gestört wird, wie beispielsweise schlafbezogene Atemstörungen (Schlafapnoesyndrom),<br />

sind einem fast vierfachen Unfallrisiko ausgesetzt. Aber auch bei gesunden Fahrern können Überforderungen zur Übermüdung<br />

und Schläfrigkeit führen. Untersuchungen haben ergeben, dass nach 17 Stunden Wachheit das Reaktionsvermögen<br />

eines Menschen beispielsweise genauso eingeschränkt ist, wie durch 0,8 Promille Blutalkohol (Saltzman et alii 2007). Die<br />

Gefahr, in schläfrigem Zustand einen Verkehrsunfall zu verursachen, ist doppelt so hoch wie im wachen Zustand (Gründl<br />

2005).<br />

Besonders kritisch und bisher zu wenig beachtet sind die Faktoren Schlafmangel, schlechter Schlaf und Tagesschläfrigkeit<br />

bei Lastkraftwagenfahrern im Fernverkehr. Die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten ist für Lastkraftwagenfahrer<br />

nicht immer einfach. Hierbei spielt neben Termindruck, der insbesondere durch Verkehrsstauungen auf den Straßen<br />

noch erhöht wird, das rechtzeitige Finden eines Parkplatzes an der Autobahn eine Rolle. Häufig haben Fahrer Schwierigkeiten,<br />

rechtzeitig Parkplätze an der Autobahn anzufahren, auf denen sie eine ausreichende Ruhezeit zum Schlafen einlegen<br />

können. Der Schlaf eines Fahrers in der Fahrerkabine kann jedoch auch auf Autobahnparkplätzen durch Verkehrs-<br />

oder Umgebungslärm, Vibrationen oder im Sommer durch hohe Temperaturen beeinträchtigt werden. Eine Studie zum Einfluss<br />

von Verkehrslärm auf Anwohner zeigte bereits bei einem Dauerlärmpegel von 50 dB(A) Störungen der Schlafqualität<br />

(Maschke et alii 2007). Entsprechende Werte werden auch auf Autobahnparkplätzen erreicht. Wie dies die Schlafqualität der<br />

Fahrer beeinflusst, wurde von Schlafforschern der Universität Regensburg im Auftrag der Daimler AG untersucht. Die For-<br />

1<br />

Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Städteplanung, Mittelfristprognose der Beratergruppe Verkehr und Umwelt 2007.<br />

2 Quelle: Statistisches Bundes<strong>am</strong>t 2006<br />

3 Quelle: Kraftfahrt-Bundes<strong>am</strong>t<br />

4 Abschätzung der Güterverkehrsentwicklung bis 2050 durch das Bundesverkehrsministerium 2007<br />

5 Quelle: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt); Auswirkung von neuen Fahrzeugkonzepten - Schlussbericht (2008)<br />

http://www.bast.de/cln_007/nn_42640/DE/Publikationen/Download-Berichte/download-berichte-node.html?__nnn=true<br />

9<br />

Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, F<strong>am</strong>ilien und Senioren Baden-Württemberg

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