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Zuchtinfo 1/2010 - Rinderzuchtverband Salzburg

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RINDERZUCHTVERBAND SALZBURG ZUCHTINFO 1/<strong>2010</strong><br />

Wissenschaftliches<br />

Genomische Zuchtwertschätzung – bald geht es los<br />

Dr. Christian Fürst, ZuchtData, Wien<br />

Weltweit dominiert in der Rinderzucht seit<br />

einigen Jahren ein Thema – die genomische<br />

Zuchtwertschätzung oder genomische<br />

Selektion. In einigen Ländern werden<br />

bereits genomische Zuchtwerte veröffentlicht,<br />

Österreich steht kurz davor.<br />

Ein Blick ins Genom<br />

Das genetische Potential bzw. der Zuchtwert<br />

eines Tieres konnte bisher nur über<br />

seine eigenen Leistungen und/oder über<br />

die Leistungen seiner Verwandten bestimmt<br />

werden. Bei der genomischen<br />

Selektion kann man seit neuestem den<br />

Zuchtwert zumindest näherungsweise<br />

direkt aus dem Erbgut (Genom) schätzen.<br />

Grundlage dafür sind die sogenannten<br />

SNPs (single nucleotide polymorphism),<br />

Variationen auf der DNA (DNS), welche<br />

über das gesamte Genom eines Tieres verteilt<br />

sind. Im Labor werden derzeit in der<br />

Regel 54.001 dieser SNPs relativ kostengünstig<br />

untersucht (typisiert).<br />

Mit aufwendigen Rechenverfahren kann<br />

der Effekt der einzelnen SNPs auf ein bestimmtes<br />

Merkmal (z. B. Milch, Fruchtbarkeit,<br />

Euter usw.) geschätzt werden. Aus<br />

diesen Effekten errechnet man schließlich<br />

den direkten genomischen Zuchtwert. Dieser<br />

wird noch mit dem herkömmlichen<br />

Ahnenindex (vorgeschätzter ZW aus Vater<br />

und Mutter) kombiniert und als offizieller<br />

ZW veröffentlicht werden. Für das Herleiten<br />

der Schätzgleichung benötigt man<br />

möglichst viele Stiere mit möglichst sicher<br />

geschätzten Zuchtwerten. Beim Fleckvieh<br />

stehen dazu derzeit in Österreich und<br />

Deutschland ca. 4.400 Stiere für die sogenannte<br />

Lernstichprobe zur Verfügung.<br />

Durch internationale Zusammenarbeit<br />

(EuroGenomics) sind bei Holstein derzeit<br />

mehr als 16.000 Stiere in dieser Lernstichprobe,<br />

wodurch die Sicherheit der<br />

genomischen Zuchtwerte noch erhöht werden<br />

kann.<br />

Höhere Sicherheit<br />

Die genomischen Zuchtwerte sind deutlich<br />

sicherer als die konventionellen Zuchtwerte,<br />

allerdings handelt es sich dabei keinesfalls<br />

bereits um die wahren Zuchtwerte.<br />

Die Sicherheiten liegen je nach<br />

Merkmal und Rasse meist zwischen 40<br />

und 75% für Tiere ohne Eigen- oder Nach-<br />

kommenleistung. Ein herkömmlicher<br />

Ahnenindex weist meist Sicherheiten zwischen<br />

20 und 35% auf. Das bedeutet,<br />

dass bereits bei Kälbern Sicherheiten vorliegen,<br />

die ansonsten erst bei Vorliegen<br />

von Nachkommenleistungen erreicht werden.<br />

Holstein Deutschland gibt derzeit<br />

genomische Sicherheiten für die Milch an,<br />

die ca. 50 Töchtern mit jeweils drei Probemelkergebnissen<br />

entsprechen. Bei der<br />

Nutzungsdauer ist der genomische Zuchtwert<br />

eines Kalbes oder Jungstieres bereits<br />

genauso sicher wie der eines geprüften<br />

Vererbers, dessen erste 30 Töchter<br />

bereits die zweite Laktation begonnen<br />

haben. Es ist davon auszugehen, dass die<br />

Sicherheiten bei den anderen Rassen<br />

allerdings etwas niedriger liegen werden.<br />

Beim Braunvieh arbeiten Deutschland und<br />

Österreich an einem gemeinsamen Projekt,<br />

außerdem gibt es über Interbull ein länderübergreifendes<br />

Projekt (InterGenomics).<br />

Die Universität für Bodenkultur (BOKU)<br />

arbeitet darüber hinaus an einer rassenübergreifenden<br />

Nutzung von Genominformationen<br />

bei den Rassen Braunvieh, Pinzgauer<br />

und Grauvieh. Für kleinere Rassen<br />

dürfte es allerdings nach derzeitigem Wissensstand<br />

eher schwierig sein, diese neue<br />

Methode gewinnbringend zu nutzen.<br />

Beim Fleckvieh gehen die Projekte in<br />

Österreich und Deutschland zur Entwicklung<br />

einer genomischen ZWS derzeit in die<br />

Endphase. Im Sommer wird es erste<br />

interne Testläufe geben und ab der<br />

Dezember-ZWS werden genomische Zuchtwerte<br />

veröffentlicht werden. Dann soll es<br />

nicht nur für die Zuchtverbände und<br />

Besamungsorganisationen, sondern auch<br />

für die einzelnen Züchter die Möglichkeit<br />

geben, Tiere untersuchen zu lassen.<br />

Zuchtprogramme ändern sich<br />

Die Zuchtorganisationen werden die Gelegenheit<br />

nutzen, möglichst alle Teststierkandidaten<br />

vor dem Ankauf typisieren zu<br />

lassen. Zumindest bei der Rasse Fleckvieh<br />

kann man davon ausgehen, dass bereits<br />

in sehr naher Zukunft (2011) Stiere nur<br />

mehr dann für den Prüfeinsatz angekauft<br />

werden, wenn entsprechende genomische<br />

Zuchtwerte vorliegen. Es ist mit einem Verhältnis<br />

von fünf bis zehn untersuchten<br />

Stieren pro angekauften Teststier zu rechnen.<br />

Auf diese Weise steigt die Treffsicherheit<br />

bei den Prüfstieren deutlich an,<br />

die Wahrscheinlichkeit für Versager sinkt<br />

also deutlich. Die Kosten pro Tier werden<br />

sich auf ca. 250,– bis 300,– Euro belaufen,<br />

wobei noch zu regeln ist, wer was darf<br />

und wer die Kosten zu tragen hat. Für den<br />

einzelnen Züchter ist abzuwägen, ob sich<br />

eine Untersuchung von weiblichen Tieren<br />

rechnet. Die Zuchtorganisationen werden<br />

sich in erster Linie auf Stierkälber bzw.<br />

Jungstiere beschränken, Stiermütter werden<br />

wohl hauptsächlich im Zusammenhang<br />

mit geplanten Spülungen für einen<br />

Embryotransfer typisiert werden. Hinsichtlich<br />

der Kostenaufteilung wird es unterschiedliche<br />

Regelungen in den einzelnen<br />

Zuchtgebieten bis hin zu Anpaarungsverträgen<br />

geben. Neueste Entwicklungen, wo<br />

deutlich billigere SNP-Untersuchungen mit<br />

nur 3.000 statt 54.001 SNPs angeboten<br />

werden, werden insbesondere für eine Vorselektion<br />

auch bei weiblichen Tieren interessant<br />

sein. Andererseits werden auch<br />

Untersuchungen von ca. 700.000 SNPs<br />

angeboten. Mittelfristig dürfte der Weg<br />

wahrscheinlich in Richtung einer vollständigen<br />

Bestimmung des gesamten Genoms<br />

(Sequenzierung) gehen.<br />

Großes Potential, aber auch Risiken<br />

Festzuhalten ist, dass die genomische<br />

ZWS weder die bisherige ZWS noch die<br />

Leistungsprüfung ersetzen, sondern nur<br />

ergänzen wird. Die konventionelle ZWS ist<br />

die Basis für die genomische ZWS und<br />

eine umfassende, objektive Leistungsprüfung<br />

wird weiterhin das entscheidende<br />

Fundament für züchterische Entscheidungen<br />

sein. Das wird insbesondere auch für<br />

den Bereich der Fitnessmerkmale (insbesondere<br />

Gesundheitsdaten) gelten. Durch<br />

die Berücksichtigung genomischer Zuchtwerte<br />

in den Zuchtprogrammen wird es vor<br />

allem durch die Verkürzung des Generationsintervalls<br />

zu einem noch höheren<br />

Zuchtfortschritt vor allem bei der Milch<br />

kommen. Allerdings bietet die genomische<br />

ZWS auch für die Fitnessmerkmale große<br />

Möglichkeiten, die züchterisch genutzt werden<br />

müssen. Es wäre fatal, die genomische<br />

ZWS nur in Richtung Steigerung der<br />

Milchleistung zu nutzen – speziell im Fitnessbereich<br />

besteht großer Handlungsbedarf.<br />

Die genomischen Zuchtwerte haben<br />

ein sehr großes Potential, sie müssen<br />

aber auch entsprechend verantwortungsvoll<br />

eingesetzt werden!

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