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PSYCHIATRIE LUXEMBURG Planungsstudie 2005 - Santé

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Psychiatrische Universitätsklinik<br />

Forschungsabteilung Public Mental Health<br />

Militärstrasse 8, Postfach 1930, 8021 Zürich<br />

<strong>PSYCHIATRIE</strong> <strong>LUXEMBURG</strong><br />

<strong>Planungsstudie</strong> <strong>2005</strong><br />

Bestandeserhebung und Empfehlungen<br />

Wulf Rössler Ursula Koch


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 2<br />

Zusammenfassung<br />

Die <strong>Planungsstudie</strong> wurde im Auftrag des Gesundheitsministeriums des Grossherzogtums<br />

Luxemburg durchgeführt. Ziel der Studie war die Analyse der psychiatrischen Gesundheits-<br />

versorgung Luxemburgs, die Erörterung der bisherigen Schwierigkeiten im Transformations-<br />

prozess sowie die Ausarbeitung von Leitlinien und Empfehlungen für eine weitergehende Re-<br />

form der Psychiatrie. Die Bestandesaufnahme wurde mit Hilfe quantitativer und qualitativer<br />

Erhebungsmethoden durchgeführt und um fachliches, gesundheitspolitisches und strukturel-<br />

les Hintergrundwissen ergänzt.<br />

Psychische Störungen sind erstens häufig (bis zu 50% der Bevölkerung leiden zumindest<br />

einmal in ihrem Leben an behandlungsbedürftigen psychischen Störungen) und ziehen zwei-<br />

tens für viele Betroffene einschneidende individuelle und sozioökonomische Folgen nach<br />

sich. Auch die volkswirtschaftlichen Belastungen sind enorm. Die Notwendigkeit, die psychi-<br />

atrische Versorgung zu planen, gewann in den letzten Jahren deshalb zunehmend an Be-<br />

deutung. Dabei hat die europäische Entwicklung der letzten Jahre gezeigt, dass die Versor-<br />

gungsstandards sich zunehmend aneinander angeglichen haben. Diese Entwicklungen fan-<br />

den zu Beginn des Jahres <strong>2005</strong> ihren besonderen Ausdruck in der „Europäischen Erklärung<br />

von Helsinki“, die einen europäischen Aktionsplan für die psychische Gesundheit implemen-<br />

tierte, zu dessen Umsetzung sich auch Luxemburg bekannt hat.<br />

Die psychiatrische Versorgung des 451 600 Einwohner umfassenden Grossherzogtums Lu-<br />

xemburg kann in drei Regionen (Süden, Norden, Zentrum) aufgeteilt werden. Im Jahre 2004<br />

teilten sich vier psychiatrische Fachabteilungen und eine psychiatrische Fachklinik die Zu-<br />

ständigkeit für die Vollversorgung psychiatrischer Patienten. Dafür standen insgesamt 485<br />

Betten, d.h. 1.07 Betten pro 1 000 Einwohner, zur Verfügung. Von diesen entfielen 194 Bet-<br />

ten (40%) auf kurz- und mittelfristige Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern, wovon sich<br />

170 in offiziellen psychiatrischen Fachabteilungen befanden. Hinzu kamen 36 Akutbetten<br />

(7.4%) und 240 Betten (49.5%) zur langfristigen Behandlung der psychiatrischen Fachklinik<br />

CHNP. 15 Betten (3.1%) waren für die stationäre Versorgung von psychisch auffälligen Ju-<br />

gendlichen vorgesehen.<br />

Gemäss dem Plan Hospitalier 2001 soll die Akutversorgung ab Mitte <strong>2005</strong> nur noch von den<br />

vier Allgemeinkrankenhäusern mit Fachabteilungen (Centre Hospitalier in Luxemburg Stadt,<br />

l’Hôpital Kirchberg, Centre Hospitalier Emil Mayrisch, Clinique St Louis) übernommen werden<br />

und die psychiatrische Fachklinik CHNP sich ausschliesslich auf rehabilitative Aufgaben be-<br />

schränken. Für die Akutversorgung durch die Allgemeinkrankenhäuser sind dabei 180 Betten<br />

vorgesehen, was einem Bettenschlüssel von 0.4 Betten auf 1 000 Einwohner entspricht und<br />

damit unter dem von der WHO definierten Standard von 0.5-1.0 Bett / 1 000 Einwohner bzw.<br />

unter dem europäischen Durchschnitt von 0.87 Betten liegt. Dabei ist allerdings in Rechnung<br />

zu stellen, dass die definitorische Unschärfe, welche Betten in die Berechnungen der ver-<br />

schiedenen Länder einbezogen werden, die Vergleichbarkeit erschweren. Insgesamt ist aber<br />

in Luxemburg trotz eines gesamthaft hohen Bettenbestandes (1.07 / 1 000 Einwohner im


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 3<br />

Jahre 2004) bei der Akutversorgung ein Mangel an Betten zu konstatieren, der sich 2004 u.a.<br />

in einer grösseren Anzahl von Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern ohne psychiatri-<br />

sche Fachabteilungen widerspiegelt. Dies ist insofern von Bedeutung, als Luxemburg eine<br />

hohe Hospitalisationsrate von durchschnittlich 6 500 Hospitalisationen/Jahr und eine hohe<br />

Zwangseinweisungsquote von 100 / 100 000 Einwohnern verzeichnet. Dabei werden moder-<br />

nen Standards entsprechend bereits 80% der Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern<br />

durchgeführt, wobei die Aufenthaltsdauern bei durchschnittlich 15 Tagen liegen und im euro-<br />

päischen Vergleich auch bereits beachtenswert kurz sind.<br />

Es sind bauliche und personelle Unterschiede zwischen den einzelnen Allgemeinkranken-<br />

häusern, insbesondere im Vergleich zum CHNP festzustellen. Die Allgemeinkrankenhäuser<br />

sind infrastrukturell in hervorragendem Zustand oder werden aktuell renoviert. Sie weisen<br />

dabei grundsätzlich genügend Fachpersonal auf. Eine Ausnahme bildet das Centre Hospita-<br />

lier, welches im Jahr 2004 in Hinblick auf die personellen und baulichen Standards die ver-<br />

gleichsweise schlechtesten infrastrukturellen Voraussetzungen bot. Personelle Unterschiede<br />

sind dabei v.a. auf das Personalbemessungsinstrument PRN zurückzuführen, welches auf<br />

den internen Erhebungen der einzelnen Krankenhäusern beruht.<br />

Das CHNP weist im Gegensatz zu den Allgemeinkrankenhäusern infrastrukturelle Defizite<br />

zur angemessenen Versorgung der Patienten auf. Aus unterschiedlichen Gründen verzeich-<br />

net das CHNP eine personelle Unterversorgung, die v.a. das psychiatrische Pflegepersonal<br />

und die ärztliche Versorgung betrifft. Dabei sind insbesondere die ungenügenden Bedingun-<br />

gen zur somatischen Behandlung der Patienten durch den Mangel an allgemeinmedizini-<br />

schen Ressourcen (2 Allgemeinarzte (50%) für 257 Patienten, fehlende internistische Abtei-<br />

lung) bei bekannt hoher somatischer Komorbidität psychiatrischer Patienten hervorzuheben.<br />

Es sind auch Unterschiede im Behandlungsspektrum zwischen den verschiedenen Kliniken<br />

festzustellen. Die Allgemeinkliniken konzentrieren sich eher auf so genannt „leichtere Stö-<br />

rungen“ wie neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen, affektive Störungen und<br />

zum Teil auf Persönlichkeits- oder Essstörungen. Der Schwerpunkt des CHNP liegt dagegen<br />

auf der Behandlung von psychotischen Störungen sowie Alkohol- und sonstigen Suchter-<br />

krankungen.<br />

Es hat seit 2003 ein starker Ausbau an tagesklinischen Plätzen stattgefunden. Aktuell stehen<br />

dabei 54 Plätze zur Verfügung. Eine weitere Tagesklinik im Centre Hospitalier Emil Mayrisch<br />

ist auf Beginn 2006 geplant. Die Tageskliniken sind entsprechend den Empfehlungen von<br />

1992 organisatorisch und rechtlich an die jeweiligen Allgemeinspitäler angebunden. Ausser<br />

der Tagesklinik im CHL, entspricht das Angebot der übrigen Tagesklinken dem europäischen<br />

Standard. Die Tagesklinik des CHL weist anders als ursprünglich geplant Beschränkungen in<br />

Infrastruktur, Angebot und Betreuungskapazität auf.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 4<br />

Im sozialpsychiatrischen Bereich wurden insgesamt elf Institutionen (ohne Kinder- und Ju-<br />

gendbereich) unterschiedlicher Grösse ermittelt. Dazu gehören sechs Beratungsstellen, eine<br />

Koordinations- und Informationsstelle, zwei Tageszentren und ein Kontaktzentrum sowie Ein-<br />

richtungen der Caritas. Die Einrichtungen decken tendenziell eher das Zentrum Luxemburgs<br />

ab, eine Unterversorgung des Nordens ist festzustellen.<br />

Der ambulante Bereich wird durch 56 Psychiater (5 davon Kinder- und Jugendpsychiater)<br />

abgedeckt, was einer Rate von 0.124 Psychiatern pro 1 000 Einwohner entspricht. Luxem-<br />

burg weist in Bezug auf die ambulante Versorgung eine hohe Dichte an Psychiatern auf, die<br />

weit über dem internationalen Durchschnitt liegt. Es ist jedoch hervorzuheben, dass ein Teil<br />

davon in Doppelfunktion auch als Belegärzte in den Allgemeinkliniken tätig ist. Was die Ge-<br />

schlechts- und Altersverteilung betrifft, so spiegelt die Verteilung der Klientel in etwa die lu-<br />

xemburgische Gesamtbevölkerung wider (davon je 20% Kinder- und Jugendliche und über<br />

65-jährige). Es ist jedoch wiederum eine ungleiche regionale Verteilung mit der Konzentrati-<br />

on fast aller Psychiater auf die städtischen Räume ersichtlich.<br />

Im Rahmen sozialpsychiatrischer Eingliederungshilfen wurden im Jahre 2004 111 Plätze in<br />

Wohneinrichtungen vorgehalten, die von betreutem Einzelwohnen bis zu Wohnheimen reich-<br />

ten. Zudem standen 236 Arbeitsplätze in therapeutischen Werkstätten zur beruflichen Wie-<br />

dereingliederung oder als Beschäftigungsmöglichkeiten für psychisch Kranke zur Verfügung.<br />

Der komplementäre Bereich weist trotz einem beachtenswerten Ausbau in den letzten Jah-<br />

ren verschiedene Defizite auf:<br />

Die Wohnplätze entsprechen mit einer Rate von 0.25 Plätzen pro 1 000 Einwohner nicht den<br />

Richtlinien der WHO, die von einer Minimalausstattung von 0.3-0.5 Wohnplätzen pro 1 000<br />

Einwohner allein für die langfristige Pflege chronisch Kranker ausgehen. Darüber hinaus ist<br />

ein Mangel an Personal und an diversifizierten, den verschiedenen Behandlungsphasen an-<br />

gepassten Wohnstrukturen zu konstatieren. Es fehlen dabei insbesondere dezentralisierte<br />

vollzeitbetreute Einrichtungen, so genannte „Foyers médicalisés“, wie sie im Plan Hospitalier<br />

2001 vorgesehen sind. Der ungedeckte Bedarf an diversifizierten Wohnplätzen wird durch<br />

die überproportionale und nicht angemessene Betreuung chronisch Kranker in Einrichtungen<br />

der Obdachlosenhilfe und in Familienpensionen sowie einer grossen Anzahl Langzeitpatien-<br />

ten im CHNP widergespiegelt.<br />

Die therapeutischen Werkstätten sind grundsätzlich in tadellosem Zustand und decken in ih-<br />

rer regionalen Verteilung ganz Luxemburg ab. Sie befinden sich jedoch selten in unmittelba-<br />

rer Nähe zu betreuten Wohneinrichtungen und werden ihrer Aufgabe der beruflichen Rehabi-<br />

litation nur bedingt gerecht. Es fehlen mehrheitlich konkrete Ansätze zur Integration auf dem<br />

freien Arbeitsmarkt, wie z.B. Angebote des „Supported Employment“. Die Werkstätten müs-<br />

sen daher eher als parallele Angebote zum primären Arbeitsmarkt betrachtet werden, die<br />

den unterschiedlichen Behandlungsphasen bzw. Krankheitsspektren der Patienten nur be-<br />

dingt gerecht werden.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 5<br />

Die Auswertungen der Fokusinterviews – welche die persönlichen Meinungen der Leistungs-<br />

erbringer widerspiegeln – zeigen ebenfalls das Bestehen grosser Disparitäten zwischen den<br />

einzelnen Versorgungsbereichen bei gleichzeitig starkem Veränderungsdruck (struktureller<br />

Wandel, veränderte Versorgungs- und Behandlungsparadigmen, knappe ökonomische Res-<br />

sourcen etc.) auf. Es wurde dabei auf die insgesamt gute, infrastrukturell zum Teil hervorra-<br />

gende, aber historisch überholte Dominanz stationärer Versorgung und eine offensichtlich<br />

ungenügende ausserstationäre Versorgung hingewiesen. Diese kann nebst der grundlegen-<br />

den Deckung des Basisbedarfes v.a. infolge Ressourcenmangels nicht mit den wachsenden<br />

Bedürfnissen, sprich Nutzungsverschiebungen Schritt halten.<br />

Aus der Perspektive von Angebot und Bedarf sticht die Diskrepanz zwischen schweren Stö-<br />

rungen wie Schizophrenie und anderen – meist leichteren – Störungen heraus. Eine be-<br />

stimmte Kerngruppe, von vornehmlich schwer chronisch Erkrankten scheint häufig fehlplat-<br />

ziert und im Rahmen des Umstrukturierungsprozess zunehmend durch die Maschen des<br />

Systems zu fallen. Des Weiteren wurde auf eine Unterversorgung von besonders vulnerablen<br />

Gruppen (z.B. Kinder und Jugendliche, Ausländer) hingewiesen und eine Mangel an diagno-<br />

sespezifischen Angeboten (z.B. für Persönlichkeitsstörungen) konstatiert. Diese Diskrepanz<br />

verdeutlicht nicht nur die notwendige Verbesserung der Aufgabenteilung zwischen dem stati-<br />

onären und dem ambulanten Versorgungssystem, sondern auch die ausserordentliche Be-<br />

deutung des quantitativen und qualitativen Ausbaus von ausserstationären und von diagno-<br />

sespezifischen Angeboten.<br />

Die Gründe für die träge Umsetzung der Psychiatriereform werden vornehmlich in den drei<br />

Ebenen Politik, Struktur des Gesundheitssystems und Leistungserbringer gesehen. Während<br />

die Psychiatrie in der politischen Agenda der letzten Jahre anscheinend eine eher marginale<br />

Rolle gespielt hat, so scheinen auf struktureller Ebene organisationelle und finanzierungs-<br />

technische Probleme die Umsetzung möglicher Reformen behindert zu haben. Nicht zuletzt<br />

wurden Schwierigkeiten auf eine ausgeprägte Interessenpolitik und mangelnde Zusammen-<br />

arbeit der verschiedenen Leistungserbringer zurückgeführt.<br />

Es wurde von allen Seiten der Wunsch nach einer konkreten Erarbeitung von Versorgungs-<br />

leitlinien und eindeutigen Versorgungsaufträgen geäussert. Dabei sollen klare Vorgaben von<br />

zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen und Verantwortlichkeiten zur Sicherung der<br />

Umsetzung getätigt werden. Die Erarbeitung von Strategien, um ein ausreichendes Arbeits-<br />

kräfteangebot im medizinischen und psychosozialen Bereich zu schaffen, wurde dabei als<br />

unerlässlich betrachtet (z.B. Orientierung an der Psych-PV im stationären Bereich; Kabi-<br />

nettsbeschluss zur Schaffung neuer Stellen im ausserstationären Bereich).<br />

Einer der Schwerpunkte der Fokusinterviews stellte zudem die Diskussion von Zukunftssze-<br />

narien der psychiatrischen Versorgungslandschaft dar. In erster Linie ging es aber darum,<br />

klare Übergangsbestimmungen zu definieren, die eine schrittweise und geordnete Verant-<br />

wortungsübernahme der Vollversorgung seitens der Krankenhäuser sichern. Dabei wurde


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 6<br />

die Notwendigkeit einer Steuerungs- und Kontrollgruppe zur Bewältigung des aktuell anste-<br />

henden Change Managements deutlich.<br />

Die Empfehlungen weisen den vorangegangenen Ausführungen entsprechend auf einen<br />

quantitativen und qualitativen Ausbau der Allgemeinkrankenhäusern mit klaren Einzugsge-<br />

bieten hin (z.B. Bildung einer weiteren psychiatrischen Abteilung und von Schwerpunktzent-<br />

ren). Dabei sollen u.a. bestehende tagesklinische und klientenspezifische Angebote ausge-<br />

baut werden (z.B. Tagesklinik CHL, Jugendpsychiatrie Hôpital Kirchberg).<br />

Im Kern der Überlegungen steht jedoch die Umstrukturierung des CHNP zu fünf nationalen<br />

Fachzentren: Zentrum für Prävention, Früherkennung und -rehabilitation; Zentrum für Sozial-<br />

und Gemeindepsychiatrie; Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen, Zentrum für Geron-<br />

topsychiatrie und Zentrum für Forensik.<br />

Ein besonderes Augenmerk wird zudem auf einen quantitativen und qualitativen Ausbau des<br />

ausserstationären Bereiches gelegt. Dieser soll an die neusten versorgungspolitischen Stan-<br />

dards angepasst werden.<br />

Die Reformumsetzung soll von einem wissenschaftlichen Beirat, einem externen Berater wie<br />

mit einem dem Beirat zugeordneten Reform-Manager begleitet sowie durch ein Bündel ver-<br />

schiedener Qualitätssicherungsmassnahmen sichergestellt werden.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 7<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

ZUSAMMENFASSUNG 2<br />

EINLEITUNG 12<br />

AUFTRAG 14<br />

1.1 AUSGANGSLAGE, AUFTRAGGEBER UND UMSCHREIBUNG DES AUFTRAGS 14<br />

1.2 ZIELSETZUNGEN DER STUDIE 15<br />

1.3 ERFOLGSFAKTOREN 15<br />

METHODIK 16<br />

1.4 QUANTITATIVE ANALYSE: BEFRAGUNG 16<br />

1.4.1 THEORETISCHE BEGRÜNDUNG DER BEFRAGUNG 16<br />

1.4.2 FRAGEBOGENKONSTRUKTION 16<br />

1.4.3 AUSWAHL DER ADRESSATINNEN UND VERSAND 17<br />

1.4.4 RÜCKLAUFQUOTE 18<br />

1.4.5 AUSWERTUNG 19<br />

1.5 QUALITATIVE ANALYSE: FOKUSINTERVIEWS 20<br />

1.5.1 THEORETISCHE BEGRÜNDUNG QUALITATIVER ANALYSEN (FOKUSINTERVIEWS) 20<br />

1.5.2 AUSWAHL DER FOKUSGRUPPEN 20<br />

1.5.3 LEITFADEN DER FOKUSINTERVIEWS (THEMENBEREICHE/ BEFRAGUNGSINHALTE) 20<br />

1.5.4 AUSWERTUNG 21<br />

FACHLICHE UND GESUNDHEITSPOLITISCHE GRUNDLAGEN DER PSYCHIA-<br />

TRIEPLANUNG 22<br />

1.6 PLANUNG DER GESUNDHEITSVERSORGUNG 22<br />

1.6.1 ADMINISTRATIVER PLANUNGSANSATZ 22<br />

1.6.2 EPIDEMIOLOGIE ALS GRUNDLAGE DER BEDARFSERMITTLUNG 23<br />

1.6.2.1 Inzidenz und Prävalenz psychischer Störungen 24<br />

1.6.3 INANSPRUCHNAHMEDATEN ALS PLANUNGSGRUNDLAGE 26<br />

1.6.4 ZUSAMMENFASSUNG 28<br />

1.7 VERSORGUNGSPOLITISCHE GRUNDSÄTZE UND PRINZIPIEN 29<br />

1.7.1 INTERNATIONALE ENTWICKLUNGEN UND INSTANZEN DER GESUNDHEITSVERSORGUNG 29<br />

1.7.2 VERSORGUNGSPOLITISCHE GRUNDSÄTZE UND STANDARDS IN ANLEHNUNG AN DIE WHO 31<br />

1.8 MODERNE VERSORGUNGSSTRUKTUREN (BAUSTEINE DER PSYCHIATRISCHEN VERSORGUNG)<br />

33<br />

1.9 INDIKATOREN ZUR MESSUNG DES PSYCHIATRISCHEN STANDES IN DER <strong>PSYCHIATRIE</strong> IM<br />

EUROPÄISCHEN VERGLEICH 36<br />

1.9.1 ZUSAMMENFASSUNG 40


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 8<br />

1.10 KOMPARATISTISCHER EXKURS: ITALIEN, DEUTSCHLAND UND SCHWEIZ 40<br />

1.10.1.1 Beispiel: Italien 40<br />

1.10.1.2 Beispiel: Deutschland 42<br />

1.10.1.3 Beispiel: Schweiz 46<br />

RAHMENBEDINGUNGEN EINER REFORM DER PSYCHIATRISCHEN VERSORGUNG IN<br />

<strong>LUXEMBURG</strong> 48<br />

1.11 ALLGEMEINE STRUKTURBESCHREIBUNG 48<br />

1.12 BEVÖLKERUNGSZAHL UND VERTEILUNG 48<br />

1.12.1 BEVÖLKERUNGSZAHL UND -DICHTE 48<br />

1.12.2 VERTEILUNG DER BEVÖLKERUNGSZAHL AUF DIE VERSCHIEDENEN REGIONEN 50<br />

1.12.3 GESCHLECHT- UND ALTERSVERTEILUNG 50<br />

1.12.4 NATIONALITÄTENANTEILE 51<br />

1.12.5 HAUSHALTE 51<br />

1.13 BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG 51<br />

1.13.1 NATÜRLICHE DEMOGRAPHISCHE PARAMETER 52<br />

1.13.2 MOBILITÄTSFAKTOREN 52<br />

1.13.3 ENTWICKLUNGSPROGNOSEN 53<br />

1.14 WIRTSCHAFT, BESCHÄFTIGUNG, LEBENSSTANDARD 55<br />

1.14.1 WIRTSCHAFTSSEKTOREN UND ERWERBSBEVÖLKERUNG 55<br />

1.14.2 ARBEITSLOSIGKEIT 56<br />

1.14.3 LEBENSSTANDARD 56<br />

1.15 VERKEHRSERSCHLIESSUNG 57<br />

1.15.1 STRASSENNETZ 58<br />

1.15.2 BAHN- UND BUSVERBINDUNGEN 58<br />

1.16 DAS SOZIAL- UND KRANKENVERSICHERUNGSWESEN <strong>LUXEMBURG</strong>S 58<br />

1.16.1 DIE KRANKENVERSICHERUNG 58<br />

1.16.2 DIE INVALIDEN-, ALTERS- UND HINTERBLIEBENENPENSION 59<br />

1.16.3 DAS GARANTIERTE MINDESTEINKOMMEN 59<br />

1.16.4 SPEZIELLE ZUSCHÜSSE 60<br />

1.17 FINANZIERUNG DER PSYCHIATRISCHEN VERSORGUNG IN <strong>LUXEMBURG</strong> 60<br />

1.17.1 ORGANISATIONSSTRUKTUR UND TRÄGERSCHAFTEN 60<br />

1.17.2 LEISTUNGEN UND FINANZIERUNG 61<br />

1.17.3 FAZIT 61<br />

1.18 RECHTLICHE ASPEKTE DER PSYCHIATRISCHEN BEHANDLUNG 62<br />

1.18.1 ZWANGSEINWEISUNGEN GEMÄSS ALTEM GESETZ 62<br />

1.18.2 AKTUELLE SITUATION BETREFFEND ZWANGSEINWEISUNGEN 62<br />

1.19 DIE AUSBILDUNG MEDIZINISCHER UND PSYCHIATRISCHER FACHKRÄFTE 63<br />

1.20 ANALYSE DER PSYCHIATRISCHEN VERSORGUNG <strong>LUXEMBURG</strong>S IN DER VERGANGENHEIT 64<br />

DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE DER QUANTITATIVEN UNTERSUCHUNG<br />

(BESTANDESAUFNAHME) 67


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 9<br />

1.21 EINLEITUNG 67<br />

1.22 STATIONÄRER BEREICH: ALLGEMEINKRANKENHÄUSER MIT UND OHNE PSYCHIATRISCHE<br />

FACHABTEILUNGEN UND PSYCHIATRISCHE FACHKLINIK 67<br />

1.22.1 EINLEITUNG 67<br />

1.22.2 PSYCHIATRISCHES VORFELD: KRANKENHÄUSER OHNE PSYCHIATRISCHE ABTEILUNGEN 68<br />

1.22.2.1 Struktur und Personal 68<br />

1.22.2.2 Angebot 69<br />

1.22.2.3 Angaben zu Patienten 69<br />

1.22.2.4 Zusammenarbeit/Vernetzung 70<br />

1.22.3 STATIONÄRES KERNFELD: PSYCHIATRISCHE FACHKLINIK UND FACHABTEILUNGEN 70<br />

1.22.3.1 Beschreibung der stationären Einrichtungen (Struktur) 71<br />

1.22.3.2 Angebot 76<br />

1.22.3.3 Personal 76<br />

1.22.3.4 Angaben zu Patienten (Störungsbilder, Alter und Nationalität) 78<br />

1.22.3.5 Zusammenarbeit/Vernetzung 80<br />

1.22.4 EXKURS: CENTRE HOSPITALIER NEURO-PSYCHIATRIQUE 82<br />

1.22.4.1 Allgemeine Struktur des CHNP 82<br />

1.22.4.2 Angaben zu Aufnahmen, Aufenthaltsdauer und Angaben zu Patienten 83<br />

1.22.4.3 Angebot: Beschreibung der einzelnen Abteilungen (Filières) 86<br />

1.22.5 KRISEN- UND NOTFALLDIENSTE 91<br />

1.22.6 FAZIT 91<br />

1.23 TEILSTATIONÄRER BEREICH: TAGESKLINIKEN 94<br />

1.23.1 BESTAND, STRUKTUR, ANGEBOT, PERSONAL, PATIENTEN, ZUSAMMENARBEIT 94<br />

1.23.1.1 Struktur 94<br />

1.23.1.2 Angebote 95<br />

1.23.1.3 Angaben zu Patienten 97<br />

1.23.1.4 Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen 98<br />

1.23.2 FAZIT 98<br />

1.24 AMBULANTER BEREICH 98<br />

1.24.1 SOZIALPSYCHIATRISCHE BERATUNGSSTELLEN UND TAGESZENTREN 98<br />

1.24.1.1 Struktur 98<br />

1.24.1.2 Angebot 101<br />

1.24.1.3 Personal 102<br />

1.24.1.4 Angaben zu den Klienten 104<br />

1.24.1.5 Zusammenarbeit/Vernetzung 106<br />

1.24.2 PSYCHIATER IN FREIER PRAXIS 108<br />

1.24.2.1 Struktur 109<br />

1.24.2.2 Angebot 110<br />

1.24.2.3 Angaben zu Patienten 111<br />

1.24.2.4 Zusammenarbeit/Vernetzung 113<br />

1.24.3 FAZIT 114<br />

1.25 KOMPLEMENTÄRER UND REHABILITATIVER BEREICH 115<br />

1.25.1 BEREICH WOHNEN 115


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 10<br />

1.25.1.1 Struktur 116<br />

1.25.1.2 Personal 118<br />

1.25.1.3 Angebot und Konzept 120<br />

1.25.1.4 Angaben zu den Klienten 120<br />

1.25.1.5 Zusammenarbeit/Vernetzung 122<br />

1.25.2 BEREICH ARBEIT (THERAPEUTISCHE WERKSTÄTTEN) 123<br />

1.25.2.1 Struktur 123<br />

1.25.2.2 Personal 124<br />

1.25.2.3 Angebot und Konzept 125<br />

1.25.2.4 Angaben zu Klienten 126<br />

1.25.2.5 Zusammenarbeit/Vernetzung 126<br />

1.25.3 FAZIT 128<br />

1.26 KLIENTENSPEZIFISCHE ANGEBOTE 130<br />

1.26.1 KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRISCHE DIENSTE 130<br />

1.26.1.1 Stationärer und teilstationärer Bereich 130<br />

1.26.1.2 Ambulanter Bereich 131<br />

1.26.1.3 Komplementärer und Rehabilitativer Bereich (Wohnen, Arbeit) 132<br />

1.26.1.4 Fazit 133<br />

1.26.2 FORENSISCHE <strong>PSYCHIATRIE</strong> 133<br />

1.26.2.1 Struktur (inkl. Personal) 133<br />

1.26.2.2 Angebot 134<br />

1.26.2.3 Angaben zu Patienten 134<br />

1.26.2.4 Fazit 134<br />

1.26.3 GERONTO<strong>PSYCHIATRIE</strong> UND BEREICH SUBSTANZSTÖRUNGEN 135<br />

1.26.4 AUSLÄNDERSPEZIFISCHE ANGEBOTE 135<br />

1.27 KOORDINATIONSSTELLEN 136<br />

1.28 SCHLUSSFOLGERUNGEN 136<br />

DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE DER QUALITATIVEN UNTERSUCHUNG 141<br />

1.29 EINLEITUNG 141<br />

1.30 BEURTEILUNG DER AKTUELLEN VERSORGUNG AUS SICHT DER LEISTUNGSANBIETER 141<br />

1.30.1 FAZIT 144<br />

1.31 SCHWIERIGKEITEN DES TRANSFORMATIONSPROZESSES DER LETZTEN JAHRE AUS DER<br />

SICHT DER LEISTUNGSANBIETER 145<br />

1.31.1 GENERELLE SCHWIERIGKEITEN IN DER UMSETZUNG DER <strong>PSYCHIATRIE</strong>REFORM (HIDDEN<br />

AGENDA) 145<br />

1.31.2 SPEZIFISCHE SCHWIERIGKEITEN DER LEISTUNGSERBRINGER 147<br />

1.31.2.1 Spezifische Schwierigkeiten des Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique 147<br />

1.31.2.2 Spezifische Schwierigkeiten der psychiatrischen Abteilungen 150<br />

1.31.2.3 Spezifische Schwierigkeiten des ausserstationären Sektors 151<br />

1.32 MÖGLICHE ENTWICKLUNGSSZENARIEN AUS SICHT DER LEISTUNGSANBIETER (ZUKUNFTS-<br />

WORKSHOP) 153


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 11<br />

1.33 SCHLUSSFOLGERUNGEN 156<br />

EMPFEHLUNGEN ZUR WEITERENTWICKLUNG DER PSYCHIATRISCHEN<br />

VERSORGUNG IM GROSSHERZOGTUM <strong>LUXEMBURG</strong> 158<br />

1.34 AUSGANGSLAGE 158<br />

1.35 VERSORGUNGSLEITLINIEN 159<br />

1.36 REFORMUMSETZUNG (VGL. KAP. 6) 160<br />

1.37 SPEZIELLE EMPFEHLUNGEN ZUM STATIONÄREN VERSORGUNGSBEREICH 162<br />

1.38 ALLGEMEINKRANKENHHÄUSER MIT PSYCHIATRISCHE ABTEILUNGEN 163<br />

1.38.1 ALLGEMEIN<strong>PSYCHIATRIE</strong> 163<br />

1.38.2 KINDER- UND JUGEND<strong>PSYCHIATRIE</strong> 165<br />

1.39 CENTRE HOSPITALIER NEURO-PSYCHIATRIQUE (CHNP) 165<br />

1.39.1 UMSTRUKTURIERUNG DES CHNP 165<br />

1.39.2 ALLGEMEINE EMPFEHLUNGEN FÜR DAS CHNP 170<br />

1.40 SPEZIELLE EMPFEHLUNGEN ZUM AMBULANTEN VERSORGUNGSBEREICH 170<br />

1.41 AUSSERSTATIONÄRE STRUKTUREN 171<br />

LITERATURVERZEICHNIS<br />

ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />

TABELLENVERZEICHNIS<br />

ANHANG


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 12<br />

Einleitung<br />

Das Gesundheitsministerium Luxemburgs beauftragte im Dezember 2004 Prof. Dr. med.<br />

Dipl. Psych. Wulf Rössler, Klinischer Direktor an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zü-<br />

rich, die psychiatrische Gesundheitsversorgung Luxemburgs zu begutachten.<br />

Zu diesem Zeitpunkt stand das Grossherzogtum an einem Scheidepunkt in der Psychiatriere-<br />

form, die sich wie folgt skizzieren lässt:<br />

• Ab dem 1. Januar <strong>2005</strong> sollten die psychiatrischen Abteilungen in den Allgemeinkran-<br />

kenhäusern die Vollversorgung der akut psychisch Erkrankten übernehmen und die<br />

Psychiatrische Fachklinik CHNP sich ausschliesslich auf rehabilitative Aufgaben be-<br />

schränken.<br />

• Seit dem Inkrafttreten des Plan Hospitalier im Jahre 2001, der verschiedene Mass-<br />

nahmen zur Deinstitutionalisierung der psychiatrischen Versorgung vorsah, trat nach<br />

einigen vorbereitenden Schritten eine Stagnation im Transformationsprozess ein.<br />

• Der neue Minister, Mars di Bartolomeo, nahm bei seinem Amtsantritt im Jahr 2004<br />

das Thema der Psychiatrieversorgung wieder auf und beauftragte eine Experten-<br />

gruppe unter der Leitung von Hr. Roger Consbruck, die notwendigen Schritte für die<br />

Umsetzung des Plan Hospitalier sowie für eine kontinuierliche Psychiatriereform ein-<br />

zuleiten.<br />

• Die Experten sind dabei zum Schluss gekommen, dass eine Überarbeitung der Emp-<br />

fehlungen der <strong>Planungsstudie</strong> aus dem Jahre 1992 sowie eine detaillierte Analyse der<br />

aktuellen psychiatrischen Versorgungslandschaft für die strategische Psychiatriepla-<br />

nung unabdingbar ist.<br />

• Aufgrund der langjährigen Erfahrung in der Beratung von Regierungen und Gebiets-<br />

körperschaften des In- und Auslands zum Thema Psychiatrieplanung sowie seiner<br />

umfassenden Kenntnisse des Luxemburgischen Gesundheitssystems wurde Prof. Dr.<br />

Wulf Rössler als Fachexperte der Versorgungsplanung dieser Auftrag übertragen. Die<br />

Auftragsbearbeitung erfolgte in drei Schritten:<br />

In einem ersten Schritt wurde anhand einer quantitativen Befragung der verschiedenen Leis-<br />

tungserbringer im Psychiatriesektor eine Bestandeserhebung der gegenwärtigen (Jahr 2004)<br />

Versorgungslage durchgeführt. Diese wurde ergänzt um die Analyse der demographischen<br />

und topographischen Rahmenbedingungen Luxemburgs, da Gesundheitssysteme immer nur<br />

im Zusammenhang mit den jeweiligen landeseigenen Gegebenheiten betrachtet werden dür-<br />

fen.<br />

In einem zweiten Schritt wurden Fokusinterviews mit den wichtigsten Leistungsanbietern des<br />

psychiatrischen Sektors durchgeführt. Diese hatten zum Ziel, die Schwierigkeiten bei der<br />

Umsetzung der versorgungspolitischen Grundsätze, spezifische Schwierigkeiten der jeweili-<br />

gen Interessengruppen und bestehende Defizite in der gegebenen psychiatrischen Versor-<br />

gung, zu erfassen. Zusätzlich wurden im Sinne eines `Zukunftsworkshops` Entwicklungssze-<br />

narien der Psychiatrielandschaft skizziert. Gestützt auf die Erkenntnisse der qualitativen und


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 13<br />

quantitativen Analysen wurden in einem letzten Schritt Empfehlungen für eine weitergehende<br />

Reform der psychiatrischen Versorgung ausgearbeitet. Es wurde versucht, realisierbare<br />

Empfehlungen vorzulegen, die überall dort an Bestehendes anknüpfen, wo es mit dem der-<br />

zeitigen Wissen sinnvoll und effektiv ist.<br />

Der vorliegende Bericht soll durch die verschiedenen Aspekte der Erhebung führen, damit<br />

eine je nach Wunsch detaillierte oder auch nur knappe, überblicksartige Einsicht in das um-<br />

fangreiche Material möglich ist. Infolgedessen wird jedes Kapitel mit einer kurzen Zusam-<br />

menfassung bzw. mit einem kurzen Fazit abgeschlossen:<br />

• Im ersten Kapitel werden Auftrag, Auftraggeber und die Ausgangslage bei Annahme<br />

des Auftrages kurz erörtert. Zudem werden die Zielsetzungen der Studie dargestellt<br />

und die Vorgehensweise in der Bearbeitung des Auftrages begründet. Es wird in die-<br />

sem Zusammenhang ein besonderes Augenmerk auf die Erfolg versprechenden An-<br />

sätze („Erfolgsfaktoren“) gelegt, dies in Abgrenzung zu früheren Analysen.<br />

• Das zweite Kapitel befasst sich mit den methodischen Aspekten der Studie, d.h. der<br />

Beschreibung der verwendeten Erhebungsinstrumente und der verschiedenen Pha-<br />

sen der Erhebung (u.a. Fragebogenkonstruktion, Auswahl der Befragten, Rücklauf-<br />

quote).<br />

• Das dritte Kapitel – als eigentlicher Theorieteil - legt den Fokus auf die fachlichen und<br />

gesundheitspolitischen Grundlagen der Psychiatrieplanung, die von internationalen<br />

Quervergleichen exemplarisch begleitet werden. Als Leitlinien für eine moderne psy-<br />

chiatrische Versorgung werden die aktuellen gesundheitspolitischen Standards und<br />

die versorgungspolitischen Grundsätze dargelegt, die modernen Versorgungsstruktu-<br />

ren beschrieben und die Indikatoren zur Überprüfung des erreichten Standes der<br />

psychiatrischen Versorgung definiert. Anhand eines kurzen exemplarischen Exkurses<br />

zu Italien, Deutschland und der Schweiz werden Vergleichsmöglichkeiten und An-<br />

satzpunkte für mögliche Reformen in Luxemburg aufgezeigt.<br />

• Das vierte Kapitel ermöglicht einen Überblick über die topographischen, demographi-<br />

schen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen unter Beachtung möglicher<br />

Entwicklungsprognosen des Grossherzogtums, deren Kenntnis und Miteinbezug für<br />

die Ausarbeitung realistischer Empfehlungen unabdingbar sind.<br />

• Im Kapitel fünf und sechs, dem eigentlichen Schwerpunkt des Berichts, werden die<br />

Ergebnisse der quantitativen und qualitativen Analyse präsentiert. Die verschiedenen<br />

Versorgungsbereiche wurden dabei einzeln ausgewertet und anschliessend in einem<br />

Fazit zusammengefasst.<br />

• Auf der Basis dieser Vorüberlegungen und Analysen wurden in einem letzten Schritt<br />

Empfehlungen und Leitlinien zu einer konkreten Reform der Psychiatrie ausgearbei-<br />

tet, die im letzten Kapitel dargelegt werden.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 14<br />

Auftrag<br />

1.1 Ausgangslage, Auftraggeber und Umschreibung des Auftrags<br />

Im Anschluss an die <strong>Planungsstudie</strong> (Rössler et al., 1993) im Jahre 1992 sind verschiedene<br />

Schritte in der Psychiatriereform vollzogen, einige jedoch nur ansatzweise vorangetrieben<br />

worden. Neue Verordnungen (z.B. der Plan Hospitalier) wurden implementiert und die Be-<br />

mühungen um eine Integration der psychiatrischen Versorgung ins allgemeinmedizinische<br />

Gesundheitssystem intensiviert. Die Reformbemühungen nahmen in den darauf folgenden<br />

Jahren allerdings stetig ab, wobei seit einigen Jahren aus verschiedenen Gründen eine ei-<br />

gentliche Stagnation zu konstatieren ist. Nach seinem Amtsantritt Mitte 2004 nahm der Ge-<br />

sundheitsminister Mars di Bartolomeo die Diskussion um die Dezentralisierung und Moderni-<br />

sierung der Psychiatrie wieder entschieden auf. Die Zeit drängte, stand Luxemburg doch kurz<br />

vor der Umsetzung des Plan Hospitalier, dessen Schwerpunkt in der Übernahme der Voll-<br />

versorgung psychiatrischer Patienten durch die psychiatrischen Fachabteilungen der Allge-<br />

meinkrankenhäuser liegt. Allerdings reichten die Vorbereitungen dieses Paradigmenwech-<br />

sels zu wenig weit. Die Allgemeinkrankenhäuser verzeichneten z.T. personelle und infra-<br />

strukturelle Mängel, die eine Bewältigung dieser neuen Aufgabe zu Beginn des Jahres <strong>2005</strong><br />

verunmöglichten. Dieser Übergang wurde durch die Uneinigkeit über die zukünftige Marsch-<br />

richtung sowie angehende Aufgabenteilung der verschiedenen Leistungserbringer im psychi-<br />

atrischen Versorgungssystem zusätzlich erschwert.<br />

Angesichts der trägen Umsetzung des „Häfnerplans“ (<strong>Planungsstudie</strong> 1992) und gestützt auf<br />

die Regierungserklärung vom 4. August 2004, welche eine besondere Aufmerksamkeit auf<br />

die Implementierung der versorgungspolitischen Grundsätze legt, wurde deshalb im Dezem-<br />

ber 2004 von Seiten des Gesundheitsministeriums des Grossherzogtums Luxemburg unter<br />

der Leitung des Gesundheitsministers Mars di Bartolomeo eine Expertenstudie zur Analyse<br />

des psychiatrischen Versorgungssystems in Luxemburg in Auftrag gegeben, die unter ande-<br />

rem eine Aktualisierung der <strong>Planungsstudie</strong> 1992 mit sich bringen sollte. Um eine gewisse<br />

methodische Kontinuität und fachliche Kompetenz zu gewährleisten, wurde Professor Röss-<br />

ler, als Mitarbeiter der damaligen Studie und Fachexperte im Bereich der Versorgungspla-<br />

nung, beauftragt, das System der psychiatrischen Versorgung zu analysieren und Empfeh-<br />

lungen für die Psychiatrieplanung der nächsten 5 bis 10 Jahre auszuarbeiten, die eine um-<br />

fassende moderne psychiatrische Versorgung der luxemburgischen Bevölkerung gewährleis-<br />

ten sollte.<br />

Der Auftrag beschränkte sich im Gegensatz zur <strong>Planungsstudie</strong> 1992 auf die Erfassung des<br />

Kernbereichs des psychiatrischen Gesundheitssystems und verzichtete auf eine vollumfäng-<br />

liche Bestandesaufnahme der Versorgung psychisch kranker alter Menschen sowie der Insti-<br />

tutionen im Bereich der Suchterkrankungen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 15<br />

1.2 Zielsetzungen der Studie<br />

Die Studie hat zum Ziel,<br />

• eine Bestandesaufnahme der psychiatrischen Versorgungslandschaft Ende 2004 in-<br />

nerhalb ihrer demographischen und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen wie<br />

auch in Anlehnung an europäische Standards vorzulegen;<br />

• eine Analyse der bisherigen Schwierigkeiten im Transformationsprozess vorzuneh-<br />

men;<br />

• Leitlinien für den weiteren Reformprozess aufzuzeigen;<br />

• konkrete Empfehlungen für eine fortschreitende Reform und Modernisierung der Psy-<br />

chiatrie in den nächsten 5 bis 10 Jahren zu formulieren.<br />

Obwohl im Fokus der vorliegenden Studie demnach die Kernfeldeinrichtungen stehen, wird<br />

im Ergebnis- und Empfehlungsteil auf Kernangebote im Bereich Drogen und Gerontopsychi-<br />

atrie eingegangen.<br />

1.3 Erfolgsfaktoren<br />

Die vorliegende Studie stellt einen umsetzungsorientierten Beitrag im weiteren Reformpro-<br />

zess der psychiatrischen Versorgung Luxemburgs dar. Daher orientiert sie sich an folgenden<br />

drei Erfolgsfaktoren:<br />

• Berücksichtigung der Rahmenbedingungen, um auf die spezifischen Bedürfnisse und<br />

demographischen Gegebenheiten Luxemburgs einzugehen und die Empfehlungen<br />

massgeschneidert darauf auszurichten.<br />

• Einbezug der verschiedenen Interessengruppen (Leistungsträger und Leistungsfinan-<br />

zierer), um einerseits das vorhandene Know-how zu nutzen und andererseits die Ak-<br />

zeptanz und den Implementierungserfolg zukünftiger Empfehlungen zu sichern.<br />

• Analyse von Implementierungswiderständen, um die Schwierigkeiten des bisherigen<br />

Transformationsprozesses als Ressource nutzbar zu machen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 16<br />

Methodik<br />

1.4 Quantitative Analyse: Befragung<br />

1.4.1 Theoretische Begründung der Befragung<br />

Die schriftliche Erhebung eignet sich, um eine grosse Anzahl Akteure zu befragen und dar-<br />

aus quantifizierbare Schlüsse zu ziehen. Die Fragen können dabei anonym und zu einem frei<br />

wählbaren Zeitpunkt beantwortet werden. Zudem beansprucht die Beantwortung eines Fra-<br />

gebogens weitaus weniger Zeit als persönliche Interviews. Die standardisierte Formulierung<br />

der Fragen sowie die Antwortalternativen gewährleisten zudem eine maximale Durchfüh-<br />

rungsobjektivität und Einfachheit der Beantwortung.<br />

Schriftliche Befragungen beruhen allerdings auf der Annahme der Korrektheit der Antworten.<br />

Die Nachteile dieser Methode bestehen deshalb neben der erfahrungsgemäss geringen<br />

Rücklaufquote auch in der Möglichkeit falscher Angaben. Beides kann zu Verzerrungen in<br />

den Ergebnissen führen.<br />

1.4.2 Fragebogenkonstruktion<br />

Auf der Basis der <strong>Planungsstudie</strong> (Rössler et al, 1993) im Jahre 1992 sowie in Anlehnung an<br />

die langjährigen Erfahrungen von Prof. Rössler mit vergleichbaren Erhebungen in anderen<br />

Versorgungsgebieten wurden verschiedene standardisierte, halboffene Fragebögen zur Er-<br />

fassung von sechs verschiedenen Typen von Einrichtungen und Diensten des psychiatri-<br />

schen Kernfeldes entworfen. Auf folgende Einrichtungstypen und Versorgungsbereiche wur-<br />

den die Fragebögen jeweils gesondert abgestimmt:<br />

• Fachkliniken und Krankenhäuser<br />

• Therapeutische Werkstätten<br />

• Wohneinrichtungen (Heime und Wohngruppen)<br />

• In freier Praxis tätige (Neuro-)Psychiater<br />

• Sozialpsychiatrische Zentren / Tagesstätten / Beratungsstellen<br />

• Tageskliniken<br />

Unter Berücksichtigung des mangelnden Rücklaufs im Rahmen der <strong>Planungsstudie</strong> 1992<br />

sowie der Studie der CRP-<strong>Santé</strong> im Jahre 2000 (Damang & Mossong, 2000) wurden die<br />

Fragebögen so konzipiert, dass deren Bearbeitung nicht mehr als 15 Minuten in Anspruch<br />

nehmen sollte. Inhaltlich lassen sich alle Fragebögen in folgende sechs Bereiche unterteilen:<br />

• Angaben zu Organisation und Struktur der Institution<br />

• Angaben zum Personal<br />

• Angaben zum Angebot für psychisch Kranke<br />

• Angaben zu Anzahl Patienten und Diagnosegruppen


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 17<br />

• Angaben zu Zusammenarbeit und Vernetzung<br />

• Offene Fragen (u.a. zu den bisherigen Schwierigkeiten der Umsetzung der Psychia-<br />

triereform und zu Defiziten in der psychiatrischen Versorgung)<br />

1.4.3 Auswahl der AdressatInnen und Versand<br />

Die Bestandesaufnahme fokussiert im Gegensatz zur Bestandesaufnahme im Jahre 1992<br />

vornehmlich die Kernfeldeinrichtungen der psychiatrischen Versorgung. Diese werden unter-<br />

teilt in stationäre Einrichtungen, d.h. psychiatrische Krankenhäuser und psychiatrische Abtei-<br />

lungen an Allgemeinkrankenhäusern, teilstationäre Behandlungsformen wie z.B. Tagesklini-<br />

ken, ambulante Dienste, wie z.B. Psychiater in freier Praxis, Beratungsstellen für psychisch<br />

Kranke, sozialpsychiatrische Dienste und rehabilitative/komplementäre Einrichtungen wie<br />

Werkstätten und Wohneinrichtungen für psychisch Kranke.<br />

Eine eindeutige Zuordnung aller Institutionen gemäss ihrer Funktion im psychiatrischen Ver-<br />

sorgungssystem war bei einer Reihe von Einrichtungen im Voraus nicht möglich. In Koopera-<br />

tion mit dem luxemburgischen Gesundheitsministerium wurden in mehreren Überarbeitungs-<br />

schritten die für die Bestandsaufnahme in Frage kommenden Einrichtungen ermittelt. Aus-<br />

gangspunkt waren verschiedene Adressenverzeichnisse sowie Angaben der Carte Sanitaire<br />

des Jahres 2000. Diese Angaben wurden in der Recherchierphase ergänzt und erweitert,<br />

wobei als Informationsquelle Veröffentlichungen und Broschuren einzelner Einrichtungen und<br />

Träger, vereinzelte Webseiten sowie elektronische Telefonbücher dienten. Aufgrund eines<br />

fehlenden Psychiatrieführers bzw. einer Koordinations- und Informationsstelle sowie spärli-<br />

cher Webinformationen ist es möglich, dass einerseits nicht alle psychiatrischen Institutionen<br />

erfasst werden konnten. Andererseits wurden z.T. Institutionen angeschrieben, die nicht zum<br />

psychiatrischen Kernfeld gehören und nur beschränkt mit psychiatrischen Störungsbildern<br />

konfrontiert sind. Diese wurden retrospektiv aus den Auswertungen ausgeschlossen.<br />

Nach allen Änderungen des Einrichtungsverzeichnisses betrug die Gesamtzahl der für die<br />

Bestandsaufnahme relevanten Einrichtungen, an die Fragebögen verschickt wurden, 59. Ei-<br />

ne Übersicht über die Verteilung der Fragebögen ist aus nachfolgender Tabelle ersichtlich:


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 18<br />

Tabelle 1: Übersicht über die versandten Fragebögen<br />

Institution Anzahl Fragebögen<br />

Allgemeinkrankenhäuser 4<br />

Psychiatrische Fachkliniken und Abteilungen 5<br />

Tageskliniken 3<br />

Ambulant tätige (Neuro-)Psychiater 56<br />

Sozialpsychiatrische Angebote<br />

(Kontakt-, Beratungsstellen und Tagesstätten, 2 offizielle Träger)<br />

Werkstätten für psychisch Kranke 8<br />

Wohneinrichtungen<br />

(6 Träger)<br />

Diverse übrige Institutionen, deren Angebot für psychisch Kranke<br />

unklar ist<br />

1.4.4 Rücklaufquote<br />

13<br />

12<br />

12<br />

Detaillierte Versandliste siehe Anhang<br />

In einem ersten Schritt wurden am 6. Januar <strong>2005</strong> die verschiedenen Fragebögen an die 59<br />

stationären, teilstationären, ambulanten und komplementären Dienste versandt. In einem<br />

zweiten Schritt erfolgte der Versand am 20. Januar <strong>2005</strong> an 56 in Luxemburg ambulant tätige<br />

(Neuro-)Psychiater, einen Monat später gefolgt von einem ersten Erinnerungsschreiben an<br />

alle Leistungserbringer. Dabei wurden verschiedene Institutionen, bei denen im Nachhinein<br />

festgestellt werden konnte, dass diese nicht zum Kernbereich gehören, nicht mehr integriert.<br />

Ebenso wurde mit fest angestellten Psychiatern im stationären Bereich verfahren. Die Rück-<br />

laufphase der Fragebögen dauerte, ungeachtet des ursprünglich bis Ende Februar <strong>2005</strong> ge-<br />

setzten Rücksendetermins, bis Anfang April <strong>2005</strong>. Folgende Rücklaufquoten wurden in den<br />

einzelnen Bereichen erzielt:


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 19<br />

Tabelle 2: Fragebogen Rücklaufquoten<br />

Institution Rücklaufquote in %<br />

Allgemeinkrankenhäuser 75%<br />

Psychiatrische Fachkliniken und Abteilungen 100%<br />

Ambulant praktizierende (Neuro-)Psychiater 28.60%<br />

Kontakt-, Beratungsstellen und Tagesstätten 100%<br />

Werkstätten / Therapeutische Ateliers 87.5% (100%)*<br />

Wohneinrichtungen 100%<br />

Weitere Institutionen (verschiedene Zentren etc.) 33.30%<br />

* Reiterhof Matthellef nimmt Arbeit offiziell erst 2006 auf (hat nicht geantwortet).<br />

Insgesamt ergab sich eine sehr gute Rücklaufquote der psychiatrischen Kernfeldeinrichtun-<br />

gen von 81,9% (83,4%). Dieses Ergebnis wurde lediglich durch die schlechte Mitwirkung von<br />

über zwei Dritteln der ambulant praktizierenden Ärzte ungünstig beeinflusst. Dies ist mögli-<br />

cherweise dem Umstand zuzuschreiben, dass die Fragebögen nur in deutscher Sprache<br />

versandt wurden. Die Rücklaufquoten der anderen Leistungserbringer sind dagegen gut bis<br />

ausgezeichnet und liegen über dem Niveau vergleichbarer Untersuchungen.<br />

1.4.5 Auswertung<br />

Sämtliche Auswertungen wurden mit Hilfe des Statistikpakets SPSS – ein vorrangig für die<br />

Analyse von Daten der sozialwissenschaftlichen Disziplinen entwickeltes Programm – durch-<br />

geführt. Dabei wurde vornehmlich mit Häufigkeitsanalysen und Kreuztabellen gearbeitet. Je-<br />

der Versorgungsbereich wurde dabei einzeln ausgewertet und dargestellt. Die Ergebnisse<br />

der einzelnen Auswertungen flossen dann im Kap. 5.8 in ein allgemeines Fazit („Schlussfol-<br />

gerungen“) ein, welches einen aggregierten Überblick über die Versorgungslandschaft er-<br />

möglicht.<br />

Die verwendeten Fragebögen, die Liste der befragten Einrichtungen sowie weitere Dokumen-<br />

tationsmaterialien (u.a. Begleitschreiben) sind dem Anhang zu entnehmen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 20<br />

1.5 Qualitative Analyse: Fokusinterviews<br />

1.5.1 Theoretische Begründung qualitativer Analysen (Fokusinterviews)<br />

Fokusinterviews basieren auf der persönlichen Befragung und Diskussion innerhalb einer<br />

klar umgrenzten Gruppe und fokussieren – wie der Name bereits sagt – gezielt auf bestimm-<br />

te Inhalte. Ziel dieser Methode ist es u.a., die subjektive Meinung des Einzelnen wie auch der<br />

Gruppe widerzuspiegeln. Fokusinterviews sind deshalb zur Erschliessung komplexer Befra-<br />

gungsinhalte und Zusammenhänge am besten geeignet. Gerade wenn es um Transformati-<br />

onsprozesse und damit einhergehende Konflikte, Bedürfnisse und Erwartungen verschie-<br />

denster Interessegruppen geht, sind qualitative Erhebungsverfahren aufgrund der offenen<br />

und interaktiven Interviewführung sowie der prozesshaften Analyse besser geeignet als<br />

quantitative Befragungen.<br />

1.5.2 Auswahl der Fokusgruppen<br />

Die Auswahl der Fokusgruppen erfolgte nach den wichtigsten Leistungserbringern der psy-<br />

chiatrischen Versorgungslandschaft wie auch nach deren Bedeutung im Hinblick auf die Um-<br />

setzung des Plan Hospitalier. Da das CHNP im Zentrum des Umstrukturierungsprozesses<br />

steht und deshalb verstärkt Spannungen ausgesetzt ist, wurde der Fachklinik bei den Inter-<br />

views besonders viel Gewicht verliehen und die einzelnen Berufsgruppen auch separat be-<br />

fragt. Es wurden gesamthaft sechs Fokusinterviews durchgeführt, wobei folgende Gruppen<br />

interviewt wurden:<br />

• Verwaltungsrat des CHNP<br />

• Pflegepersonal des CHNP<br />

• Psychiatrische Fachärzte des CHNP und Leiter der ausgegliederten Strukturen des<br />

CHNP (Therapiezentren und forensische Abteilung in der Justizvollzugsanstalt)<br />

• Alle Interessengruppen des CHNP zusammen<br />

• Leiter der Psychiatrischen Fachabteilungen in den Allgemeinkrankenhäusern alleine<br />

und zusammen mit dem Leitung des CHNP (wird als ein Fokusinterview betrachtet)<br />

• Leistungserbringer des komplementären, ausserstationären Bereichs (Träger der so-<br />

zialpsychiatrischen Angebote und Wohneinrichtungen)<br />

1.5.3 Leitfaden der Fokusinterviews (Themenbereiche/ Befragungsinhalte)<br />

Die Fokusinterviews hatten die Erfassung folgender fünf Bereiche zum Ziel:<br />

• Spezifische Schwierigkeiten der jeweiligen Interessengruppen<br />

• Einstellung zu den versorgungspolitischen Versorgungsgrundsätzen („Hidden<br />

Agenda“)


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 21<br />

• Einschätzung der Schwierigkeiten und Hindernisse der Umsetzung der Psychiatrie-<br />

reform<br />

• Defizite in der aktuellen Versorgung („Adäquate Versorgung“) sowie im psychiatri-<br />

schen Sektor generell (z.B. Zusammenarbeit, Diskussionsforen etc.).<br />

• Zusammenarbeit und Vernetzung der verschiedenen Akteure im psychiatrischen Ge-<br />

sundheitssystem<br />

• Im Anschluss an die Fokusinterviews wurden nach dem Prinzip des Zukunftswork-<br />

shops jeweils Entwicklungsszenarien unter Anleitung und Anregungen seitens der<br />

Experten entworfen.<br />

1.5.4 Auswertung<br />

In einem ersten Schritt wurde das Textmaterial der rund 2-stündigen Interviews wörtlich<br />

transkribiert. Danach erfolgte in einem zweiten Schritt die Auswertung nach dem Verfahren<br />

der qualitativen zusammenfassenden Inhaltsanalyse mittels des Computerprogramms<br />

MaxQda2. Dabei wird das Datenmaterial so weit reduziert, dass ein Überblick entsteht, der<br />

noch ein genaues Abbild des Grundmaterials ermöglicht. Die qualitative Inhaltsanalyse un-<br />

tersucht sprachliches Material systematisch, indem sie es zergliedert und schrittweise in Ka-<br />

tegorien einteilt. Das Kategoriensystem entsteht theoriegeleitet und wird mit weiteren, aus<br />

dem Datenmaterial ableitbaren Kategorien ergänzt. Die Kategorien bilden die Grundlage für<br />

die Ergebnisse der Inhaltsanalyse und erlauben neben qualitativen auch quantitative Aus-<br />

wertungen (vgl. u.a. Mayring, 2000; Züll & Mohler, 2001, Flick, 2003). Dabei werden die Ka-<br />

tegorien in Form von kurzen und übersichtlichen Portraits präsentiert, welche trotz der knap-<br />

pen Darstellung eine informative Beschreibung des Themenbereiches ermöglichen. Alle In-<br />

terviews wurden dieser Methode entsprechend einzeln ausgewertet. Da diese Dokumentati-<br />

on von grossem Umfang ist, konnte sie nicht dem Anhang beigefügt werden. Im Ergebnisteil<br />

werden deshalb die am häufigsten genannten Aussagen pro Fokusgruppe einzeln sowie<br />

auch alle Gruppen zusammengefasst dargestellt..<br />

Die offenen Fragen der Erhebungsbögen wurden ebenfalls qualitativ ausgewertet und nach<br />

Aussagehäufigkeiten quantifiziert. Diese Auswertungen sind dem Anhang zu entnehmen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 22<br />

Fachliche und gesundheitspolitische Grundlagen der Psychia-<br />

trieplanung<br />

1.6 Planung der Gesundheitsversorgung<br />

Die Planung der Gesundheitsversorgung ist eine vielschichtige Aufgabe. Die Versorgungs-<br />

forschung unterstützt die Gesundheitsverwaltung in dieser Aufgabe durch die Bereitstellung<br />

von Daten zur Objektivierung des Bedarfs und der erforderlichen Mittel zur Bedarfsdeckung.<br />

Hierzu nimmt die Versorgungsforschung Rückgriff auf deskriptive und analytische Daten der<br />

Epidemiologie.<br />

1.6.1 Administrativer Planungsansatz<br />

Die administrative Planung betrachtet v.a. die Angebotsseite, d.h. die Leistungserbringer.<br />

Grundsätzlich lassen sich dabei folgende Leistungserbringer in der psychiatrischen Versor-<br />

gungslandschaft unterscheiden (siehe auch Kap. 3.2.3):<br />

• stationäre Einrichtungen: psychiatrische Kliniken, Fachabteilungen in Allgemeinspitä-<br />

lern, Konsiliarärzte in Spitälern ohne psychiatrische Abteilungen, Kriseninterventions-<br />

zentren;<br />

• teilstationäre Einrichtungen: Tageskliniken, Nachtkliniken;<br />

• ambulante Dienste an stationären Einrichtungen: Klinikambulanzen, 24-stündige Kri-<br />

sen- und Notfalldienste;<br />

• ambulante Dienste: sozialpsychiatrische Dienste (Tagesstätten, Beratungsstellen<br />

etc.), Psychiater, Psychotherapeuten sowie Ärzte anderer Fachrichtungen (Allge-<br />

meinpraktiker, Internisten, Neurologen) in freier Praxis;<br />

• komplementäre und rehabilitative Einrichtungen (Institutionen im Bereich Wohnen –<br />

Arbeit – Freizeit);<br />

• intermediäre Einrichtungen wie Fürsorge etc., die bis zu einem gewissen Grad die<br />

Betreuungskoordination übernehmen, bspw. Case-Management durch Sozial-, Infor-<br />

mations- und Koordinationsstellen.<br />

Für die verschiedenen Angebote, d.h. für die jeweiligen Einrichtungen und Dienste werden<br />

dabei häufig Richtwerte angegeben, wie z.B.<br />

• in den Krankenhausplänen festgehaltene Zahl der Betten (Bettenplanung);<br />

• einwohnerbezogene Platzzahlen in Einrichtungen des beschützten Wohnens;<br />

• einwohnerbezogene Zahl von Fachkräften in den Kernfeldeinrichtungen der psychiat-<br />

rischen Versorgung (Festlegung der Personalstellen pro 100 000 Bewohner).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 23<br />

Richtwerte haben dabei beträchtliche Implikationen für die beteiligten Einrichtungs- und Fi-<br />

nanzierungsträger wie auch für die jeweils in den Einrichtungen beschäftigten Mitarbeiter.<br />

Vor allem aber sind die Patienten selbst von Art und Umfang des Angebotes betroffen. Vor<br />

diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Gesundheitsverwaltung bestrebt ist, mög-<br />

lichst Richtwerte auf der Basis objektivierter Bedarfserhebungen zu erhalten. Der Einbezug<br />

von Experten auf allen Planungsebenen (stationärer, teilstationärer, ambulanter und kom-<br />

plementärer Bereich) ist deshalb nicht ungewöhnlich.<br />

Eine andere Position nimmt hier die Versorgungsforschung mit einem empirischen Pla-<br />

nungsansatz ein. Der Versorgungsforschung geht es um die empirische Überprüfung und<br />

Begründung der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen. Im Rahmen der Versorgungs-<br />

forschung geht es deshalb vornehmlich um Bedarfs- und Nutzungsanalysen. Als Grundlage<br />

der Bedarfsplanung wird dabei auf die Epidemiologie zurückgegriffen, die Auskunft über Art<br />

und Umfang seelischer Störungen, Inanspruchnahmedaten sowie sozialstrukturelle Indikato-<br />

ren liefert. Diese werden im folgenden Abschnitt näher erläutert.<br />

1.6.2 Epidemiologie als Grundlage der Bedarfsermittlung<br />

Die psychiatrische Epidemiologie lässt sich in eine deskriptive und eine analytische Epide-<br />

miologie unterteilen, wobei der Schwerpunkt v.a. bei der deskriptiven Epidemiologie liegt.<br />

Diese beschreibt die Häufigkeiten von Erkrankungen, Störungen, Syndromen und Sympto-<br />

men. Dabei sucht sie mitunter auch nach Häufigkeitsunterschieden sowohl zwischen Perso-<br />

nen- und Bevölkerungsgruppen sowie Regionen als auch nach Unterschieden über die Zeit<br />

hinweg. In den letzten Jahrzehnten hat im wissenschaftlichen Umfeld aus gesundheitspoliti-<br />

schen Gründen die Versorgungsepidemiologie an Profil und Eigenständigkeit hinzugewon-<br />

nen (vgl. Ajdacic & Graf, 2003). Die Versorgungsepidemiologie ist grundsätzlich auf die Re-<br />

sultate der deskriptiven Epidemiologie angewiesen. Dabei ist neben der Bedarfs- und der<br />

Versorgungsebene (z.B. Erhebung krankheitsrelevanter Symptome, anamnestische Informa-<br />

tionen) auch die Nutzungsebene (z.B. Inanspruchnahmedaten) zu berücksichtigen, also die<br />

Frage, wie das Versorgungssystem durch Betroffene wahrgenommen und genutzt wird.<br />

Die in der Epidemiologie verwendeten quantitativen Daten können Registerdaten (z.B. Morta-<br />

litätsstatistiken, Daten der medizinischen Statistik) oder auch Stichprobendaten sein. Bei den<br />

letzteren handelt es sich in der Regel um Querschnittsdaten, d.h. Daten aus einmaligen Un-<br />

tersuchungen. Massstab für die meisten Studien sind dabei die Querschnittdesigns der gros-<br />

sen US-amerikanischen Studien mit den Abkürzungen ECA (Epidemiological Catchment A-<br />

rea Program) und NCS (National Comorbidity Survey) (ebd.).<br />

Besser geeignet sind aber Längsschnittdaten, d.h. wiederholte Untersuchungen derselben<br />

Population über eine bestimmte Zeit hinweg. Diese longitudinale Perspektive gewinnt dabei<br />

insofern an Bedeutung, als dass durch wiederholte Surveys Möglichkeiten geschaffen wer-<br />

den, den Wandel zu erfassen, wodurch auch der Blick auf Interdependenzen hinsichtlich le-<br />

bensgeschichtlicher und gesellschaftlicher Prozesse ermöglicht wird (ebd.).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 24<br />

Der Blick auf die Entwicklung psychiatrischer Epidemiologie verdeutlicht, dass es sich um ei-<br />

ne junge Disziplin handelt, deren Terminologie noch nicht konsolidiert ist. Laufend werden<br />

neue Diagnosen entwickelt, die auf unterschiedlichen Konzepten von Krankheiten beruhen.<br />

Da sich die psychiatrische Diagnostik in Entwicklung befindet, kommen sehr viele verschie-<br />

dene Erhebungsinstrumente zur Anwendung. Diese können zum Teil die grossen Unter-<br />

schiede in den empirischen Ergebnissen, z.B. den Inzidenz- und Prävalenzraten, erklären.<br />

Die epidemiologischen Daten sind zudem häufig lückenhaft und weisen je nach Land grosse<br />

Unterschiede auf. Dies und die hohen Spannbreiten der in unterschiedlichen Studien ausge-<br />

wiesenen Raten sind eines der Grundprobleme psychiatrischer Epidemiologie. Dies er-<br />

schwert Vergleiche und eine darauf aufbauende Versorgungsplanung. Der Abgleich der Da-<br />

ten zur stationären und zur ambulanten Versorgung, gemäss Bedarfs-, Angebots- und Nut-<br />

zungsdaten, sind aufgrund der lückenhaften Dokumentierung schwer möglich. Auf der Ange-<br />

botsseite fehlen zudem oftmals detaillierte und aktuelle Informationen aller Leistungserbrin-<br />

ger. Um schlussendlich die Veränderungen des Versorgungssystems zu evaluieren und die<br />

entsprechenden Konsequenzen zu formulieren, reichen die statistischen Grössen oftmals<br />

nicht aus (ebd.).<br />

1.6.2.1 Inzidenz und Prävalenz psychischer Störungen<br />

Etwa die Hälfte der Menschen sind ein- oder mehrmals im Verlauf ihres Lebens von ernsthaf-<br />

ten psychischen Störungen betroffen, d.h. von solchen Störungen, die international aner-<br />

kannte Diagnosekriterien erfüllen und eine Behandlung erfordern. Dazu gehören die als<br />

schwer behandelbar bekannten Schizophrenien und Psychosen, daneben affektive Störun-<br />

gen, Angst- und Substanzstörungen bis hin zu Störungsbildern wie z.B. Ess-, Sexual- und<br />

Persönlichkeitsstörungen (Ajdacic & Graf, 2003).<br />

Die psychischen Störungen sind dabei sehr heterogen und verteilen sich über ein breites<br />

Spektrum von Symptomen und Verlaufsformen. Obwohl z.B. die Schizophrenien mit einer<br />

Lebenszeitprävalenz von 0.5 – 1% eher selten sind, verdienen sie aufgrund ihres Schwere-<br />

grades besondere Beachtung. Es sind aber v.a. die affektiven Störungen, die Angst- und<br />

Substanzstörungen, die mit einer Lebenszeitprävalenz bis zu 25% die häufigsten psychi-<br />

schen Störungen darstellen. Trotz des breiten Spektrums an Schweregraden stellen sich bei<br />

diesen Erkrankungen bereits bei leichteren Formen Beeinträchtigungen ein. Sie treten zudem<br />

mit einem hohen Anteil von Komorbidität auf (oft verbunden mit Substanzstörungen). Komor-<br />

bide Störungen sind in nahezu 90% der Fälle schwere Störungen, die mit massiven Beein-<br />

trächtigungen einhergehen (ebd.). Es ist dabei nicht nur mit einer schlechteren Prognose<br />

(Schweregrad, Wahrscheinlichkeit der Chronifizierung, Suizidalität), sondern auch mit einem<br />

erhöhten Behandlungsbedarf (häufigere Inanspruchnahme von medizinischen Dienstleistun-<br />

gen; erhöhter Medikamentenkonsum) wie auch mit höherem Beeinträchtigungsgrad zu rech-<br />

nen (Kessler, 1995).<br />

Gemäss dem neusten Weltgesundheitsbericht der WHO (WHO, 2001) leiden gegenwärtig 10<br />

– 20% der Menschen zu einem gegebenen Zeitpunkt an einer psychischen Erkrankung. Es<br />

wird dabei von einer 12-Monats-Prävalenz zwischen 20-30% ausgegangen. Eine Übersicht


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 25<br />

über die Ergebnisse internationaler Studien zur psychiatrischen Epidemiologie ist in nachfol-<br />

gender Tabelle wiedergegeben.<br />

Tabelle 3: Übersicht über Spannweite der Raten psychischer Störungen in internati-<br />

onalen epidemiologischen Studien<br />

Raten in %; in den meisten Studien auf DSM-Kriterien basierend<br />

12-Monats-<br />

Prävalenz<br />

Lebenszeit-<br />

Prävalenz<br />

Störungen insgesamt 20–30 40–50<br />

Störungen exkl. Substanzstörungen 10–20 35–40<br />

Schizophrenie ~0.5 (0.2–1.3) 0.3–1<br />

Affektive Störungen 2–10 10–25<br />

Major Depression 2–7 5–20<br />

Dysthymie 2–7<br />

Hypomanie, bipolare Störungen 0.5–10<br />

Alle Angststörungen 7–17 13–27<br />

Generalisierte Angststörung 1.5–6.5 2.5–7<br />

Panikstörung 0.5–1.5 1–3.5<br />

Einfache Phobie 2–4 4–12<br />

Soziale Phobie 0.5–2 1–3.5<br />

Agoraphobie 2.5–6 3–9<br />

Zwangsstörungen 0.5–3 0.5–4<br />

Essstörungen 1.5<br />

Persönlichkeitsstörungen 5 5–10<br />

Somatoforme Störungen 7–8<br />

Quelle: Ajdacic & Graf, 2003. Schweizerisches Gesundheitsobservatorium


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 26<br />

1.6.3 Inanspruchnahmedaten als Planungsgrundlage<br />

In einem dynamischen Gesundheitswesen strukturiert nicht nur das Angebot die Nachfrage,<br />

sondern die Inanspruchnahme selbst bestimmt aktiv das Angebot mit. Ein weiteres Instru-<br />

ment der Versorgungsplanung stellt deshalb die Analyse von Inanspruchnahme- und versor-<br />

gungsstruktureller Daten dar. Die Inanspruchnahmedaten werden u.a. auf institutioneller E-<br />

bene oder auf Systemebene (z.B. durch Fallregister) analysiert. Je nach Fragestellung, Ziel-<br />

setzung und Anspruch auf Generalisierbarkeit werden hierzu sehr unterschiedliche Ansätze<br />

benutzt, auf die nicht näher eingegangen werden soll.<br />

Das Inanspruchnahmeverhalten wird dabei von verschiedenen Faktoren beeinflusst, wovon<br />

hier die wichtigsten erwähnt werden sollen:<br />

• Räumliche Indikatoren: Im Hinblick auf das Inanspruchnahmeverhalten sind räumli-<br />

che Indikatoren, d.h. Einflüsse der geographischen und zeitlichen Entfernung zwi-<br />

schen Wohn- und Behandlungsort, von grosser Bedeutung.<br />

Abbildung 1: Abhängigkeit der Inanspruchnahme von der Reisezeit (Quelle: Rössler, 1998, S.<br />

65)<br />

So wurde in einer Reihe von Untersuchungen eine Abnahme der Aufnahmeraten in<br />

Abhängigkeit von der Entfernung zwischen Wohn- und Behandlungsort nachgewie-<br />

sen. Die inverse Beziehung zwischen administrativer Prävalenz und der geographi-<br />

schen Distanz ging dabei als Jarvis’sches Gesetz in die Literatur ein (Rössler, 1998).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 27<br />

• Sozioökonomische Indikatoren: Untersuchungen haben gezeigt, dass das Mass der<br />

Inanspruchnahme der psychiatrischen Dienstleistungen mit soziodemographischen<br />

Variablen korreliert. Zu solchen Einflussfaktoren zählen Sozialschicht, Geschlecht,<br />

Familienstand, Lebenssituation, Arbeitslosigkeit, Bevölkerungsmobilität und ethnische<br />

Gruppe dergestalt, dass die schlechtere soziale Integration mit höheren Inanspruch-<br />

nahmeraten assoziiert ist. Sozioökonomische Indikatoren gelten dabei als Risikofak-<br />

toren für die Entstehung wie für den Verlauf seelischer Erkrankungen. Eine Grosszahl<br />

von Studien belegt eine Verbindung zwischen einem niedrigen sozioökonomischen<br />

Status, Armut und Arbeitslosigkeit und verschiedenartigsten seelischen Störungen<br />

(Lewis et al., 1998). Ebenso bekannt sind regionale Häufigkeitsunterschiede seeli-<br />

scher Störungen. Regelhaft finden sich höhere Raten in städtischen Regionen (Röss-<br />

ler, 2000). Es wurden deshalb auf der Basis von Sozialindikatoren Verfahren (z.B.<br />

Jarman-Index) entwickelt, mittels derer die Inanspruchnahme psychiatrischer Versor-<br />

gungseinrichtungen vorhergesagt werden kann (Jarman, 1983).<br />

• Verfügbarkeit von Versorgungsangeboten: Auch die Verfügbarkeit von Versorgungs-<br />

angeboten beeinflusst die Inanspruchnahme und damit den Bedarf. Je mehr Angebo-<br />

te vorhanden und zugänglich gemacht werden, desto häufiger die Inanspruchnahme.<br />

Gemäss einer Studie von Rössler & Häfner (1985) ergab sich in Mannheim parallel<br />

zum Aufbau eines gemeindepsychiatrischen Versorgungssystems eine deutliche Zu-<br />

nahme der Inanspruchnahme (Becker & Johnson, 1998).<br />

In diesem Zusammenhang ist auch das Problem der Über- versus der Unterversorgung zu<br />

betrachten. Das System der stationären Versorgung ist v.a. mit schweren Störungen und Be-<br />

einträchtigungen – z.B. schizophrenen und wahnhaften Störungen, Selbst- und Fremdge-<br />

fährdung, Substanzstörungen – konfrontiert, versorgt jedoch eine Minderheit der psychisch<br />

Kranken in der Bevölkerung. Darunter fallen zu einem grossen Teil sogenannte „Heavy U-<br />

ser“, also Patienten mit wiederholten Aufenthalten in psychiatrischen Institutionen. Dabei be-<br />

anspruchen 10 – 30% dieser Patienten 50 – 80% aller stationären Kapazitäten (Ajdacic &<br />

Graf, 2003).<br />

Das Profil der Klienten im halbstationären und ambulanten Bereich umfasst über die Men-<br />

schen mit schweren Beeinträchtigungen hinaus auch diejenigen mit weniger akuten Störun-<br />

gen.<br />

Die Verhaltensmuster bei der Inanspruchnahme von Hilfe variieren dabei noch bedeutender<br />

zwischen Stadt und Land, nach Geschlecht, Ausbildung und Nationalität. Zudem nehmen<br />

Menschen mit leichteren psychischen Erkrankungen weitaus seltener Hilfe in Anspruch,<br />

weshalb nahegelegene ambulante Angebote von grosser Bedeutung sind. Während bei Pa-<br />

tienten mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen die Problematik der Versorgungsoptimie-<br />

rung oder gar der Überversorgung im Vordergrund steht, ist es deshalb bei Menschen mit<br />

weniger auffälligen Störungen v.a. die Problematik der Unterversorgung. Während bei den<br />

Erstgenannten mit der Verlagerung zum ambulanten Bereich die Betreuung und Fürsorge,


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 28<br />

wie auch die Verbesserung der Integration in den Vordergrund rückt, liegt der Schwerpunkt<br />

der Unterversorgung bei weniger auffälligen Störungen bei der Inanspruchnahme einer Be-<br />

handlung. Dabei ist der Weiterbildung und Vernetzung mit dem psychiatrischen Vorfeld, wie<br />

z.B. der Allgemeinärzte, grosse Bedeutung zuzumessen. Dieser Zusammenhang kann v.a.<br />

am Beispiel „Depressionen“ verdeutlicht werden: Von den etwa 5% der Bevölkerung, die in<br />

einer Studie in Deutschland (Wittchen & Jacobi, 1998) an einer behandlungsbedürftigen De-<br />

pression leiden,<br />

• sind etwa zwei Drittel in hausärztlicher Behandlung;<br />

• werden etwa ein Drittel korrekt diagnostiziert;<br />

• werden etwa 10% adäquat behandelt;<br />

• weisen etwa 5% eine adäquate Compliance aus.<br />

Die Konsequenzen der Unterversorgung sind auf der individuellen Ebene wie auch auf der<br />

sozialen und ökonomischen Ebene zu verorten. Während auf der individuellen Ebene mit ei-<br />

nem erhöhten Risiko für die Chronifizierung und/oder Zunahme des Schweregrades, einem<br />

erhöhten Risiko für Komorbidität etc. zu rechnen ist, so folgen daraus auf ökonomischer E-<br />

bene höhere Gesundheitskosten (Ajdacic & Graf, 2003). Die wirtschaftlichen Kosten psychi-<br />

scher Gesundheitsdefizite belaufen sich auf 3 – 4% des Bruttoinlandproduktes (WHO, 2003).<br />

Neben den Kosten, die im Gesundheits- und Sozialwesen anfallen, kommen noch andere<br />

bisher nicht berücksichtigte Kosten, wie z.B. Produktivitätsausfall, Auswirkungen auf Familie,<br />

Umfang an Kriminalität und öffentliche Sicherheit dazu (WHO, 2001).<br />

1.6.4 Zusammenfassung<br />

Die psychiatrische Versorgungsplanung ist von grosser Bedeutung, da psychische Störun-<br />

gen erstens häufig sind und zweitens einschneidende Folgen sowohl für die betroffenen Indi-<br />

viduen als auch für die Gesellschaft als Ganzes nach sich ziehen.<br />

Was die Behinderung und Beeinträchtigung der Lebensqualität betrifft, stehen psychische<br />

Störungen nach den Herzkreislauferkrankungen an zweiter Stelle einer Rangfolge verschie-<br />

dener Krankheiten. Werden die Folgen von Alkohol- und Drogenmissbrauch hinzugezählt, so<br />

nehmen psychische Störungen sogar deutlich den Spitzenrang ein (Rüesch & Manzoni,<br />

2003). Die meisten dieser Störungen können jedoch ambulant behandelt werden, wobei ca.<br />

0.5% eine psychiatrische Hospitalisation benötigen (Ernst, 2001). Die meisten psychischen<br />

Störungen sind dabei vorübergehend, treten aber häufig wiederholt auf. Psychisch Kranke<br />

suchen dabei seltener von sich aus eine Behandlung auf als körperlich Kranke. Dabei ent-<br />

stehen psychische Krankheiten im Vergleich zu körperlichen Krankheiten häufiger unter be-<br />

lastenden sozialen Bedingungen, z.B. Migration, Pensionierung. Schwere psychische Krank-<br />

heiten führen dabei auch häufig zu sozialem Abstieg, Vereinsamung und Verelendung. Im<br />

Gegensatz zu den meisten somatischen Erkrankungen treten psychische Störungen zumeist<br />

im jungen und mittleren Erwachsenenalter auf und verlaufen, nicht zuletzt aufgrund einer un-<br />

zulänglichen Diagnose und Behandlung, oft chronisch.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 29<br />

Epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass nur ein kleiner Teil der Menschen mit psy-<br />

chischen Störungen professionelle Hilfe in Anspruch nimmt. Noch geringer ist der Anteil der-<br />

jenigen, die dies rechtzeitig tun. Ebenso ist anzunehmen, dass die Hilfesuchenden im Rah-<br />

men der primären Versorgung – vornehmlich durch die praktizierenden Ärzte – nur zu einem<br />

Teil adäquat diagnostiziert und behandelt werden. Die Konsequenzen beschränken sich da-<br />

bei nicht nur auf die Krankheit selbst (Chronifizierung, Komorbidität), sondern zeigen sich<br />

auch in einer erhöhten Inanspruchnahme medizinischer Dienstleistungen in Bezug auf soma-<br />

tische Beschwerden und durch erhöhte Invalidisierungsrisiken, was auch zu massiv höheren<br />

Gesundheitskosten führt. Die Bedeutung psychischer Störungen bemisst sich aber auch an<br />

der Tabuisierung, welches das Thema im Alltag begleitet. Wenn von einer Lebenszeitpräva-<br />

lenz-Diagnose für psychische Störungen bis zu 50% ausgegangen wird, so betrifft dies letzt-<br />

endlich fast alle Menschen, entweder in ihrer Rolle als Betroffener, als Familienmitglied, als<br />

Arbeitskollege etc.<br />

Dazu kommt ein hohes Mass an Unwissen bezüglich der realen Ausmasse psychischer<br />

Krankheiten, Symptome und v.a. der Behandlungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten. Es<br />

gibt aktuell keinen anderen Gesundheitsbereich, der in ähnlicher Weise durch Vorurteile und<br />

Unkenntnis geprägt ist.<br />

All diese Ausführungen zeigen die Notwendigkeit angepasster, heterogener Behandlungs-<br />

formen und differenzierter, der Behandlungsphase angepasster Angebote und führten dazu,<br />

dass in den letzten Jahren verschiedene versorgungspolitische Standards und moderne Ver-<br />

sorgungsstrukturen formuliert wurden, die den verschiedenen Schwierigkeiten (z.B. Inan-<br />

spruchnahme) Rechnung tragen. Diese sollen im nächsten Kapitel ausgeführt werden.<br />

1.7 Versorgungspolitische Grundsätze und Prinzipien<br />

1.7.1 Internationale Entwicklungen und Instanzen der Gesundheitsversorgung<br />

In den vergangen Jahren haben zwei internationale Entwicklungen dazu beigetragen, dass<br />

Informationsaustausch und Kooperation auf dem Gebiet der psychiatrischen Versorgung im<br />

europäischen Raum zunehmend an Bedeutung gewonnen haben und allgemeingültige Stan-<br />

dards zur psychiatrischen Versorgung entwickelt werden konnten. Die eine ist die zuneh-<br />

mende Integration europäischer Länder in die „Europäischen Union“ (15 Mitgliedsstaaten),<br />

die andere die Intensivierung der Aktivitäten der Weltgesundheitsorganisation.<br />

Seit 1998 hat die WHO für die Region Europa einen Mental Health Coordinator. Es finden<br />

dabei regelmässig Treffen statt mit so genannten „National Counterparts“, von den einzelnen<br />

Regierungen nominierte Vertreter der insgesamt 52 Mitgliedsstaaten der WHO (Europa).<br />

An der letzten europäischen ministeriellen WHO-Konferenz zur psychischen Gesundheit vom<br />

12.–15. Januar <strong>2005</strong> in Helsinki wurde von den Mitgliedern (darunter auch Luxemburg) eine<br />

Europäische Erklärung zur psychischen Gesundheit („Erklärung von Helsinki“) unterschrie-<br />

ben und ein europäischer Aktionsplan für Psychische Gesundheit implementiert (S. 13):


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 30<br />

„Die Mitgliedstaaten bekennen sich durch die Europäische Erklärung zur psychischen Ge-<br />

sundheit und diesen Europäischen Aktionsplan für Psychische Gesundheit zur Annahme der<br />

Herausforderungen und zu folgenden Zielen. Zwischen <strong>2005</strong> und 2010 sollten sie:<br />

1. eine Politik erarbeiten und Aktivitäten umsetzen, die gegen Stigma und Diskriminierung<br />

vorgehen und das psychische Wohlbefinden fördern, u. a. an gesundheitsförderlichen<br />

Schulen und Arbeitsplätzen.<br />

2. die Auswirkungen der öffentlichen Politik auf die psychische Gesundheit gründlich<br />

untersuchen.<br />

3. Prävention von psychischen Gesundheitsproblemen und Suizid in die nationale Politik<br />

einschließen.<br />

4. spezialisierte Dienste aufbauen, die in der Lage sind, besondere Herausforderungen<br />

durch junge und ältere Menschen und geschlechtsspezifische Probleme aufzugreifen.<br />

5. Dienste priorisieren, die auf die psychischen Gesundheitsprobleme marginalisierter<br />

und vulnerabler Gruppen und auf die Komorbiditätsproblematik ausgerichtet sind, bei<br />

welcher psychische Gesundheitsprobleme und andere Probleme wie Substanzmiss-<br />

brauch oder körperliche Erkrankung auftreten.<br />

6. Partnerschaften für die sektorübergreifende Arbeit aufbauen und gegen Negativanreize<br />

vorgehen, die die gemeinsame Arbeit behindern.<br />

7. Strategien für die Humanressourcen einführen, um ein ausreichendes und kompeten-<br />

tes Arbeitskräfteangebot im psychosozialen Bereich zu schaffen.<br />

8. Indikatoren für die Determinanten und die Epidemiologie der psychischen Gesundheit<br />

und die Gestaltung und Erbringung der Dienste in Partnerschaft mit anderen Mitglieds-<br />

staaten definieren.<br />

9. gerechte Finanzierungen, Vorschriften und Gesetze für Gesundheit bekräftigen, die<br />

psychische Gesundheit mit einbeziehen.<br />

10. inhumane und entwürdigende Behandlung und Versorgung beenden und Menschen-<br />

rechte gesetzlich verankern und Gesetze zur psychischen Gesundheit erlassen, die mit<br />

den Normen aus den Konventionen der Vereinten Nationen und internationaler Ge-<br />

setzgebung in Einklang stehen.<br />

11. das Ausmaß der gesellschaftlichen Integration von Menschen mit psychischen Ge-<br />

sundheitsproblemen erhöhen.<br />

12. die Vertretung von Betroffenen und Betreuenden in Ausschüssen und Gruppen sicher-<br />

stellen, welche für die Planung, Erbringung, Überprüfung und Inspektion von psycho-<br />

sozialen Angeboten verantwortlich sind.“<br />

Weitere Details dazu finden sich unter:<br />

http://www.euro.who.int/mentalhealth<strong>2005</strong>/ineurope/20041123_1


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 31<br />

Im Jahre 2003 wurde von der EU, dem Niederländischen Gesundheitsministerium und dem<br />

National Research and Development Centre for Welfare and Health (STAKES) in Finnland<br />

zudem das „Implementing Mental Health Promotion Action“-Netzwerk (Impha) gegründet.<br />

Diesem sind bereits 20 Europäische Länder beigetreten. Das Impha entwickelt evidenzba-<br />

sierte gesundheitspolitische und präventive Massnahmen. Zu Beginn des Jahres <strong>2005</strong> wurde<br />

dabei in Anlehnung an die vorher erwähnte WHO-Konferenz ein Konzept zur Förderung der<br />

psychischen Gesundheit und zur Verhütung psychischer Störungen entworfen, welches zehn<br />

Aktionsbereiche vorsieht und auf fünf allgemeinen Leitlinien beruht:<br />

Die Länder der Europäischen Union der WHO sollen dabei konkrete Pläne oder umfassende<br />

Strategien für die Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung von psychi-<br />

schen Störungen aufstellen, die auf jeder Ebene von dem jeweils höchsten politischen Organ<br />

gebilligt werden müssen. Die Massnahmen betreffen dabei insbesondere den Bereich der<br />

Prävention im Allgemeinen (z.B. psychische Störungen, Suizidalität) sowie in verschiedenen<br />

Lebensbereichen (z.B. Schulen, Arbeitsplatz) und -phasen (z.B. frühkindliche Entwicklung,<br />

Alter) wie auch den Bereich der Antistigmatisierung. Die Aktionsbereiche müssen somit das<br />

gesamte Leben der Menschen umfassen, z.B. Kindern und Familien einen gesunden Le-<br />

bensanfang sichern oder durch schulische Massnahmen die kindliche Fähigkeit zur Bewälti-<br />

gung schwieriger Lebenssituationen stärken. Die finanziellen Mittel können beispielsweise<br />

aus einem speziellen Fonds für Psychische Gesundheit kommen, der durch Einnahmen aus<br />

Tabak- und Alkoholsteuern finanziert wird. Um den zu erwartenden Herausforderungen ge-<br />

recht zu werden, muss die Entwicklung einer wirksamen gesundheitsfördernden Politik ab-<br />

gestützt werden durch:<br />

• Kompetenzbildung und interdisziplinären Miteinbezug verschiedener Fachexperten<br />

(bzw. Sektoren) und Laien;<br />

• Massnahmen zur Umsetzung (u.a. Management, Qualitätssicherung, Zusammenar-<br />

beit);<br />

• Umsetzungs- und Begleitevaluation und Verträglichkeitsprüfung der Politik;<br />

• Sicherung der Nachhaltigkeit von Massnahmen auf örtlicher und nationaler Ebene.<br />

Diese Richtlinien sind insofern umsetzungsorientiert, als dass grossen Wert darauf gelegt<br />

wird, die Massnahmen den Gesundheitssystemen der jeweiligen Länder anzupassen (Jané-<br />

Lopis & Anderson, <strong>2005</strong>).<br />

1.7.2 Versorgungspolitische Grundsätze und Standards in Anlehnung an die WHO<br />

Versorgungsgrundsätze zur Versorgung psychisch Kranker, die bereits im Jahre 1950 von<br />

der WHO formuliert wurden, konnten durch diese Entwicklungen zunehmend präzisiert wer-<br />

den. Die wichtigsten Grundsätze beziehen sich dabei auf folgende Themen:


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 32<br />

• Die Gleichstellung körperlich und psychisch kranker Menschen in rechtlicher, finan-<br />

zieller und sozialer Hinsicht und die damit zusammenhängende Integration der psy-<br />

chiatrischen Versorgung in das allgemeinmedizinische Gesundheitssystem.<br />

• Der Aufbau eines bedarfsgerechten Versorgungssystems, welches allen Behand-<br />

lungsbedürftigen die vom Erfolg und vom Kostenaufwand her günstigste Behandlung<br />

ohne Barrieren zugänglich macht.<br />

• Den Aufbau eines gemeindenahen Versorgungssystems, wodurch psychisch Kranke<br />

in ihrem Umfeld behandelt und nur so kurz wie unbedingt nötig aus Familie und Arbeit<br />

herausgenommen werden, was auch die Wiedereingliederung vereinfacht bzw. obso-<br />

let macht.<br />

• Die Koordination und Zusammenarbeit innerhalb der Versorgungssysteme, um Fehl-<br />

platzierungen und Doppelspurigkeiten zu vermeiden und um eine<br />

Behandlungskontinuität über mehrere Institutionen hinweg zu gewährleisten.<br />

Diese allgemein gültigen Prinzipien wurden in den vergangen Jahren weiterentwickelt und<br />

ergänzt. Dabei wurde deutlich, dass die Rehabilitation der meist in ihrer sozialen Kompetenz<br />

behinderten chronisch psychisch Kranken unabdingbar mit gemeindenahen Versorgungs-<br />

strukturen verknüpft ist, da eine Integration jeweils an die konkreten Lebens- und Arbeitsbe-<br />

dingungen gebunden ist. In diesem Zusammenhang hat der Grundsatz der Normalisierung<br />

grosse Bedeutung erlangt. Dabei geht es um die Art und Weise, wie für psychisch Kranke die<br />

Bedingungen geschaffen werden, die zu einer weitgehend normalen Lebensführung notwen-<br />

dig sind. Normalisierende Hilfen betreffen dabei u.a. die Bereiche Arbeit, Wohnen, Freizeit<br />

und Kommunikation und sind darauf ausgerichtet, einen der Allgemeinheit entsprechenden<br />

Rhythmus von Arbeit, Freizeit, Schlaf- und Wachzyklus zu ermöglichen (Rössler et al, 1993).<br />

Eine Ergänzung zum Grundsatz der Normalisierung bietet das Prinzip der „least restrictive al-<br />

ternative“. Dabei ist bei gleich wirksamen Behandlungs- und Betreuungsmethoden jeweils<br />

diejenige Methode zu wählen, die mit den geringsten Einschränkungen für die Betroffenen<br />

verbunden ist. Die praktische Bedeutung dieses Prinzips wird v.a. im Umgang mit so ge-<br />

nannten chronisch kranken Patienten deutlich. Diese befinden sich in verschiedenen Ver-<br />

laufsstadien der Erkrankung, weisen beträchtliche Unterschiede in der Vorbehandlung auf<br />

und haben dementsprechend unterschiedliche Versorgungsbedürfnisse. Daraus resultiert<br />

z.B. im Wohnbereich die Notwendigkeit einer Ausdifferenzierung der Angebotsstruktur, die<br />

von betreutem Einzelwohnen über Wohngemeinschaften bis hin zu einer Rund-um-die-Uhr-<br />

Betreuung reicht. Arbeits- und beschäftigungstherapeutische Angebote sollen dabei nicht di-<br />

rekt an die Wohneinrichtung angebunden werden, sondern sind aus dem regionalen Angebot<br />

heraus zu organisieren. Ziel ist es, den Betroffenen eine notwendige, aber nicht über ihre<br />

Bedürfnisse hinausgehende Versorgung zu ermöglichen (ebd.).<br />

Die gewünschte Individualisierung und Flexibilisierung der Versorgung ist am besten durch<br />

kleinstrukturierte Einrichtungen zu erreichen, deren Angebote sich variabel miteinander ver-<br />

knüpfen lassen. Dadurch wird das Krankenhaus nur ein Glied in der Behandlungskette, des-<br />

sen Kernaufgabe in der medizinisch-psychiatrischen Behandlung von hospitalisationsbedürf-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 33<br />

tigen Patienten liegt. Die stationäre und die ausserstationäre, so genannte komplementäre<br />

Versorgung werden dadurch zu sich ergänzenden Elementen eines umfassenden sozialen<br />

und medizinischen Betreuungs- und Behandlungsangebots für psychisch Kranke. Aus diesen<br />

Erkenntnissen resultierten verschiedene moderne Versorgungsstrukturen, die nachfolgend<br />

detaillierter beschrieben werden.<br />

1.8 Moderne Versorgungsstrukturen (Bausteine der psychiatrischen Versorgung)<br />

Im Folgenden werden die Bausteine der psychiatrischen Kernversorgung (siehe Kap. 3.1.1.)<br />

detaillierter beschrieben (Rössler et al., 1992). Dies ist für die Bewertung der Ergebnisse der<br />

Bestandeserhebung unerlässlich.<br />

Baustein: Stationäre Einrichtung<br />

Zum stationären Bereich werden psychiatrische Fachabteilungen an den Allgemeinkranken-<br />

häusern und Fachkliniken gezählt. Die Behandlung umfasst die unverzichtbare stationäre<br />

Versorgung akut psychisch Kranker, welche in der Regel einer raschen, präzisen und mitun-<br />

ter aufwändigen Diagnostik bedürfen. Akutbehandlungen verlangen zudem nach 24-<br />

stündiger ärztlicher und pflegerischer Präsenz. Diese Leistungen können dabei nur in Kran-<br />

kenhäusern mit interdisziplinärer Zusammenarbeit erbracht werden.<br />

Nach Einschätzung der WHO liegt der als optimal erachtete Wert psychiatrischer Betten zwi-<br />

schen 0.5 und 1.0 Betten pro 1 000 Einwohner (vgl. u.a. Freeman et al, 1985).<br />

Baustein: Teilstationärer Bereich (Tagesklinik)<br />

Die Tagesklinik kann vielen Kranken, bei denen ambulante Massnahmen nicht ausreichen,<br />

einen vollstationären Krankenhausaufenthalt ersparen resp. verkürzen. Darüber hinaus zielt<br />

sie auf die Erleichterung der sozialen und beruflichen Rehabilitation. Die so genannte ver-<br />

bundene Tagesklinik wird dabei den praktischen und wirtschaftlichen Erfordernissen, aber<br />

auch ihrer Funktion als Bindeglied zwischen ambulanter und stationärer Behandlung am e-<br />

hesten gerecht. Dabei wird sie administrativ und organisatorisch an eine stationäre Abteilung<br />

gekoppelt, ist jedoch in eigenen Räumen untergebracht.<br />

Der Bedarf an tagesklinischen Plätzen hängt von Struktur und Ausbau der ambulanten und<br />

vollstationären Versorgung ab. Schätzungen gehen von 15 tagesklinischen Plätzen bei ei-<br />

nem stationären Angebot von 60 bis 80 Betten aus (Rössler et al., 1992).<br />

Baustein: Ambulante psychiatrische Kernfeldeinrichtungen (ambulant tätige Psychiater, sozi-<br />

alpsychiatrische Dienste, psychiatrische Krisen- und Notfalldienste)<br />

Die Entwicklung einer modernen gemeindepsychiatrischen Versorgung der letzten Jahre hat<br />

zur Folge, dass ein beträchtlicher Teil der chronisch psychisch Kranken in den Gemeinden<br />

leben. Ein Teil dieser Patienten leiden aufgrund des Schweregrades der Erkrankung an ver-<br />

schiedenen Beeinträchtigungen. Es bedarf deshalb integrierter medizinischer und sozialer<br />

Versorgungsangebote, die durch die herkömmliche ambulante Versorgung und Sozialdienste


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 34<br />

nicht gewährleistet werden können. Die hauptsächlichsten Betreuungsfelder für diese Kern-<br />

gruppe psychisch Kranker entstehen:<br />

• beim Übergang von stationärer in ambulante Behandlung und umgekehrt;<br />

• bei der begleitenden sozialen Betreuung in Zusammenarbeit mit Psychiater;<br />

• bei der Rehabilitation bzw. Betreuung in den Bereichen Arbeit, Wohnen und Freizeit.<br />

Sozialpsychiatrische Dienste<br />

Sozialpsychiatrische Zentren spielen bei obgenannten Betreuungsaufgaben eine herausra-<br />

gende Rolle. Diesen obliegt. in der ambulanten Betreuung die Koordination aller sozialer<br />

Massnahmen und in einem gewissen Umfang auch die psychiatrische Behandlung dieser<br />

Patienten. Eine Angebotsbündelung in einem sozialpsychiatrischen Zentrum ist darüber hin-<br />

aus von zentraler Bedeutung. Diese haben folgende Aufgaben zum Ziel:<br />

• Hilfen im Bereich Wohnen;<br />

• Sicherung von rechtlichen und materiellen Ansprüchen;<br />

• Tagesstrukturierung und Alltagsgestaltung im Rahmen beschäftigungs- und arbeits-<br />

therapeutischer Massnahmen;<br />

• Erhalt und Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen.<br />

Der international übliche Standard beim Personalbedarf für solche sozialpsychiatrische Zent-<br />

ren wurde auf ca. 1.4 Fachkräfte pro 10 000 Einwohner festgelegt.<br />

Ambulant tätige Psychiater<br />

Psychiater übernehmen die spezialisierte Versorgung schwer und chronisch psychisch Kran-<br />

ker. Nach internationalen Untersuchungen umfasst dieser Personenkreis ca. 5% der Bevöl-<br />

kerung. Dazu kommen aber auch Patienten mit leichteren Störungen. Dabei fällt neben der<br />

Psychopharmakotherapie auch die psychiatrische Beratung und gegebenenfalls Psychothe-<br />

rapie in ihr Aufgabengebiet. Weiter sollten Psychiater die rehabilitativen Massnahmen für<br />

schwer chronisch Kranke koordinieren. Die Beratung von Allgemeinärzten hinsichtlich dia-<br />

gnostischer Massnahmen und Behandlung gewinnt zunehmend an Bedeutung.<br />

Psychiatrische Krisen- und Notfalldienste<br />

Eine angemessene Versorgung im Bereich von Krisenintervention und Notfallpsychiatrie<br />

muss sich an folgenden Handlungsprinzipien orientieren:<br />

• Für dringliche Notfälle muss Hilfe rund um die Uhr zur Verfügung stehen und rasch,<br />

d.h. verkehrstechnisch unkompliziert zu erreichen sein.<br />

• Neben psychiatrischen Hilfen sind bei psychiatrischen Notfällen medizinische Aspek-<br />

te einer psychischen Erkrankung zu beachten.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 35<br />

• Eine solchermassen umfassende Krisen- und Notfallhilfe kann nicht von einzelnen<br />

spezialisierten Krisen- und Notfalleinrichtungen, sondern nur durch ein kooperativ<br />

verknüpftes Netz verschiedener an der Versorgung beteiligter Vorfeld- und Kernfeld-<br />

einrichtungen erbracht werden. Um das weite Spektrum von Bedürfnissen abzude-<br />

cken, muss die angebotene medizinisch-psychiatrische Hilfestellung schnell und<br />

leicht verfügbar sein. Deshalb sollten psychiatrische Krisen- und Notfalldienste dort<br />

errichtet werden, wo sich erfahrungsgemäss der grösste Bedarf äussert. Dies sind<br />

neben den psychiatrischen Kliniken die Notfallambulanzen in Allgemeinkrankenhäu-<br />

sern. Über die unmittelbare Notfallversorgung und Krisenintervention hinaus fällt die-<br />

sen Diensten oftmals eine Verteilerfunktion zu. Deshalb müssen für weiterführende<br />

Hilfen einerseits stationäre und andererseits soziale und ambulante medizinische Ein-<br />

richtungen ausreichend vorhanden sein.<br />

Baustein: Rehabilitative und komplementäre Einrichtungen<br />

Rehabilitationshilfen im komplementären/rehabilitativen Bereich haben das Ziel, die (Rest-)<br />

Fähigkeiten der seelisch Kranken so umfassend wie möglich zu fördern. Sie erstrecken sich<br />

deshalb auf Hilfen in den Bereichen Wohnen, Freizeit/Kommunikation und Ar-<br />

beit/Beschäftigung. Gemäss den individuellen Versorgungsbedürfnissen ist ein System ge-<br />

stufter Hilfen bereitzuhalten.<br />

Die wichtigsten Einrichtungen so genannt „beschützten Wohnens“ sind Wohnheime, Über-<br />

gangsheime mit rehabilitativer Ausrichtung und Wohngruppen. In Wohnheimen wird Versor-<br />

gungsbedürftigen mittel- bzw. langfristig die Möglichkeit eines beschützten, dauerhaften und<br />

fachlich betreuten Aufenthaltes geboten. Übergangsheime mit rehabilitativer Zielsetzung die-<br />

nen dagegen der kurz- bzw. mittelfristigen Wiedereingliederung psychisch Kranker. Sie stel-<br />

len dabei ein Bindeglied zwischen der stationären Behandlung und der Wiedergewinnung der<br />

Selbständigkeit dar. Während in den intensiver betreuten Heimen eine Aufsicht rund um die<br />

Uhr sichergestellt werden muss, werden in Wohngruppen bzw. Einzelwohnungen die Klien-<br />

ten nur ambulant betreut. Die Betreuung in letzteren Angeboten erfordert deshalb ein grösse-<br />

res Mass an Selbständigkeit der betreuten Patienten.<br />

Über die Angebote im Wohnbereich hinaus sind Massnahmen der beruflichen Rehabilitation<br />

erforderlich. Notwendig sind auch so genannt „geschützte“ Beschäftigungsmöglichkeiten für<br />

diejenigen Menschen, die den normalen Arbeitsbedingungen nicht oder noch nicht gewach-<br />

sen sind. Die wichtigste Einrichtung zur Wiedereingliederung psychisch Erkrankter sind die<br />

so genannten „geschützten Werkstätten“ (therapeutische Ateliers). Diese bieten den Klienten<br />

einerseits langfristige Beschäftigungsmöglichkeiten, andererseits werden Arbeitstraining und<br />

berufsvorbereitende Massnahmen durchgeführt. Diese verfolgen das Ziel, psychisch Kranke<br />

wieder auf die Eingliederung auf dem primären Arbeitsmarkt vorzubereiten.<br />

Es braucht des Weiteren aber auch Angebote zur Begleitung von Erkrankten bei ihrem Wie-<br />

dereinstieg auf dem freien Arbeitsmarkt. Dies kann einerseits durch sozialpsychiatrische Be-<br />

ratungsstellen oder durch spezifische berufsbegleitende Angebote (Supported Employment)<br />

geschehen. Ein kleiner Teil der psychisch Kranken kann sich trotz rehabilitativer Hilfen nicht


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 36<br />

mehr auf dem freien Arbeitsmarkt behaupten. In den letzten Jahren sind deshalb so genann-<br />

te Selbsthilfefirmen entstanden, die Dauerarbeitsplätze für solche Patienten schaffen.<br />

1.9 Indikatoren zur Messung des psychiatrischen Standes in der Psychiatrie im<br />

europäischen Vergleich<br />

In Europa ist in den vergangenen Jahren eine Enthospitalisierungsbewegung zu beobachten,<br />

die in manchen Ländern schneller, in anderen langsamer vorangegangen ist. Hauptursachen<br />

für diese Enthospitalisierung, Verkleinerung und auch Schliessung von psychiatrischen<br />

Grosskrankenhäusern waren die Entdeckung der Psychopharmaka in den 50er Jahren des<br />

vergangenen Jahrhunderts, des Weiteren Kostenüberlegungen und schliesslich Reformbe-<br />

wegungen, die auf den vorher genannten versorgungspolitischen Grundsätzen und den Er-<br />

kenntnissen der im Kap. 3.2 erwähnten Versorgungsforschung beruhten.<br />

Zu den quantitativen Indikatoren, die den jeweils erreichten Stand der psychiatrischen Ver-<br />

sorgung aufzeigen, gehören u.a.:<br />

• die Zahl der psychiatrischen Betten;<br />

• die Grösse der Krankenhäuser bzw. Anzahl psychiatrischer Fachabteilungen in<br />

Allgemeinkrankenhäusern;<br />

• die durchschnittliche Verweildauer in stationärer Behandlung;<br />

• die Anzahl ausserstationärer Angebote;<br />

• die Anzahl Zwangseinweisungen.<br />

Vergleichende Zahlen im Hinblick auf die psychiatrische Versorgung in verschiedenen euro-<br />

päischen Ländern sind einerseits sehr spärlich und weisen andererseits starke Abweichun-<br />

gen gegenüber anderen Publikationen auf. Dabei wird die epidemiologische Hauptproblema-<br />

tik (vgl. Kap. 3.1.2) deutlich, weshalb Verzerrungen aufgrund unterschiedlicher Erhebungs-<br />

verfahren und Kriterien zur Berechnung von Daten nicht auszuschliessen sind. Da keine ak-<br />

tuelle Tabelle mit Daten betreffend Luxemburg im Vergleich zu anderen europäischen Län-<br />

dern zur Verfügung stand, werden die Daten der aktuellen Erhebung (Kap. 5) herangezogen.<br />

Psychiatrische Betten in Europa<br />

Im Jahre 2004 wurden gemäss WHO-Atlas in ganz Europa auf 1 000 Einwohner im Durch-<br />

schnitt noch 0.87 psychiatrische Betten vorgehalten. Die Verfügbarkeit stationärer Behand-<br />

lungsplätze variiert dabei von 0.17 pro 1 000 Einwohner (ausschliesslich Akutbetten) in Ita-<br />

lien bis zu 1.3 pro 1 000 Einwohner in der Niederlande. Unten stehende Tabelle weist die<br />

Bettenzahlen gemäss dem neusten Bericht des BMJ auf:


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 37<br />

Tabelle 4: Anzahl psychiatrischer Betten pro 1 000 Einwohner<br />

Jahr England Deutschland Italien Niederlande Spanien Schweden<br />

1990 1.3 1.4 0.04 (1992) 1.6 0.6 1.7<br />

2001 0.6 1.2 0.05 1.3 0.4 0.6<br />

% Veränderung -52 -10 18 -15 -28 -65<br />

Quelle: BMJ, <strong>2005</strong> (http://bmj.bmjjournals.com/cgi/reprint/330/7483/123.pdf)<br />

Die Tabelle zeigt eine deutliche Abnahme der psychiatrischen Krankenhausbetten in allen<br />

Ländern, abgesehen von Italien, welche die Psychiatriereform bereits vor 1990 vorangetrie-<br />

ben hatte (Weiteres zu Italien siehe Kap 3.4). Damit entsprechen fast alle Staaten dem<br />

WHO-Standard, der zwischen 0.5 und 1 Bett pro 1 000 Einwohner liegt. Betrachtet man die<br />

Anzahl Akutbetten, so liegt Luxemburg mit einer Bettenverteilung von 0.37 / 1 000 Einwohner<br />

deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. Werden hingegen die Rehabilitationsbetten<br />

mitgezählt, so weist Luxemburg eine totale Bettenquote von 0.98 aus (Quelle: Ergebnisse<br />

der Bestandeserhebung, Kap. 5.2.6).<br />

Grösse der psychiatrischen Krankenhäuser / Anzahl psychiatrischer Abteilungen<br />

Ein weiterer, teilweise mit der Reduktion der Betten zusammenhängender Indikator für psy-<br />

chiatrische Reformen ist die abnehmende durchschnittliche Grösse psychiatrischer Kranken-<br />

häuser. In England, Italien, Schweden und einigen Regionen Spaniens wurden dabei in den<br />

letzten Jahren auch psychiatrische Spitäler geschlossen. Gleichzeitig stieg in verschiedenen<br />

Ländern die Bedeutung psychiatrischer Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern für die A-<br />

kutbehandlung psychisch Kranker. Die Länder zeichnen sich dabei durch grosse Unterschie-<br />

de aus, weshalb Daten der WHO zurzeit europaweit noch immer von 70.5% der Betten in ei-<br />

nem psychiatrischen Krankenhaus, 10.1% in Allgemeinkrankenhäusern und 19.4% in sonsti-<br />

gen Einrichtungen ausgehen. Die Bedeutung psychiatrischer Abteilungen für die Akutbe-<br />

handlung psychisch Kranker ist deshalb besser daran zu messen, welche Anteile der statio-<br />

nären Versorgung von ihnen getragen werden. Luxemburg liegt gemäss den Ergebnissen<br />

der Bestandeserhebung (Kap. 5) mit 36.2% der Betten in Allgemeinkrankenhäusern, 51.7%<br />

im psychiatrischen Fachkrankenhaus und 12.1% in anderen Einrichtungen (z.B. suchtspezi-<br />

fische Einrichtungen) im europäischen Durchschnitt. Sie führten im Jahr 2004 jedoch bereits<br />

rund 80% der Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern mit und ohne psychiatrische Abtei-<br />

lungen durch.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 38<br />

Durchschnittliche stationäre Verweildauer<br />

In deutlichem Zusammenhang mit Art und Umfang der Bettenreduktion steht die durch-<br />

schnittliche Verkürzung der Verweildauer in stationären Einrichtungen. In Ländern, in denen<br />

eine grosse Zahl chronisch psychisch Kranker in ausserstationäre Einrichtungen entlassen<br />

werden konnte, macht sich die Verkürzung der Verweildauer besonders bemerkbar. Grund-<br />

sätzlich nahm in nahezu allen europäischen Ländern die durchschnittliche Verweildauer in<br />

stationären Einrichtungen ab. Auch in Luxemburg weisen die Allgemeinkrankenhäuser im<br />

Gegensatz zu 1992 eine bemerkenswert kurze durchschnittliche Aufenthaltsdauer von rund<br />

15 Tagen auf. Demgegenüber zeigen sich im psychiatrischen Fachkrankenhaus noch immer<br />

Aufenthaltsdauern bis zu 30 Jahren (siehe Kap. 5).<br />

Ausserstationäres Angebot<br />

Die meisten Länder Europas verfügen als Folge der psychiatrischen Reformen inzwischen<br />

über sozialpsychiatrische gemeindenahe Zentren und über einen gut ausgebauten komple-<br />

mentären Bereich. Gemäss den Richtlinien der WHO muss von mindestens 0.3 bis 0.5<br />

Wohnplätzen pro 1 000 Einwohner allein für die langfristige Pflege chronisch Kranker ausge-<br />

gangen werden. Bei der Personalausstattung ist mindestens ein Betreuer für 2–4 Plätze ein-<br />

zustellen (siehe u.a. Rössler et al., 1992).<br />

Nicht alle europäischen Länder entsprechen diesen Standards. Aus der untenstehenden Ta-<br />

belle ist jedoch eine Zunahme an zusätzlichen Wohnstrukturen in allen Ländern ersichtlich.<br />

Diese variiert von 15% in Schweden bis zu 237% neuer Wohnstrukturen in Italien. Auch Lu-<br />

xemburg liegt trotz einem Ausbau des Wohnbereiches um 19% (1992: 0.06) mit einer Rate<br />

von 0.25 / 1 000 Einwohner unter den versorgungspolitischen Standards der WHO (Näheres<br />

siehe Kap. 5).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 39<br />

Tabelle 5: Anzahl betreute Wohnplätze<br />

Anzahl Wohnplätze pro 10 000 Einwohner in sechs europäischen Ländern im Jahre 1990 und 2002<br />

Jahr England Deutschland Italien Niederlande Spanien Schweden<br />

1990<br />

15.9<br />

(1997)<br />

8.9 8.8 24.8 (1992) 5.1 (1994) 76.0 (1997)<br />

2002 22.3 17.9 31.8 43.8 12.7 88.1<br />

Veränderung % +40 +101 +259 +77 +149 +15<br />

Quelle: BMJ, <strong>2005</strong> (http://bmj.bmjjournals.com/cgi/reprint/330/7483/123.pdf)<br />

Zwangseinweisungen<br />

Die Häufigkeit von Zwangseinweisungen psychiatrischer Patienten ist international sehr un-<br />

terschiedlich, was u.a. auch an den unterschiedlichen gesetzlichen Definitionen liegen muss.<br />

Sie reicht von 18.4 Zwangseinweisungen pro 100 000 Personen in Italien bis zu 190.5<br />

Zwangseinweisungen pro 100 000 Einwohner in Deutschland im Jahre 2001. Luxemburg<br />

weist mit einer Zwangseinweisungsrate von 100 pro 100 000 Einwohner neben Deutschland<br />

eine der höchsten Zwangseinweisungsrate im europäischen Vergleich auf (siehe Kap. 5).<br />

Tabelle 6: Zwangseinweisungen<br />

Anzahl Zwangsweinweisungen pro 100 000 Bevölkerung in 6 Ländern in den Jahren 1990 und 2001<br />

Jahr England Deutschland Italien Niederlande Spanien<br />

1990 40.5 (1991) 114.4 (1992) 20.51 16.4 33.8<br />

2001 50.3 190.5 18.4 19.1 (1999) 31.8 32.4<br />

% Verän-<br />

derung<br />

+24 +67 -12 +16 -6 -17<br />

Quelle: BMJ, <strong>2005</strong> (http://bmj.bmjjournals.com/cgi/reprint/330/7483/123.pdf)<br />

Schwe-<br />

den<br />

39.0<br />

(1992)


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 40<br />

Finanzierung der psychiatrischen Versorgung<br />

In Europa fliessen zwischen 5 und 10% aller Gesundheitsausgaben in die Psychiatrieversor-<br />

gung (Quelle: Atlas of Health in Europa. WHO, Regional office for Europe, Copenhagen,<br />

2003, pp 105 oder http://www.euro.who.int/document/e797876.pdf).<br />

1.9.1 Zusammenfassung<br />

Gemäss den obgenannten Quellen (u.a. BMJ, <strong>2005</strong>) werden in ganz Europa auf 1 000 Ein-<br />

wohner im Jahre 2004 noch 0.87 psychiatrische Betten vorgehalten. Dabei befinden sich<br />

70.5% der Betten in psychiatrischen Krankenhäusern und psychiatrischen Fachabteilungen,<br />

10.1% in Allgemeinkrankenhäusern, 19.4% in sonstigen Einrichtungen. Die Verfügbarkeit<br />

stationärer psychiatrischer Behandlungsplätze variiert von 0.17 pro 1 000 Einwohner (aus-<br />

schliesslich Akutbetten) in Italien bis zu 1.3 pro 1 000 Einwohner in den Niederlanden. In<br />

verschiedenen Ländern wie z.B. England, Italien, Schweden wurden psychiatrische Anstalten<br />

geschlossen, in anderen Ländern zumindest die Zahl der Betten reduziert. Fast alle Länder<br />

der europäischen Union verfügen als Folge unterschiedlicher psychiatrischer Reformen in-<br />

zwischen über gemeindepsychiatrische Zentren und stützen sich in der einen oder anderen<br />

Weise auf das Prinzip des Sektorisierung oder des Einzuggebietes. Die Zahl der<br />

Zwangseinweisungen variiert hingegen von Land zu Land und hat trotz den Leitlinien der<br />

WHO in manchen Ländern sogar zugenommen. In den Ländern der europäischen Union<br />

fliessen zwischen 5 und 10% aller Gesundheitsausgaben in die psychiatrische Versorgung.<br />

1.10 Komparatistischer Exkurs: Italien, Deutschland und Schweiz<br />

Ziel des folgenden Kapitels ist es, anhand von drei ausgewählten Beispielen einerseits Ver-<br />

gleichsmöglichkeiten zu schaffen und anderseits mögliche Ansatzpunkte für Veränderungen<br />

des luxemburgischen Psychiatriesystems hervorzuheben. Die Daten werden nicht explizit ei-<br />

nem Vergleich zu Luxemburg unterzogen, sondern dienen als Anregungen für den interes-<br />

sierten Leser. Die drei Beispiele sind dabei in unterschiedlichen Aspekten von Bedeutung:<br />

• Am Beispiel Italien interessiert vornehmlich die Bedeutung der politischen Bewegung<br />

hinsichtlich der systematischen und äusserst rasant umgesetzten Psychiatriereform.<br />

• Am Beispiel Deutschland interessiert die Entwicklung eines adäquaten Personalbe-<br />

messungsinstrumentes.<br />

• Am Beispiel der Schweiz lassen sich aufgrund von vergleichbaren sozioökonomi-<br />

schen und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen idealerweise Vergleiche mit<br />

Luxemburg anstellen.<br />

1.10.1.1 Beispiel: Italien


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 41<br />

Die Psychiatriereform in Italien hat in den vergangen Jahrzehnten weltweit grosse Aufmerk-<br />

samkeit erlangt. Die Psychiatriereform beruhte dabei auf einer politischen Bewegung enga-<br />

gierter und sozialkritisch ausgerichteter Ärzte. Diese Bemühungen mündeten 1978 in ein<br />

Psychiatriereformgesetz der italienischen Verfassung und brachten eine drastische Neu-<br />

strukturierung der psychiatrischen Landschaft binnen weniger Jahre mit sich.<br />

Das psychiatrische Reformgesetz von 1978 traf vier Hauptentscheidungen (Girolamo, 2001):<br />

• allmähliches Auslaufen-Lassen der psychiatrischen Krankenhäuser durch Aufnahme-<br />

stopp für alle Neuaufnahmen;<br />

• Erstellen bzw. Schaffen von psychiatrischen Stationen in Allgemeinkrankenhäusern<br />

mit max. 15 Betten;<br />

• Begrenzung und strengere Kontrolle von Zwangseinweisungen und<br />

• Aufbau von psychiatrischen Gemeindezentren für die psychiatrische Versorgung ei-<br />

nes geographisch definierten Gebietes.<br />

Betrachtet man die unten stehende Tabelle, so wird der enorme Abbau der psychiatrischen<br />

Krankenhäuser bei gleichzeitigem Ausbau der psychiatrischen Fachabteilungen und des<br />

ausserstationären Sektors deutlich. Diesen Trend spiegelt auch die rigorose Enthospitalisie-<br />

rung wider, wobei die Zahl der hospitalisierten Patienten von 0.85 im Jahre 1982 auf 0.2 im<br />

Jahre 2000 (Hinterhuber et al., 2001) sank.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 42<br />

Tabelle 7: Gegenüberstellung der psychiatrischen Einrichtungen in Italien<br />

der Jahre 1978 und 1998<br />

1978 1998<br />

Psychiatrische Krankenhäuser 101 50<br />

Zahl der aufgenommenen Patienten 77 000 10 000<br />

Zentren für psychische Gesundheit 248 740<br />

Psychiatrische Krankenhausabteilungen 3 319<br />

Tageskliniken und Tagesstätten 9 589<br />

Wohnheime und Wohngemeinschaften 53 640<br />

Neuropsychiatrische Sanatorien & Privatkliniken 64 71<br />

Sozialpsychiatrische Genossenschaften 10 500<br />

Quelle: Hinterhuber et al. (2001, S. 502)<br />

Aufgrund dieser umfassenden Umsetzung der gemeindepsychiatrischen Grundsätze galt und<br />

gilt Italien seit geraumer Zeit als Vorbild für die Psychiatriereformen der europäischen Län-<br />

der, wohingegen immer wieder auf die immense Bedeutung politischer Bewegungen im Zu-<br />

sammenhang mit Transformationsprozessen hingewiesen wird.<br />

1.10.1.2 Beispiel: Deutschland<br />

Der grundlegende Wandel in der psychiatrischen Versorgung fand in Deutschland im Ge-<br />

gensatz zu Italien mit 15–20 Jahren Verspätung im Jahre 1975 statt. Im Rahmen der Psychi-<br />

atrieenquète, einer umfangreichen Bestandeserhebung, erfolgte eine modellhafte Planung<br />

der psychiatrischen Versorgung. Dabei wurden explizit umschriebene Leitlinien formuliert<br />

und Massnahmen zur Umsetzung erarbeitet, deren Realisierung wissenschaftlich begleitet<br />

und von speziell dafür eingesetzten Instanzen kontrolliert wurde.<br />

Während auf der einen Seite die psychiatrischen Abteilungen in Allgemeinkrankenhäusern<br />

von 21 (1971) auf 165 (2001) mit 80 Betten pro Abteilung zugenommen haben, so reduzier-<br />

ten die psychiatrischen Krankenhäuser auf der anderen Seite ihre Grösse von 1200 (1971)<br />

auf 200–400 Betten (2001). Um die 85% der allgemeinmedizinischen Dienste übernehmen<br />

heute die Vollversorgung für ein Einzugsgebiet, wobei keine Trennung zwischen Kurz- und


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 43<br />

Langzeitbehandlung gemacht wird. Die Anzahl Betten hat sich seit dem Beginn der Psychiat-<br />

riereform halbiert. Der Bettenschlüssel ist von 1.6 Betten pro 1 000 Einwohner (1971) auf<br />

0.73 Betten / 1 000 Einwohner (1996) gesunken. Es sind dabei aber regionale Unterschiede<br />

festzustellen, die zwischen 0.5–1 Bett pro 1 000 Einwohner variieren. Diese doch relativ ho-<br />

he Zahl an Betten im europäischen Vergleich ist darauf zurückzuführen, dass die Vollversor-<br />

gung durch die psychiatrischen Dienste auch Substanzstörungen und gerontopsychiatrische<br />

Erkrankungen integriert, wobei diese zwischen 30 und 50% der Hospitalisationen ausma-<br />

chen (Bauer et al., 2001).<br />

Von grosser Bedeutung in der psychiatrischen Versorgungsplanung ist die Implementierung<br />

eines neuen Personalbemessungsinstrumentes der Psychiatrischen Personalverordnung<br />

(Psych-PV) als Konsequenz der Personalreform. Diese soll nachfolgend näher erläutert wer-<br />

den:<br />

Die Pflegepersonalverordnung (PPR) ist im Jahr 1993 als Folge der massiven Proteste aus<br />

dem Pflegebereich gegen unzumutbare Arbeitsbedingungen, hohe Fluktuationen und einem<br />

unzumutbaren Personalmangel wirksam geworden. Damals wurde erkannt, dass die Per-<br />

sonalbemessung an den diagnostischen und therapeutischen Bedürfnissen der Patienten<br />

und nicht an der Anzahl Betten zu orientieren ist. Die Deutsche Psychiatrieenquète hat dabei<br />

im Jahre 1991 Empfehlungen zur Personalausstattung der stationären psychiatrischen<br />

Dienste ausgearbeitet, die zu einer Veränderung des Bundesarbeitsinstrumentes für statio-<br />

näre psychiatrische Dienste und Krankenversicherungen führte. Ziel war es, die Qualität der<br />

psychiatrischen Behandlung durch ein ausreichendes Niveau an Personal zu gewährleisten.<br />

Dabei wurden drei Gruppen von Patienten definiert (Kunze & Kaltenbach, 2003): Allgemeine<br />

Erwachsenenpsychiatrie (A), Substanzstörungen (S) und Gerontopsychiatrie (G). Alle Patien-<br />

ten dieser Gruppen wurden dann in folgende Kategorien eingeteilt:


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 44<br />

Tabelle 8: Behandlungsbereiche und -gruppen nach Psych-PV<br />

Personalbemessungsbereiche der Psych-PV<br />

Allgemeine Psychiatrie Abhängigkeitskranke Gerontopsychiatrie<br />

A1 Standardbehandlung S1 Standardbehandlung G1 Standardbehandlung<br />

A2 Intensivbehandlung S2 Intensivbehandlung G2 Intensivbehandlung<br />

A3 Rehabilitative Behandlung S3 Rehabilitative Behandlung G3 Rehabilitative Behandlung<br />

A4<br />

Langzeitbehandlung<br />

schwer- und mehrfach-<br />

kranker Menschen<br />

S4<br />

Langzeitbehandlung<br />

schwer- und mehrfach-<br />

kranker Menschen<br />

G4<br />

Langzeitbehandlung<br />

schwer- und mehrfach-<br />

kranker Menschen<br />

A5 Psychotherapie S5 Psychotherapie G5 Psychotherapie<br />

A6<br />

Tagesklinische Behand-<br />

lung<br />

Quelle: Kunze & Kaltenbach (2003)<br />

S6<br />

Tagesklinische Behand-<br />

lung<br />

G6<br />

Tagesklinische Behand-<br />

Diese drei Gruppen und sechs Behandlungskategorien resultierten in 18 Behandlungsberei-<br />

chen bzw. Personalbemessungsgruppen. Diese sind definiert durch die Zielgruppe („Kran-<br />

ke“), die „Behandlungsziele“ sowie die darauf typischerweise ausgerichteten „Behandlungs-<br />

mittel“. Für jede dieser Behandlungskategorien wurden Minutenwerte pro Woche berechnet.<br />

Diese wurden der Zusammensetzung der Patientengruppe entsprechend den verschiedenen<br />

Berufsgruppen zugeteilt. Anders formuliert definiert die Psych-PV den Personalbedarf an-<br />

hand von Arbeitsminiuten je Patient und Woche je Berufsgruppe. Gemäss Friedrich & Rei-<br />

nermann (wido.de/fileadmin/wido/downloads/ pdf_praevention/wido_pra_psych_vergl_1104.pdf) variiert<br />

der Anteil der Berufsgruppen am Leistungskomplex „Behandlungsgruppe“ stark: So machen<br />

z.B. die Leistungen von Ärzten und Psychologen in A2 („Allgemeinpsychiatrie“: Intensivbe-<br />

handlung) zusammen 17% der Gesamtminuten aus, in der A5 („Allgemeine Psychiatrie: Psy-<br />

chotherapie) dagegen 43%. Pflegerische Leistungen decken 70% (A2) bzw. 33% (A5) ab.<br />

Die Psych-PV beinhaltet äquivalente Personalstandards für die Kinder- und Jugendpsychiat-<br />

rie. Dabei werden jedoch nur sieben Behandlungsbereiche unterschieden:<br />

• Kinderpsychiatrische Standard- und Intensivbehandlung<br />

• Jugendpsychiatrische Standardbehandlung<br />

• Jugendpsychiatrische Intensivbehandlung<br />

• Rehabilitative Behandlung<br />

lung


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 45<br />

• Langdauernde Behandlung Schwer- und Mehrfachkranker<br />

• Eltern-Kind-Behandlung<br />

• Tagesklinische Behandlung<br />

Die Verordnung gilt dabei für folgende Berufsgruppen:<br />

• Ärzte<br />

• Pflegefachkräfte, Erziehungsdienst*, Psychologen<br />

• Ergotherapeuten<br />

• Bewegungstherapeuten, Physiotherapeuten<br />

• Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Heilpädagogen*<br />

• Sprachheiltherapeuten*, Logopäden*<br />

(*nur in Kinder- und Jugendpsychiatrie)<br />

Diese neue Bemessungsgrundlage für den Personalschlüssel wurde ein bindender Standard<br />

für Krankenversicherungen und das Spitalmanagement. Das Personal, welches vor der neu-<br />

en Berechnungsweise 24% unter dem für eine adäquate Betreuung notwendigen Personal-<br />

schlüssel lag, wurde dann stufenweise über 5 Jahre hinweg rekrutiert. Dieser Trend verlief<br />

dabei parallel zum Abbau psychiatrischer Betten, so dass eine drastische Änderung in Rich-<br />

tung intensivere Behandlung vollzogen werden konnte. In den drei Jahren von 1993 bis Ende<br />

1995 wurden durch diese neue Berechnungsmethode 20 000 bis 25 000 neue Stellen im<br />

Krankenhausbereich für die Pflege geschaffen (Bartholomeyczik, 1998).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 46<br />

Tabelle 9: Personalanpassung an Psych-PV<br />

Personal in 115 stationären Diensten vor- und nach Personalreform<br />

Personal 1990 1995 Differenz in %<br />

Psychiatrische Fachärzte 1 630 2 334 +43<br />

Pflegefachkräfte 11 577 13 613 +18<br />

Psychologen 408 541 +33<br />

Egotherapeuten 872 1 231 +41<br />

Physiotherapeuten 320 401 +25<br />

Sozialarbeiter 445 818 +84<br />

Veränderung in % 15 253 18 939 +24<br />

Quelle: Bauer et al. (2001, S. 32)<br />

1.10.1.3 Beispiel: Schweiz<br />

In der Schweiz gibt es 60 psychiatrische Kliniken und ärztlich geleitete Suchtkliniken. Dabei<br />

stellen die psychiatrischen Kliniken gemäss der administrativen Spitalstatistik des Bundes-<br />

amtes für Statistik im Jahr 2001 8 125 Bettenplätze zur Verfügung, was einer Bettenanzahl<br />

von 1.1 pro 1 000 Bevölkerung entspricht. Dabei sind jedoch bedeutende regionale Unter-<br />

schiede zu verzeichnen. Die im internationalen Vergleich grosse Anzahl Betten ist nicht nur<br />

unter dem Aspekt des Reichtums des Landes, sondern auch unter dem Blickwinkel föderalis-<br />

tischer Strukturen und direktdemokratischer politischer Steuerung zu sehen.<br />

Auch in Bezug auf die ambulante Versorgung weist die Schweiz eine hohe Dichte an Psychi-<br />

atern (2.3 / 10 000) und Psychotherapeuten (6.7 / 10 000) auf.<br />

Anzahl Hospitalisationen, Behandlungsepisoden und Aufenthaltsdauer<br />

2001 wurden 6.5 Personen pro 1 000 Einwohner psychiatrisch hospitalisiert (Bundesamt für<br />

Statistik, 2003). Diese Hospitalisationsrate ist im internationalen Vergleich relativ hoch, wobei<br />

auch hier regionale wie auch soziodemographische Unterschiede zu verzeichnen sind (Rü-<br />

esch & Manzoni, 2001).<br />

Im Jahre 1998 erlitten 75% der erkrankten Personen eine Behandlungsepisode, 16% zwei<br />

und 10% zwischen drei und 66 Behandlungsepisoden. Es existieren dabei unterschiedliche<br />

Aufenthaltsmuster von wenigen langen bis zu vielen kurzen Aufenthalten (Christen & Chris-<br />

ten, 2003). Die Aufenthaltsdauer ist deshalb äusserst schief verteilt. Die Hälfte aller Patienten


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 47<br />

blieben zwischen einem und 23 Tagen in den Kliniken, 20.9% länger als 60 Tage, 4.4% über<br />

ein halbes Jahr und 1.6% über ein Jahr (Sturny et al, 2004). Die Aufenthaltsdauer betrug da-<br />

bei im Kanton Zürich in den psychiatrischen Kliniken im Schnitt 24 Tage, in den Psychothe-<br />

rapiestationen 230 Tage und in den Suchtinstitutionen 45 Tage.<br />

Zwangseinweisungen<br />

Im Jahr 2000 fanden 18,6% aller Eintritte unfreiwillig, d.h. aufgrund des so genannten „für-<br />

sorgerischen Freiheitsentzugs“ statt.<br />

Kosten der stationären psychiatrischen Versorgung<br />

Insgesamt verursachte im Jahr 2001 die stationäre psychiatrische Versorgung 10.1% an den<br />

gesamten Ausgaben der Krankenhäuser (Meyer & Hell, 2004).<br />

2.6 Fazit für Luxemburg<br />

• Am Beispiel Italiens zeigt sich die enorme Bedeutung des von einer breiten Basis<br />

mitgetragenen für Transformationsprozesses sowie der Stellenwert einer umfassen-<br />

den Partizipation der verschiedenen Leistungserbringer. Dabei zeigt sich auch der<br />

zentrale Stellenwert einer starken Lobby, die Zusammenarbeit der verschiedenen<br />

Leistungserbringer und die Fokussierung auf ein gemeinsames Ziel.<br />

• Am Beispiel Deutschlands wird die modellhafte Planung der Psychiatriereform deut-<br />

lich. In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung von explizit formulierten Richtlinien<br />

und Massnahmen und die Notwendigkeit systematischer Begleitung und Kontrolle der<br />

Umsetzung hervorzuheben.<br />

• Zu einer adäquaten Betreuung von psychisch erkrankten Menschen ist genügend<br />

Personal erforderlich. Das Beispiel der Psychiatrischen Personalverordnung Deutsch-<br />

lands liefert nicht nur ein adäquates Personalbemessungsinstrument, welches sich an<br />

den diagnostischen und therapeutischen Bedürfnissen der Patienten orientiert, son-<br />

dern zeigt zugleich konkrete Umsetzungsmöglichkeiten für eine umfassende Perso-<br />

nalreform auf.<br />

• Die Schweiz liefert Vergleichsmöglichkeiten, an denen sich das psychiatrische Ge-<br />

sundheitssystem Luxemburgs orientieren kann. Dies macht insofern Sinn, als dass<br />

die Schweiz vergleichbare sozioökonomische und gesundheitspolitische Rahmenbe-<br />

dingungen aufweist.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 48<br />

Rahmenbedingungen einer Reform der psychiatrischen Versorgung in<br />

Luxemburg<br />

1.11 Allgemeine Strukturbeschreibung<br />

Mit einer Gesamtfläche von 2 586 km 2 , einer Nord-Süd-Ausdehnung von 82 km sowie einer<br />

maximalen Ost-West-Entfernung von 57 km ist Luxemburg der kleinste Mitgliedsstaat der<br />

Europäischen Union. Mit einer Gesamtlänge der Grenzen von 356 km grenzt Luxemburg an<br />

Frankreich, Deutschland und Belgien (STATEC, 2004).<br />

Politisch und verwaltungstechnisch ist Luxemburg in drei Distrikte (Luxemburg, Diekirch und<br />

Grevenmacher) gegliedert, die sich wiederum in 12 Kantone unterteilen. Insgesamt gibt es in<br />

Luxemburg 118 Gemeinden und Kommunen (STATEC, 2004).<br />

Abbildung 2: Politische und verwaltungstechnische Gliederung Luxemburgs<br />

1.12 Bevölkerungszahl und Verteilung<br />

Angaben zu Wachstum, Anzahl und Verteilung (u.a. Wohnort, Alter, Geschlecht, Nationalität)<br />

der Bevölkerung sind zur Ermittlung der Art von Versorgungsangeboten und zur geeigneten<br />

Platzierung dieser von grosser Bedeutung.<br />

1.12.1 Bevölkerungszahl und -dichte<br />

Die letzte Hochrechnung der Bevölkerungszahl am 1. Januar 2004 belief sich auf 451 600<br />

Einwohner. Dies entspricht einer Bevölkerungsdichte von 174,6 pro km 2 (STATEC, 2004).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 49<br />

Betrachtet man die unten stehenden Tabellen 3 und 4, so wird ein Anstieg der Wohnbevölke-<br />

rung um über 100 000 Einwohner binnen dreissig Jahren deutlich. Dies ist ein im Vergleich<br />

mit benachbarten Ländern eher aussergewöhnliches Wachstum, welches in Luxemburg ins-<br />

besondere während der 90er Jahre von der Norm abwich. Der Zuwachs von 30% ist wesent-<br />

lich höher als die Werte in Belgien oder in Österreich (STATEC, 2003).<br />

Abbildung 3: Veränderung der Wohnbevölkerung seit 1960<br />

.<br />

Abbildung 4: Bevölkerungswachstum in ausgewählten Ländern (1970 = 100.0) (Quelle: Statec, 2004,<br />

S. 65)<br />

Entscheidender Punkt beim Bevölkerungswachstum in Luxemburg ist die hohe Bedeutung<br />

der Zuwanderung. Die Wanderungsströme sind dabei weit höher als die natürliche Fluktuati-<br />

on (z.B. Geburten und Todesfälle). Während die Überschussrate der Geburten im Vergleich<br />

zu den Todesfällen selten über 4‰ liegt, werden beim Wanderungssaldo Spitzenwerte von<br />

bis zu 14‰ erreicht. Diese Wanderungsbewegungen und die starken natürlichen Positivsal-<br />

den der ausländischen Bevölkerung führten zu einem beständigen Zuwachs des Ausländer-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 50<br />

anteils an der Wohnbevölkerung, der von 18,4% im Jahr 1970 auf 37.5% im Jahr 2002 zu-<br />

nahm.<br />

1.12.2 Verteilung der Bevölkerungszahl auf die verschiedenen Regionen<br />

In Luxemburg-Stadt, der grössten Kommune des Landes, lebten im Jahr 2003 77 300 Ein-<br />

wohner, Esch-sur-Alzette zählte 27 900, Dfferdingen 18 900 und Düdelingen 17 500 Einwoh-<br />

ner. Die verbleibende Bevölkerung verteilt sich auf Kleinstädte mit einer Einwohnerzahl von<br />

unter 15 000 und auf ländliche Gebiete, v.a. im nordwestlichen Teil des Landes. Im Vergleich<br />

zu 1992 scheint sich die Bevölkerung entgegen dem weltweiten Trend in Richtung Ballungs-<br />

zentrum eher von der Stadt Luxemburg weg auf die anderen Gemeinden zu verlagern.<br />

1.12.3 Geschlecht- und Altersverteilung<br />

Gemäss den Berechnungen am 1.1.2003 waren 50,7% (227 291) der 448 300 Einwohner<br />

weiblichen und 49,3% (221 009) männlichen Geschlechts.<br />

Wie der unten stehenden Tabelle zu entnehmen ist, zeigt die Altersverteilung die in Indust-<br />

riestaaten typische Zwiebelform mit einer Dominanz der 30–40-Jährigen an.<br />

Abbildung 5: Verteilung der luxemburgischen Wohnbevölkerung nach Altersgruppen und Ge-<br />

schlecht 1.1.2004 (Quelle: STATEC, Luxemburg in Zahlen, 2004)


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 51<br />

1.12.4 Nationalitätenanteile<br />

Aufgrund der geringen Ausdehnung und der geographischen Lage ist Luxemburg seit jeher<br />

ein Land mit einem grossen Anteil an einer ausländischen Bevölkerung. Dabei lässt sich die<br />

nicht-luxemburgische Wohnbevölkerung in drei Gruppen einteilen:<br />

• die traditionellen „Gastarbeiter“, die meist in Landwirtschaft (Nord-Westen, Nord-<br />

Osten), Dienstleistungsgewerbe und Industrie (Süden) tätig sind;<br />

• die Angestellten der internationalen Finanzinstitute (Zentrum);<br />

• die Beamten der internationalen Behörden und Institutionen (Zentrum).<br />

Den stärksten Nationalitätenanteil stellten 2001 mit 58 700 (13.4 %) die Portugiesen. Danach<br />

folgten mit ungefähr gleichen Anteilen von 20 000 resp. 19 000 Einwohnern die Franzosen<br />

und die Italiener, gefolgt von Belgiern und Deutschen. Diese Angaben sind von zentraler Be-<br />

deutung für die Prognosen des mittelfristigen Bevölkerungswachstums.<br />

1.12.5 Haushalte<br />

Das Wissen über die Verteilung der Grösse der Haushalte ist aus der versorgungspolitischen<br />

Perspektive u.a. in Hinblick auf die Laienhilfe und der sozialen Unterstützung (insb. Famili-<br />

ennetzwerk) von zentraler Bedeutung.<br />

In Luxemburg ist in den letzten Jahren ein klarer Trend von Mehrpersonen-Haushalten zu<br />

Einzelhaushalten zu beobachten. Lag im Jahre die Anzahl der im gleichen Haushalt leben-<br />

den Menschen im Jahre 1970 noch bei 3.3 Personen, so wies Luxemburg im Jahre 2001 be-<br />

reits eine Gesamtzahl von 171 953 Haushalten auf mit einer mit einer durchschnittlichen<br />

Grösse von 2.51 Personen (Statistisches Jahrbuch, 2004). Besonders betroffen von dieser<br />

Entwicklung dürften neben Geschäftsleuten aus dem Dienstleistungsbereich (z.B. internatio-<br />

nale Finanzinstitute), v.a. Personen über 65 Jahre und chronisch psychisch kranke Men-<br />

schen sein.<br />

1.13 Bevölkerungsentwicklung<br />

Verlässliche Prognosen über die Luxemburger Bevölkerungsentwicklung der nächsten Jahr-<br />

zehnte sind unverzichtbare Grundlagen für eine Versorgungsplanung im psychiatrischen Be-<br />

reich. Aussagen über die zukünftige Verteilung der Alters- und Bevölkerungsgruppen ermög-<br />

lichen dabei Folgerungen über Prävalenz und Inzidenz psychischer Störungen in den Alters-<br />

kohorten und somit über benötigte Versorgungskapazitäten.<br />

Das Wachstum einer Bevölkerung wird bestimmt von den so genannten natürlichen demo-<br />

graphischen Parametern wie Geburtenzahl, Fruchtbarkeits- und Sterblichkeitsziffern sowie<br />

den stark ökonomisch und politisch beeinflussten Mobilitätsvariablen, d.h. den Wanderungs-<br />

bewegungen (Fort- und Zuzüge über die Landesgrenze).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 52<br />

1.13.1 Natürliche demographische Parameter<br />

Geburten<br />

Die Geburtenrate von 11,8 im Jahre 2003 entspricht dem allgemeinen Trend der letzten Jah-<br />

re und zeigt einen leichten Bevölkerungsrückgang an. Dabei überstieg seit den 90er Jahren<br />

die Zahl der Todesfälle die Geburtenrate, so dass der Geburtenüberschuss auch im Jahre<br />

2003 mit -900 negativ ausfiel (STATEC, 2004).<br />

Fruchtbarkeitsziffern<br />

Die Durchschnittszahl an Kindern je Frau ist dabei seit 1990 mehr oder weniger konstant<br />

geblieben und belief sich im Jahre 2003 auf 1.63.<br />

Sterblichkeit<br />

Wie in allen Industrienationen sind die Sterbequoten in Luxemburg in den letzten Jahrzehn-<br />

ten stark gesunken. Seit 1990 waren jährlich rund 3 700 Todesfälle (Ausnahme 2003) zu<br />

verzeichnen. Dies entspricht einer Sterberate (Todesfälle pro 1 000 Einwohner) von ungefähr<br />

9.0, während sie im Jahre 1989 noch bei ca. 10.5 lag (STATEC, 2003). Angaben der Statec<br />

lassen in Zukunft eine weiterhin konstant niedrige Sterberate, wenn nicht sogar ein leichter<br />

Rückgang der Sterblichkeit erwarten.<br />

Lebenserwartung<br />

Analog zum Rückgang der Sterblichkeit hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung der<br />

luxemburgischen Bevölkerung innerhalb von 30 Jahren bei Männern um acht und bei den<br />

Frauen um sechs Jahre erhöht (STATEC, Gesellschaftsporträt), wobei sie im Jahre 2002 ei-<br />

nen Höchstwert von 74,9 Jahren bei den Männern und von 81 Jahren bei den Frauen, er-<br />

reichte (STATEC, 2004).<br />

1.13.2 Mobilitätsfaktoren<br />

Wanderungsbewegungen<br />

Die Wanderungsbewegungen stellen angesichts des hohen Ausländeranteils und der Anglei-<br />

chung der Fruchtbarkeitsziffern ausländischer und einheimischer Frauen den eigentlich be-<br />

stimmenden Faktor der Bevölkerungsentwicklung dar. Der jährliche Mittelwert des Wande-<br />

rungssaldos (solde migratoire) betrug in den letzten 10 Jahren über 10‰, ganz im Gegen-<br />

satz zu den Ländern der europäischen Union mit einem Mittelwert von ungefähr 2.3‰.<br />

Ein Vergleich des durchschnittlichen jährlichen Wanderungssaldos mit anderen europäi-<br />

schen Ländern veranschaulicht die klare Spitzenposition Luxemburgs, was die Wanderungs-<br />

bewegungen anbelangt.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 53<br />

Abbildung 6: Durchschnittlicher Wanderungssaldo 1990–2000 (Quelle: Statec, 2004)<br />

1.13.3 Entwicklungsprognosen<br />

Gesamtbevölkerung und Nationalitäten<br />

Ausgangspunkt der Bevölkerungsprognosen im statistischen Jahrbuch der STATEC (2004)<br />

ist der Bevölkerungsstand zum 1.1.1995 (406 600 Einwohner). Es ist mit 493 000 im Jahre<br />

2010 bis zu 744 000 Personen im Jahre 2050 zu rechnen.<br />

Abbildung 7: Bevölkerungsprojektion (Quelle: Statistisches Jahresbuch Grossregion, 2004, S. 26)<br />

Fruchtbarkeit: Es wurden zwei Varianten berechnet. Bei der ersten bleibt die Fruchtbarkeit<br />

konstant mit 1,7 Kindern je Frau, bei der zweiten steigt sie von 1,7 bis zu 1,95 im Jahre 2010<br />

und bleibt dann konstant bis 2030.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 54<br />

Sterbewahrscheinlichkeit: Die Lebenserwartung bei der Geburt steigt bei den Männern von<br />

72,4 Jahren im Jahre 1991 auf 77,4 im Jahr 2030, bei den Frauen von 79,1 auf 84,3 Lebens-<br />

jahre.<br />

Wanderungen: Die zentralen Varianten gehen von jährlichen Wanderungssalden zwischen<br />

1 000 und 4 000 Personen aus.<br />

Abbildung 8: Hypothesen über die Wanderungssalden in den nächsten 10 bis 50 Jahren (Quelle:<br />

Statec, 2004)<br />

Altersgruppen<br />

Es ist zu erwarten, dass die über 60-Jährigen zahlenmässig schon bald stärker als die unter<br />

20-Jährigen vertreten sein werden. Dabei ist bereits im Jahre 2020 mit 26,5% von über 60-<br />

Järhigen im Vergleich zu 24% unter 20-Järigen auszugehen. Dies obwohl die luxemburgi-<br />

sche Bevölkerung innerhalb eines Vergleiches der Grossregion (Saarland, Lorraine, Rhein-<br />

land-Pfalz, Allonie, Luxemburg) dank einer starken Zuwanderung von erwerbsfähigen Perso-<br />

nen noch relativ jung und fruchtbar ist und beständig anwächst.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 55<br />

Abbildung 9: Bevölkerungsprojektion: 60 Jahre und älter (Quelle: Statistisches Jahrbuch Grossregion,<br />

2004)<br />

Gesamtlastenquotient<br />

Die Gesamtlastquote (Anzahl Personen über 60 oder unter 20 Jahren auf 1 000 Personen im<br />

Alter zwischen 20 und 59 Jahren) betrug im Jahre 2004 763 und wird gemäss den Progno-<br />

sen der STATEC kontinuierlich steigen (Statistisches Jahrbuch Grossregion, 2004, S. 27).<br />

1.14 Wirtschaft, Beschäftigung, Lebensstandard<br />

Die Versorgungsplanung ist u.a. auch von ökonomischen und beschäftigungspolitischen<br />

Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes abhängig, weshalb Daten zu sozioökonomi-<br />

schen Faktoren unabdingbar sind.<br />

Die nachfolgenden Ausführungen weisen anhand verschiedener Indikatoren (u.a. BIP, Ar-<br />

beitslosigkeit, Sozialausgaben) auf die wirtschaftliche Stärke des Grossherzogtums hin.<br />

1.14.1 Wirtschaftssektoren und Erwerbsbevölkerung<br />

Die Wirtschaftsstruktur Luxemburgs hat wie alle industrialisierten Länder in den letzten Jahr-<br />

zehnten erhebliche Umwälzungen erfahren. Neben einem Rückgang des landwirtschaftlichen<br />

Sektors kommt in Luxemburg ein im Vergleich zu anderen europäischen Ländern überdurch-<br />

schnittliches Wachstum der Dienstleistungen, welche auch beschäftigungspolitisch zum<br />

bedeutendsten Wirtschaftssektor geworden sind, hinzu.<br />

In den Jahren von 1970 bis 2000 hat die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft von<br />

13.1 auf 4.5 um zwei Drittel abgenommen, während die Beschäftigtenzahl im Dienstleis-<br />

tungssektor mehr als das Doppelte stieg. Die Beschäftigtenzahl hat sich seit 1995 sowohl im<br />

industriellen als auch im Dienstleistungsbereich auf einem konstanten Wert um 3.9 resp. um<br />

34.8 eingependelt. Dabei kommt dem internationalen Finanzplatz Luxemburg heute eine ü-<br />

berragende Bedeutung zu. Dieser hat in den letzten drei Jahrzehnten eine markante Zunah-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 56<br />

me von Finanzinstituten mit mehrheitlich internationaler Beteiligung verzeichnet (STATEC,<br />

2004).<br />

Ab Mitte der 80er Jahre und bis zum Jahr 2004 erreichte die durchschnittliche BIP-<br />

Wachstumsrate in Luxemburg ein Rekordniveau von über 5% und lag damit im Vergleich<br />

weit über dem Wachstum der anderen Länder Europas, mit Ausnahme Irlands (Statec,<br />

2004).<br />

Die Wachstumsbeschleunigung impliziert den verstärkten Rückgriff auf eingewanderte Ar-<br />

beitnehmer und Grenzgänger, wobei über ein Drittel der Arbeitsplätze von Grenzgängern be-<br />

setzt ist. Die Anzahl Grenzgänger wuchs von 28 600 im Jahr 1989 auf 106 900 im Jahr 2003.<br />

Das bedeutet einen Anstieg von über 374% (STATEC, 2004). Den grössten Anteil machen<br />

mit 52 000 Personen die Franzosen aus.<br />

Die aussergewöhnliche wirtschaftliche Entwicklung und Prosperität des Landes seit 1985 ist<br />

gemäss einem Bericht der STATEC (2003) auf folgende Faktoren zurückzuführen:<br />

• das anhaltende Wachstum des Finanzsektors;<br />

• ein produktiver und wettbewerbsfähiger Industriesektor;<br />

• ein hohes Niveau und Wachstum der Investitionen;<br />

• relativ geringe Lohnausgaben (Lohnsteuern, Sozialbeiträge);<br />

• eine sinkende globale öffentliche Ausgabenquote und rückläufige öffentliche Ausga-<br />

ben.<br />

1.14.2 Arbeitslosigkeit<br />

Insgesamt umfasste die Erwerbsbevölkerung im Jahre 2003 291 500 Personen. Davon wa-<br />

ren 7 600 arbeitslos. Die offizielle Arbeitslosenquote betrug dabei 3.8%. Obwohl die Arbeits-<br />

losenquote in den letzten Jahren gestiegen ist, bleibt sie innerhalb der EU-Staaten die nied-<br />

rigste.<br />

1.14.3 Lebensstandard<br />

Im Bereich der Indikatoren der reinen „Wirtschaftsleistungen“ – BIP pro Einwohner, sichtbare<br />

Arbeitsproduktivität (BIP/Beschäftigung) – befindet sich Luxemburg an der Spitze der Indust-<br />

rieländer. Im Jahre 2003 wurde in Luxemburg sogar das höchste Bruttoinlandprodukt pro<br />

Kopf der Bevölkerung in Europa erwirtschaftet. Ein Vergleich des Konsums der privaten<br />

Haushalte bzw. des individuellen Konsums (in Kaufkraftstandard KKS ausgedrückt) verdeut-<br />

licht, dass die durchschnittliche Kaufkraft der Bewohner Luxemburgs die durchschnittliche<br />

Kaufkraft der EU im Jahre 2001 um mehr als 42% übertraf (STATEC, 2003).<br />

Im Vergleich mit den europäischen Ländern hat Luxemburg neben Spanien und Irland, ge-<br />

messen am BIP, die geringsten Sozialausgaben.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 57<br />

Abbildung 10: Ausgaben für die soziale Sicherung in den 15 EU Ländern (1999)<br />

(Quelle: Grossregionalstatistik, 2004)<br />

Dennoch weisen Zahlen der STATEC und Angaben der Obdachlosenhilfe<br />

(http://www.caritas.lu) auf eine Zunahme der Sozialhilfeempfänger hin (siehe auch Kap. 4.6).<br />

Darunter dürften sich vermehrt psychisch Kranke befinden, die aktuell nicht zur Erzielung ei-<br />

nes Erwerbseinkommens in der Lage sind. Dazu kommt der zunehmend knappe und teure<br />

Wohnraum in Luxemburg mit einer Durchschnittsmiete von 553 Euro im Vergleich zu 350 Eu-<br />

ro in den anderen Ländern der Grossregion (STATEC, 2004). Dies macht sich – angesichts<br />

der wachsenden Zahl der Ein-Personenhaushalte – besonders gravierend bei Wohnungen<br />

für Alleinstehende bemerkbar und erschwert es psychisch Kranken zunehmend, in den grös-<br />

seren Städten, wo sich die psychiatrischen Versorgungseinrichtungen noch immer mehrheit-<br />

lich konzentrieren, finanzierbaren Wohnraum zu finden.<br />

1.15 Verkehrserschliessung<br />

Die verkehrstechnische Erschliessung spielt für die psychiatrische Versorgungsplanung eine<br />

bedeutende Rolle. Wie im Kapitel 3 bereits erwähnt, zeigen neue Untersuchungen u.a. auf-<br />

grund eigener Studien (Rössler et al., 1991) auf, dass bereits ein Zeitaufwand von mehr als<br />

einer halben Stunde deutlichen Einfluss auf das Inanspruchnahmeverhalten von Patienten<br />

haben kann. Folglich wurde das Netz öffentlicher Verkehrsverbindungen in Luxemburg auf<br />

diese Aspekte hin untersucht.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 58<br />

1.15.1 Strassennetz<br />

Verkehrstechnisch ist vor allem der Süden des Landes gut erschlossen. Autobahnverbindun-<br />

gen bestehen von Luxemburg/Stadt aus in westlicher und in südlicher Richtung bis zur fran-<br />

zösischen Grenze und im Osten bis zur deutschen Grenze. Zusätzlich verlaufen sternförmig<br />

von Luxemburg/Stadt aus Europastrassen in alle Landesteile. Die kleineren Städte und Ort-<br />

schaften vor allem in Norden, Nordwesten und Osten sind über National- und Landstrassen<br />

zu erreichen. Fahrzeiten mit einem PKW über eine Stunde treten von Luxemburg/Stadt v.a.<br />

bei Reisen in den Norden und Nordosten auf. In den letzten Jahren wurde zudem das Stras-<br />

sennetz, v.a. die Autobahnen, massiv ausgebaut, ihre Anzahl verdoppelte sich von 78 im<br />

Jahr 1990 auf 146 im Jahr 2004.<br />

1.15.2 Bahn- und Busverbindungen<br />

Luxemburg verfügt über ein gut ausgebautes Netz öffentlicher Verkehrsmittel. Wie beim<br />

Strassenetz ist jedoch auch hier der südliche Landesteil am besten erschlossen.<br />

Die Hauptstrecken des luxemburgischen Eisenbahnnetzes verlaufen fast alle sternförmig von<br />

der Stadt Luxemburg aus. Busverbindungen bestehen zum Teil parallel zu den Eisenbahnli-<br />

nien, wobei v.a. die ländlichen Gebiete im Norden nur per Bus zu erreichen sind.<br />

1.16 Das Sozial- und Krankenversicherungswesen Luxemburgs<br />

Das Sozialversicherungswesen Luxemburgs teilt sich auf in:<br />

• das Krankenversicherungssystem<br />

• die Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenrente<br />

• die Arbeitslosenversicherung<br />

• die Berufsunfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

• das garantierte Mindesteinkommen (revenu minimum garanti)<br />

• spezielle Zuschüsse (Pflegeversicherung, Kindergeld, Einkommen für Behinderte)<br />

1.16.1 Die Krankenversicherung<br />

Die Krankenkassen Luxemburgs sind nach Berufen gegliedert, wobei je eine für Landwirt-<br />

schaft und freie Berufe, zwei für Arbeiter und fünf für Angestellte zuständig ist. Es besteht<br />

dabei eine gesetzliche Versicherungspflicht. Davon befreit sind Personen ohne geregelte Ar-<br />

beit (Rössler et al., 1992).<br />

Die einkommensabhängige Beitragshöhe beträgt einheitlich 5.4% des Einkommens, zuzüg-<br />

lich 0.2–4.7% bei Berufstätigen für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle. Die Hälfte dieser


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 59<br />

Beiträge wird vom Arbeitgeber resp. von der zuständigen Rentenkasse übernommen (Quel-<br />

le: UCM).<br />

Die Krankenkassen übernehmen neben den Leistungen für Behandlung und Medikamente<br />

auch die Kosten des Verdienstausfalls (Krankengeld) und die Bestattungskosten. Bei Vorlie-<br />

gen einer medizinischen (z.B. Behandlung in einer Spezialklinik) oder sozialen Indikation<br />

(z.B. Schutz der Privatsphäre) können Behandlungen auf Kosten der Krankenkasse auch im<br />

Ausland durchgeführt werden (Quelle: Angaben des Gesundheitsministeriums).<br />

Grundsätzlich werden alle im Plan Hospitalier vorgesehenen Massnahmen von den Kran-<br />

kenkassen getragen. Genaue Angaben zum Plan Hospitalier sind dem Kap. 4.10 zu entneh-<br />

men (Quelle: Angaben des Gesundheitsministeriums).<br />

1.16.2 Die Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenpension<br />

Die Altersrente wird ab dem 65. Lebensjahr, in Ausnahmefällen auch früher, zuerkannt. Die<br />

Höhe der Leistungen ist dabei von der Dauer der Beitragszahlung abhängig. Auf Wunsch<br />

des Versicherten kann die Pensionierung aber auch bis zum 68. Lebensjahr verzögert wer-<br />

den.<br />

Leistungen der Invalidenkasse werden dann zuerkannt, wenn der Antragssteller infolge einer<br />

Krankheit, Gebrechens oder infolge einer Abnützung seiner Kräfte nicht mehr in der Lage ist,<br />

seinen zuletzt ausgeübten Beruf weiterzuführen und sofern er das 65. Altersjahr noch nicht<br />

überschritten hat. Die Höhe der Rente richtet sich dabei nach Höhe und Dauer der Beitrags-<br />

zahlungen.<br />

Bei der „vorgezogenen Alterspension“ kann in begrenztem, zu der „Regelalterspension“ in<br />

unbegrenztem Umfang hinzuverdient werden. Teilberentungen sind hingegen nicht möglich.<br />

1.16.3 Das garantierte Mindesteinkommen<br />

Das garantierte Mindesteinkommen sind einheitlich finanzierte Zuwendungen für finanz-<br />

schwache Personen. Dies besteht entweder aus einer „Eingliederungspauschale“ oder ei-<br />

nem Zuschuss aus dem „Nationalen Solidaritätsfonds“ zum normalen Einkommen, um das<br />

Mindesteinkommen zu erreichen. Die Höhe des Zuschusses hängt dabei von der Anzahl der<br />

im Haushalt lebenden Personen ab. Leistungsempfänger des garantierten Mindesteinkom-<br />

mens ist dabei jeweils nur ein Mitglied eines Haushaltes. Zurzeit beträgt das Mindestein-<br />

kommen 1024,31 € pro Monat für eine Person, 1536,5 € für einen Haushalt mit zwei Er-<br />

wachsenen und 93,13€ pro Kind. Die Tarife werden dabei jährlich an die Preisentwicklung<br />

angepasst. Die Zahl der Haushalte, die ein garantiertes Mindesteinkommen in Anspruch<br />

nehmen, erhöhte sich von 2 675 (1986) auf 5 853 (2002) um das Doppelte. Dabei lebten im<br />

Jahr 1999 ca. 12% der Haushalte nahe am Existenzminimum (Indikator für „Armutsrisiko)<br />

(Quelle: www.caritas.lu). Luxemburg lag damit im Vergleich der europäischen Union im Mit-<br />

telbereich. Obwohl die Zahl der psychisch Kranken, die von der Sozialhilfe abhängen, nicht<br />

bekannt ist, muss von einer relativ hohen Anzahl ausgegangen werden (STATEC, 2003).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 60<br />

Darunter dürften vorwiegend psychisch Kranke fallen, die aktuell nicht zum Erzielen eines<br />

Erwerbseinkommens fähig sind und sich nicht in stationärer Behandlung befinden.<br />

1.16.4 Spezielle Zuschüsse<br />

Dokumentationen aus dem Gesundheitsministerium weisen zudem auf spezielle Zuschüsse<br />

hin, die in den letzten Jahren eingeführt wurden:<br />

• Doppeltes Kindergeld: Für Kinder unter 18 Jahren, mit einer körperlichen oder geisti-<br />

gen Behinderung von mindestens 50%. Diese erhalten zurzeit 181.08 € pro Monat.<br />

• Pflegeversicherung: Diese wurde im Jahre 1999 rechtsgültig und übernimmt für alle<br />

Altersklassen die Finanzierung von Hilfeleistungen im Bereich Körperhygiene, Ernäh-<br />

rung oder Mobilität. Dabei werden die Pflegedienste entweder direkt oder über die Be-<br />

troffenen bzw. deren Angehörigen finanziert.<br />

• Einkommen für Behinderte: Dieses Gesetz garantiert den Anspruch von Behinderten<br />

auf eine geregelte Arbeit in speziellen Werkstätten oder in Betrieben auf dem freien<br />

Arbeitsmarkt. Das Gesetz ist aktuell noch in Ausarbeitung, weshalb die genauen<br />

Ausübungsbestimmungen noch unklar sind.<br />

1.17 Finanzierung der psychiatrischen Versorgung in Luxemburg<br />

1.17.1 Organisationsstruktur und Trägerschaften<br />

Die Finanzierung der psychiatrischen Versorgung ist in Luxemburg durch ein dualistisches<br />

Finanzierungssystem geprägt. Die Kosten der (teil-)stationären und psychiatrischen Versor-<br />

gung werden dabei von den Krankenkassen übernommen, während der ausserstationäre<br />

Bereich (u.a. Beratungsstellen, Wohneinrichtungen, Werkstätten) zwar von freigemeinnützi-<br />

gen Trägern geführt, jedoch durch Verträge mit den verantwortlichen Ministerien finanziert<br />

wird (ASFT-Gesetz des 8. Septembers 1998, siehe Kap. 4.10).<br />

Dabei hängt die Zuständigkeit eines Ministeriums von der Art der Hilfe einer Einrichtung ab.<br />

So arbeitet das Gesundheitsministerium mit denjenigen Einrichtungen zusammen, deren Auf-<br />

trag vorwiegend medizinisch-psychiatrisch definiert ist (Krankenhäuser, Drogenbereich, Psy-<br />

chiatrie). Dem Familienministerium unterstehen mehrere Einrichtungen im Vorfeld oder im<br />

komplementären Bereich, wie z.B. Alters- und Pflegeheime und Einrichtungen für geistig Be-<br />

hinderte. Das Gleiche gilt für das Sozialministerium, das z.T. auch Funktionen im psychiatri-<br />

schen Vorfeld wahrnimmt. Obwohl die Aufgabenbereiche der Ministerien theoretisch klar ge-<br />

trennt sind, kann es in der Praxis dennoch zu bürokratischen Überschneidungen kommen,<br />

weshalb eine Zusammenarbeit und verstärkte Abstimmung unumgänglich sind.<br />

Was die Finanzierung des Personals anbelangt, so besteht eine Art „Numerus Clausus“, der<br />

über die jährliche Verteilung der Personalstellen im ausserstationären Bereich entscheidet.<br />

Sind zusätzliche Stellen zu schaffen, können diese in einem Kabinettsbeschluss zugespro-<br />

chen werden.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 61<br />

1.17.2 Leistungen und Finanzierung<br />

Ambulant tätige Psychiater werden von den Krankenkassen nach einem Einzelleistungskata-<br />

log bezahlt. Die Krankenhäuser selbst werden hingegen durch Tagespauschalen finanziert.<br />

Die Höhe sowohl der Einzelleistungsgebühren wie auch der Krankenhauspauschalen werden<br />

jährlich in Verhandlungen mit den entsprechenden Verbänden und den Krankenkassen fest-<br />

gelegt. Eine psychotherapeutische Behandlung wird nur dann von den Krankenkassen be-<br />

zahlt, wenn sie von einem Facharzt für Psychiatrie durchgeführt wird. Ausser dem Centre<br />

Hospitalier und dem CHNP kassieren die ambulant tätigen Ärzte (Belegärzte) die Honorare<br />

selbst, also nicht das Krankenhaus. Im ambulanten Bereich verschriebene Medikamente<br />

müssen von den Patienten selbst gekauft werden und werden anschliessend von den Kran-<br />

kenkassen zu 80% zurückerstattet (Quelle: UCM).<br />

Das Pflegepersonal wird in allen Kliniken durch das Personalbemessungsinstrument PRN<br />

(„Projet de recherche en nursing“) berechnet, welches auf internen Erhebungen der einzel-<br />

nen Krankenhäusern beruht. Personelle Unterschiede sind deshalb immer auf ungleiche in-<br />

terne Berechnungen zurückzuführen (Quelle: UCM). Eine Eignungsprüfung dieses Erhe-<br />

bungsinstrumentes für den Bereich Psychiatrie wäre aus verschiedenen Gründen (u.a. erfor-<br />

derliche Multidisziplinarität, Aufwand der Berechnungen) zu bedenken (vgl. u.a. Kap. 6 und<br />

7.4.3).<br />

1.17.3 Fazit<br />

Wie die vorangehenden Ausführungen zeigen, ist die psychiatrische Versorgung in Luxem-<br />

burg durch ein vielschichtiges Versorgungssystem charakterisiert. Dies betrifft sowohl die<br />

Mittelaufbringung, d.h. die beteiligten Kostenträger, als auch den Mitteltransfer, worunter die<br />

Finanzierungsflüsse, -sicherheit und -kontinuität sowie die Vergütungsformen zu verstehen<br />

sind.<br />

Es sind dabei verschiedene Kostenträger in die Finanzierung eingebunden. Neben den öf-<br />

fentlichen Mitteln spielen auch private Mittel der Patienten, z.B. in Form von Selbstbehalten<br />

(bspw. Medikamente), eine wesentliche Rolle. Der Mitteltransfer ist vor allem durch eine<br />

Fragmentierung in unterschiedliche Finanzierungsströme charakterisiert. So werden zum ei-<br />

nen psychiatrische Leistungen des Gesundheitsbereichs getrennt von den Leistungen des<br />

Sozialbereichs finanziert, aber z.B. auch innerhalb der Bereiche „Gesundheit“ finden sich ge-<br />

trennte Finanzierungsmodi (ausserstationärer vs. stationärer Bereich).<br />

Neben den unterschiedlichen Finanzierungsflüssen sind auch die Vergütungsformen für die<br />

einzelnen Einrichtungen/Dienste verschieden gestaltet. Im Gesundheitsbereich besteht so-<br />

wohl im ambulanten als auch im stationären System ein Mischsystem zwischen Einzelleis-<br />

tungsvergütung wie auch Pauschalvergütung, wobei diese unterschiedlich ausgestaltet und<br />

regelmässig neu adaptiert bzw. zwischen den verschiedenen Vertragspartnern neu verhan-<br />

delt werden müssen.<br />

Finanzierungsstrukturen sind auch immer mit spezifischen Anreizen für die beteiligten Akteu-<br />

re – Patienten, Kostenträger und Leistungsanbieter – verbunden. Zum einen steuern die An-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 62<br />

reize die Wahl der Versorgungsebenen, wobei die Versorgung heute eher auf eine Spitals-<br />

zentrierung hin orientiert ist. Durch das bisherige Tarifsystem wird eher ein Anreiz zur Steige-<br />

rung der stationären Fallzahlen gesetzt, wobei seitens des Staates normalerweise wenig In-<br />

teresse besteht, einer krankenhauslastigen Versorgung entgegenzuwirken, weil jede Mehr-<br />

leistung im ausserstationären Bereich eine Ausgabensteigerung bedeutet. Es wird zudem ein<br />

Anreiz gesetzt, die einzelnen Aufenthalte möglichst nicht über eine festegelegte Verweildau-<br />

erobergrenze hinaus zu verlängern, da eine Überschreitung für die jeweiligen Krankenhäuser<br />

aus finanzieller Sicht unattraktiv ist.<br />

1.18 Rechtliche Aspekte der psychiatrischen Behandlung<br />

Das Gesetz über Zwangseinweisungen befindet sich aktuell in Überarbeitung. Da dieses Ge-<br />

setz in Anbetracht der vielen Zwangseinweisungen in Luxemburg jedoch eine wesentliche<br />

Rolle einnimmt, wird kurz auf das bisherige Reglement verwiesen und danach die aktuelle<br />

Handhabung betreffend Zwangseinweisungen skizziert.<br />

1.18.1 Zwangseinweisungen gemäss altem Gesetz<br />

Einweisungsberechtigt sind nach dem alten Gesetz:<br />

• Vormund oder Pfleger;<br />

• Familienmitglieder oder sonstige beteiligte Personen;<br />

• Bürgermeister und öffentliche Sicherheitsbeauftragte (z.B. Polizei);<br />

• Staatsanwaltschaft;<br />

• Vormundschaftsrichter;<br />

• Ärzte (sofern nicht an die zugewiesene Klinik gebunden).<br />

Als Einweisungsgründe gelten dabei Eigen- oder Fremdgefährdung durch psychische Stö-<br />

rungen. Ist eine Person einmal eingewiesen, so überprüft jeweils am Ende einer Beobach-<br />

tungsperiode von 14 Tagen ein Psychiater die Notwendigkeit eines weiteren stationären Auf-<br />

enthaltes. Die maximale Dauer der Beobachtungsperioden beträgt dabei zweimal 14 Tage.<br />

Danach erfolgt die Überprüfung in grösser werdenden zeitlichen Abständen, jeweils in Ab-<br />

sprache mit dem Gericht. Bei Wegfall des Unterbringungsgrundes muss der Patient entlas-<br />

sen werden, wobei er die Behandlung jedoch jederzeit auf freiwilliger Basis fortsetzen kann.<br />

1.18.2 Aktuelle Situation betreffend Zwangseinweisungen<br />

Die Zahl der Zwangseinweisungen betrug im Jahr 2003 rund 545, was also über ein Drittel<br />

aller 1 200 Aufnahmen im CHNP ausmachte (Quelle: CHNP). Auf die Wohnbevölkerung Lu-<br />

xemburgs umgerechnet, ergibt dies eine Rate von rund 100 Zwangseinweisungen pro<br />

100 000 Einwohner. Damit liegt Luxemburg im europäischen Vergleich neben Deutschland


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 63<br />

an der Spitze, wobei auch diese Daten mit Blick auf die unterschiedlichen Gesetze und Be-<br />

rechnungsarten betrachtet werden müssen (vgl. Kap. 3.3).<br />

Gemäss Angaben verschiedener Fachpersonen sind etwa ein Viertel der zwangseingewie-<br />

senen Personen in Luxemburg psychotisch Kranke, in rund der Hälfte der Fälle wird dagegen<br />

übermässiger Drogen- und Alkoholkonsum diagnostiziert. In der Mehrheit der Fälle scheint<br />

eine Zwangseinweisung nicht notwendig, wohingegen eine kurze Zeit der Beobachtung bzw.<br />

Phase der Ausnüchterung ausreichen würde. Seit geraumer Zeit gehen die Forderungen<br />

deshalb in Richtung Reform des geltenden Gesetzes. Das Gesetz muss aufgrund des „Plan<br />

Hospitalier 2001“ ohnehin überarbeitet werden. Dabei werden die vier Allgemeinspitäler<br />

Hospital Kirchberg, Clinique St. Louis, Centre Hospitalier und Centre Hospitalier Emil May-<br />

risch verpflichtet, auch die Verantwortung für unfreiwillig eingewiesene Patienten zu über-<br />

nehmen. Dies ist jedoch erst ab Mitte <strong>2005</strong> bzw. bei Inkrafttreten des neuen Zwangseinwei-<br />

sungsgesetzes durchführbar. Einerseits sind aus technischen und infrastrukturellen Gründen<br />

geschlossene Unterbringungen derzeit nur in der psychiatrischen Fachklinik CHNP möglich.<br />

Andererseits verunmöglicht das bisherige Gesetz für Zwangseinweisungen einem Arzt die<br />

Einweisungen in die eigene Klinik. Zurzeit darf ein Psychiater nur Zwangseinweisungen in<br />

eine Klinik verfügen, an die er nicht liiert ist. Dies kann nicht mehr funktionieren, wenn der<br />

Dienst tuende Psychiater eines Akutkrankenhauses im Bereitschaftsdienst Patienten in des-<br />

sen geschlossene Abteilungen einweisen soll. Dieses Gesetz ist deshalb seit Ende 2004 in<br />

Überarbeitung.<br />

1.19 Die Ausbildung medizinischer und psychiatrischer Fachkräfte<br />

Da Luxemburg keine eigene Universität besitzt, sind alle in Luxemburg tätigen Psychiater<br />

und Psychologen an ausländischen Hochschulen ausgebildet. Demzufolge unterscheiden<br />

sich die Ausbildungen der psychiatrischen Fachkräfte zum Teil stark voneinander. Im psy-<br />

chotherapeutischen Bereich führt dies zu einer deutlichen Heterogenität, da die Therapeuten<br />

den unterschiedlichen Schulen und Anforderungen der jeweiligen Ausbildungsländer ver-<br />

pflichtet sind. Psychiater haben jedoch die Möglichkeit, nach dem Studium einen Teil der<br />

Facharztausbildung in Luxemburg zu absolvieren.<br />

Die Ausbildung zur psychiatrischen Fachpflegekraft erfolgt in Luxemburg über eine dreijähri-<br />

ge direkte Ausbildung zur psychiatrischen Pflegekraft mit einer anschliessenden einjährigen<br />

Weiterbildung für bereits diplomierte Krankenpfleger bzw. -schwestern zu erreichen.<br />

Aus verschiedenen Gründen hat das Interesse im medizinischen und paramedizinischen Be-<br />

reich nachgelassen, weshalb Luxemburg auf die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte an-<br />

gewiesen ist. Gegenwärtig ist es angesichts der sehr günstigen Verdienstmöglichkeiten in<br />

Luxemburg noch möglich, den Bedarf an psychiatrischem Fachpersonal aus angrenzenden<br />

Ländern zu decken. Es ist allerdings fraglich, wie lange dieser Vorteil, aufgrund der Ver-<br />

schärfung des Pflegenotstandes in den Nachbarländern und der damit zu erwartenden Ver-<br />

besserung der tariflichen Situation, noch erhalten bleibt.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 64<br />

1.20 Analyse der psychiatrischen Versorgung Luxemburgs in der Vergangenheit<br />

Seit den fünfziger Jahren war die psychiatrische Versorgung Luxemburgs mehrfach Gegens-<br />

tand von Bestandesaufnahmen und Analysen. Dabei wurden verschiedenste Leitlinien entwi-<br />

ckelt, deren Umsetzung jedoch nur zum Teil gelang. Zu einem besseren Verständnis der Si-<br />

tuation, in der sich Luxemburg zurzeit befindet, sollen im Folgenden die wichtigsten Meilen-<br />

bzw. Stolpersteine in Luxemburgs Entwicklung in Richtung einer modernen Psychiatrie be-<br />

schrieben werden.<br />

1971 wurde ein Entwicklungsplan für die Dienste der <strong>Santé</strong> Publique, wiederum vom Europa-<br />

Regionalbüro der WHO im Auftrag der luxemburgischen Regierung, erstellt (Aujaleu &<br />

Rösch, 1971). Die damals ermittelte Bettenzahl betrug 3.95 pro 1 000 Einwohner. Die wich-<br />

tigsten damaligen Empfehlungen lauteten:<br />

• die Auflösung der Anstalt in Betzdorf (die dann auch erfolgte);<br />

• die Verringerung der Bettenzahl im CHNP;<br />

• die Gründung von drei neuen psychiatrischen Fachabteilungen an Allgemeinkranken-<br />

häusern in Luxemburg/Stadt, Esch und Ettelbrück (entsprechende Gründungen er-<br />

folgten am Centre Hospitalier 1977, am Hôpital de la Ville d’Esch 1981 und an der<br />

Clinique St. Louis 1979);<br />

• die Einrichtung neuropsychiatrischer Ambulanzen an den psychiatrischen Klin-<br />

ken/Abteilungen;<br />

• die Einrichtung sozialmedizinischer bzw. sozialpsychiatrischer Zentren in Esch und im<br />

Osten des Landes;<br />

• die Aufstockung auf 491 gerontopsychiatrische Pflegebetten;<br />

• eine Reform der Krankenversicherungsgesetzgebung sowie der ärztlichen Ausbil-<br />

dung.<br />

Neben diesen Berichten bemühte sich vor allem der luxemburgische Neuropsychiater Dr.<br />

Hastert über Jahre hinweg um die Weiterentwicklung und Umstrukturierung der psychiatri-<br />

schen Versorgung in Luxemburg. So wurde 1960 unter seiner Beteiligung das Dispensaire<br />

d’Hygiène Mentale (1973 in „Centre de <strong>Santé</strong> Mentale“ umbenannt) geschaffen. Zudem wur-<br />

den immer wieder Verbesserungen gefordert, bzw. einen Ausbau im Bereich von:<br />

Tages- und Nachtkliniken, Geschützten Werkstätten, Gerontopsychiatrischen Einrichtungen,<br />

Suchtstationen in den Allgemeinkrankenhäusern, Ausbildung der psychiatrischen Pflegekräf-<br />

te, kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung.<br />

In einem Bericht für den Europarat über die psychische Gesundheit im Jahre 1976 wurden<br />

diese Forderungen wiederholt und wiederum die Notwendigkeit eines Wechsels einer kusto-<br />

dial geprägten Psychiatrie hin zu einer gemeindenahen, präventionsbezogenen Versorgung<br />

betont. Zur Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen wurde dabei ein Gesetz zur so-<br />

zialen Rehabilitation psychisch Kranker und Behinderter vorgeschlagen (Rössler, 1992).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 65<br />

Im Jahre 1990 wurde das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim unter der Lei-<br />

tung von Prof. Häfner und der Mitarbeit von Prof. Rössler und Dr. Salize durch das Ministeri-<br />

um für Gesundheit mit der Analyse der psychiatrischen Versorgung und der Ausarbeitung<br />

von Empfehlungen für eine Psychiatriereform beauftragt.<br />

Da die vorliegende Arbeit an diese <strong>Planungsstudie</strong> anknüpft, ist es von grosser Bedeutung,<br />

die damals formulierten Empfehlungen ausführlicher darzustellen. Eine detaillierte Zusam-<br />

menfassung der damaligen Empfehlungen ist deshalb dem Anhang zu entnehmen.<br />

1998 kam es im Gesundheitsministerium jedoch zu einem Eklat, den man im Luxemburg<br />

„Dysfunktionnement“ nannte. Dabei erfolgten Finanzverteilungen, die nicht den Regeln des<br />

Staates entsprachen. Im Rahmen der daraus folgenden Untersuchung kam es zu einem<br />

Stillstand des Gesundheitsapparates, wobei auch die Psychiatriereform zurückgestellt wurde<br />

und im Koalitionsprogramm der neuen Regierung keine Erwähnung fand.<br />

Im Jahr 2000 wurde durch den damaligen Gesundheitsminister C. Wagner eine Kampagne<br />

„für eine offene Psychiatrie“ lanciert. Dadurch wurde eine Arbeitsgruppe unter der Leitung<br />

von Hr. Consbruck einberufen, welche Massnahmen zur Dezentralisierung erarbeiten sollten.<br />

Folgende Entwicklungen sind auf deren Arbeit zurückzuführen:<br />

• Zwischenbericht „Standortbestimmung Psychiatrie“;<br />

• Im Jahr 2001 trat das luxemburgische Reglement, welches einen nationalen Spital-<br />

plan („Plan Hospitalier“) etablierte, in Kraft.<br />

Dieser „Plan Hospitalier“ sah dabei eine Reorganisation der Spitallandschaft vor, wobei ein<br />

besonderer Akzent auf die ambulante Behandlung und auf die Modernisierung der aktuellen<br />

Infrastrukturen gesetzt wurde. Im psychiatrischen Bereich sah er hauptsächlich die Umwand-<br />

lung des CHNP in eine Rehabilitationsklinik und eine damit verbundene Reduktion der Bet-<br />

tenzahl auf 237 vor. Alle Akutbehandlungen sollen demgemäss den vier grossen regionalen<br />

Krankenhäuser in Ettelbrück (Clinique St. Louis), Esch/Alzette (Centre Hospitalier Emil May-<br />

risch) und Luxemburg-Stadt (Centre Hospitalier, Clinique Kirchberg) zufallen. Dafür sind je-<br />

weils 45 Akutbetten vorgesehen, davon je zwölf in „unités fermées“. Der Spitalplan sieht des<br />

Weiteren die Bildung von 50 Rehabilitationsbetten in so genannten „Foyer médicalisés“ zur<br />

Reintegration psychisch Kranker vor. Die Allgemeinkliniken sollen zudem ab Januar <strong>2005</strong><br />

auch alle Zwangseinweisungen aufnehmen, wobei nur straffällig Gewordene auf untersu-<br />

chungsrichterlichen Beschluss hin ins CHNP eingewiesen werden sollen.<br />

Nach der Implementierung des Plan Hospitalier nahmen die Reformbemühungen aus ver-<br />

schiedenen Gründen wieder ab. Innerhalb des CHNP wurden verschiedene Experten einbe-<br />

rufen, die Entwicklungsmöglichkeiten für das CHNP skizzierten. Diese wurden jedoch nicht<br />

konkretisiert, blieben fragmentarisch und wurden v.a. CHNP-intern diskutiert.<br />

• Dazu gehört ein Ende 2002 erstelltes Konzept namens „Centre hospitalier de réhabili-<br />

tation psychiatrique“. Dieses sah eine Ausgliederung von rund 100 Betten in der Nähe<br />

des Hôpital Princesse Marie-Astrid in Niederkorn und vier Stationen zur Langzeitthe-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 66<br />

rapie von Alkohol- bzw. Drogenabhängigen, psychotisch Kranken sowie eine psycho-<br />

geriatrische Station vor.<br />

Im Jahr 2004 wurde der neue Gesundheitsminister Mars di Bartolomeo gewählt. Dieser setz-<br />

te sich zum Ziel, die stagnierte Psychiatriereform voranzutreiben. Im Rahmen der Wiederauf-<br />

nahme der Verhandlungen, wurde die Arbeitsgruppe aus Vertretern des Gesundheitsministe-<br />

riums und der stationären Psychiatrie unter der Leitung von Hr. Consbruck reaktiviert. Dabei<br />

fanden verschiedene Sitzungen, Debatten und Briefwechsel mit dem Ministerium zur weite-<br />

ren Planung der Psychiatriereform und zur Umsetzung des Plan Hospitalier statt.<br />

• 22.10.04: Bericht der Arbeitsgruppe „Nationales Konzept in Sachen Psychiatrie“<br />

• 26.08.04: Bericht über den „Stand der Psychiatriereform und Perspektiven in Sache<br />

psychiatrische Nachbetreuung“ durch Dr. Weicherding (Koordinator der ausserstatio-<br />

nären Dienste)<br />

• 24.06.04: Rapport und Dokumentation der „Grunddebatte zur Organisation der Psy-<br />

chiatrie in Luxemburg und Ansichten zur Errichtung von Tageskliniken“ durch die<br />

Commission permanente pour le Secteur hospitalier (CPH)<br />

• 15.03.04 Bericht über die Umsetzung der Psychiatriereform in Luxemburg, das an-<br />

hand eines Treffens der Kommission „<strong>Santé</strong>“ der Abgeordnetenkammer durch Dr.<br />

Consbruck und Dr. Weicherding erstellt wurde.<br />

Die Debatten führten u.a. zum Beschluss, die Dezentralisierung weiter zu treiben, als dies<br />

der Plan Hospitalier vorsieht. Da die Empfehlungen der ‚<strong>Planungsstudie</strong> 1992’ nicht mehr ak-<br />

tuell sind, wurde eine erneute Bestandesaufnahme und sorgfältige Analyse des psychiatri-<br />

schen Gesundheitssystems Luxemburgs mit daraus resultierenden Leitlinien für die weitere<br />

Planung als unerlässlich betrachtet. In diesem Zusammenhang wurde im Dezember 2004 ei-<br />

ne Expertenstudie an die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich in Auftrag gegeben.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 67<br />

Darstellung der Ergebnisse der quantitativen Untersuchung (Bestandes-<br />

aufnahme)<br />

1.21 Einleitung<br />

Im Rahmen einer schriftlichen Befragung der verschiedenen Leistungserbringer wurde eine<br />

Bestandeserhebung der psychiatrischen Kernversorgung am Ende des Jahres 2004 durch-<br />

geführt. Angaben zu Methodik und Beschränkungen der Studie sind dem Kap. 2 zu entneh-<br />

men. Die Ergebnisse werden nachfolgend – den in Kap. 3 definierten Bausteinen der Ver-<br />

sorgung entsprechend – dargestellt. Eine bildliche Darstellung (Mind Map) der Versorgungs-<br />

landschaft findet sich dabei bei den Schlussfolgerungen im Kap. 5.8. Die aktuelle Erhebung<br />

ermöglicht zudem einen Vergleich zur psychiatrischen Versorgungslage im Jahre 1992. Da-<br />

bei werden die erfolgten Schritte zur Umsetzung der Empfehlungen der <strong>Planungsstudie</strong> von<br />

1992 deutlich. Eine exemplarische Gegenüberstellung der Versorgungssituation im Jahr<br />

1992 und im Jahr 2004 ist dem Anhang zu entnehmen.<br />

1.22 Stationärer Bereich: Allgemeinkrankenhäuser mit und ohne psychiatrische<br />

Fachabteilungen und psychiatrische Fachklinik<br />

1.22.1 Einleitung<br />

Luxemburg besitzt nach dem Verzeichnis des Gesundheitsministeriums (Carte Sanitaire<br />

2000) insgesamt 15 Krankenhäuser der medizinischen Versorgung. Zu diesen zählen neben<br />

dem CHNP, als nationale Einrichtung für psychiatrische Rehabilitation, noch drei weitere Re-<br />

habilitationseinrichtungen und drei Fachkliniken. Von den verbleibenden acht Allgemeinkran-<br />

kenhäusern verfügen vier Kliniken über ausgewiesene psychiatrische Abteilungen: das Cent-<br />

re Hospitalier (CHL) und das Hôpital Kirchberg (HK) in Luxemburg, die Clinique St. Louis in<br />

Ettelbrück (HSLE), das Centre Hospitalier Emil Mayrisch in Esch/Alzette (CHEM).<br />

Durch die Implementierung des Plan Hospitaliers haben alle Allgemeinkrankenhäuser in den<br />

letzten Jahren mehr oder weniger rigorose strukturelle oder organisatorische Veränderungen<br />

erfahren. Mehrere Klinken wurden fusioniert, Abteilungen wurden neu gebildet oder reorgani-<br />

siert, bestehende Bauten renoviert und neue Einrichtungen gebaut. Genauere Details betref-<br />

fend Restrukturierung und geplante Modernisierungsprojekte finden sich in den Dokumenta-<br />

tionen des Gesundheitsministeriums.<br />

Zur Identifikation jeglicher stationär-psychiatrischer Behandlungsmöglichkeiten wurden alle<br />

acht Allgemeinspitäler und das CHNP angeschrieben. Bei diesen Einrichtungen handelt es<br />

sich um die/das:<br />

• Clinique Ste. Therèse, Luxemburg (ZITHA, CST)<br />

• Clinique Ste. Marie, Esch<br />

• Clinique St. Joseph, Wiltz (CSJW, )<br />

• Hôpital Princesse Marie - Astrid, Differdingen<br />

• Centre Hospitalier, Luxemburg (CHL)


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 68<br />

• Centre Hospitalier Emil Mayrisch, Esch (CHEM, HVEA)<br />

• Hôpital St. Louis, Ettelbrück (HSLE)<br />

• Hôpital Kirchberg, Luxemburg (HK)<br />

• Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique (CHNP)<br />

Die psychiatrischen Fachabteilungen und das Fachkrankenhaus wurden dabei separat er-<br />

fasst und werden im Folgenden vom psychiatrischen Vorfeld getrennt ausgewiesen.<br />

1.22.2 Psychiatrisches Vorfeld: Krankenhäuser ohne psychiatrische Abteilungen<br />

Nur zwei der vier Krankenhäuser ohne psychiatrische Fachabteilungen (Clinique St. Elisa-<br />

beth und das Hôpital Princesse Marie-Astrid) sandten den Fragebogen (teil-)ausgefüllt zu-<br />

rück. Die Clinique St. Joseph teilte mit, dass sie keine psychiatrische Aufnahmen tätigen. Die<br />

Clinique St. Marie hat trotz Erinnerungsschreiben und telefonischer Nachfrage nicht geant-<br />

wortet.<br />

Die folgende Darstellung bezieht sich auf Angaben aus den Fragebögen. Diese wurden zum<br />

Teil durch Daten aus anderen Quellen ergänzt. Die von den Fragebögen abweichenden<br />

Quellen sind im Einzelfall kenntlich gemacht.<br />

Nachfolgend werden Struktur, Personalausstattung und Angebotsspektrum der vier Allge-<br />

meinklinken beschrieben und Angaben zu Patienten im Jahr 2004 gemacht.<br />

1.22.2.1 Struktur und Personal<br />

Verwaltungstechnisch sind die Krankenhäuser nach Gliederung und Einzugsgebiet in allge-<br />

meine, lokale und nationale Kliniken eingeteilt. Die Einzugsgebiete sind unterteilt in die Régi-<br />

on du Centre, du Sud und du Nord (Quelle: Carte Sanitaire, 2000). Die Trägerschaften liegen<br />

entweder bei öffentlich-rechtlichen, freigemeinnützigen (kirchlichen) oder privatrechtlichen<br />

Trägern.<br />

Die psychiatrisch-fachärztliche Versorgung in Allgemeinkrankenhäusern wird durch Beleg-<br />

ärzte geleistet, festangestellte Psychiater gibt es keine. Die zwei Allgemeinkliniken gaben in<br />

diesem Zusammenhang an, mit einem resp. zwei Belegärzten zusammenzuarbeiten, die ü-<br />

ber je 12 Belegbetten verfügen. Im Hôpital St. Therèse sind zudem eine psychiatrische<br />

Fachkraft, zwei Psychologen und je ein Ergotherapeut und Sozialarbeiter angestellt. Im Hôpi-<br />

tal Princesse Marie-Astrid decken ein halbtags arbeitender Psychologe und ein Sozialarbei-<br />

ter die psychiatrische Versorgung ab. Die Carte Sanitaire aus dem Jahre 2000 zeigt auf,<br />

dass die anderen Allgemeinkliniken über keine psychiatrischen Fachkräfte verfügen. Das<br />

Pflegepersonal in der Clinique St. Therèse erhält einmal im Monat betriebsinterne psychiatri-<br />

sche Fortbildung.<br />

Gemäss den Erhebungsbögen nahmen die beiden Kliniken Hôpital Princesse Marie-Astrid<br />

und die Clinique St. Therèse 806 psychiatrische Patienten auf. Nimmt man die Aufnahmen


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 69<br />

(Quelle: Carte Sanitaire, 2000) der beiden anderen Krankenhäuser aus dem Jahre 2000 als<br />

Richtwerte, ist von rund 1 150 Hospitalisationen in Allgemeinkrankenhäuser ohne psychiatri-<br />

sche Abteilungen im Jahr 2004 auszugehen. Im Jahr 2000 wurden dagegen 1 299 Hospitali-<br />

sationen gezählt. Die durchschnittliche Dauer der Aufenthalte variieren dabei zwischen sechs<br />

und 15 Tagen.<br />

Tabelle 10: Angaben zu Kliniken ohne psychiatrische Abteilungen in Luxemburg<br />

Angaben zu Anzahl Betten, Aufnahmen, Aufenthaltsdauer (Jahr 2004)<br />

Krankenhaus Betten<br />

Hôpital Princesse Ma-<br />

rie-Astrid<br />

Clinique Ste. Therèse<br />

12<br />

(kein offizielle psych. Abt.)<br />

12<br />

(kein offizielle psych. Abt.)<br />

Aufnahmen<br />

2004<br />

Aufnahmen<br />

2000*<br />

223 526<br />

583 432<br />

Clinique St. Joseph k.A. k.A. 98<br />

Clinique Ste. Marie k.A. k.A. 243<br />

Total 24 606 1 299<br />

* Quelle: Carte sanitaire des Jahres 2000<br />

1.22.2.2 Angebot<br />

Durchschnittliche<br />

Aufenthaltsdauer<br />

15.14<br />

(2004)<br />

13.43<br />

(2000)<br />

6.87<br />

(2000)<br />

12.41<br />

(2000)<br />

Die vier Allgemeinklinken beschränken sich bei der Behandlung psychiatrischer Patienten<br />

vornehmlich auf psychopharmakologische Interventionen und Desintoxikationen. Einzig die<br />

Klinik St. Therèse gibt an, ein diversifiziertes Angebot, welches von psychotherapeutischen<br />

Massnahmen, spezifischen Trainings- und Gruppenangeboten bis hin zu psychosozialer<br />

Vernetzung und Beratung reicht, anzubieten. Dieses unterscheidet sich demnach wenig von<br />

den Angeboten der psychiatrischen Fachabteilungen.<br />

1.22.2.3 Angaben zu Patienten<br />

Die patientenspezifischen Fragen wurden in den Erhebungsbögen nur zum Teil beantwortet.<br />

Die Allgemeinkliniken geben in diesem Zusammenhang an, über keine standardisierte Do-<br />

kumentation oder keine Diagnosestatistiken zu verfügen, was sich nicht mit den Aussagen<br />

des UCM deckt.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 70<br />

Einzig die Klinik St. Therèse konnte die Zahl ihrer im Jahre 2004 behandelten Patienten nach<br />

psychiatrischen Diagnosegruppen, Alter und Nationalität aufschlüsseln. Dabei waren 3% der<br />

Patienten unter 18 Jahren, 19% über 65 Jahren und 78% zwischen 18 und 65 Jahren. Insge-<br />

samt waren rund 2% der Patienten Ausländer.<br />

An erster Stelle standen mit 44% Alkoholerkrankungen, gefolgt von affektiven Störungen mit<br />

21,3%. Niedrigere Häufigkeiten fanden sich mit je 8% bei organischen Störungen, Neuroti-<br />

schen, Belastungs- und somatoformen Erkrankungen und Störungen aus dem schizophre-<br />

nen Formenkreis. Eine ähnliche Verteilung findet sich gemäss der Carte Sanitaire aus dem<br />

Jahre 2003 auch in den anderen drei Allgemeinkrankenhäusern. Auch dort kommt den<br />

Suchterkrankungen aller Art und den affektiven Störungen die grösste Bedeutung zu.<br />

1.22.2.4 Zusammenarbeit/Vernetzung<br />

Die beiden Kliniken Princesse Marie-Astrid und St. Therèse arbeiten vornehmlich mit ambu-<br />

lanten Diensten, aber auch mit Wohneinrichtungen aller Art (u.a. Alters- und Pflegeheimen),<br />

Tages- und Werkstätten, Beratungsstellen und Sozialdiensten zusammen. Häufig werden<br />

Patienten nach dem stationären Aufenthalt auch in rehabilitative Einrichtungen entlassen.<br />

1.22.3 Stationäres Kernfeld: Psychiatrische Fachklinik und Fachabteilungen<br />

Zu den stationären psychiatrischen Einrichtungen werden psychiatrische Fachkliniken, psy-<br />

chiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern sowie auf die Behandlung bestimmter<br />

psychiatrischer Krankheitsbilder spezialisierte Kliniken gezählt. Dazu gehören in Luxemburg:<br />

• das Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique in Ettelbrück (CHNP),<br />

die psychiatrischen Fachabteilungen<br />

• des Centre Hospitalier in Luxemburg-Stadt (CHL),<br />

• des Centre Hospitalier Emil Mayrisch (CHEM),<br />

• der Clinique St. Louis (CStL),<br />

• der Clinique Kirchberg (HK)<br />

und die zum CHNP gehörende und auf bestimmte Krankheitsbilder spezialisierte Einrichtun-<br />

gen<br />

• des Centre Thérapeutique d’Useldange<br />

• des Centre Thérapeutique „Syrdallschlass“ in Manternach<br />

Alle genannten Einrichtungen nahmen an der Bestandesaufnahme der psychiatrischen Ver-<br />

sorgung teil und sandten den Dokumentationsbogen (teil-)ausgefüllt zurück. Die folgenden<br />

Ausführungen stützen sich deshalb weitgehend auf die Angaben aus den Dokumentations-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 71<br />

bögen. Wurden Aspekte durch andere Quellen (Dokumentationen, Jahresberichte, persönli-<br />

che Gespräche und Besuche) ergänzt, so wurde dies spezifisch ausgewiesen.<br />

1.22.3.1 Beschreibung der stationären Einrichtungen (Struktur)<br />

Das Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique (CHNP) ist das zentrale nationale, seit 1998 pri-<br />

vat-rechtlich geführte Fachkrankenhaus zur Behandlung psychiatrischer Erkrankungen. Die<br />

Clinique St. Louis in Ettelbrück, das Centre Hospitalier in Luxemburg-Stadt, das Centre<br />

Hospitalier Emil Mayrisch und das Hôpital Kirchberg sind kommunale Krankenhäuser. Das<br />

Centre Thérapeutique in Useldange (CTU) ist eine Fachklinik zur Therapie von Alkohol-<br />

krankheiten, während es sich beim Centre Thérapeutique „Syrdallschlass“ in Manternach<br />

(CTM) um eine Einrichtung zur Behandlung Drogenabhängiger handelt. Die beiden letzteren<br />

Einrichtungen sowie das CHNP besitzen keine regional begrenzte Zuständigkeit. Zwar füh-<br />

ren auch die weiteren vier Kliniken keine offiziellen Pflichtaufnahmegebiete, es haben sich<br />

jedoch gewisse regionale Zuständigkeiten aus den Örtlichkeiten der Bauten ergeben. Das<br />

Centre Hospitalier Emil Mayrisch gibt an, v.a. Patienten aus dem Süden aufzunehmen, wäh-<br />

rend die Clinique St. Louis eher dem Norden vorsteht. Das Centre Hospitalier und die Klinik<br />

Kirchberg sind dagegen hauptsächlich für Patienten aus dem Stadtgebiet und den umliegen-<br />

den Gebieten zuständig.<br />

Organisatorisch und rechtlich handelt es sich bei den Centres Thérapeutiques in Useldange<br />

und Manternach um dezentralisierte Aussenstellen des CHNP. Das CHNP besteht bereits<br />

seit dem Jahre 1855, während die Gründungen aller anderen stationären Einrichtungen ma-<br />

ximal fünfzehn Jahre zurückliegen. Aus der über mehr als einem Jahrhundert währenden al-<br />

leinigen Zuständigkeit erwuchs dem CHNP die, trotz vielen Änderungsversuchen fortbeste-<br />

hende, zentrale Bedeutung für die Behandlung psychisch Kranker in Luxemburg.<br />

Aufnahmekriterien und Zugangsbeschränkungen<br />

(Quellen: Fragebögen, Carte Sanitaire, Dokumentationen, Persönliche Gespräche und Besuche)<br />

1) Zwangseinweisungen<br />

Aufnahmebeschränkungen liegen hauptsächlich im Bereich der Zwangseinweisungen vor.<br />

Bisher führten nur das CHNP und die Klinik Kirchberg unfreiwillige Aufnahmen durch. Seit<br />

Beginn des Jahres <strong>2005</strong> sollten gemäss dem Plan Hospitalier alle vier psychiatrischen Fach-<br />

abteilungen unfreiwillige Aufnahmen übernehmen und das CHNP sich auf Aufgaben der Re-<br />

habilitation beschränken. Die gewünschte Aufgabenteilung ist zurzeit nicht möglich aufgrund<br />

• des sich aktuell in Überarbeitung befindlichen Gesetzes über Platzierungen, welches<br />

verschiedene Mängel aufweist (siehe Kap. 4.8);<br />

• der ungenügenden baulichen Standards (z.B. Fehlen von geschlossenen Abteilun-<br />

gen) in den drei Allgemeinkliniken St. Louis, CHL und CHEM. Die baulichen Voraus-<br />

setzungen sollten gemäss Angaben des Gesundheitsministeriums jedoch ab Juli<br />

<strong>2005</strong> vorhanden sein.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 72<br />

2) Schwer kranke Straftäter / fremdgefährdende Patienten<br />

Geschlossene Abteilungen bestehen zurzeit allein im CHNP und z.T. in der psychiatrischen<br />

Krankenhausabteilung der Strafvollzugsanstalt in Luxemburg. Aus Sicherheitsgründen kön-<br />

nen die Allgemeinkliniken keine gefährlichen bzw. fremdgefährdenden Patienten aufnehmen.<br />

Diese werden in begrenztem Umfang vom CHNP übernommen. Gemäss Angaben des Ge-<br />

sundheitsministeriums scheint die Anzahl schwer kranker und gefährlicher Straftäter bisher<br />

jedoch relativ gering zu sein.<br />

3) Substanzerkrankungen<br />

Aktuell nehmen die psychiatrischen Fachabteilungen zwar Patienten mit Substanzerkran-<br />

kungen auf, beschränken sich aber vornehmlich auf Entgiftungsmassnahmen und auf die<br />

damit einhergehende somatische Abklärung. Im Anschluss daran werden die Patienten ent-<br />

weder entlassen oder in das CHNP überwiesen.<br />

Gemäss der fachlichen Spezialisierung behandelt das CTU nur alkohol- oder medikamen-<br />

tenabhängige Patienten und das CTM ausschliesslich Drogenabhängige.<br />

Räumlichkeiten<br />

(Quellen: Carte Sanitaire 2000, Dokumentationen, Persönliche Gespräche und Besuche)<br />

Die Gebäude der Clinique St. Louis, des Hôpital Kirchberg und des Centre Hospitalier Emil<br />

Mayrisch befinden sich in einem ausgezeichneten baulichen Zustand. Das Hôpital St. Louis<br />

führt dabei eine besonders moderne Betten- und Intensivabteilung. Das Allgemeinkranken-<br />

haus Kirchberg ist nicht nur baulich gut ausgestattet, sondern entspricht auch sonst den ver-<br />

sorgungspolitischen Idealen im Psychiatriebereich am deutlichsten. Alle Stationen werden of-<br />

fen geführt, weshalb auch kein Isolierzimmer besteht. Die Tagesklinik ist in die psychiatrische<br />

Station integriert, die Therapieräume befinden sich hingegen ausserhalb der Stationen.<br />

Das Allgemeinkrankenhaus CHL führt mit Zwei- und Dreibettzimmern ohne Duschen die Ab-<br />

teilung im schlechtesten baulichen Zustand, die mit der Ausstattung der anderen psychiatri-<br />

schen Fachabteilungen nicht vergleichbar ist. Von den 45 psychiatrischen Betten können ak-<br />

tuell nur zwölf als Intensivbetten genutzt werden. Die Station ist zudem oft geschlossen. Die<br />

Eröffnung eines Neubaus mit 16 Betten ist jedoch auf den 1. Juli <strong>2005</strong> geplant. Der Altbau<br />

soll zu einem späteren Zeitpunkt renoviert werden.<br />

Ausser dem CHNP verfügt keine der psychiatrischen Abteilungen über eine definitorisch ge-<br />

schlossene Station. Die Klinik Kirchberg nimmt zwar Zwangseinweisungen vor, verfolgt je-<br />

doch ein offenes Konzept. Im CHL und in der Clinique St. Louis sind geschlossene Stationen<br />

jedoch auf Mitte resp. Ende <strong>2005</strong> geplant.<br />

Das CHNP wurde in den letzten Jahren zunehmend renoviert und umgebaut. Die Gruppe<br />

von geistig behinderten Menschen und ein Grossteil der gerontopsychiatrischen Patienten<br />

wurden ausgegliedert und fallen neu in den Zuständigkeitsbereich des Familienministeriums.<br />

Im CHNP ist das Spektrum an Funktionsräumen zur Nutzung für die Patienten am breitesten.<br />

Es stehen neben Tages-, Gruppen-, Essräumen und Patientenküchen eine Cafeteria, ein<br />

Friseursalon, ein Festsaal, eine Kapelle, Gymnastik-, Beschäftigungs- und Arbeitstherapie-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 73<br />

räume sowie Werkstätten, ein Hallenbad und ein Sportsplatz zur Verfügung. Dennoch ent-<br />

spricht das CHNP in vielen Bereichen nicht den notwendigen baulichen Standards für eine<br />

psychiatrische Fachklinik. Insbesondere der internistische Bereich der Allgemeinmedizin ist<br />

ungenügend ausgestattet um eine adäquate somatische Versorgung zu gewährleisten.<br />

Anzahl Betten, Hospitalisationen und Aufenthaltsdauer<br />

Nachfolgende Tabelle ermöglicht eine Übersicht über alle stationären Aufnahmen im Jahre<br />

2004. Diese Zahlen wurden durch Daten der Carte Sanitaire aus dem Jahr 2000 und mit den<br />

Angaben der Krankenhäuser ohne Psychiatrische Abteilungen ergänzt. Dadurch ist die ins-<br />

gesamt vorhandene Anzahl Betten in Luxemburg auf einen Blick erkennbar und zudem ein<br />

Vergleich über die Zeit hinweg möglich.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 74<br />

Tabelle 11: Angaben zu Kliniken in Luxemburg im Jahre 2004<br />

Angaben zu Anzahl Betten, Aufnahmen (2004/2000), durchschnittliche Aufenthaltsdauer<br />

Krankenhaus Betten<br />

Hôpital Princesse Marie-<br />

Astrid<br />

Clinique Ste. Therèse<br />

12<br />

(keine psych. Abt.)<br />

12<br />

(keine psych. Abt.)<br />

Aufnahmen<br />

2004<br />

Aufnahmen<br />

2000*<br />

223 526<br />

583 432<br />

Clinique St. Joseph k.A. k.A. 98<br />

Clinique Ste. Marie k.A. k.A. 243<br />

Hôpital Kirchberg<br />

45<br />

(3 Stationen)<br />

1220 669<br />

Clinique St. Louis 46 1200 612<br />

Centre Hospitalier Emil<br />

Mayrisch<br />

33 1180 1200<br />

Centre Hospitalier 46 967 k.A.<br />

CHNP<br />

Total<br />

276<br />

(davon 36 Akutbetten)<br />

470 (davon 446 offi-<br />

zielle Betten)<br />

1084<br />

(426 Zwangsauf-<br />

nahmen)<br />

6457<br />

*Quelle: Carte Sanitaire (Alle Aufnahmen ohne psychiatrische Ambulanz! )<br />

Durchschnittliche<br />

Aufenthaltsdauer<br />

15.14<br />

(2004)<br />

13.43<br />

(2000*)<br />

6.87<br />

(2000*)<br />

12.41<br />

(2000*)<br />

12<br />

(2000*)<br />

15.73<br />

(2000*)<br />

15.1<br />

(2000*)<br />

15.1<br />

(2000*)<br />

k.A. unterschiedlich<br />

4820<br />

(ohne CHNP)<br />

Median<br />

Inoffiziell standen in Luxemburg im Jahre 2004 470 Betten zur Behandlung psychisch kran-<br />

ker Erwachsener zur Verfügung. Davon entfielen 170 Betten (36.2%) auf kurz- und mittelfris-<br />

tige Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern mit psychiatrischen Fachabteilungen und 24<br />

Betten (5%) auf Behandlungen in Krankenhäusern ohne psychiatrische Abteilungen. Hinzu<br />

kamen 36 Akutbetten (7.7%) und 240 Betten (51.1%) zur langfristigen Behandlung chronisch<br />

psychisch Kranker durch die psychiatrische Fachklinik CHNP. Werden die offiziellen Betten<br />

13.2


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 75<br />

in Akut- und Rehabetten unterteilt, so ergibt sich für die Akutbetten eine Bettenquote von<br />

0.37 und für den Rehabilitationsbereich eine Quote von 0.53 pro 1 000 Einwohner.<br />

Es wurden insgesamt 6 457 Menschen hospitalisiert. Davon entfielen 5 373 (83.2%) auf all-<br />

gemeinpsychiatrische Behandlungen in den Allgemeinkrankenhäusern, wovon 12.5% in Kli-<br />

niken ohne psychiatrische Fachabteilungen durchgeführt wurden. 1 084, d.h. 17% der Be-<br />

handlungen bzw. Konsultationen erfolgten in der psychiatrischen Fachklinik CHNP Die An-<br />

zahl Zwangseinweisungen lag gemäss Angaben des CHNP im Jahre 2004 bei 426 Aufnah-<br />

men.<br />

Die Aufenthaltsdauer lag in den Allgemeinkrankenhäusern mit psychiatrischen Fachabteilun-<br />

gen im Durchschnitt bei 15 Tagen. Eine Berechnung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer<br />

des CHNP machte keinen Sinn, da die Aufenthaltsdauern je nach Diagnose sehr unter-<br />

schiedlich sind und von wenigen Tagen bis zu 30 Jahren reichen. Eine detaillierte Auflistung<br />

der Aufenthaltsdauern sind im Kap. 5.2.4 zu finden.<br />

Bei der Bestimmung des Bettenkontingents traten Diskrepanzen zwischen verschiedenen<br />

Datenquellen auf. Insbesondere die Ermittlung der exakten Kapazitäten des CHNP bereitete<br />

Schwierigkeiten. Es wurde deshalb grundsätzlich von den angegebenen Daten in den Erhe-<br />

bungsbögen ausgegangen (276 Betten/2004). Unstimmigkeiten sind jedoch nicht auszu-<br />

schliessen.<br />

Die Bettenanzahl und -verteilung wird sich zudem nach der endgültigen Umsetzung des Plan<br />

Hospitaliers im Verlaufe des Jahres <strong>2005</strong> nochmals ändern. Diesem Umstand wird in den<br />

Ausführungen im Kap. 5.2.6 Rechnung getragen.<br />

Die 65 Betten und 235 suchtspezifischen Interventionen der beiden therapeutischen Zentren<br />

CTU und CTM wurden nicht in die Berechnungen miteinbezogen. Einerseits, weil diese Bet-<br />

ten auch im europäischen Vergleich nicht als psychiatrische Betten, sondern als Plätze defi-<br />

niert werden, und andererseits gehörte die explizite Erfassung des Suchtbereichs nicht in<br />

den Auftragsrahmen. Die beiden Einrichtungen werden jedoch im Rahmen des Exkurses ü-<br />

ber die psychiatrische Fachklinik CHNP in Kap. 1.2.4 detaillierter beschrieben.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 76<br />

1.22.3.2 Angebot<br />

Tabelle 12: Angebotsspektrum der Kliniken<br />

Dichotomy label Name Count Responses Cases<br />

Medizinisch-psychiatrische A-<br />

namnese<br />

PSYCHAMN 5 9.8 100<br />

Psychosoziale Beratung BERATUNG 5 9.8 100<br />

Gutachten GUTACHTE 4 7.8 80<br />

Training persönlicher Fähigkei-<br />

ten<br />

TRAINING 4 7.8 80<br />

Psychopharmakologie PHARMA 5 9.8 100<br />

Psychotherapie THERAPIE 5 9.8 100<br />

Psychosoziale Anamnese SOZANAM 5 9.8 100<br />

Psychosoziale Vernetzung VERNETZU 5 9.8 100<br />

Gruppenangebote GRUPPE 5 9.8 100<br />

Entzug ENTZUG 5 9.8 100<br />

Rehabilitation REHA 3 5.9 60<br />

Total responses Total responses 51 100 1 020<br />

SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1)<br />

Alle Kliniken bieten neben diagnostischer Abklärung psychotherapeutische und psychophar-<br />

makologische Interventionen, Massnahmen zur Desintoxikation sowie psychosoziale Bera-<br />

tung und Vernetzung als Angebotsschwerpunkte an. Die vier Fachabteilungen erstellen zu-<br />

dem Gutachten und führen Trainings persönlicher Fähigkeiten durch. Über das CHNP hinaus<br />

gaben zwei weitere Allgemeinspitäler an, rehabilitative Massnahmen zu veranlassen.<br />

1.22.3.3 Personal<br />

Lediglich im CHNP und im Centre Hospitalier ist ärztliches Fachpersonal fest angestellt. Bei<br />

den psychiatrischen Betten der restlichen Allgemeinkliniken handelt es sich um reine Beleg-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 77<br />

betten. Insgesamt wurde die stationäre psychiatrische Versorgung im Jahre 2004 durch 33.5<br />

Psychiater, 26.5 Psychologen, 142 psychiatrisch ausgebildetes Pflegepersonal, 21.25 Sozi-<br />

alarbeiter, 19.5 Ergotherapeuten und 25.75 Physiotherapeuten abgedeckt. Fachspezifische<br />

Lücken werden mittels konsiliarärztlicher Betreuung sichergestellt. Die Angaben der Kran-<br />

kenhäuser decken sich aus unbekannten Gründen (mglw. unterschiedliche Berechnungs-<br />

und Verteilungsarten) nicht mit den Angaben der Krankenkassenunion UCM. Demzufolge<br />

wurde nachfolgende detaillierte Übersicht über die Personalausstattung der jeweiligen Kran-<br />

kenhäuser mit Zahlen der Krankenkassen ergänzt und in blauer Farbe kenntlich gemacht.<br />

Tabelle 13: Personal im Jahre 2004 (ohne Tagesklinik, Kinder- und Jugendpsychiatrie)<br />

Berufsgruppen CHNP<br />

Psychiater<br />

Ärzte anderer Fach-<br />

richtungen<br />

10<br />

(2 Assi-<br />

stenzärzte)<br />

Hôpital<br />

Kirchberg<br />

6 Belegärzte<br />

Centre<br />

Hospitalier<br />

7.5<br />

(4 Assi-<br />

stenzärzte)<br />

Centre<br />

Hospitalier<br />

Emil<br />

Mayrisch<br />

Clinique<br />

St. Louis<br />

Total<br />

4 Belegärzte 4 Belegärzte 33.5<br />

1 k.A. 118 60 k.A.<br />

Psychologen 9.75 4 (3) 8.75 (0.5) 3 (1) 1 (0.5) 26.5<br />

Psychiatrisches Pfle-<br />

gepersonal<br />

Sonstiges Pflegeper-<br />

sonal<br />

Pflegepersonal ins-<br />

gesamt für Psychiat-<br />

riebereich (UCM)<br />

62.25 12 19.75 28 20 142<br />

106.25<br />

(37.25 Hilfspfle-<br />

ger)<br />

55 604.2 k.A. 5.25<br />

Angaben<br />

nicht möglich<br />

Angaben<br />

nicht möglich<br />

200.66 (28.53) (24.94) (26.42) (34.76) 315.25<br />

Sozialarbeiter 8.5 (9) 4 (2.75) 3.75 (1) 3 (0.5) 2 (1) 21.25<br />

Ergotherapeuten 9.5 (9) 5 (4.25) 0 3 2 19.5<br />

Physiotherapeuten<br />

8.5 (7)<br />

(3 Kunsttherapeu-<br />

ten)<br />

2 (1) 14.25 0 1 25.75<br />

*Quelle: Fragebögen und Angaben UCM (Angaben zu Personalstellen gemäss ihres Anstellungsgrades)<br />

Angaben der UCM:<br />

Die Anzahl der im Jahr 2004 budgetierten Stellen in den Allgemeinkrankenhäusern ist deut-<br />

lich niedriger als die für das Jahr <strong>2005</strong> bewilligten Personaldotationen, da die Zwangseinwei-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 78<br />

sungen (--> plan hospitalier) noch nicht stattfanden. So wird die Personalbemessungsziffer in<br />

der Pflege im Jahr <strong>2005</strong> von durchschnittlich 0.8 auf 1.0 Vollzeitbeschäftigte pro belegtem<br />

Bett steigen. Im CHNP wird die Personalbemessungsziffer dagegen infolge der PRN-<br />

Messungen zwischen 2004 und <strong>2005</strong> von 0.72 auf 0.59 Vollzeitbeschäftigte pro belegtem<br />

Bett sinken.<br />

1.22.3.4 Angaben zu Patienten (Störungsbilder, Alter und Nationalität)<br />

Die Kliniken gaben unterschiedlich differenziert Auskunft über behandelte Diagnosegruppen<br />

und soziodemographischen Variablen der Patienten.<br />

Störungsbilder<br />

Einzig das Centre Hospitalier und das Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique lieferten ge-<br />

naue Zahlen zu den jeweiligen Diagnosegruppen, während die Klinik Kirchberg und die Klinik<br />

St. Louis ungefähre Prozentangaben machten. Das Centre Hospitalier Emil Mayrisch lieferte<br />

hingegen keinerlei Daten zum behandelten Diagnosenspektrum. Den unterschiedlichen Da-<br />

tenangaben entsprechend wurden Rangreihen-Meridiane gebildet, um eine Übersicht über<br />

die Häufigkeitsverteilungen psychiatrischer Diagnosen in Luxemburg zu ermöglichen. Diese<br />

sind in nachfolgender Tabelle abgebildet.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 79<br />

Tabelle 14: Störungsbilder gemäss ICD-10<br />

Rangreihen-Meridiane der Störungsbilder aller psychiatrischen Fachabteilungen und Fachkliniken<br />

(aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht gemäss ICD-10-Reihenfolge sondern gemäss aufsteigenden Ranghäufigkeiten geordnet)<br />

Krankheitsbilder gemäss ICD-10<br />

Rangreihen-<br />

Meridiane<br />

Störungen aufgrund Alkohol- und Medikamentenmissbrauchs 1.5 4<br />

Psychotische Störungen 2.5 4<br />

Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen 3.5 4<br />

Störungen aufgrund psychotroper Substanzen 3.5 4<br />

Affektive Störungen 2.25* 4<br />

Organische Störungen 4.5 3<br />

Persönlichkeitsstörungen 7 3<br />

Verhaltensauffälligkeiten aufgrund körperlicher Störungen<br />

(z.B. Essstörungen)<br />

8 3<br />

Intelligenzminderung 7.5 2<br />

Entwicklungsstörungen 8.5 2<br />

* in drei Allgemeinklinken Rang Nr. 1<br />

Nennungen<br />

Werden nur die drei Allgemeinkliniken zusammengerechnet, so steht die Behandlung von af-<br />

fektiven Störungen an der Spitze, gefolgt von alkoholbedingten Erkrankungen und psychoti-<br />

schen Störungen. Eher häufig werden zudem neurotische, Belastungsstörungen, psychoge-<br />

riatrische Erkrankungen wie auch Störungen durch illegalen Drogenkonsum diagnostiziert.<br />

Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen sowie Entwicklungsstörungen sind eher selten.<br />

Das Diagnosespektrum sieht im CHNP etwas anders aus. An erster Stelle stehen mit 29%<br />

Verhaltensstörungen durch Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, gefolgt von Psychoti-<br />

schen Störungen (27,5%) und Störungen durch psychotrope Substanzen (24.5%). Deutlich<br />

seltener sind psychogeriatrische Erkrankungen (5.3%), Neurotische Störungen (4.7%), Affek-<br />

tive Störungen (4%), Persönlichkeitsstörungen (2%) sowie kinder- und jugendpsychiatrische<br />

Störungen (2%).<br />

Ausser dem CHNP (siehe Kap. 5.1.4) machte keine Klinik genaue Angaben zu den soziode-<br />

mographischen Angaben (Alter, Nationalität, Geschlecht) der Patienten. Alle Krankenhäuser<br />

gaben jedoch an, hauptsächlich Patienten zwischen 18 und 65 Jahren zu behandeln.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 80<br />

1.22.3.5 Zusammenarbeit/Vernetzung<br />

Am häufigsten wurden mit 100% die Zuweisung von Patienten durch Alters-, sonstige Wohn-<br />

heime, Beratungsstellen und Sozialdienste genannt. Bei den Allgemeinkrankenhäusern steht<br />

im Gegensatz zum CHNP jedoch v.a. die Einweisung durch ambulant tätige Psychiater resp.<br />

die eigenen Belegärzte im Zentrum. Eher selten werden Patienten durch Tages- und Werk-<br />

stätten oder andere stationäre Dienste den psychiatrischen Abteilungen zugeführt. Das Hôpi-<br />

tal St. Louis arbeitet zudem eng mit dem ambulanten Hauspflegedienst des CHNP zusam-<br />

men. Auch die Klinik Kirchberg und das Centre Hospitalier streben in Zukunft eine Zusam-<br />

menarbeit mit diesem Dienst an.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 81<br />

Tabelle 15: Zusammenarbeit der Kliniken mit zuweisenden Institutionen<br />

Tabelle nach Häufigkeit der Nennungen geordnet<br />

Krankheitsbilder gemäss ICD-10 Krite-<br />

rien<br />

Rangreihen-<br />

Meridiane<br />

Anzahl<br />

Nennungen %<br />

Zuweisung Altersheime ZUWALTER 5 13.9 100<br />

Zuweisung sonstige Wohneinrichtungen ZUWWOHN 5 13.9 100<br />

Zuweisung Beratungsstellen ZUWBERAT 5 13.9 100<br />

Zuweisung Sozialdienste ZUWSOZ 5 13.9 100<br />

Zuweisung ambulante Dienste ZUWAMB 4 11.1 80<br />

Zuweisung stationäre Dienste ZUWSTAT 3 8.3 60<br />

Zuweisung Werkstätten ZUWWERK 3 8.3 60<br />

Zuweisung rehabilitative Dienste ZUWREHA 2 5.6 40<br />

Zuweisung Ämter ZUWAEMT 2 5.6 40<br />

Zuweisung Tagesstätte ZUWSTAETT 1 2.8 20<br />

Zuweisung Justizämter ZUWJUSTI 1 2.8 20<br />

SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1)<br />

Pct of<br />

Cases<br />

Was die Nachbehandlung und oder komplementäre Behandlung der Patienten anbelangt, so<br />

steht an erster Stelle der Kontakt mit Beratungs- und Sozialstellen im Sinne psychosozialer<br />

Vernetzungsarbeit und Triagefunktion. Zur Nachbehandlung werden Patienten dagegen ent-<br />

weder an ambulant tätige Psychiater oder an andere stationäre oder rehabilitative Einrich-<br />

tungen weitergeleitet. Dabei sind keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Allge-<br />

meinkliniken und dem CHNP zu verzeichnen. Eine Abbildung der statistischen Auswertung<br />

ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 82<br />

Tabelle 16: Zusammenarbeit der Kliniken mit Nachsorgestrukturen und weiterbehandeln-<br />

den Institutionen<br />

Tabelle nach Häufigkeit der Nennungen geordnet<br />

Krankheitsbilder gemäss ICD-10 Krite-<br />

rien<br />

Rangreihen-<br />

Meridiane<br />

Anzahl<br />

Nennungen %<br />

Weiterweisung Altersheime WEITALTE 5 12.5 100<br />

Weiterweisung Wohneinrichtungen WEITWOHN 5 12.5 100<br />

Weiterweisung Beratungsstellen WEITBERA 5 12.5 100<br />

Weiterweisung Sozialdienste WEITSOZI 5 12.5 100<br />

Weiterweisung ambulant WEITAMB 4 10 80<br />

Weiterweisung Rehabilitation WEITREHA 4 10 80<br />

Weiterweisung stationär WEITSTAT 4 10 80<br />

Weiterweisung Werkstätte WEITWERK 4 10 80<br />

Weiterweisung Tagesstätte, Freizeit WEITSTAET 3 7.5 60<br />

Weiterweisung Ämter WEITAMT 1 2.5 20<br />

Total 40 100.0 800<br />

SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1)<br />

1.22.4 Exkurs: Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique<br />

Pct of<br />

Cases<br />

Im Zentrum der weiteren Reformbemühungen steht vornehmlich die Umstrukturierung der<br />

psychiatrischen Fachklinik. Aus diesem Grund wird im Folgenden detaillierter auf Struktur,<br />

Personal und Angebot des CHNP eingegangen. In diesem Rahmen werden auch die beiden<br />

therapeutischen Zentren Manternach und Useldange näher erläutert. All diese Informationen<br />

wurden aus Gesprächen mit den Verantwortlichen sowie anhand von Jahresberichten und<br />

hausinternen Dokumentationen gewonnen.<br />

1.22.4.1 Allgemeine Struktur des CHNP<br />

Das CHNP besteht aus acht verschiedenen Abteilungen bzw. abgestuften Netzwerken (Filiè-<br />

res). Dazu gehören einerseits eine Aufnahmestation, eine allgemeinpsychiatrische Abteilung


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 83<br />

sowie vier diagnose- bzw. klientenspezifische Abteilungen (Psychosen, Alkohol, Drogen,<br />

Psychogeriatrie). Des Weiteren betreibt das CHNP einen ambulanten Heimpflegedienst<br />

(SPAD) und eine Art forensischen Dienst („Filière socio-judiciaire“). Letzterer wird separat im<br />

Kapitel 5.7.3 ausgewiesen. Eine Übersicht über die verschiedenen Angebote ist unten ste-<br />

hender Abbildung zu entnehmen:<br />

Aufnahmestation Allgemeinpsychiatrie / BU4<br />

�<br />

Filière<br />

Psychose<br />

6 Abteilungen<br />

(inkl. stationäre<br />

Wohneinrichtung für<br />

Langzeitpatienten)<br />

Anzahl Plätze: 118<br />

�<br />

SPAD<br />

Filière<br />

Alcoologie<br />

Bu5: 14 Plätze<br />

(Maison Gillet):<br />

3 Plätze<br />

CTU Useldange: 40<br />

(Integra): 3<br />

Filière<br />

Toxicologie<br />

BU5:14 Plätze<br />

CTManternach:<br />

23 Plätze<br />

Foyer Rosport: 11<br />

Filière<br />

Psychogériatrie<br />

Bu2: 20<br />

Villa Nordstär:<br />

6 Plätze<br />

Filière<br />

Socio-judiciaire<br />

Stationäre Abteilung<br />

in Centre Pénitenti-<br />

aire in Luxemburg:<br />

15 Plätze<br />

1.22.4.2 Angaben zu Aufnahmen, Aufenthaltsdauer und Angaben zu Patienten<br />

Anzahl Aufnahmen im Jahr 2003<br />

(Siehe Kap. 5.7.3)<br />

Im Jahr 2003 wurden 1 045 Patienten hospitalisiert (Frequenz: 87/Monat). Davon waren 27%<br />

Neuaufnahmen, die restlichen waren Wiederaufnahmen.<br />

Regionale Verteilung<br />

Die Mehrheit der Patienten (34%) kamen aus dem Zentrum, 29% aus dem Süden gefolgt von<br />

24% aus dem Norden und 10% aus dem Osten. Bezogen auf die regionale Verteilung der<br />

Population ist der Norden überrepräsentiert, was auf die regionale Ansiedlung vieler psychi-<br />

atrischer Langzeitpatienten im Norden zurückgeführt wird.<br />

Störungsbilder und soziodemographische Angaben der Patienten<br />

Was die Verteilung der Störungsbilder anbelangt, so stehen – wie im Kap. X bereits erwähnt<br />

– mit 29% Alkoholerkrankungen an erster Stelle, gefolgt von psychotischen Störungen


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 84<br />

(27.5%) und Störungen durch psychotrope Substanzen (24.5%). Deutlich seltener sind psy-<br />

chogeriatrische Erkrankungen (5.3%), Neurotische Störungen (4.7%), Affektive Störungen<br />

(4%), Persönlichkeitsstörungen (2%) sowie kinder- und jugendpsychiatrische Störungen<br />

(2%).<br />

Von den Patienten waren 62% männlichen und 38% weiblichen Geschlechts. 20% waren<br />

über 60 Jahre alt, 1% unter 18 Jahren und 79% zwischen 19 und 59 Jahre alt. Die Hauptal-<br />

tersgruppe lag zwischen 40 und 50 Jahren. Eine Übersicht über die Verteilung der Störungs-<br />

bilder und soziodemographischen Variablen ist den nachfolgenden Tabellen zu entnehmen.<br />

Tabelle 17: Angaben zu Patienten im CHNP (Ende 2003)<br />

Verteilung gemäss Geschlecht und Häufigkeit der Diagnosen (ICD-10)<br />

Geschlecht<br />

Weiblich Männlich<br />

F0 3 8 11<br />

F1 32 58 90<br />

F2 44 58 102<br />

F3 7 8 15<br />

F4 9 6 15<br />

F6 1 13 14<br />

F7 2 9 11<br />

F8 1 1<br />

Total 98 161 259<br />

Häufigkeit


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 85<br />

Tabelle 18: Altersverteilung der Patienten im CHNP (Ende 2003)<br />

Alter Anzahl<br />

Unter 18 Jahre 2<br />

20-30 Jahre 37<br />

30-40 Jahre 53<br />

40-50 Jahre 65<br />

50-60 Jahre 54<br />

60-70 Jahre 34<br />

> 70 14<br />

Aufenthaltsdauer<br />

Die grosse Varianz in der Aufenthaltsdauer (siehe nachfolgende Tabelle) entspricht den un-<br />

terschiedlichen Angeboten und Diagnosespektren des CHNP. Die Aufenthalte variieren dabei<br />

von Kurzzeitaufenthalten von zwei Wochen bis zu Langzeitaufenthalten von über 15 Jahren.<br />

33% der Klienten des CHNP sind Langzeitpatienten, die zum Teil bereits 15 bis 30 Jahre im<br />

CHNP beherbergt sind. Gemäss Aussagen des CHNP sind über die Hälfte der Patienten im<br />

CHNP aufgrund mangelnder Nachsorgestrukturen fehlplatziert.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 86<br />

Tabelle 19: Durchschnittliche Aufenthaltsdauer (Stichtag 31.12.2004)<br />

Verteilung der Patienten im CHNP gemäss Aufenthaltsdauer<br />

Aufenthaltsdauer Häufigkeit<br />

0-2 Wochen 28<br />

2-4 Wochen 26<br />

1-2 Monate 40<br />

2-3 Monate 31<br />

3-6 Monate 33<br />

6-12 Monate 26<br />

1-2 Jahre 12<br />

2-6-Jahre 32<br />

1-2 Jahre 12<br />

2-6-Jahre 32<br />

6-15 Jahre 18<br />

>15 Jahre (Range15-30 Jahre) 23<br />

1.22.4.3 Angebot: Beschreibung der einzelnen Abteilungen (Filières)<br />

Filière Psychogeriatrie<br />

Diese Abteilung enthält Platz für 26 geriatrische Patienten, wovon 20 auf der Station BU2<br />

hospitalisiert sind und weitere sechs ausgegliedert in der Villa Norstär (24h-Betreuung, eine<br />

Art Foyer médicalisé) leben. Dabei handelt es sich um eine gut geführte, infrastrukturell erst-<br />

klassig renovierte Wohneinrichtung für Patienten mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen.<br />

Filière Psychose<br />

Die Filière Psychose verfügt über verschiedene Abteilungen und Zwischenstufen für psycho-<br />

tische Patienten:


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 87<br />

1. Stufe: Station BU6<br />

Die Station BU6 gilt mit 14 Plätzen als eigentliche Aufnahmestation für akut psychotisch er-<br />

krankte Patienten. Dort werden die Patienten diagnostisch abgeklärt, soweit als möglich sta-<br />

bilisiert und auf die Weiterweisung in die Abteilung Orangerie 1 vorbereitet.<br />

2. Stufe: Orangerie 1<br />

Bei der Orangerie 1 handelt es sich um eine offen geführte rehabilitative Einrichtung mit 18<br />

Betten, die auf chronisch erkrankte Psychoseklienten ausgerichtet ist. Der Fokus ist dabei<br />

auf die Befähigung zu einer weitgehend normalen Lebensführung ausserhalb des stationären<br />

Rahmens gerichtet. Dabei wird Folgendes angeboten:<br />

• verschiedene therapeutische Behandlungsmethoden;<br />

• psychoedukative Verfahren;<br />

• Freizeitangebote sowie<br />

• berufsorientierte Ansätze in Zusammenarbeit mit den therapeutischen Ateliers.<br />

3. Stufe: Abteilung BU3<br />

Im weiteren Behandlungsverlauf werden die Patienten in die Abteilung BU3 verlegt. Diese<br />

legt den Schwerpunkt v.a. auf die Rehabilitationsdiagnostik und auf verschiedene psychothe-<br />

rapeutische Verfahren zur konkreten Vorbereitung auf den ausserstationären Alltag.<br />

4. Spezialeinrichtung „Unité Lannenhaff“<br />

Bei der Unité Lannenhaff handelt es sich um eine stationäre und teilbetreute Wohneinrich-<br />

tung für chronische therapieresistente Langzeitpatienten mit einer Erkrankung aus dem schi-<br />

zophrenen Formenkreis. Die Einrichtung verfügt über 16 Plätze mit drei Untereinheiten<br />

(Wohn- und Schlafbereich). Die Bewohner sind im Durchschnitt um die 40 Jahre alt. Auf-<br />

grund des chronischen Erkrankungszustandes der Patienten sind wenige Enthospitalisie-<br />

rungsmöglichkeiten zu erwarten, weshalb die Patienten zum Teil bereits seit 15 Jahren dort<br />

leben.<br />

Filière Toxicologie<br />

Dieses Netz besteht aus einer Beratungsstelle „alternativ Beradungsstell“ in Luxemburg-<br />

Stadt (1), einer Entzugsabteilung BU5 (2), dem Therapiezentrum Syrdallschlass Manternach<br />

(3) und den Nachsorgehäusern in Rosport (4).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 88<br />

1. Beratungsstelle „Alternativ Beradungsstell“<br />

Die primäre Aufgabe der Beratungsstelle ist die Beratung von Drogenabhängigen in Hinblick<br />

auf Suchtproblematik und Therapiemöglichkeiten (z.B. Vermittlung auf die Entzugsstation<br />

BU5 oder CTM). Es werden zudem Einzel- und Familientherapeutische Interventionen<br />

durchgeführt. Weitere Angaben zur Beratungsstelle finden sich im Kap. 5.5.1.<br />

2. Entzugsabteilung BU5<br />

Bei der Entzugsabteilung handelt es sich um eine stationäre Abteilung mit 14 Plätzen. Im<br />

Jahr 2003 wurden ungefähr 250 Entzüge durchgeführt. Diese Abteilung soll ab Juli <strong>2005</strong> ge-<br />

schlossen werden und durch die Abteilung „Rehatox“ ersetzt werden, die auf folgendem 3-<br />

Phasenprinzip beruht:<br />

• Die Allgemeinspitäler nehmen in einer ersten Phase eine diagnostische Abklärung vor<br />

und führen einen medikamentös unterstützten Entzug durch.<br />

• In der zweiten Phase werden die Patienten für 1-4 Monate in die „Rehatox-Abteilung“<br />

überwiesen, deren Zielsetzung die Unterstützung und Realisierung einer totalen Abs-<br />

tinenz bzw. die Aufrechterhaltung einer Methadonsubstitution ist.<br />

• In der dritten und letzten Phase sollen die Patienten beruflich und sozial integriert,<br />

ambulant durch einen Psychiater betreut oder zu einer Langzeittherapie weiterverwie-<br />

sen werden.<br />

3. Therapiezentrum „Syrdallschlass“ Manternach<br />

Beim Syrdallschlass Manternach handelt es sich um ein ausgegliedertes Therapiezentrum<br />

mit 25 Plätzen für Abhängige illegaler Substanzen, u.a. mit Methadon-Substitution. Dieses<br />

wird organisatorisch und rechtlich vom CHNP getragen. Die therapeutische Wohngemein-<br />

schaft zielt dabei auf:<br />

• Unterstützung zur Abstinenz;<br />

• soziale und berufliche Wiedereingliederung.<br />

• Dazu werden verschiedene therapeutische Interventionen als auch Gruppen- und<br />

Freizeitmöglichkeiten angeboten.<br />

4. Nachsorgehäuser in Rosport<br />

Um den Übergang in das Leben ausserhalb der therapeutischen Wohngemeinschaft Syr-<br />

dallschlass schonender zu gestalten, haben die Klienten die Möglichkeit, nach ihrer Therapie<br />

während 12-18 Monaten in einem wenig betreuten Nachsorgehaus in der Nähe von Luxem-<br />

burg-Zentrum zu leben. Klienten, welche auf mehr Betreuung angewiesen sind, können auf<br />

teilbetreute Wohngruppen in der Umgebung von Manternach ausweichen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 89<br />

Voraussetzung für diese Nachsorge ist eine abgeschlossene Therapie und eine externe Ta-<br />

gesstruktur. Es stehen dabei insgesamt 11 Wohnplätze zur Verfügung.<br />

Filière Alcoologie<br />

Die „Filière Alcoologie“ beinhaltet (1) die Abteilung Unité Orangerie 2 für Suchtrehabilitation<br />

mit der dazugehörigen Wohneinrichtung Gillet (2) sowie das Therapiezentrum Useldange (3)<br />

mit einer dazugehörenden Wohneinrichtung Integra (4).<br />

1. Station für Suchtrehabilitation Orangerie 2<br />

Bei der „Orangerie 2“ handelt es sich um eine offen geführte Station mit 22 Betten, welche<br />

den Schwerpunkt auf die Behandlung von Alkoholabhängigkeiten mit chronischem Verlauf<br />

und Mehrfachschädigungen (u.a. Korsakow-Syndrom, psychiatrische Komorbidität, körperli-<br />

chen Folgeerkrankungen) legt. Sie dient aber auch als komplementäre Einrichtung zum The-<br />

rapiezentrum Useldange bei Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit mit weniger ausge-<br />

prägten Folgeerscheinungen oder bei Alkohol- und Medikamentenkonsum im Zusammen-<br />

hang mit neurotischen, Belastungs- und Anpassungsstörungen.<br />

Der Aufenthalt zielt der unterschiedlichen Klientel entsprechend auf die<br />

• Befähigung einer suchtmittelunabhängigen, selbständigen Lebensführung mit sozialer<br />

und beruflicher Reintegration und/oder<br />

• Wiederherstellung einer grösstmöglichen Lebensqualität unter Berücksichtigung an-<br />

haltender krankheitsbedingter Einschränkungen und/oder<br />

• Langzeitbehandlung bzw. -betreuung von Patienten mit unveränderlicher Residual-<br />

symptomatik, z.B. beim Korsakow-Syndrom.<br />

Zur Erreichung dieser Ziele wird vorwiegend mit rehabilitationsdiagnostischen Instrumenten<br />

sowie verschiedenen Therapieprogrammen gearbeitet.<br />

Die Behandlungsdauer ist dabei von der Zielgruppe und Indikationsstellung abhängig und<br />

dauert von 2-3 Monaten bei Entwöhnungsbehandlungen und psychosomatischer Rehabilita-<br />

tion ohne zusätzliche Suchtproblematik bis zu einem Jahr bei Patienten mit einer chroni-<br />

schen Mehrfachschädigung.<br />

2. Maison Gillet<br />

Hierbei handelt es sich um eine an die Station Or2 angegliederte therapeutische Wohngrup-<br />

pe, welche drei Plätze für Langzeitpatienten vorsieht.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 90<br />

3. Therapeutisches Zentrum Useldange<br />

Bei dem CTU handelt es sich um ein Rehabilitationszentrum mit 40 Plätzen zur therapeuti-<br />

schen Behandlung von Erkrankungen im Zusammenhang mit Alkohol- und Medikamenten-<br />

missbrauch.<br />

Es werden dabei zwei Arten von Klienten unterschieden:<br />

• Patienten mit Suchtbewusstsein und ohne Folgeschäden;<br />

• Patienten mit kognitiven Störungen, fehlender Krankheitseinsicht und z.T. komorbiden<br />

Störungen.<br />

Ein Team von zwei Psychologen, einem Psychiater, zwölf Pflegefachkräften sowie je einem<br />

Sozialarbeiter und Ergotherapeuten bietet dabei ein diversifiziertes Angebot therapeutischer<br />

und rehabilitativer Dienstleistungen an. Diese reichen von verschiedenen Therapieansätzen<br />

(Einzel- und Gruppentherapie, Ergo- und Kinesiotherapie) bis zu sozial-beruflichen Rehabili-<br />

tationsmassnahmen.<br />

Tagesklinik<br />

Die Aufnahme in die Tagesklinik des CHNP erfolgt anhand einer Überweisung durch den be-<br />

handelnden Arzt aus dem vollstationären Bereich des CHNP oder durch Zuweisung ambu-<br />

lant tätiger Ärzte, durch die Betroffenen selbst oder weiterer Einrichtungen aus dem psychiat-<br />

rischen Vorfeld.<br />

Die Tagesklinik zielt auf<br />

• eine weiterführende psychische Stabilisierung;<br />

• Integration ausserhalb der psychiatrischen Institutionen;<br />

• Verkürzung bzw. Verhinderung stationärer Wiederaufnahmen und<br />

• Verbesserung der Lebensqualität im Sinne der Förderung der Alltagsbewältigung und<br />

der sozialen und emotionalen Kompetenz wie auch eines adäquaten Umgangs mit<br />

Medikamenten.<br />

Weitere Angaben zur Tagesklinik siehe Kap. 5.4.<br />

SPAD (Soins Psychiatrique a Domicile)<br />

Beim SPAD handelt es sich um einen ambulanten, aufsuchenden Heimpflegedienst. Dieser<br />

wurde im Jahre 2001 gegründet und betreut derzeit 100 psychiatrisch erkrankte Personen in<br />

ihrem häuslichen Umfeld mit 6.5 Psychiatrieschwestern und -pflegern, die auf Anfrage von<br />

einem Psychologen und einem Sozialarbeiter assistiert werden. Zudem erhält der SPAD re-<br />

gelmässige konsiliarische Beratung durch einen Psychiater.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 91<br />

Der SPAD konzentriert sich v.a. auf den Norden des Landes, wobei er nicht nur mit dem<br />

CHNP sondern auch mit dem Hôpital St. Louis zusammenarbeitet. Auch seitens anderer<br />

Krankenhäuser wurde der Wunsch auf Zusammenarbeit mit dem SPAD geäussert. Der<br />

SPAD zieht deshalb seit längerem eine Ausdehnung des Angebots in Betracht.<br />

1.22.5 Krisen- und Notfalldienste<br />

Grundsätzlich sollen ab Mitte <strong>2005</strong> alle psychiatrischen Notfallaufnahmen von den vier psy-<br />

chiatrischen Fachabteilungen übernommen werden. Dies ist seit Mitte 2004 mit dem Beginn<br />

der Aufnahmen durch die Klinik Kirchberg phasenweise angelaufen und soll im Jahr <strong>2005</strong><br />

vollständig umgesetzt werden. In der aktuellen Übergangsphase nimmt das CHNP weiterhin<br />

einen Teil dieser Patienten auf.<br />

In Luxemburg-Stadt sind die drei Allgemeinkliniken Klinik St. Therèse, das Centre Hospitalier<br />

(CHL) und die Klinik Kirchberg (HK) für den regulären Notfalldienst zuständig. Sie lösen sich<br />

dabei in einem zeitlich festgelegten Turnus ab. Die Abdeckung des nördlichen Teils wird hin-<br />

gegen von der Klinik St. Louis übernommen, während der Süden dem Centre Hospitalier E-<br />

mil Mayrisch unterliegt. Die Krisen- und Notfalldienste sind in ganz Luxemburg allgemeinme-<br />

dizinisch orientiert, spezifische psychiatrische Krisen- und Notfalldienste gibt es nicht. Psy-<br />

chiatrische Kriseninterventionen werden normalerweise von den jeweiligen Behandlern<br />

durchgeführt. Falls Patienten in keiner Behandlung stehen, so werden sie im für den Notfall-<br />

dienst zuständige Krankenhaus empfangen und an den Dienst tuenden Psychiater zur Be-<br />

handlung weitergeleitet. Die jeweiligen Belegärzte wechseln sich dabei im Bereitschafts-<br />

dienst ab. Das CHNP führt im Bereich der Krisenintervention eine psychiatrische Ambulanz<br />

und den ambulanten Dienst SPAD. Beide werden von festangestellten Psychiatern und 7<br />

psychiatrischen Pflegepersonen betreut und begleitet.<br />

1.22.6 Fazit<br />

Bettenbedarf (Anzahl Hospitalisationen, Aufenthaltsdauer, Betten)<br />

Im Jahr 2004 teilten sich vier psychiatrische Fachabteilungen und eine psychiatrische Fach-<br />

klinik die Zuständigkeit für die Vollversorgung psychiatrischer Patienten. Dafür standen ins-<br />

gesamt 446 Betten, d.h. 0.98 Betten pro 1 000 Einwohner zur Verfügung. Von diesen entfie-<br />

len 170 Betten auf kurz- und mittelfristige Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern mit<br />

psychiatrischen Fachabteilungen. Hinzu kamen 36 Akutbetten (7.4%) und 240 Betten<br />

(49.5%) zur langfristigen Behandlung in der psychiatrischen Fachklinik CHNP. Wird die ge-<br />

samthafte Anzahl Betten in Akut- und Rehabetten unterteilt, so ergibt sich für die Akutbetten<br />

eine Bettenquote von 0.37 und für den Rehabilitationsbereich eine Quote von 0.53 pro 1 000<br />

Einwohner.<br />

Nach der vollständigen Umsetzung des Plan Hospitalier 2001 soll die Akutversorgung ab Mit-<br />

te <strong>2005</strong> nur noch von den vier Allgemeinkrankenhäusern mit Fachabteilungen (Centre Hospi-<br />

talier in Luxemburg-Stadt, l’Hôpital Kirchberg, Centre Hospitalier Emil Mayrisch, Clinique St.<br />

Louis) übernommen werden und die psychiatrische Fachklinik CHNP sich ausschliesslich auf


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 92<br />

rehabilitative Aufgaben beschränken. Für die Akutversorgung durch die Allgemeinkranken-<br />

häuser sind dabei 180 Betten vorgesehen, was einem Bettenschlüssel von 0.4 Betten auf 1<br />

000 Einwohner entspricht und damit unter dem von der WHO definierten Standard von 0.5-<br />

1.0 Bett / 1 000 Einwohner bzw. unter dem europäischen Durchschnitt von 0.87 Betten liegt.<br />

Dabei ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass die definitorische Unschärfe, welche Betten<br />

in die Berechnungen der verschiedenen Länder einbezogen werden, die Vergleichbarkeit er-<br />

schweren. Insgesamt ist aber in Luxemburg trotz eines gesamthaft hohen Bettenbestandes<br />

(0.98 / 1 000 Einwohner im Jahr 2004) bei der Akutversorgung ein Mangel an Betten zu<br />

konstatieren, der sich 2004 u.a. in einer grösseren Anzahl von Behandlungen (12.5%) in All-<br />

gemeinkrankenhäusern ohne psychiatrische Fachabteilungen widerspiegelt. Dies ist insofern<br />

von Bedeutung, als Luxemburg eine hohe Hospitalisationsrate von durchschnittlich 6 500<br />

Hospitalisationen / Jahr und eine hohe Zwangseinweisungsquote von rund 100 / 100 000<br />

Einwohnern verzeichnet. Dabei werden modernen Standards entsprechend bereits rund 80%<br />

der Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern durchgeführt, wobei die Aufenthaltsdauern in<br />

den psychiatrischen Fachabteilungen bei durchschnittlich 15 Tagen liegen und im europäi-<br />

schen Vergleich bereits beachtenswert kurz sind.<br />

Eine grosse Anzahl so genannter „Drehtür“- wie auch fehlplatzierter Patienten (z.B. Lang-<br />

zeitpatienten) ist aufgrund des niedrigen Bettenschlüssels im Akutbereich, den bereits kurzen<br />

Aufenthaltsdauern einerseits sowie dem Überschuss an Rehabilitationsbetten andererseits,<br />

nicht auszuschliessen.<br />

Verteilung der krankheits- und behandlungsrelevanten Daten<br />

Die psychiatrische Fachklinik und die Allgemeinkrankenhäuser unterschieden sich im Hin-<br />

blick auf krankheits- und behandlungsrelevante Daten erwartungsgemäss deutlich voneinan-<br />

der. Sichtbar wird dies insbesondere bei den Unterschieden in der durchschnittlichen Ver-<br />

weildauer und beim Vergleich der behandelten diagnostischen Gruppen. Im CHNP lag der<br />

Anteil von Patienten mit einem länger als zehn Jahre ununterbrochenen Aufenthalt bei 16%.<br />

Die Fachabteilungen dagegen beschränkten sich dem Plan Hospitalier entsprechend auf<br />

Aufgaben der Akutpsychiatrie. Dementsprechend lagen die durchschnittlichen Aufenthalts-<br />

dauern bei 15 Tagen. Die angestrebte Aufgabenteilung wird hiermit zwar deutlich, konnte je-<br />

doch bisher aus verschiedenen Gründen noch nicht konsequent umgesetzt werden. So wer-<br />

den z.B. chronisch Kranke häufig nur im Sinne einer Krisenintervention behandelt, Abhän-<br />

gigkeitskranke lediglich in der Entgiftungsphase versorgt und Zwangseinweisungen noch<br />

immer vornehmlich im CHNP durchgeführt. Das CHNP war dadurch zur Zeit der Bestandes-<br />

erhebung mit Aufgaben der Akut- wie auch der Rehabilitationspsychiatrie konfrontiert. Dieser<br />

Umstand soll sich gemäss Aussagen des Gesundheitsministeriums ab Mitte <strong>2005</strong> jedoch<br />

ändern.<br />

Die Zusammenarbeit zwischen den Allgemeinkrankenhäusern und dem CHNP beschränkt<br />

sich gemäss Aussagen der Leistungserbringer neben der Überweisung von Suchtpatienten<br />

und Zwangseinweisungen aktuell auf ein Minimum. Eine grundsätzlich gute Zusammenarbeit<br />

findet sich dagegen mit den ausserstationären Strukturen, sprich ambulanten und komple-<br />

mentären Einrichtungen. Schwierigkeiten bestehen vor allem in fehlenden Nachsorgestruktu-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 93<br />

ren, wodurch die Allgemeinkrankenhäuser mit Kapazitätsproblemen konfrontiert sind. Das<br />

CHNP weist dagegen eine grosse Anzahl von fehlplatzierten Langzeitpatienten auf, die auf-<br />

grund mangelnder Nachsorgestrukturen nicht ausgegliedert werden können.<br />

Infrastruktur (Personelles und bauliches Fazit)<br />

Es sind bauliche und personelle Unterschiede zwischen den einzelnen Allgemeinkranken-<br />

häusern, insbesondere im Vergleich zum CHNP, festzustellen. Die Allgemeinkrankenhäuser<br />

sind infrastrukturell in hervorragendem Zustand oder werden aktuell renoviert. Sie weisen<br />

dabei grundsätzlich genügend psychiatrisches Pflegepersonal auf (vgl. Psych-PV, Kap. 3.4).<br />

Eine Ausnahme bildet das Centre Hospitalier, welches im Jahre 2004 in Hinblick auf die per-<br />

sonellen und baulichen Standards die vergleichsweise schlechtesten infrastrukturellen Vor-<br />

aussetzungen bot. Während bspw. im Centre Hospitalier Emil Mayrisch für 33 Betten 28<br />

Psychiatriefachpflegepersonen zur Verfügung stehen, so sind das für 46 Betten im CHL<br />

knapp 20 Psychiatriefachpfleger. Personelle Unterschiede sind gemäss Aussagen des UCM<br />

v.a. auf das Personalbemessungsinstrument PRN zurückzuführen, welches auf den internen<br />

Erhebungen der einzelnen Krankenhäuser beruht.<br />

Das CHNP weist im Gegensatz zu den Allgemeinkrankenhäusern infrastrukturelle Defizite<br />

zur angemessenen Versorgung der Patienten auf. Aus unterschiedlichen Gründen verzeich-<br />

net das CHNP eine personelle Unterversorgung, die im Vergleich zur Psych-PV (Berech-<br />

nungsgrundlagen finden sich in Kunze et al., 2003) alle Berufsgruppen, jedoch insbesondere<br />

das psychiatrische Pflegepersonal und die ärztliche Versorgung betrifft. Dabei sind insbe-<br />

sondere die ungenügenden Bedingungen zur somatischen Behandlung der Patienten durch<br />

den Mangel an allgemeinmedizinischen Ressourcen (2 Allgemeinarzte (50%) für 257 Patien-<br />

ten, fehlende internistische Abteilung) bei bekannt hoher somatischer Komorbidität psychiat-<br />

rischer Patienten hervorzuheben.<br />

Baulich besteht das CHNP aus einer Reihe von Gebäudekomplexen aus verschiedenen E-<br />

pochen in unterschiedlichem Erhaltungszustand. Diverse Gebäude und Abteilungen wurden<br />

in den letzten Jahren renoviert. Dennoch weist das CHNP bauliche Defizite zur angemesse-<br />

nen Versorgung der Patienten auf.<br />

Es sind auch Unterschiede im Behandlungsspektrum zwischen den verschiedenen Kliniken<br />

festzustellen. Die Allgemeinkliniken konzentrieren sich eher auf so genannt „leichtere Stö-<br />

rungen“ wie neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen, affektive Störungen und<br />

zum Teil auf Persönlichkeits- oder Essstörungen. Der Schwerpunkt des CHNP liegt dagegen<br />

auf der Behandlung von psychotischen Störungen sowie Alkoholabhängigkeit und sonstigen<br />

Suchterkrankungen.<br />

In Luxemburg besteht keine explizite psychiatrische Krisen- und Notfallversorgung. Psychiat-<br />

rische Notfälle werden landesweit im Rahmen der regulären medizinischen Notfallversorgung<br />

bzw. durch die reguläre Akutversorgung der vier psychiatrischen Fachabteilungen abge-<br />

deckt. Quantität und Qualität der Notfallversorgung ist aufgrund des Belegarztsystems je-<br />

doch immer abhängig von der Anwesenheit eines psychiatrischen Belegarztes. Es ist sich


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 94<br />

deshalb zu fragen, inwiefern die psychiatrische Notfallversorgung in den verschiedenen Lan-<br />

desteilen Schwankungen unterliegt.<br />

1.23 Teilstationärer Bereich: Tageskliniken<br />

1.23.1 Bestand, Struktur, Angebot, Personal, Patienten, Zusammenarbeit<br />

Es wird gemäss den versorgungspolitischen Grundsätzen davon ausgegangen, dass eine an<br />

eine psychiatrische Krankenhauseinrichtung gekoppelte Tagesklinik dem Anspruch eines<br />

Bindeglieds zwischen ambulanter und stationärer Behandlung am ehesten gerecht wird. In<br />

Luxemburg werden vier so genannte verbundene Tageskliniken registriert:<br />

• Tagesklinik des Centre Hospitalier<br />

• Tagesklinik des Hôpital Kirchberg<br />

• Tagesklinik der Clinique St. Louis<br />

• Tagesklinik des CHNP<br />

Als Spezialfall kommt die Tagesklinik des Centre de <strong>Santé</strong> Mentale hinzu, die hier jedoch<br />

nicht genauer erwähnt wird, da diese erstens nicht an ein Krankenhaus gekoppelt ist und<br />

zweitens in Kombination mit dem Tageszentrum auftritt.<br />

Eine Tagesklinik ist des Weiteren im Centre Hospitalier Emil Mayrisch auf Anfang 2006 ge-<br />

plant.<br />

1.23.1.1 Struktur<br />

Die Tageskliniken bieten aktuell 54 tagesklinische Plätze für psychisch Kranke an. Dabei va-<br />

riiert die Anzahl zwischen zwölf und 15 Plätzen je nach Klinik. Während die durchschnittliche<br />

Auslastung in Kirchberg und im CHNP bei 75% liegt, so liegt sie bei den Kliniken St. Louis<br />

und Centre Hospitalier um die 90%. Die Wartezeiten liegen zwischen zwei und sechs Wo-<br />

chen.<br />

Fast alle Kliniken haben in den letzten Jahren Veränderungen im Aufgabenspektrum, im be-<br />

treuten Personenkreis oder in der Arbeitsweise realisiert. Während die Klinik Kirchberg die<br />

Tagesklinik in die stationäre Psychiatrie integriert hat, so fand in der Klinik St. Louis v.a. ein<br />

Umbau mit Neueröffnung der Tagesklinik in einem neuen Haus statt. Die Tagesklinik im<br />

CHNP ist dagegen nicht mehr nur auf psychotische Klienten ausgerichtet, sondern für alle<br />

Patienten zugänglich.<br />

Was das Personal anbelangt, sind Unterschiede zwischen den einzelnen Tageskliniken zu<br />

verzeichnen. Dies scheint einerseits auf das Personalbemessungsinstrument PRN und ande-<br />

rerseits auf personelle Doppelfunktionen zurückzuführen zu sein. Ausser dem psychiatri-<br />

schen Pflegepersonal scheinen die anderen Berufsgruppen (z.B. Belegärzte, Psychologen)


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 95<br />

für die Versorgung des teil- wie auch des vollstationären Bereichs verantwortlich zu sein. Ei-<br />

ne Übersicht über die Personalaufschlüsselung ist nachfolgender Tabelle zu entnehmen, die<br />

wiederum mit Zahlen der UCM – in blauer Farbe – ergänzt wurde.<br />

Tabelle 20: Aufschlüsselung des Personals nach Anstellungsgrad (Tageskliniken)<br />

Personalausstattung der 4 Tageskliniken im Jahre 2004<br />

Berufsgruppen CHNP<br />

Hôpital Kirch-<br />

berg<br />

Centre Hospita-<br />

lier Luxemburg<br />

Ärzte für Psychiatrie 0.25 6.00 1.00 4.00<br />

Psychologen/Psychotherapeuten 0.25 3.00 2.75 0.50<br />

Clinique<br />

St. Louis<br />

Psychiatrisches Pflegepersonal 4.00 (5.5) 4.00 (4) 2.00 (5) 3.00 (3.8)<br />

Sozialarbeiter 0.40 3.00 0.25 0.50<br />

Ergotherapeuten 1.00 3.00 - 0.50<br />

Physiotherapeuten 0.50 - - -<br />

Quelle: Erhebungsbögen und Daten der UCM (in blau)<br />

Alle Tageskliniken bieten interne psychiatrische Weiterbildung (40 Std./Jahr) an. Das Centre<br />

Hospitalier CHL gab zudem an, wöchentlich eine Stunde Supervision anzubieten. Die übri-<br />

gen Kliniken machten keine Angaben betreffend Supervision bzw. zusätzlichen Weiterbil-<br />

dungsmöglichkeiten.<br />

1.23.1.2 Angebote<br />

Nachfolgend ist ein Auszug aus dem SPSS-Programm ersichtlich, der eine Übersicht zu den<br />

Angeboten ermöglichen soll:


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 96<br />

Tabelle 21: Angebote der Tagesklinik<br />

Dichotomy label Name Count Responses Cases<br />

Medizinisch-psychiatrische Anamnese PSYCHAMN 4 11.4 100<br />

Psychosoziale Beratung BERATUNG 4 11.4 100<br />

Psychotherapie THERAPIE 4 11.4 100<br />

Training persönlicher Fähigkeiten TRAINING 4 11.4 100<br />

Ausbildungs- und berufsbezogene An-<br />

gebote<br />

BERUFANG<br />

1 2.9 25<br />

Einzelhilfen EINZELHI 3 8.6 75<br />

Psychosoziale Anamnese SOZANAM 4 11.4 100<br />

Psychosoziale Vernetzung VERNETZU 4 11.4 100<br />

Gutachten GUTACHTE<br />

1 2.9 25<br />

Freizeitangebote FREIZEIT 2 5.7 50<br />

Psychopharmakologie PHARMA 4 11.4 100<br />

Total respon-<br />

ses<br />

35 100 875<br />

SPSS-Auswertung (Mutlple Response / Value tabulated = 1) 0 missing cases; 4 valid cases<br />

Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass die Hauptangebote der Tageskliniken den vier Grund-<br />

pfeilern (Anamneseerhebung, Vernetzung, Therapie, Rehabilitation) einer funktionierenden<br />

Tagesklinik entsprechen. Alle Tagesklinken geben an, medizinisch-psychiatrische und psy-<br />

chosoziale Anamnesen und Psychotherapien (inklusive Psychopharmakologie) durchzufüh-<br />

ren, Vernetzungsarbeit und psychosoziale Beratung zu leisten und auch Trainings persönli-<br />

cher Fähigkeiten anzubieten. Zwei Tageskliniken gaben in diesem Zusammenhang zudem<br />

an, Einzelhilfen in bestimmten Problembereichen wie auch freizeit- und berufsbezogene An-<br />

gebote anzubieten. Zwischen den Kliniken sind jedoch beträchtliche qualitative Unterschiede<br />

im Angebotsspektrum festzustellen. Insbesondere die Tagesklinik des CHL entspricht nicht<br />

der eigentlichen Definition einer Tagesklinik. Das Angebot beschränkt sich auf ein- bis drei-<br />

mal wöchentlich stattfindende Gruppenangebote für Zwangs- und Panikstörungen, soziale<br />

Phobien und zum Teil auch Essstörungen. Ein breiteres Angebot wie auch mehr Betreuung<br />

ist aufgrund infrastruktureller und insbesondere personeller Defizite nicht möglich. Es besteht


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 97<br />

deshalb von Seiten der psychiatrischen Leitung der Tagesklinik seit längerem der Wunsch<br />

nach einem Ausbau der Tagesklinik in Anlehnung an die aktuellen Standards in diesem Be-<br />

reich.<br />

1.23.1.3 Angaben zu Patienten<br />

Die Klientel der Tageskliniken beschränkt sich vornehmlich auf nachfolgend abgebildete Di-<br />

agnosegruppen:<br />

Tabelle 22: Störungsbilder, Anzahl Patienten, Aufenthaltsdauer der Tagesklinik<br />

Diagnosegruppen gemäss Häufigkeit (Rangfolgen) verteilt auf die einzelnen Tageskliniken<br />

Diagnosegruppen CHNP St. Louis Kirchberg CHL<br />

Störungen durch Alkoholmissbrauch Rang 2 Rang 2<br />

Psychotische Störungen<br />

Rang 1<br />

(95%)<br />

Rang 4<br />

Affektive Störungen Rang 1 Rang 3 Rang 3<br />

Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störun-<br />

gen<br />

Rang 3 Rang 4 Rang 1 Rang 1<br />

Essstörungen Rang 3 Rang 2<br />

Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen Rang 3 Rang 4 Rang 1 Rang 4<br />

Anzahl Patienten im Jahr 2004 65<br />

Durchschnittliche Aufenthaltsdauer in Wochen<br />

Monate bis<br />

Jahre<br />

350<br />

(3 500 Präsenzen)<br />

3 000 Präsenzen 192<br />

6-10 3-4 12 x 3 Std.<br />

SPSS-Auswertung (Mutlple Response / Value tabulated = 1) 0 missing cases; 4 valid cases<br />

Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass sich die Tageskliniken jeweils auf unterschiedliche Stö-<br />

rungen spezialisiert haben. Während das CHNP einen Schwerpunkt auf psychotische Stö-<br />

rungen legt, werden die Tageskliniken der Allgemeinspitäler v.a. von Menschen mit neuroti-<br />

schen, Belastungs- und somatoformen Störungen, Persönlichkeitsstörungen und affektiven<br />

Störungen frequentiert. Das CHNP sowie die Clinique St. Louis sind zudem zunehmend mit<br />

Alkoholerkrankungen konfrontiert. Dabei haben sich gemäss den Aussagen der jeweiligen<br />

Verantwortlichen die Clinique St. Louis auf affektive Störungen, das Centre Hospitalier auf<br />

neurotische und Anpassungsstörungen sowie Essstörungen und die Klinik Kirchberg auf<br />

neurotische und Persönlichkeitsstörungen spezialisiert.<br />

Es zeigt sich auch in Bezug auf die Anzahl Patienten und Aufenthaltsdauer ein Unterschied<br />

zwischen dem CHNP und den anderen drei Tageskliniken in den Allgemeinspitälern. Wäh-<br />

rend die Allgemeinspitäler relativ kurze Aufenthaltsdauer von eins bis zwei Monaten ver-<br />

zeichnen, so bleibt die Klientel im CHNP über mehrere Monate teilhospitalisiert. Dies ist u.a.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 98<br />

auch auf die unterschiedlichen Problemfelder und die daraus resultierenden Ansprüche der<br />

Patienten zurückzuführen.<br />

1.23.1.4 Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen<br />

Die Mehrheit der Tageskliniken arbeitet an erster Stelle mit der eigenen Klinik zusammen,<br />

welche die Patienten nach einem stationären Aufenthalt an die Tagesklinik weiter weist oder<br />

bei Verschlechterung des Zustandes auch wieder aufnimmt. An zweiter Stelle stehen meist<br />

die ambulanten Dienste, z.B. freischaffende Psychiater und Hausärzte. Das Hôpital Kirch-<br />

berg scheint diesbezüglich auch eng mit Beratungsstellen zusammenzuarbeiten.<br />

1.23.2 Fazit<br />

Es hat seit 2003 ein starker Ausbau an tagesklinischen Plätzen stattgefunden. Aktuell stehen<br />

dabei 54 Plätze zur Verfügung. Die Tageskliniken sind entsprechend den Empfehlungen von<br />

1992 organisatorisch und rechtlich an die jeweiligen Allgemeinspitäler angebunden. Ausser<br />

der Tagesklinik im CHL, entsprechen Angebot wie Infrastruktur der übrigen Tagesklinken<br />

grundsätzlich den europäischen Standards. Die Tagesklinik des CHL weist jedoch beträchtli-<br />

che Defizite in Infrastruktur, Angebot und Betreuungskapazität auf.<br />

Es zeigt sich grundsätzlich ein Unterschied bei den diagnostischen Gruppen zwischen dem<br />

CHNP und den anderen Kliniken. Obwohl sich die Kliniken tendenziell auf unterschiedliche<br />

Diagnosegruppen zu spezialisieren scheinen, verzeichnen sie doch insgesamt vornehmlich<br />

so genannt „leichtere Störungen“ wie neurotische, Belastungs-, affektive Störungen oder<br />

Essstörungen. Dementsprechend ist auch eine kurze Dauer der Aufenthalte von ein bis zwei<br />

Monaten üblich. Der Schwerpunkt des CHNP liegt dagegen auf der Behandlung von psycho-<br />

tischen Störungen und Alkoholerkrankungen und weist dementsprechend längere, mehrmo-<br />

natige Aufenthaltsdauern auf.<br />

1.24 Ambulanter Bereich<br />

1.24.1 Sozialpsychiatrische Beratungsstellen und Tageszentren<br />

1.24.1.1 Struktur<br />

Im sozialpsychiatrischen Bereich wurden insgesamt 14 Institutionen ermittelt. Dabei werden<br />

in den folgenden Abschnitten sechs Beratungsstellen, eine Koordinations- und Informations-<br />

stelle, zwei Tageszentren und ein Kontaktzentrum unterschiedlicher Grösse vorgestellt. Zwei<br />

davon (Centre des <strong>Santé</strong> Mentale und Centre d’Information et de Prévention) befinden sich<br />

in Luxemburg-Stadt sowie je eine in Esch („Oppen Dir“), in Grevenmacher, Echternach, eine<br />

in Useldange und in Manternach. Lediglich das Centre de <strong>Santé</strong> Mentale und das Centre<br />

Oppen Dir entsprechen dem Typus eines sozialpsychiatrischen Zentrums, da diese nebst<br />

Beratungsdienst über ein Tageszentrum (bzw. Kontaktzentrum) sowie ein betreutes Wohn-<br />

angebot für psychisch Kranke verfügen. Bei den Beratungsstellen CTU und der „Alternativ


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 99<br />

Beradungsstell“ handelt es sich um Dienste für eine spezifische, eng umgrenzte Klientel<br />

(Drogen, Alkohol).<br />

Zu diesen zehn Einrichtungen kommt noch das „Centre Accueil et Solidarité“ der Caritas hin-<br />

zu. Dabei handelt es sich um eine Beratungs- und Kontaktstelle mit integriertem Tageszent-<br />

rum und einem Nachtfoyer. Obwohl die Einrichtung auf Obdachlose ausgerichtet ist, wird sie<br />

dennoch von einer erheblichen Anzahl psychisch Kranker frequentiert. Da die ausgefüllten<br />

Dokumentationsbögen erst Mitte April eintrafen, konnten diese Angebote in den Erhebungen<br />

leider nicht mehr berücksichtigt werden.<br />

Es wurde zudem noch ein Dienst des ATP ermittelt. Bei diesem handelt es sich jedoch weni-<br />

ger um eine Beratungsstelle, sondern eher um eine Koordinations- und Informationsstelle im<br />

Bereich der therapeutischen Werkstätten. Diese Einrichtung wurde deshalb nicht in die wei-<br />

tere Auswertung miteinbezogen, wird aber im Kap. 4.7 erwähnt.<br />

Zudem wurden noch zwei Einrichtungen für Kinder und Jugendliche ermittelt. Einerseits eine<br />

Beratungsstelle der Médecins sans Frontières und andererseits ein vornehmlich sozialpäda-<br />

gogisch orientiertes Zentrum „Centre socio-éducatif“. Die Struktur der letzteren Einrichtung<br />

entspricht trotz sozialpädagogischer Orientierung dem Typus eines sozialpsychiatrischen<br />

Zentrums, insofern als es neben Beratung und Betreuung ausbildungs-, arbeits- und freizeit-<br />

bezogene Tagesangebote und ein betreutes Wohnangebot integriert. Die beiden Einrichtun-<br />

gen werden im Kap. 5.7.1 (Kinder- und jugendpsychiatrische Dienste) näher erläutert.<br />

Eine Übersicht über die Struktur der verschiedenen sozialpsychiatrischen Einrichtungen ist<br />

der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 100<br />

Tabelle 23: Übersicht über die sozialpsychiatrischen Einrichtungen<br />

Jahr der Entstehung, Art des Einrichtungstyps, Träger und Öffnungszeiten<br />

Name der Einrich-<br />

tung<br />

Alternativ Bera-<br />

dungsstelle<br />

seit<br />

1980<br />

Centre Oppen Dir 1987<br />

Beratungsstelle<br />

Grevenmacher<br />

Beratungsstelle<br />

des CTU<br />

Beratungsstelle<br />

des CSM<br />

Centre d'Informa-<br />

tion et de Préven-<br />

tion<br />

Tageszentrum des<br />

CSM<br />

Tageszentrum<br />

Kaspar Hauser<br />

Haus<br />

Tageszentrum Villa<br />

Reebou<br />

1991<br />

1978<br />

1960<br />

1992<br />

1973<br />

2002<br />

1987<br />

Art des Einrichtungstyps /<br />

Klientel<br />

Beratungsstelle für Abhängige il-<br />

legaler Drogen<br />

Beratungsstelle Allgemeinpsy-<br />

chiatrie<br />

Beratungsstelle Allgemeinpsy-<br />

chiatrie<br />

Telefonberatung bei Alkoholprob-<br />

lemen<br />

Therapie- und Beratungsstelle für<br />

psychisch Kranke<br />

Beratungs-, Kontakt- und Prä-<br />

ventionsstelle<br />

Tageszentrum für Menschen mit<br />

psychischen Störungen<br />

Tageszentrum für psychotische<br />

Patienten<br />

Tageszentrum mit Schwerpunkt<br />

Psychoseerkrankungen<br />

Träger / Rechtsnatur Öffnungszeiten<br />

CHNP / privatrechtlich<br />

Reseau Psy - Psychesch Hel-<br />

lef Dobussen<br />

Reseau Psychesch Hellef /<br />

privatrechtlich<br />

Mo, Mi, Fr<br />

halbtags<br />

Mo-Fr<br />

CHNP / privatrechtlich 24 h<br />

Ligue d'Hygiène Mentale asbl.<br />

/ freigemeinnützig<br />

Ligue d'Hygiène Mentale asbl.<br />

/ freigemeinnützig<br />

Ligue d'Hygiène Mentale asbl.<br />

/ freigemeinnützig<br />

Reseau Psy -Psychesch Hel-<br />

lef / privatrechtlich<br />

Psychesch Hellef /<br />

privatrechtlich<br />

ganztags<br />

Mo, Mi, ganz-, Di<br />

& Fr halbtags<br />

Mo-Fr ganztags /<br />

Sa halbtags<br />

Mo-Fr ganztags<br />

Mo, Di, Do ganz-<br />

tags<br />

Mo - Fr ganztags<br />

Vier der elf Institutionen gaben an, wesentliche Veränderungen im Aufgabenspektrum, im be-<br />

treuten Personenkreis oder in der Arbeitsweise innerhalb der letzten Jahre durchgemacht zu<br />

haben. Anpassungen waren einerseits im betreuten Personenkreis aufgrund der steigenden<br />

Anzahl Patienten mit Persönlichkeits- und psychotischen Störungen und Substanzabhängig-<br />

keiten, andererseits aber auch in konzeptioneller Hinsicht aufgrund neuer Therapieansätze,<br />

wie z.B. Methadonsubstitution, notwendig. Die zunehmende Anzahl therapeutischer Werk-<br />

stätten machten zudem eine Koordinationsstelle unumgänglich.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 101<br />

1.24.1.2 Angebot<br />

Allen Institutionen gemeinsam ist ihre Ausrichtung auf Einzelhilfen in bestimmten Lebensbe-<br />

reichen (Arbeit, Wohnen, Freizeit etc.) sowie auf psychosoziale Beratung und Vernetzung.<br />

Während die Schwerpunkte der Beratungsstellen stärker in der psychosozialen Beratung und<br />

Vernetzung mit mehr oder weniger starker Spezialisierung auf eine bestimmte Diagnose-<br />

gruppe liegen, so stehen in den Tageszentren verstärkt psychotherapeutische Interventionen<br />

(inkl. medizinisch-psychiatrischer / psychosozialer Abklärungen), Freizeit- und Berufsangebo-<br />

te sowie Familienarbeit im Vordergrund. Beim Centre d’Information et de Prévention (CIP)<br />

und der Beratungsstelle des ATP kommt zudem noch Öffentlichkeitsarbeit hinzu, wobei der<br />

Schwerpunkt im CIP mehr auf der Prävention liegt. Die genauen Häufigkeitsverteilungen sind<br />

der unten stehenden Tabelle zu entnehmen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 102<br />

Tabelle 24: Angebote im Bereich der Sozialpsychiatrie<br />

Dichotomy label Name Count Responses Cases<br />

Med-psychiatrische Anamnese PSYAMNE 5 6.8 41.7<br />

Psychosoziale Beratung SOZBERAT 9 12.2 75.0<br />

Psychotherapie THERAPIE 7 9.5 58.3<br />

Training persönlicher Fähigkeiten TRAINING 5 6.8 41.7<br />

Ausbildungs-/berufsbezogene An-<br />

gebote<br />

Einzelhilfe in bestimmten Lebensbe-<br />

reichen<br />

BERUFANG 2 2.7 16.7<br />

EINZHILF 10 13.5 83.3<br />

Psychosoziale Anamnese SOZANAM 5 6.8 41.7<br />

Psychosoziale Vernetzung PSOZVERN 9 12.2 75.0<br />

Bildungsangebote BILDUNG 2 2.7 16.7<br />

Gutachten GUTACHTE 6 8.1 50.0<br />

Freizeitangebote FREIZEIT 4 5.4 33.3<br />

Familienarbeit FAMILIE 5 6.8 41.7<br />

Anderes ANDERES 5 6.8 41.7<br />

Total responses 74 100 616.7<br />

SPSS Auswertung (Multibple Response / Value tabulated = 1) 10 valid cases<br />

1.24.1.3 Personal<br />

Nur in den drei Beratungsstellen der Vereinigung „Reseau Psy“ und im Sozialpsychiatrischen<br />

Zentrum „Centre de <strong>Santé</strong> Mentale“ ist ein Psychiater festangestellt. Die anderen Beratungs-<br />

und Kontaktstellen erhalten keine psychiatrische Betreuung. In den beiden Tageszentren<br />

„Villa Reebou“ und „Kaspar Haus“ sind zwar keine Psychiater festangestellt, es kann bei Be-<br />

darf aber auf einen der Psychiater der Vereinigung des Reseau Psy zurückgegriffen werden.<br />

Zur personellen Grundausstattung der Beratungsdienste gehören jedoch vornehmlich Psy-<br />

chologen und Sozialarbeiter.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 103<br />

Tabelle 25: Angaben zum Personal (Anstellungsgrad)<br />

Name der Einrichtung<br />

Alternativ Beradungsstelle<br />

Ergothe-<br />

rapeuten <br />

Psycho-<br />

logen <br />

Psychia-<br />

ter<br />

Pflege-<br />

personal<br />

Centre Oppen Dir 2 1.25 1.5<br />

Sozial-<br />

arbeiter<br />

Beratungsstelle Echternach 0.1 0.05<br />

Beratungsstelle Grevenmacher 0.5 0.25 0.75<br />

Beratungsstelle des CTU unbekannt<br />

Beratungsstelle des CSM Siehe Tageszentrum CSM<br />

Centre d’Information et de Pré-<br />

vention<br />

0.5 0.5<br />

Tageszentrum des CSM 1.5 3 0.75 1.5 0.25<br />

Tageszentrum Kaspar Haus 1.1 0.5<br />

Tageszentrum Villa Reebou 2.25<br />

Admini-<br />

stration<br />

Die Mehrheit der Einrichtungen (10 Nennungen) erhalten mehr oder weniger regelmässig<br />

Möglichkeiten zur psychiatrischen Weiterbildung. Die Mitarbeiter der fünf Einrichtungen des<br />

Reseau Psy werden dabei alle sechs Wochen supervisiert und unterhalten Kontakte zu ähn-<br />

lichen Einrichtungen im Ausland. Das CSM bietet zwar keine Supervision im eigentlichen<br />

Sinne, jedoch wöchentliche Teambesprechungen an. Die Mitarbeiter der Beratungsstelle des<br />

CTM erhalten wie alle Mitarbeiter des CHNP zwischen 30 und 40 Std. Weiterbildung pro Jahr<br />

offeriert, die sie jedoch selber organisieren müssen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 104<br />

1.24.1.4 Angaben zu den Klienten<br />

Tabelle 26: Angaben zu Anzahl Patienten, Nationalität, Alter<br />

Stand 2004<br />

Name der Einrichtung Anzahl Patienten Nationalität<br />

Ausländeranteil<br />

Alternativ Beradungsstelle Keine Angaben<br />

Alter / Geschlecht<br />

(Hauptgruppe)<br />

Centre Oppen Dir 311 Unbekannt 18 - 65 Jahre<br />

Beratungsstelle Echternach 25 Unbekannt 18 – 65 Jahre / > 65 Jahre<br />

Beratungsstelle Grevenmacher 101 Unbekannt 18 – 65 Jahre / > 65 Jahre<br />

Beratungsstelle des CTU Keine Angaben<br />

Beratungsstelle des CSM<br />

614<br />

Total 1051<br />

Centre d’Information et<br />

de Prévention<br />

(4966 Beratungen)<br />

Keine Angaben<br />

44% Ausländer<br />

Ca. 95% zwischen 18 und 64<br />

Jahren, 2/3 davon sind Frauen<br />

Tageszentrum des CSM 43 44% Ausländer Zwischen 20 und 30 Jahren<br />

Tageszentrum Kaspar Haus 102 Unbekannt 18 – 65 Jahre<br />

Tageszentrum Villa Reebou 79 Unbekannt 18 – 65 Jahre<br />

Total 224<br />

Insgesamt wurden in den Beratungsstellen im Jahr 2004 1 051 Patienten gezählt. Dabei<br />

wurden ein- bis mehrmalige Konsultationen durchgeführt. Die Tages- bzw. Kontaktzentren<br />

verzeichneten im Jahr 2004 224 Patienten. Ausser dem CSM wurden keine soziodemogra-<br />

phischen Angaben (Alter, Geschlecht, Nationalität) angegeben. Die Klientel des Centre de<br />

<strong>Santé</strong> Mentale war dabei zu 56% luxemburgischer Abstammung und zu zwei Dritteln weibli-<br />

chen Geschlechts. Während die Beratungsstelle des CSM zu 95% Menschen zwischen 18


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 105<br />

und 64 Jahren berieten, so waren die Patienten des Tageszentrums eher jünger, wobei der<br />

Durchschnitt zwischen 20 und 30 Jahren lag.<br />

Tabelle 27: Angaben zu den Klienten<br />

Angaben zu Anzahl Patienten, Nationalität, Alter im Jahr 2004 der 12 sozialpsychiatrischen Einrichtungen<br />

Name der Einrichtung Aufenthaltsdauer Wichtigste Problembereiche (Rangfolgen)<br />

Alternativ Beradungsstelle Drogenproblematik<br />

Centre Oppen Dir<br />

Beratungsstelle Echternach<br />

Beratungsstelle Grevenmacher<br />

1) Persönlichkeitsstörungen, Psychotische Erkrankungen<br />

2) Ängste, Depression<br />

3) Beziehungsproblematik<br />

4) Alkoholabhängigkeit<br />

1) Ängste, Depressionen<br />

2) Persönlichkeitsstörungen, Psychotische Erkrankungen<br />

3) Gerontopsychiatrische Probleme<br />

4) Suizidalität<br />

1) Ängste, Depressionen<br />

2) Persönlichkeitsstörungen, Psychotische Erkrankungen<br />

3) Gerontopsychiatrische Probleme<br />

4) Suizidalität<br />

Beratungsstelle des CTU Alkoholerkrankungen<br />

Beratungsstelle des CSM<br />

Centre d’Information et de Pré-<br />

vention<br />

Psychiatrische Konsul-<br />

tation: 3-4x<br />

Psychologische Kon-<br />

sultation: 5-6x<br />

Pflegedienste: 12x<br />

Keine Angaben<br />

Tageszentrum des CSM 5 Monate<br />

Tageszentrum Kaspar Haus<br />

Tageszentrum Villa Reebou<br />

Kurz- und Langzeit-<br />

aufenthalte<br />

Kurz- und Langzeit-<br />

aufenthalte<br />

1) Psychotischen Störungen, Persönlichkeitsstörungen, af-<br />

fektive Störungen, Substanzstörungen (ca. 42%)<br />

2) Angststörungen (ca. 35%)<br />

3) Psychosoziale Probleme (Beziehung, Familie, Beruf)<br />

(ca. 20%)<br />

1) Ängstlich-depressive Störungen<br />

2) Andere psychisch relevante Störungen<br />

3) Psychosoziale Probleme (Beruf, Familie, Beziehung)<br />

V.a. psychotische Erkrankungen, Persönlichkeitsstörun-<br />

gen und ängstlich-depressive Störungen<br />

Psychotische Störungen<br />

Psychotische Störungen<br />

Werden alle Ränge der Einrichtungen zusammengezählt und gemittelt, so stehen auf Rang 1<br />

„andere psychiatrische Erkrankungen“ (5 Nennungen) wie z.B. Persönlichkeitsstörungen und


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 106<br />

psychotische Störungen. An zweiter Stelle stehen mit 3 Nennungen Ängste und Depressio-<br />

nen. An dritter Stelle finden sich psychosoziale Probleme sowie Alkoholerkrankungen (2<br />

Nennungen). Während in den sozialpsychiatrischen Beratungsstellen der Schwerpunkt in der<br />

Betreuung von Patienten mit Angst-, Belastungs-, affektiven und Persönlichkeitsstörungen<br />

liegt, so sind die Tageszentren eher auf psychotische Erkrankungen ausgerichtet. Die auf<br />

Suchterkrankungen spezialisierten Beratungsstellen verzeichnen ihrem Konzept entspre-<br />

chend vornehmlich Suchterkrankungen. Bei der Mehrheit der Patienten treten die psychi-<br />

schen Störungen in Begleitung von psychosozialen Problemen auf.<br />

1.24.1.5 Zusammenarbeit/Vernetzung<br />

Patienten werden mehrheitlich durch ambulante Dienste, wie z.B. frei praktizierende Psychia-<br />

ter, andere Beratungsstellen (je 9 Nennungen) und Sozialdienste (8 Nennungen) zugewie-<br />

sen. An zweiter Stelle stehen Justizämter (7 Nennungen), Wohneinrichtungen und therapeu-<br />

tische Werkstätten (je 6 Nennungen). Erst an dritter Stelle stehen die stationären Dienste mit<br />

5 Nennungen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 107<br />

Tabelle 28: Angebote im Bereich der Sozialpsychiatrie<br />

Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />

Zuweisung ambulante Dienste ZUWAMB 9 13.4 90<br />

Zuweisung Tageskliniken ZUWTK 4 6 40<br />

Zuweisung stationäre Dienste ZUWSTAT 5 7.5 50<br />

Zuweisung sonstige Wohneinrichtungen ZUWWOHN 6 9 60<br />

Zuweisung Tagesstätten ZUWSTÄTT 4 6 40<br />

Zuweisung Berufsbildungswerke ZUWBERUF 3 4.5 30<br />

Zuweisung Werkstätten ZUWWERK 6 9 60<br />

Zuweisung sonstige Beratungsstellen ZUWBERAT 9 13.4 90<br />

Zuweisung Sozialdienste ZUWSOZ 8 11.9 80<br />

Zuweisung Ämter ZUWÄMT 2 3 20<br />

Zuweisung Justizämter ZUWJUSTI 7 10.4 70<br />

Zuweisung andere Institution ZUWAND 4 6 40<br />

Total responses 67 100 670<br />

SPSS- Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1) 10 valid cases<br />

Die intensivste Zusammenarbeit besteht auch hier mit den ambulanten Diensten, sei dies<br />

aufgrund einer Erstvernetzung oder aufgrund einer Rückweisung der Patienten an ihre bishe-<br />

rige Behandler (10 Nennungen). Im Sinne psychosozialer Vernetzungsarbeit werden auch<br />

häufig Kontakte mit Sozialdiensten (9 Nennungen), therapeutischen Werkstätten (7 Nennun-<br />

gen) sowie Wohneinrichtungen (6 Nennungen) hergestellt. Im Falle einer Verschlechterung<br />

des Zustandsbildes der Patienten gewinnen im Bereich der Weiterweisung die stationären<br />

Dienste an Bedeutung (8 Nennungen).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 108<br />

Tabelle 29: Auswertung zu weiterweisenden Institutionen und Ämter im Jahre 2004<br />

Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />

Weiterweisung ambulant WEITAMB 10 15.6 100<br />

Weiterweisung Tagesklinik WEITTK 4 6.3 40<br />

Weiterweisung stationär WEITSTAT 8 12.5 80<br />

Weiterweisung Wohneinrichtungen WEITWOHN 6 9.4 60<br />

Weiterweisung Tagesstätte, Freizeit WEITSTÄT 6 9.4 60<br />

Weiterweisung Berufsbildungswerke etc. WEITBERU 4 6.3 40<br />

Weiterweisung Werkstätten WEITWERK 7 10.9 70<br />

Weiterweisung Beratungsstellen WEITBERA 6 9.4 60<br />

Weiterweisung Sozialdienste WEITSOZI 9 14.1 90<br />

Weiterweisung Ämter WEITAMT 2 3.1 20<br />

Weiterweisung andere Institution WEITAND 2 3.1 20<br />

Total responses 64 100 640<br />

Multiple Response-SPSS Auswertung, Value tabulated = 1 10 valid cases<br />

Im Anhang finden sich detaillierte Übersichten über die genauen Tätigkeitsfelder und Klien-<br />

tenangaben der sozialpsychiatrischen Angebote des Reseau Psy wie auch des Centre des<br />

<strong>Santé</strong> Mentale.<br />

1.24.2 Psychiater in freier Praxis<br />

Insgesamt wurden 56 Psychiater in eigener Praxis, davon 5 Fachärzte für Kinder- und Ju-<br />

gendpsychiatrie, in die Bestandesaufnahme miteinbezogen. Unter Annahme der Erfassung<br />

aller psychiatrischen Praxen kommt ein Psychiater auf 8 064 Einwohner, was bei einer Be-<br />

völkerungsanzahl von rund 451 600 einer Rate von 0.12/1 000 entspricht. Von den 56 ver-<br />

sandten Fragebögen wurden 17 Fragebögen beantwortet, was einer Rücklaufquote von<br />

30.4% entspricht. Aufgrund des geringen Rücklaufs können deshalb nur allgemeine Struktu-<br />

ren des Versorgungsbereiches dokumentiert werden. Repräsentative Aussagen über Ver-<br />

sorgungskapazitäten, Diagnosen etc. sind nicht möglich.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 109<br />

1.24.2.1 Struktur<br />

Die Praxen wurden während der Jahre 1979 bis 2004 eröffnet, wovon fünf neue Praxen allein<br />

im Jahre 2003 entstanden. Sechs dieser Praxen werden rechtlich und/oder organisatorisch<br />

mit anderen geführt. Alle Psychiater arbeiten nach dem Bestellpraxensystem. Sieben Psy-<br />

chiater gaben an, in den letzten Jahren wesentliche Änderungen im Aufgabenspektrum, im<br />

behandelten Personenkreis oder in der Arbeitsweise durchgeführt zu haben. Die meisten be-<br />

trafen die Zusammenarbeit mit psychiatrischen Abteilungen in Allgemeinkrankenhäusern,<br />

wobei entweder die Arbeit als Belegarzt neu aufgenommen, ausgebaut oder beendet wurde.<br />

In diesem Zusammenhang erfolgte auch die Aufnahme von Zwangseinweisungen als ein<br />

neuer Aufgabenbereich. Ein Psychiater gab an, in seiner Praxis eine starke Zunahme von<br />

Patienten mit Mobbingproblemen zu verzeichnen.<br />

Vierzehn Psychiater gaben an, Wartefristen von einem Monat (7 Nennungen), 1-6 Monaten<br />

(4 Nennungen) und sogar zwischen 6 und 12 Monaten (1 Nennung) zu haben. Ein Psychia-<br />

ter nimmt aufgrund von Kapazitätsproblemen aktuell gar keine neuen Patienten mehr auf.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 110<br />

1.24.2.2 Angebot<br />

Tabelle 30: Die Angebote ambulant tätiger Psychiater<br />

Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />

Medizinisch-psychiatrische Anamnese PSYCHAMN 14 15.4 100<br />

Psychosoziale Beratung BERATUNG 10 11 71.4<br />

Gutachten GUTACHTE 8 8.8 57.1<br />

Training persönlicher Fähigkeiten TRAINING 4 4.4 28.6<br />

Psychopharmakologie PHARMA 13 14.3 92.9<br />

Bildungsangebote BILDUNG 3 3.3 21.4<br />

Psychotherapie THERAPIE 13 14.3 92.9<br />

Psychosoziale Anamnese SOZANAM 11 12.1 78.6<br />

Psychosoziale Vernetzung VERNETZU 7 7.7 50<br />

Gruppenangebote GRUPPE 1 1.1 7.1<br />

Hausbesuche HAUSBES 1 1.1 7.1<br />

Angehörigenarbeit FAMILIE 6 6.6 42.9<br />

Total 91 100.0 650.0<br />

SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1) 3 missing cases, 14 valid cases<br />

Über 60% (10) der praktizierenden Psychiater gaben an, mehrheitlich in Allgemeinkranken-<br />

häusern (CHNP, Clinique St. Therèse, Esch/Alzette, St. Louis und Kirchberg) konsiliarisch tä-<br />

tig zu sein. Je ein Psychiater berät zudem niedergelassene Hausärzte und das Therapiezent-<br />

rum Pfaffental. Drei Psychiater sind dabei täglich konsiliarisch tätig. Elf Psychiater beteiligen<br />

sich an einem turnusgemäss wechselnden Bereitschaftsdienst, wobei hinsichtlich des Um-<br />

fangs dennoch Unterschiede zu verzeichnen sind. Zwei stehen täglich, einer mehrmals wö-<br />

chentlich, vier einmal pro Woche und einer alle zwei Wochen zur Verfügung. Drei haben dar-<br />

auf nicht geantwortet. Diese elf Psychiater führen auch Belegbetten in den Kliniken CHNP,<br />

St. Therèse, Esch/Alzette, Kirchberg und St. Louis. Die Anzahl der Belegbetten variiert von 6<br />

bis 60 Betten, wobei vier keine Angaben dazu gemacht haben.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 111<br />

1.24.2.3 Angaben zu Patienten<br />

Die Angaben über die Gesamtzahl der 2004 betreuten Klienten waren sehr heterogen. Sie<br />

reichten von 50 Klienten pro Praxis bis zu 1 200 bei Praxen in den Allgemeinspitälern. Die<br />

Angabe einer durchschnittlichen Klientenzahl pro Praxis ist aus diesem Grunde nicht sehr<br />

aussagekräftig. Die grosse Spannweite ist erfahrungsgemäss bedingt durch die jeweils do-<br />

minierenden Behandlungsarten, wobei psychotherapeutisch tätige Psychiater grundsätzlich<br />

geringere Aufnahmekapazitäten haben. Sechs Psychiater machten keine Angaben zu Pati-<br />

entenzahlen.<br />

Die drei Kinder- und Jugendpsychiater behandelten sinngemäss v.a. Patienten unter 18 Jah-<br />

ren. Fünf weitere Psychiater gaben an, zum Teil auch Patienten unter 18 Jahren zu behan-<br />

deln, die Prozentsätze variierten dabei zwischen 2 und 20%. Elf Psychiater gaben an, haupt-<br />

sächlich Klienten zwischen 18 und 64 Jahren und an zweiter Stelle Klienten über 65 Jahren<br />

(~20%) zu behandeln. Drei machten keine Angaben zum Alter der Klienten. In zwei der Pra-<br />

xen werden mehrheitlich ausländische Klienten und in acht vornehmlich einheimische be-<br />

handelt. Zwei Psychiater geben an, eine ausgeglichene Anzahl ausländischer sowie einhei-<br />

mischer Klienten zu verzeichnen. Vier Fachärzte machten hierzu keine Angaben.<br />

Exakte Angaben über Diagnoseverteilungen machten lediglich zwei Praxen. Dreizehn gaben<br />

jedoch Häufigkeits-Rangreihen der behandelten Krankheitsbilder an, so dass auf diese Wei-<br />

se das in der nachfolgenden Tabelle ersichtliche Bild des Behandlungsspektrums entsteht.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 112<br />

Tabelle 31: Krankheitsbilder (Behandlungsspektrum)<br />

Diagnosen „psychischer Störungen“ gemäss ICD-10-Kriterien<br />

Krankheitsbilder Rangreihen-Meridiane Anzahl Nennungen<br />

Organische Störungen 5.5 7<br />

Störungen aufgrund von Alkohol- und Medi-<br />

kamentenmissbrauch<br />

2.5 10<br />

Störungen aufgrund psychotroper Substanzen 5 10<br />

Psychotische Störungen 4 11<br />

Affektive Störungen 2 11<br />

Neurotische, Belastungs- und somatoforme<br />

Störungen<br />

Verhaltensauffälligkeiten aufgrund körperlicher<br />

Störungen (z.B. Essstörungen)<br />

3 12<br />

4.5 10<br />

Persönlichkeitsstörungen 2 10<br />

Intelligenzminderung 6.5 5<br />

Entwicklungsstörungen 3.5 4<br />

Unklare psychiatrische Diagnose 8 2<br />

Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass affektive Störungen, Persönlichkeitsstörungen, Be-<br />

lastungs- und somatoforme Störungen wie auch Erkrankungen aufgrund von Alkoholmiss-<br />

brauch in den Praxen am häufigsten behandelt werden.<br />

Was die durchschnittliche Behandlungsdauer anbelangt, so sind beträchtliche Unterschiede<br />

zwischen den einzelnen Praxen zu erkennen. Von den neun Praxen, die diese Frage beant-<br />

wortet haben, liegt bei sieben die durchschnittliche Behandlungsdauer unter drei Monaten,<br />

bei zwei Psychiatern zwischen sechs und zwölf Monaten und bei einem Psychiater zwischen<br />

ein und zwei Jahren.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 113<br />

1.24.2.4 Zusammenarbeit/Vernetzung<br />

Die Klienten werden hauptsächlich durch andere ambulante Dienste (10), Beratungsstellen<br />

(8), Sozialdienste (7) und komplementäre Wohneinrichtungen (7) den Praxen zugewiesen.<br />

Eine genaue Übersicht findet sich in der nachfolgenden Tabelle.<br />

Tabelle 32: Zusammenarbeit mit zuweisenden Institutionen<br />

Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />

Zuweisung ambulante Dienste ZUWAMB 1 17.9 90.9<br />

Zuweisung rehabilitative Dienste ZUWREHA 2 3.6 18.2<br />

Zuweisung stationäre Dienste ZUWSTAT 5 8.9 45.5<br />

Zuweisung Altersheime ZUWALTER 5 8.9 45.5<br />

Zuweisung sonstige Wohneinrichtungen ZUWWOHN 7 12.5 63.6<br />

Zuweisung Tagesstätte ZUWSTÄTT 3 5.4 27.3<br />

Zuweisung Werkstätten ZUWWERK 3 5.4 27.3<br />

Zuweisung Beratungsstellen ZUWBERAT 8 14.3 72.7<br />

Zuweisung Sozialdienste ZUWSOZ 7 12.5 63.6<br />

Zuweisung Ämter ZUWÄMT 3 5.4 27.3<br />

Zuweisung Justizämter ZUWJUSTI 1 1.8 9.1<br />

Zuweisung andere Institution ZUWAND 2 3.6 18.2<br />

Total 56 100.0 509.1<br />

SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1)<br />

Die Klienten werden im Falle einer Zustandsbildverschlechterung häufig an stationäre Diens-<br />

te (9) weitergeleitet, weshalb der Zusammenarbeit mit psychiatrischen Kerneinrichtungen ei-<br />

ne herausragende Bedeutung zukommt. Kooperation, v.a. im Sinne psychosozialer Vernet-<br />

zung, besteht zudem mit anderen ambulanten Einrichtungen (9), Beratungsstellen (7) und<br />

Wohneinrichtungen (6).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 114<br />

Tabelle 33: Zusammenarbeit mit weiterweisenden Institutionen<br />

Dichotomy Label Name Count<br />

Re-<br />

sponses<br />

Weiterweisung ambulant WEITAMB 9 16.7 81.8<br />

Weiterweisung Rehabilitation WEITREHA 4 7.4 36.4<br />

Weiterweisung stationär WEITSTAT 9 16.7 81.8<br />

Weiterweisung Altersheime WEITALTE 5 9.3 45.5<br />

Weiterweisung Wohneinrichtungen WEITWOHN 6 11.1 54.5<br />

Weiterweisung Tagesstätte, Freizeit WEITSTÄT 5 9.3 45.5<br />

Weiterweisung Werkstätte WEITWERK 5 9.3 45.5<br />

Weiterweisung Beratungsstellen WEITBERA 7 13 63.6<br />

Weiterweisung Sozialdienste WEITSOZI 4 7.4 36.4<br />

Total 54 100.0 490.9<br />

SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1) 6 missing cases, 11 valid cases<br />

1.24.3 Fazit<br />

Cases<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die sozialpsychiatrischen Angebote sich vor<br />

allem in den Ballungsräumen Luxemburg-Stadt und Esch konzentrieren. Durch die Bera-<br />

tungsstellen Grevenmacher und Echternach wird zudem neu der Osten abgedeckt. Einzig die<br />

fachspezifischen Beratungsstellen stehen dem Zentrum Luxemburgs vor. Grundsätzlich ist<br />

v.a. im Hinblick auf das Prinzip der Gemeindenähe eine Unterversorgung des nördlichen<br />

Landesteils zu konstatieren. Dessen ambulante Versorgung wird wahrscheinlich durch die<br />

verkehrstechnisch nächstgelegene Einrichtung, die Ambulanz des CHNP, mitgetragen.<br />

Für die ambulante Versorgung chronisch psychisch Kranker mit erhöhtem Betreuungsbedarf<br />

stehen über die frei praktizierenden Psychiater hinaus nur die Belegärzte der psychiatrischen<br />

Fachabteilungen und die psychiatrische Ambulanz des CHNP zur Verfügung. Die Kapazität<br />

der sozialpsychiatrischen Beratungsstellen ist v.a. durch die Inanspruchnahme von so ge-<br />

nannten leichteren Störungen eingeschränkt, welche in der Regel weniger Beeinträchtigun-<br />

gen aufweisen als z.B. Psychosekranke. Die verbleibenden ambulanten Dienste beschrän-<br />

ken sich dagegen vom Konzept her auf einen spezifischen Teil des psychiatrischen Diagno-<br />

sespektrums (Suchterkrankungen). Die Obdachlosenhilfe Caritas weist in diesem Zusam-<br />

menhang auf den grossen Anteil psychisch Kranker in ihren Einrichtungen hin. Diese häufige<br />

Inanspruchnahme von Einrichtungen der Nichtsesshaftenhilfe muss dabei als Hinweis auf


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 115<br />

quantitative und qualitative Mängel in der Versorgung chronisch psychisch Kranker interpre-<br />

tiert werden. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen bzw. eingeschränkten Betreu-<br />

ungskapazitäten der Einrichtungen besteht deshalb vermutlich ein beträchtliches Versor-<br />

gungsdefizit, vornehmlich für chronisch psychisch Kranke aus dem Norden des Landes.<br />

Der ambulante Bereich wird durch 56 Psychiater (5 davon Kinder- und Jugendpsychiater)<br />

abgedeckt, was einer Rate von 0.124 Psychiatern pro 1 000 Einwohner entspricht. Luxem-<br />

burg weist in Bezug auf die ambulante Versorgung eine hohe Dichte an Psychiatern auf, die<br />

über dem internationalen Durchschnitt und sogar über der hohen Dichte der Schweiz liegt<br />

(0.023 / 1 000, siehe Kap. 3.4.2). Es ist jedoch hervorzuheben, dass ein Teil davon in Dop-<br />

pelfunktionen auch als Belegärzte in den Allgemeinkliniken tätig ist.<br />

Was die Geschlechts- und Altersverteilung betrifft, so entspricht die Klientel der psychiatri-<br />

schen Praxen recht genau der luxemburgischen Gesamtbevölkerung (davon je 20% Kinder-<br />

und Jugendliche und über 65-jährige). Die verfügbaren Informationen lassen erkennen, dass<br />

affektive Störungen, Neurosen und Persönlichkeitsstörungen neben den Erkrankungen durch<br />

Alkohol die am häufigsten behandelten Krankheitsbilder sind. Erfahrungsgemäss stehen die<br />

rein psychotherapeutisch tätigen Psychiater nur einem nach Zahl und Behandlungsbedarf<br />

sehr begrenzten Patientenkreis zur Verfügung. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auf-<br />

grund fehlender ausserstationärer Strukturen und diagnosespezifischer Angebote ein<br />

Grossteil der unterversorgten Klienten die Dienste der Psychiater in Anspruch nimmt. Dies<br />

könnte auch die langen Wartefristen trotz hoher Dichte an psychiatrischen Praxen erklären.<br />

Auf der anderen Seite wird durch die bevorzugte Behandlung psychoreaktiver Störungen<br />

deutlich, dass auch hier eine gewisse Anzahl schwer chronisch Kranker mit umfassenderen<br />

Versorgungsbedürfnissen von den Angeboten der Psychiater vermutlich nicht erreicht wer-<br />

den. Dies wird durch die ungleiche regionale Verteilung mit der Konzentration fast aller Psy-<br />

chiater auf die urbanen Räume noch verstärkt.<br />

1.25 Komplementärer und rehabilitativer Bereich<br />

1.25.1 Bereich Wohnen<br />

Von den 17 angeschriebenen Einrichtungen wurden acht Einrichtungen für psychisch Kranke<br />

der folgenden Trägerinstitutionen in die Erhebung miteinbezogen:<br />

• Wohnangebote des CHNP (betreutes Einzelwohnen, Übergangsheim, Wohnheim)<br />

• Liewen Dobaussen (1 Wohnheim)<br />

• Centre de <strong>Santé</strong> Mentale (betreutes Einzelwohnen und Übergangsheim)<br />

• C.E.R.R.M. (betreutes Wohnen und Übergangsheim)<br />

• Reseau Psy Hellef Dobaussen asbl. (betreutes Einzelwohnen)<br />

Fünf weitere Einrichtungen (in Kap. 2 unter „diverse Einrichtungen“ vermerkt) gehören zur Li-<br />

gue HCM und sind auf Menschen mit einer geistigen Behinderung ausgerichtet. Aufgrund ih-<br />

rer Spezifität wurden diese nicht in die weiteren Erhebungen miteinbezogen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 116<br />

Die Caritas unterhält darüber hinaus vier Einrichtungen mit Wohnplätzen für Obdachlose und<br />

sozial Benachteiligte, die in Ansätzen ein therapeutisches und resozialisierendes Konzept<br />

verfolgen. Die Daten konnten in den vorliegenden Erhebungen aufgrund des verspäteten<br />

Rücklaufs leider nicht mehr berücksichtigt werden.<br />

1.25.1.1 Struktur<br />

Gegenwärtig stehen im Rahmen des geschützten Wohnens 138 Wohnplätze zur Verfügung.<br />

Davon entfallen 27 Plätze auf ausgegliederte Wohnangebote des CHNP, die sich auf 24<br />

Plätze für Patienten mit Substanzerkrankungen und drei Einzelwohnplätze mit Betreuung<br />

durch den Heimpflegedienst SPAD aufteilen. Neben diesen finden sich 111 Wohnplätze für<br />

allgemeinpsychiatrische Patienten, die den Trägerschaften C.E.R.R.M., Ligue Luxemburgoi-<br />

se d’Hygiène Mentale, Reseau Psy und Liewen Dobaussen unterstehen. Die drei Letztge-<br />

nannten sind dabei durch Konventionsverträge mit dem Gesundheitsministerium verbunden.<br />

Eine genaue Übersicht über die verschiedenen Wohneinrichtungen bietet nachfolgende Ta-<br />

belle:


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 117<br />

Tabelle 34: Angaben zu den Wohneinrichtungen im ausserstationären Bereich<br />

Stand 2004 (Jahr der Entstehung, Art des Einrichtungstyps, Träger und Anzahl Plätze)<br />

Name der Einrichtung Seit Art des Einrichtungstyps Träger<br />

Appartements thérapeutiques du<br />

Centre de <strong>Santé</strong> mentale<br />

SPAD-Begleitung<br />

1987<br />

Übergangswohnheim und betreutes<br />

Wohnen in Einzelwohnungen und in<br />

Wohngemeinschaften<br />

Betreutes Einzelwohnen<br />

(Begleitung durch SPAD)<br />

Ligue Luxembur-<br />

goise<br />

d’Hygiène Mentale<br />

CHNP 3<br />

Foyer Reckendall 1990 Betreutes Wohnen C.E.R.R.M. 22<br />

Foyer Reckendall / Réhabilitation 1986 Übergangsheim C.E.R.R.M. 9<br />

Foyer Thérapeutiques (2)<br />

(Foyer Integra und Haus beim<br />

Schlass)<br />

1983/<br />

1990<br />

Foyer de vie für Alkoholkranke<br />

(Langzeitwohnheim)<br />

Liewen Dobaussen 1987 Wohnheim (Langzeitbereich)<br />

Logement Supervisé 2001 Betreutes Einzelwohnen<br />

Nachsorgehäuser Rosport (Syr-<br />

dallschlass Manternach)<br />

Total<br />

(mit Einrichtungen des CHNP)<br />

Total<br />

(ohne Einrichtungen des CHNP)<br />

2003<br />

Übergangsheim für Suchtabhängige<br />

nach Therapie im CTM<br />

Anzahl<br />

Plätze<br />

31<br />

CHNP und CTU 13<br />

Liewen Dobaussen<br />

asbl.<br />

Reseau Psychesch<br />

Hellef Dobaussen<br />

asbl.<br />

CHNP und Ge-<br />

sundheitsministeri<br />

Bei den Wohneinrichtungen handelt es sich um drei Übergangsheime, drei Angebote im Be-<br />

reich „betreutes Wohnen“ mit unterschiedlicher Betreuungszeit und zwei Wohnheime für<br />

langfristige Aufenthalte. Zwei Einrichtungen werden öffentlich-rechtlich und sechs freige-<br />

meinnützig geführt. Letztere sind dabei durch Kooperationsverträge dem Gesundheitsminis-<br />

terium unterstellt. Nahezu alle Einrichtungen sind voll ausgelastet. Die Wartezeiten liegen<br />

dabei zwischen sechs und zwölf Wochen.<br />

um<br />

35<br />

14<br />

11<br />

138<br />

111


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 118<br />

Veränderungen in den letzten Jahren<br />

Nur zwei der Einrichtungen gaben an, in den letzten Jahren wesentliche Veränderungen im<br />

Aufgabenbereich, Klientenprofil oder in der Infrastruktur erfahren zu haben. Im Centre de<br />

<strong>Santé</strong> Mentale hat sich das Angebot an Wohnplätzen verdoppelt und es gab – neben einer<br />

Zunahme von Akutpatienten – eine Verschiebung des Patientenprofils in Richtung Dualdiag-<br />

nosen. Im Wohnheim von Liewen Dobaussen ergaben sich aufgrund zunehmend jüngerer<br />

Psychosepatienten Veränderungen des Klientenprofils v.a. in Bezug auf das Alter, die Ver-<br />

weildauer und bisherige Hospitalisationserfahrung.<br />

1.25.1.2 Personal<br />

Nur in einer Einrichtung ist ein Psychiater festangestellt. Alle weiteren – ausser dem Wohn-<br />

heim Liewen Dobaussen – werden bei Bedarf konsiliarisch durch einen psychiatrischen<br />

Facharzt mitversorgt. Während das Foyer Reckendall wöchentlich vier Stunden konsiliarärzt-<br />

liche Betreuung erhält, so finden diese in den anderen Institutionen erst auf Anfrage des<br />

Klienten statt. Patienten der Asbl. Liewen Dobaussen werden demgegenüber durch ihren<br />

ambulanten Psychiater betreut.<br />

Grundsätzlich wird ein beträchtlicher Mangel in der Personalausstattung der verschiedenen<br />

Institutionen konstatiert. Einzig das Centre de <strong>Santé</strong> Mentale und die Einrichtungen des<br />

C.E.R.R.M. verfügen über eine grössere Anzahl Personal. Die anderen Einrichtungen wer-<br />

den häufig nur von einem Pädagogen oder einen Sozialarbeiter betreut und auch dies in<br />

deutlich beschränktem Umfang.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 119<br />

Tabelle 35: Angaben zum Personal (Anstellungsgrad)<br />

Name der Einrichtung<br />

Pädagogen /<br />

Erzieher<br />

Psychologen Psychiater<br />

Psychiatrisches<br />

Pflegepersonal<br />

Centre de <strong>Santé</strong> Mentale 0.5 0.5 0.25 2.25 0.25<br />

SPAD-Begleitung keine genauen Angaben (wird durch Pflegefachkräfte des SPAD versorgt)<br />

Foyer Reckendall 1 -<br />

Foyer Reckendall / Réha-<br />

bilitation<br />

1.5 0.25<br />

Konsiliarisch,<br />

4 Std./Woche<br />

Konsiliarisch, 4<br />

Std./Woche<br />

Sozial-<br />

arbeiter<br />

1 0.25<br />

2 0.5<br />

Liewen Dobaussen 3.5 - - 2.5 -<br />

Logement Supervisé<br />

Nachsorgehäuser<br />

Rosport<br />

1<br />

Konsiliarisch<br />

bei Bedarf<br />

Konsiliarisch<br />

auf Anfrage der<br />

Klienten<br />

Total 7.5 0.75 0.25 8.75 2<br />

Weiterbildung / Supervision<br />

Sechs Einrichtungen geben an, Supervision oder psychiatrische Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

zu erhalten. Wiederum sind grosse Unterschiede in Bezug auf Umfang und Art der Weiterbil-<br />

dung zu verzeichnen. Während das Centre des <strong>Santé</strong> Mentale regelmässig drei Stun-<br />

den/Woche Supervision anbietet, so findet für die Mitarbeiter des Resau Psy – Psychesch<br />

Hellef Dobaussen alle sechs Wochen Supervision statt. Diese unterhalten zudem Kontakte<br />

zu ähnlichen Institutionen im Ausland. Die beiden Einrichtungen des C.E.R.M.M. (Foyer Re-<br />

ckendall) geben an, einmal jährlich eine berufsorientierte Weiterbildung anbieten zu können.<br />

Die Weiterbildungsangebote sind allen Mitarbeitergruppen zugänglich.<br />

0.5


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 120<br />

1.25.1.3 Angebot und Konzept<br />

Tabelle 36: Angebote der Wohneinrichtungen<br />

Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />

Med-psychiatrische Anamnese PSYAMNE 1 2.3 14.3<br />

Psychosoziale Beratung SOZBERAT 6 13.6 85.7<br />

Psychotherapie THERAPIE 2 4.5 28.6<br />

Training persönlicher Fähigkeiten TRAINING 7 15.9 100<br />

Ausbildungs-/berufsbezogene Angebote BERUFANG 4 9.1 57.1<br />

Einzelhilfe in bestimmten Lebensbereiche EINZHILF 7 15.9 100<br />

Psychosoziale Anamnese SOZANAM 4 9.1 57.1<br />

Psychosoziale Vernetzung PSOZVERN 6 13.6 85.7<br />

Freizeitangebote FREIZEIT 6 13.6 85.7<br />

Anderes ANDERES 1 2.3 14.3<br />

Total 44 100.0 628.6<br />

SPSS-Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1) 4 missing cases, 7 valid cases<br />

Neben dem Hauptschwerpunkt des betreuten Wohnens verfügen manche der Institutionen<br />

noch über eine Reihe weiterer Angebote, wie z.B. psychosoziale Beratung und Vernetzung<br />

(75%), Training persönlicher Fähigkeiten (88%), Einzelhilfe bei bestimmten Problemlagen<br />

(88%) und vereinzelt auch Psychotherapie (25%). Unterschiede hinsichtlich möglicher Offer-<br />

ten hängen dabei v.a. von den finanziellen Möglichkeiten und dem Personalschlüssel ab.<br />

1.25.1.4 Angaben zu den Klienten<br />

Insgesamt wurden im Jahre 2004 durch sieben Wohneinrichtungen (4 missing values) 145<br />

Patienten (Range = 8-42) betreut. Soziodemographische Angaben zu Alter, Nationalität und<br />

Geschlecht waren nur beschränkt erhältlich.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 121<br />

Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer ging von weniger als einem Jahr (2) bis zu Patienten,<br />

welche bereits über zwei Jahre in einem Wohnheim wohnen (1). Die genaue Verteilung ist<br />

der untenstehenden Tabelle zu entnehmen.<br />

Tabelle 37: Durchschnittliche Aufenthaltsdauer<br />

Durchschnittliche Aufenthaltsdauer Häufigkeit<br />

< 1 Jahr 2<br />

1 bis 2 Jahre 2<br />

2 bis 5 Jahre 1<br />

Total Antworten 7<br />

Missing Values 4<br />

Keine der Einrichtungen gab detaillierte Zahlen, sondern höchstens Richtwerte (Rangreihen)<br />

zur Verteilung von Störungsbildern an. Nähere Angaben waren zum Teil aus Jahresberichten<br />

erhältlich. Die drei häufigsten Klientengruppen sind Menschen mit psychotischen Erkrankun-<br />

gen oder mit Störungen infolge Alkohol- oder Drogenmissbrauchs. Bei zwei Institutionen<br />

(CSM, Psychesch Hellef) rangierten Persönlichkeitsstörungen und bei den Nachsorgehäu-<br />

sern Rosport verschiedene psychosoziale Probleme (z.B. Arbeit, Beziehung) an zweiter Stel-<br />

le. Als dritthäufigster Problembereich wurden Ängste und Depressionen (CSM, Foyers<br />

Thérapeutiques CHNP) genannt.<br />

Bei den Beratungsstellen des Reseau Psy sah die Verteilung folgendermassen aus:<br />

38% affektive Erkrankungen, 23% psychotische Störungen, 16% psychosoziale Probleme<br />

(v.a. Beziehungsprobleme), 11% „andere“ psychische Störungen, 5% Abhängigkeitserkran-<br />

kungen und 2% Angsterkrankungen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 122<br />

Tabelle 38: Übersicht über Art der Klientengruppe<br />

Stand 2004<br />

Klientengruppe Häufigkeit<br />

Alkoholabhängige 2<br />

Personen mit psychotischen Störungen 3<br />

Persönlichkeitsstörungen und affektive Störungen 2<br />

Störungen durch psychotrope Substanzen 1<br />

1.25.1.5 Zusammenarbeit/Vernetzung<br />

Am häufigsten werden Patienten von Seiten rehabilitativer Dienste den Wohneinrichtungen<br />

zugewiesen (86%). An zweiter Stelle stehen mit 57% die stationären Dienste, gefolgt von<br />

ambulanten Diensten, anderen Wohneinrichtungen, Beratungsstellen und Sozialdiensten mit<br />

je 43%.<br />

Tabelle 39: Häufigkeit der zuweisenden Stellen<br />

Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />

Zuweisung ambulante Dienste ZUWAMB 3 10.7 42.9<br />

Zuweisung rehabilitative Dienste ZUWREHA 6 21.4 85.7<br />

Zuweisung stationäre Dienste ZUWSTAT 4 14.3 57.1<br />

Zuweisung sonstige Wohneinrichtungen ZUWWOHN 3 10.7 42.9<br />

Zuweisung Tagesstätten ZUWSTÄTT 2 7.1 28.6<br />

Zuweisung Werkstätten ZUWWERK 1 3.6 14.3<br />

Zuweisung Beratungsstellen ZUWBERAT 3 10.7 42.9<br />

Zuweisung Sozialdienste ZUWSOZ 3 10.7 42.9<br />

Zuweisung Ämter ZUWÄMT 1 3.6 14.3<br />

Zuweisung andere Institution ZUWAND 2 7.1 28.6<br />

Total 28 100.0 400<br />

SPSS-Output (Multiple Response / Value tabulated = 1) 4 missing cases, 7 valid cases


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 123<br />

Was die Zusammenarbeit mit Nachsorgestrukturen anbelangt, so haben nur sechs Einrich-<br />

tungen geantwortet. Diese arbeiten mit je 100% Antworthäufigkeit eng mit therapeutische<br />

Werkstätten und Beratungsstellen (6) zusammen. An zweiter Stelle stehen mit je 84% die<br />

Sozialdienste und ambulant tätigen Psychiater (5). Des Weiteren sind Tagesstätten (84%)<br />

und andere Wohneinrichtungen (67%) von Bedeutung.<br />

Tabelle 40: Häufigkeit der Weiterweisung an Nachsorgestrukturen<br />

Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />

Weiterweisung ambulant WEITAMB 5 12.8 83.3<br />

Weiterweisung Rehabilitation WEITREHA 2 5.1 33.3<br />

Weiterweisung stationär WEITSTAT 2 5.1 33.3<br />

Weiterweisung Altersheime WEITALTE 2 5.1 33.3<br />

Weiterweisung Wohneinrichtungen WEITWOHN 4 10.3 66.7<br />

Weiterweisung Tagesstätte, Freizeit WEITST€T 5 12.8 83.3<br />

Weiterweisung Werkstätte WEITWERK 6 15.4 100<br />

Weiterweisung Beratungsstellen WEITBERA 6 15.4 100<br />

Weiterweisung Sozialdienste WEITSOZI 5 12.8 83.3<br />

Weiterweisung Ämter WEITAMT 1 2.6 16.7<br />

Weiterweisung andere Institution WEITAND 1 2.6 16.7<br />

Total 39 100.0 650.0<br />

SPSS-Output (Multiple Response / value tabulated = 1) 5 missing cases, 6 valid cases<br />

1.25.2 Bereich Arbeit (Therapeutische Werkstätten)<br />

Es gibt in Luxemburg derzeit acht Einrichtungen, die im geschützten Rahmen ein therapeuti-<br />

sches Angebot bieten und die speziell auf die Bedürfnisse psychisch Kranker ausgerichtet<br />

sind. Von den acht angeschriebenen Ateliers haben sieben geantwortet, die der unten ste-<br />

henden Tabelle zu entnehmen sind. Darunter fällt eine auf autistische Erwachsene speziali-<br />

sierte Werkstatt, welche jedoch explizit einen Platz für psychisch Kranke ausweist. Einzig der<br />

„Reiterhof Matthellef“, welcher Arbeit offiziell erst zu Beginn des Jahres 2006 aufnimmt, hat<br />

nicht geantwortet.<br />

1.25.2.1 Struktur


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 124<br />

Tabelle 41: Struktur der 7 therapeutischen Ateliers<br />

Angaben zu Jahr der Entstehung, Trägerschaft, Rechtsnatur und Anzahl Plätze im Jahr 2004<br />

Name der Einrichtung<br />

Jahr der<br />

Entstehung<br />

Träger Rechtsnatur Anzahl Plätze<br />

Eilinger Konschtwerk 2004 ATP privatrechtlich 50<br />

Haff Ditgesbaach 2004 ATP privatrechtlich 50<br />

Schierener Atelier 2000 ATP privatrechtlich 35<br />

Walfer Atelier 1990 ATP privatrechtlich 50<br />

Keramikfabrik 2000 Ministerium für Arbeit privatrechtlich 1<br />

Eilerenger Wäschbur 1993<br />

Atelier Valeriushaff 1987<br />

Caritas Accueil et Solidari-<br />

té<br />

Caritas Accueil et Solidari-<br />

té<br />

privatrechtlich 35<br />

privatrechlich 15<br />

Total 236<br />

Insgesamt werden in therapeutischen Werkstätten aktuell 236 Arbeitsplätze für psychisch<br />

Kranke und sozial Benachteiligte bereitgestellt. Davon entfallen 186 Plätze auf die vier privat-<br />

rechtlich geführten Werkstätten der Trägervereinigung ATP und die Keramikfabrik und 50 auf<br />

die zwei Werkstätten der Caritas. Beim Träger ATP (Association d’Aide par le Travail pour<br />

Personnes Psychotiques) handelt es sich um eine gemeinsame Gründung von C.E.R.R.M.,<br />

Ligue Hygiène Mentale und Psychesch Hellef Dobaussen. Ausser der Keramikfabrik, welche<br />

dem Arbeitsministerium untersteht, werden alle anderen therapeutischen Werkstätten im<br />

Rahmen von Konventionsverträgen vom Familienministerium finanziert. Dabei gibt es zum<br />

Teil Überschneidungen. So wird zwar das Atelier selbst vom Familienministerium bezahlt,<br />

das Personal der Werkstätte Eilinger Konschtwerk jedoch vom Arbeitsministerium und die<br />

Weiterbildung vom Familienministerium.<br />

Die therapeutischen Ateliers sind zurzeit voll ausgelastet, wobei die vier Einrichtungen des<br />

ATP Wartezeiten von vier bis sechs Wochen aufweisen.<br />

1.25.2.2 Personal<br />

Angaben zu Personal der vier therapeutischen Ateliers anhand ihres Anstellungsgrads im<br />

Jahre 2004:


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 125<br />

Tabelle 42: Personalangaben<br />

Name der Einrich-<br />

tung<br />

Pädagogen Handwerks-<br />

fachkräfte<br />

Psychologen Sozialarbeiter<br />

Eilinger Konschtwerk 3.5 1 1<br />

Haff Ditgesbaach 5 1 0.5<br />

Keramikfabrik 1 2<br />

Schierener Atelier 3 1 0.5<br />

Walfer Atelier 5 1 0.5<br />

Eilerenger Wäschbur 1 5.75 2.5<br />

Atelier Valeriushaff 2<br />

Total 2 26.25 4 5<br />

Die Mehrheit des Personals besteht aus Handwerksfachkräften (insgesamt 26.25 Stellen).<br />

An zweiter Stelle stehen Sozialarbeiter (insgesamt 5 Stellen), gefolgt von Psychologen (ins-<br />

gesamt 4 Stellen). Keines der Ateliers erhält konsiliarische Beratung durch einen Facharzt.<br />

Gemäss dem Schierener Atelier wird jeder Klient durch seinen eigenen ambulant praktizie-<br />

renden Psychiater betreut. Je nach Atelier erhalten die Mitarbeiter ein- bis dreimal jährlich die<br />

Möglichkeit einer psychiatrischen Fortbildung. Es gibt jedoch keine Möglichkeiten zur Super-<br />

vision.<br />

1.25.2.3 Angebot und Konzept<br />

Das Konzept der Werkstätten besteht grundsätzlich darin, psychisch kranken Menschen<br />

bzw. sozial Benachteiligten je nach ihrer Verfassung:<br />

• Dauerarbeitsplätze mit Zusatzverdienstmöglichkeiten zu schaffen;<br />

• ein vorberufliches Arbeitstraining anzubieten;<br />

• arbeitsplatz- und berufsbezogene Kenntnisse zu vermitteln und<br />

• Reintegration auf dem primären Arbeitsmarkt.<br />

Die Schwerpunkte liegen dabei in der beruflichen Abklärung und im Training persönlicher<br />

Fähigkeiten (je 100%). An zweiter Stelle stehen mit je 85% der Antworten Einzelhilfen in be-<br />

stimmten Lebensbereichen und ausbildungs- und berufsbezogene Angebote (z.B. Gesellen-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 126<br />

prüfung, Meisterbrief, Sprachkurse). An dritter Stelle stehen mit 70% psychosoziale Bera-<br />

tungsaufgaben (z.T. auch psychosoziale Anamnese). Ein Atelier der Caritas bietet zudem<br />

noch Freizeitangebote an.<br />

Die Ateliers haben sich auf unterschiedliche Tätigkeitsfelder spezialisiert. Dazu gehören u.a.<br />

eine Wäscherei, Schneiderei, Schlosserei, Druckerei und ein Cateringservice (Küche).<br />

Daneben werden Montage- und Produktionsarbeiten, wie z.B. Kerzenherstellung etc., durch-<br />

geführt. Dabei bieten alle Ateliers erstklassige und einwandfrei ausgearbeitete Produkte zum<br />

Verkauf an. Der Hof Ditgesbaach führt neben Landwirtschaft und Landschaftspflege neu<br />

auch noch eine Schaf- und Ziegenhaltung. Zudem werden Möglichkeiten zur Reittherapie<br />

angeboten.<br />

1.25.2.4 Angaben zu Klienten<br />

Ausser der Keramikfabrik, die sich auf autistisch behinderte Erwachsene spezialisiert hat,<br />

sind alle anderen therapeutischen Werkstätten auf Menschen mit schweren psychischen Be-<br />

einträchtigungen und/oder psychosozialen Schwierigkeiten ausgerichtet.<br />

Die vier auf psychiatrische Patienten ausgerichteten Werkstätten beschäftigten im Jahr 2004<br />

196 Klienten. Dazu kommen 66 Klienten der Caritas. Eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer<br />

können die Werkstätten nicht nennen. Diese sind grundsätzlich sehr variabel, wobei jedoch<br />

von mehrjährigen und zu einem Teil lebenslänglichen Aufenthalten ausgegangen werden<br />

muss.<br />

Rund die Hälfte der Klienten der vier Werkstätten der ATP-Vereinigung (inkl. Patienten Ke-<br />

ramikfabrik) sind Menschen mit psychotischen Erkrankungen (93 Klienten), die meist von<br />

weiteren psychosozialen Schwierigkeiten betroffen sind. An zweiter Stelle stehen affektive<br />

Erkrankungen und Angststörungen mit rund 21%. Meist treten diese Erkrankungen in Ko-<br />

morbidität mit Drogen- und Alkoholmissbrauch auf (9%). Bei den Einrichtungen der Caritas<br />

stehen bei 100% der Klienten vornehmlich psychosoziale Probleme im Vordergrund. Dazu<br />

kommen mit je rund 30% Angsterkrankungen, affektive Störungen und Substanzstörungen<br />

(Alkhol- und/oder Drogenmissbrauch) hinzu. Letztere gewinnen insbesondere im Atelier Va-<br />

leriushaff zunehmend an Bedeutung.<br />

1.25.2.5 Zusammenarbeit/Vernetzung<br />

Der unten stehenden Abbildung ist die umfangreiche Zusammenarbeit mit unterschiedlichs-<br />

ten Institutionen und Ämtern zu entnehmen. Die Klienten werden aus sehr unterschiedlichen<br />

Bereichen, mit je 100% vornehmlich von ausserstationären Wohneinrichtungen, Beratungs-<br />

stellen und Sozialdiensten den therapeutischen Werkstätten zugewiesen. An zweiter Stelle<br />

stehen mit 80% andere Werkstätten, ambulante Dienste (z.B. frei praktizierende Psychiater),<br />

Tagesstätten und Ämter.<br />

Ein ähnliches Bild zeichnet sich hinsichtlich der Weiterweisung bzw. komplementärer Vernet-<br />

zung der Klienten an andere Institutionen ab. Eine enge Zusammenarbeit findet sich wieder-<br />

um mit dem stationären Bereich. Diese wird dann von Bedeutung, wenn aufgrund zuneh-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 127<br />

mender psychischer Dekompensation ein stationärer Aufenthalt unerlässlich ist. Die Arbeit<br />

mit Beratungs- und Sozialdiensten ist dagegen vor allem in Bezug auf die Lösung psychoso-<br />

zialer Probleme im Bereich Vernetzung zentral. Daneben werden Klienten aber auch an an-<br />

dere Werkstätten, ambulante Dienste, Tagesstätten, Ämter etc. weiterverwiesen. Weitere<br />

Angaben zur Zusammenarbeit sind den unten stehenden Tabellen zu entnehmen.<br />

Tabelle 43: Zuweisende Institutionen<br />

Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />

Zuweisung Werkstätten ZUWWERK 4 10 80<br />

Zuweisung ambulante Dienste ZUWAMB 4 10 80<br />

Zuweisung rehabilitative Dienste ZUWREHA 3 7.5 60<br />

Zuweisung stationäre Dienste ZUWSTAT 3 7.5 60<br />

Zuweisung sonstige Wohneinrichtungen ZUWWOHN 5 12.5 100<br />

Zuweisung Tagesstätten ZUWSTÄTT 4 10 80<br />

Zuweisung Beratungsstellen ZUWBERAT 5 12.5 100<br />

Zuweisung Sozialdienste ZUWSOZ 5 12.5 100<br />

Zuweisung Ämter ZUWÄMT 4 10 80<br />

Zuweisung andere Institution ZUWAND 3 7.5 60<br />

Total responses 40 100.0 800<br />

SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1) 2 missing cases; 5 valid cases


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 128<br />

Tabelle 44: Weiterweisende Institutionen<br />

Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />

Weiterweisung Werkstätte WEITWERK 4 9.8 80<br />

Weiterweisung ambulant WEITAMB 5 12.2 100<br />

Weiterweisung Rehabilitation WEITREHA 3 7.3 60<br />

Weiterweisung stationär WEITSTAT 4 9.8 80<br />

Weiterweisung Wohneinrichtungen WEITWOHN 5 12.2 100<br />

Weiterweisung Tagesstätte, Freizeit WEITSTÄT 4 9.8 80<br />

Weiterweisung Beratungsstellen WEITBERA 5 12.2 100<br />

Weiterweisung Sozialdienste WEITSOZI 5 12.2 100<br />

Weiterweisung Ämter WEITAMT 4 9.8 80<br />

Weiterweisung andere Institution WEITAND 2 4.9 40<br />

Total responses 41 100.0 820<br />

SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1) 2 missing cases; 5 valid cases<br />

1.25.3 Fazit<br />

Seit dem Jahr 1990 wurde insbesondere der Bereich der therapeutischen Werkstätten stark<br />

ausgebaut. Damals wurden knapp 25 Plätze bereit gestellt, während zum jetzigen Zeitpunkt<br />

für 236 Klienten Arbeitsmöglichkeiten angeboten werden. Für das Jahr 2006 sind noch 40<br />

zusätzliche Plätze in einem Reiterhof geplant.<br />

Die Werkstätten bieten dabei ein diversifiziertes Angebot an Berufs- und Weiterbildungsmög-<br />

lichkeiten und vielseitige Tätigkeitsfelder an. Die erstellten Produkte sind dabei von ausge-<br />

zeichneter Qualität. Die Werkstätten werden des Weiteren einwandfrei geführt und decken in<br />

ihrer regionalen Verteilung ganz Luxemburg (Lux, Schieren, Ettelbrück, Ehlange, Selz) ab.<br />

Die Werkstätten des ATP betreuen vornehmlich Klienten mit Erkrankungen aus dem schizo-<br />

phrenen Formenkreis, gefolgt von affektiven Erkrankungen und Angststörungen. Meist treten<br />

diese Erkrankungen in Komorbidität mit Drogen- und Alkoholmissbrauch auf. Bei den Einrich-<br />

tungen der Caritas stehen dagegen vornehmlich psychosoziale Probleme im Vordergrund,<br />

wobei diese zum Teil von Angsterkrankungen, affektiven Störungen und Substanzstörungen


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 129<br />

(Alkhol- und/oder Drogenmissbrauch) begleitet werden. Die konsiliarpsychiatrische Betreu-<br />

ung ist indessen bei allen Werkstätten nur beschränkt sichergestellt.<br />

Abgesehen von der Bereitstellung von Arbeits- und Weiterbildungsmöglichkeiten erfüllen die<br />

Werkstätten die Kriterien einer beruflichen Rehabilitation nur begrenzt. Es fehlen z.B. bei al-<br />

len Einrichtungen konkrete Ansätze zur Integration auf dem freien Arbeitsmarkt, wie z.B.<br />

konkrete Arbeitstrainingscenters oder Angebote des „Supported Employment“. Die Werkstät-<br />

ten müssten eher als parallele Angebote zum primären Arbeitsmarkt betrachtet werden, die<br />

den unterschiedlichen Behandlungsphasen bzw. Krankheitsspektren der Patienten nur be-<br />

dingt gerecht werden.<br />

Obwohl seit 1992 grosse Bemühungen zum Ausbau der Wohneinrichtungen getätigt wurden<br />

(Ausbau um 19%), stehen mit insgesamt 138 Plätzen noch immer zuwenig begleitete<br />

Wohnmöglichkeiten zur Verfügung. Davon entfallen 27 Plätze auf die Klienten mit suchtspe-<br />

zifischen Erkrankungen. Die verbleibenden 111 Plätze entsprechen dabei einer Rate von<br />

0.25 Betten pro 1 000 Einwohner. Dies ist in Anlehnung an die Richtlinien der WHO (siehe<br />

Kap. 3), die von einer Minimalausstattung von 0.3 bis 0.5 Wohnplätzen pro 1 000 Einwohner<br />

allein für die langfristige Pflege chronisch Kranker ausgeht, ungenügend. Bereits die Häfner-<br />

Studie im Jahre 1992 wies auf die Notwendigkeit von rund 300 Wohnplätzen hin. Im Rahmen<br />

dieser Studie wurde auch die Bedeutung abgestufter, den verschiedenen Schweregraden der<br />

Krankheit angepasster Wohnformen formuliert. Es bestehen zwar bereits eine Reihe unter-<br />

schiedlicher Wohnstrukturen, sprich Übergangs- und Wohnheime wie auch Angebote im be-<br />

treuten Wohnen. Dabei fehlen jedoch durchgehend vollzeitbetreute Angebote für psychisch<br />

Kranke, z.B. Foyers médicalisés. Gerade was die Betreuung bzw. Anwesenheitszeit von<br />

Fachpersonal anbelangt, sind die schwerwiegendsten Mängel im ausserstationären Wohnbe-<br />

reich auszumachen. Gemäss international üblichen Richtlinien ist bei der Personalausstat-<br />

tung je nach Schweregrad der Krankheit von einem Durchschnitt von einem Betreuer auf 2-4<br />

Patienten (siehe Kap. 3) auszugehen. Dies immer in Anpassung an die Art der Wohneinrich-<br />

tung. So steht z.B. für die Betreuung der 14 Plätze des Reseau Psy nur eine 50%-Stelle ei-<br />

nes Sozialarbeiters zur Verfügung. Die (Teil-)Betreuung beschränkt sich dabei vornehmlich<br />

auf wenige Stunden bzw. bestimmte Tageszeiten. Dies ist für eine bestimmte Patientengrup-<br />

pe mit mehr Autonomie und einem gewissen Krankheitsbild gut geeignet, schwer chronisch<br />

Kranke verlangen dagegen nach 24-h-betreuten Einrichtungen, wenigstens für eine gewisse<br />

Übergangsphase nach dem stationären Aufenthalt. Was die regionale Verteilung anbelangt,<br />

so ist v.a. der Norden unterrepräsentiert. Auch befinden sich die Wohneinrichtungen mehr-<br />

heitlich in ländlichen Gebieten.<br />

Der Mangel an Nachsorgestrukturen und an Betreuung hat dabei verschiedene Auswirkun-<br />

gen:<br />

• Stetige Zunahme von psychisch Kranken in Einrichtungen der Obdachlosenhilfe (Ca-<br />

ritas). Dabei scheinen chronisch psychisch Kranke unterdessen den Grossteil der<br />

langfristigen Klientel auszumachen.<br />

• Ca. 50% fehlplatzierte Patienten im CHNP.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 130<br />

• Rasante Zunahme und grosse Anzahl von Familienpensionen im Norden. Diese deu-<br />

ten nicht nur auf fehlende Nachsorgestrukturen, sondern auch auf die ungleiche regi-<br />

onale Verteilung der Wohneinrichtungen hin.<br />

Zusammenfassend lassen sich für den komplementären/rehabilitativen Versorgungsbereich<br />

trotz vieler Fortschritte in den letzten Jahren noch immer erhebliche Defizite feststellen. Der<br />

ungedeckte Bedarf an diversifizierten, zeitlich verschieden betreuten Wohnplätzen ist ge-<br />

messen an den Standards anderer Ländern beträchtlich. Die überproportionale und nicht<br />

wünschenswerte Betreuung chronisch Kranker in Einrichtungen der Obdachlosenhilfe und in<br />

Familienpensionen spiegelt diesen Sachverhalt wider. Die therapeutischen Werkstätten sind<br />

zwar in tadellosem Zustand, befinden sich jedoch selten in unmittelbarer Nähe zu betreuten<br />

Wohneinrichtungen. Zudem werden sie ihrer Aufgabe der beruflichen Rehabilitation nur be-<br />

dingt gerecht. Der komplementäre Bereich entspricht deshalb nur bedingt den neusten ver-<br />

sorgungspolitischen Standards.<br />

1.26 Klientenspezifische Angebote<br />

Da dieser Bereich nur indirekt mit dem Auftrag des Gesundheitsministeriums im Zusammen-<br />

hang steht, wurde nur der stationäre Bereich des kinder- und jugendpsychiatrischen Systems<br />

mittels Erhebungsbögen statistisch erfasst. Die Angaben wurden jedoch anhand verschiede-<br />

ner Dokumentationsmaterialien (u.a. Jahresberichte, Konzepte, Internetrecherchen) und An-<br />

gaben von Verantwortlichen ergänzt.<br />

1.26.1 Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste<br />

1.26.1.1 Stationärer und teilstationärer Bereich<br />

Im Bereich der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung Luxemburgs ist nur eine sta-<br />

tionäre Einrichtung für Jugendliche vorhanden. Dabei handelt es sich um eine Abteilung im<br />

Krankenhaus Kirchberg mit 15 Betten. Diese legt den Fokus auf Kriseninterventionen, die<br />

Aufenthaltsdauer beträgt dabei höchstens zwei Wochen.<br />

Das Centre Hospitalier verfügt darüber hinaus über eine angegliederte pädopsychiatrische<br />

Tagesklinik mit sechs Plätzen. Im Jahr 2004 wurden dort 50 Kinder zwischen drei und zwölf<br />

Jahren behandelt. Dieser Tagesklinik stehen ein psychiatrischer Fach- und Assistenzarzt zu<br />

je 25%, ein Psychologe zu 50% und sieben Pflegefachkräfte (5 davon psychiatrisches Pfle-<br />

gepersonal) zu insgesamt 470% vor. Diese führen vornehmlich medizinisch-psychiatrische<br />

Abklärungen, psychotherapeutische Interventionen wie auch psychosoziale Beratung und<br />

Vernetzungsaufgaben durch. Dabei stehen u.a. auch ausbildungsbezogene und gruppenthe-<br />

rapeutische Angebote (z.B. Mutter-Kind-Therapie) im Zentrum der tagesklinischen Behand-<br />

lung.<br />

An erster Stelle des Behandlungsspektrums stehen Persönlichkeits- und Verhaltensstörun-<br />

gen. Diesen folgen affektive Störungen und Entwicklungsstörungen. An letzter Stelle finden


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 131<br />

sich neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen. Die Aufenthalte variieren zwi-<br />

schen zwei Wochen bis zu einem Jahr beträchtlich.<br />

Die engste Art der Zusammenarbeit besteht mit den Schulen und Kinderkrippen. Darüber<br />

hinaus ist die Kooperation mit der eigenen Klinik (CHL) wie mit den ambulanten Diensten von<br />

zentraler Bedeutung (siehe ambulanter Bereich).<br />

Aus den Gesundheitsstatistiken sowie den Angaben der Fachkliniken und Allgemeinspitäler<br />

ist ersichtlich, dass ausser in der Klinik Kirchberg Kinder und Jugendliche stationär eher sel-<br />

ten behandelt werden. Da sonst keine stationären kinder- und jugendpsychiatrischen Dienste<br />

existieren, gibt es Anlass zur Vermutung, dass ein Grossteil der stationären psychiatrischen<br />

Versorgung kranker luxemburgischer Kinder und Jugendlicher im Ausland durchgeführt wird.<br />

1.26.1.2 Ambulanter Bereich<br />

Im ambulanten Bereich sind gemäss einer Adressliste des Gesundheitsministeriums fünf<br />

FachärztInnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie in freier Praxis tätig. Von diesen haben drei<br />

den Fragebogen zurückgesandt. Einer davon arbeitet mit zwei Kinderärzten zusammen in<br />

einer Praxisgemeinschaft und betreut dabei um die 100 Familien. Bei allen drei steht v.a. die<br />

Behandlung von Persönlichkeits- und Entwicklungsstörungen im Vordergrund. Daneben sind<br />

aber auch alle anderen psychiatrischen Diagnosen vertreten.<br />

Die psychiatrischen und psychotherapeutischen Ambulanzen des Centre Hospitalier haben<br />

sich aufgrund der angeschlossenen pädopsychiatrischen Tagesklinik zunehmend auf Kinder<br />

und Jugendliche konzentriert. Die psychiatrische Ambulanz zählte im Jahr 2004 über 250<br />

neue Aufnahmen, die ambulanten psychotherapeutischen Dienste insgesamt über 6 357 Fäl-<br />

le. 66 Notfälle der Klinik wurden dabei durch „Liaison-Psychiater“ behandelt. In den psychiat-<br />

rischen Ambulanzen der anderen Kliniken werden Kinder und Jugendliche dagegen nur in<br />

Ausnahmefällen versorgt.<br />

Was die sozialpsychiatrischen Beratungsstellen und Tageszentren anbelangt, so finden sich<br />

folgende zwei bedeutenden Institutionen:<br />

• Beratungsstelle Alupse, welche auf von Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt<br />

betroffene Kinder und Jugendliche ausgerichtet ist. Die Führung wird von einer Sozi-<br />

alarbeiterin und zwei Psychologen übernommen. Im Jahre 2002 wurden 205 Fälle<br />

aufgezeichnet. Die Anfragen erfolgten bei 51% aus Verdacht auf sexuellen Miss-<br />

brauch, zu je 18% wegen physischer Gewalt und familiärer Konflikte, bei 6% wegen<br />

psychologischer Gewalt und bei 5% wegen Vernachlässigung.<br />

• Beratungsstelle (MSF-Solidarité Jeunes) für Kinder und Jugendliche, die unter der<br />

Trägerschaft der „Médecins sans Frontières“ steht. Diese wird von drei Psychologen<br />

geführt und hat sich auf minderjährige Drogenkonsumenten spezialisiert. Im Rahmen<br />

dieses Dienstes wird neben Drogenhilfe grossen Wert auf psychosoziale Beratung<br />

und Vernetzung wie auch auf Familienarbeit gelegt. Dabei wurden im Jahr 2004 265<br />

Klienten betreut, wovon rund 40% Ausländer waren. An der Spitze des Problemspekt-<br />

rums standen Substanzstörungen, gefolgt von psychosozialen Problemen, wie z.B.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 132<br />

familiäre Probleme oder Probleme mit der Justiz. Diese wurden zudem von Angst-<br />

und affektiven Störungen begleitet.<br />

Neben diesen spezialisierten Beratungsstellen verbleiben als Anlaufstellen für Kinder und<br />

Jugendliche mit allgemeinen psychischen Problemen somit lediglich die pädagogisch-<br />

psychologisch ausgerichteten Erziehungsberatungsstellen und schulpsychologischen Diens-<br />

te. Hier bestehen in Luxemburg zwei Netze, die Dienststellen des Service de Guidance und<br />

die schulpsychologischen Dienste (Quelle: Resolux, 2003).<br />

1.26.1.3 Komplementärer und Rehabilitativer Bereich (Wohnen, Arbeit)<br />

Da dieser Bereich vornehmlich in die Zuständigkeit des Familienministeriums fällt, wurde<br />

hierzu keine explizite Bestandeserhebung durchgeführt. Die Abgrenzung ist vor allem in die-<br />

sem Bereich äusserst schwierig, da hier auch die Ausbildungsstätten miteinbezogen werden<br />

müssten, die wiederum unter der Leitung eines anderen Ministeriums stehen. Die Recher-<br />

chen beschränkten sich deshalb oberflächlich auf den Heimbereich und zeigten folgende<br />

Einrichtungen für Kinder und Jugendliche auf:<br />

• Institut pour Enfants Autistiques et Psychotiques, das unter psychologischer Leitung<br />

steht und mit Erziehern sowie Krankenpflegepersonal arbeitet (keine genaueren An-<br />

gaben verfügbar).<br />

• Foyer Thérèse, ein von der Caritas geführtes und seit 1973 bestehendes Wohnheim,<br />

das sozial und emotional geschädigte Mädchen betreut (keine genaueren Angaben<br />

verfügbar).<br />

• Centre socio-éducatif de l’Etat de Luxembourg, eine vornehmlich soziotherapeutisch<br />

orientierte, vollbetreute Einrichtung für Minderjährige, die dem Familienministerium<br />

untersteht. Diese Institution bietet dabei ein breit gefächertes Angebot an psychoso-<br />

zialer Beratung und Vernetzung, psychotherapeutischen Interventionen, ausbildungs-<br />

und berufsbezogenen Massnahmen bis hin zu Gutachten, Bildungs- und Freizeitan-<br />

geboten sowie Familienarbeit an. Zudem bietet die Institution auch Wohnmöglichkei-<br />

ten für Jugendliche über 18 Jahre an. Die Einrichtung wird von einem Pädagogen,<br />

drei Psychologen, einem Psychotherapeuten und 50 Pflegefachkräften geführt und<br />

bietet Platz für 188 Minderjährige.<br />

An erster Stelle der behandelten Problembereiche stehen Auseinandersetzungen mit der<br />

Justiz, gefolgt von psychosozialen Problemen, v.a. in den Bereichen Beziehung und Familie.<br />

Als Weiteres sind Drogenprobleme und andere kinder- und jugendpsychiatrische Probleme<br />

zu verzeichnen. Trotz dieses breiten und psychiatrisch relevanten Problemspektrums besteht<br />

weder eine Zusammenarbeit mit einem Psychiater noch verfügt das Zentrum über psychiat-<br />

risch geschultes Fachpersonal.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 133<br />

1.26.1.4 Fazit<br />

Das Spektrum kinder- und jugendpsychiatrischer Störungen ist sehr breit und der Versor-<br />

gungsumfang demnach sehr unterschiedlich. Um diesem Umstand gerecht zu werden,<br />

braucht es kleinstrukturierte, gemeindenahe kinder- und jugendpsychiatrische Versorgungs-<br />

angebote. Diesen Anforderungen entsprechen die Schulpsychologischen Dienste und Servi-<br />

ces de Guidance jedoch nur beschränkt.<br />

Zusätzlich ist für die kleine Gruppe schwerst (z.B. psychotisch) gestörter Kinder und Jugend-<br />

licher eine überregional organisierte stationäre Behandlungseinrichtung notwendig. Diese<br />

stationäre Versorgung kann durch die stationären und teilstationären Angebote des Hôpital<br />

Kirchberg und des Centre Hospitalier nur zu einem gewissen Grad abgedeckt werden.<br />

Einen Teil der ambulanten Versorgung kann durch die frei praktizierenden Kinder- und Ju-<br />

gendpsychiater übernommen werden. Für ganz Luxemburg stehen dabei nur fünf Psychiater<br />

zur Verfügung. Diese ungenügende ambulant-psychiatrische Abdeckung wird durch den be-<br />

klagten Kapazitätsmangel seitens der Ärzte und durch die daraus resultierenden langen War-<br />

tefristen widerspiegelt. Es ist aber davon auszugehen, dass die weitere ambulante Behand-<br />

lung durch schulpsychologische Dienste und „Services de Guidance“ abgedeckt ist.<br />

Im komplementären und rehabilitativen Bereich ist darüber hinaus ein Mangel an angeglie-<br />

derten Rehabilitationseinrichtungen wie Werkstätten, Wohnheime bzw. Heime, die nicht nur<br />

sozialpädagogisch ausgerichtet sind, zu verzeichnen.<br />

Besonders im kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgungssystem ist dabei auf eine enge<br />

institutionelle Verzahnung des psychiatrischen Versorgungssystems mit den Bildungs- und<br />

Ausbildungsinstitutionen sowie eine Anpassung der Angebote an die familiären Bedingungen<br />

zu achten. Dies konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht abgeschätzt werden.<br />

1.26.2 Forensische Psychiatrie<br />

Das Grossherzogtum Luxemburg unterhält zwei Justizvollzugsanstalten. Die grössere der<br />

beiden (Centre Pénitentiaire de Luxembourg) ist zentral gelegen, die andere (Centre Péniten-<br />

tiaire de Givenich) in ländlicher Gegend angesiedelt. Im Jahre 2004 kann von einer Vollbele-<br />

gung der beiden Häuser gesprochen werden. Luxemburg verfügt über keine offizielle forensi-<br />

sche Psychiatrie. Das CHNP unterhält jedoch eine Art forensischen Dienst mit Hauptsitz in<br />

der Justizvollzugsklinik „Centre Pénitentiaire de Luxembourg“ (C.P.L.), der im Folgenden de-<br />

taillierter umschrieben wird.<br />

1.26.2.1 Struktur (inkl. Personal)<br />

Als Folge einer Konvention zwischen dem Justizminister und dem Centre Hospitalier Neuro-<br />

Psychiatrique im Jahre 2002 entstand der Service Médico-Psychologique Pénitentiaire. Da-<br />

bei handelt es sich um einen bio-psychosozialen Dienst zur Behandlung von psychisch kran-<br />

ken Straftätern. Dessen Betreuungsteam besteht aus einem Psychiater, einem Psychologen<br />

und acht psychiatrischen Pflegefachkräften. Diese ermöglichen sowohl eine tägliche Präsenz


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 134<br />

in der Justizvollzugsanstalt C.P.L (08.00 bis 18.00 Uhr) mit eigener stationärer Abteilung von<br />

15 Betten als auch Visiten des C.P.G. alle 15 Tage oder bei Bedarf und wöchentlich einen<br />

halben Tag in der Poliklinik des CHNP.<br />

1.26.2.2 Angebot<br />

Das Aufgabenspektrum wird in drei Bereiche (Prävention, Pflege und Administration) aufge-<br />

teilt:<br />

a) Prävention<br />

Hier geht es vornehmlich um die frühzeitige Erkennung von psychischen Störungen. In die-<br />

sen Bereich fallen die psychiatrische Abklärung aller Neueintritte (70 bis 100/Monat), Krisen-<br />

interventionen und Konsultationen auf Anfrage.<br />

b) Pflege<br />

Dazu gehören Hospitalisationen in der eigenen psychiatrischen Abteilung im Umfang von 15<br />

Betten mit Aktivitäts- und Freizeitangeboten, Nachbetreuung mit pharmakologischer und<br />

psychotherapeutischer Behandlung, ambulanten Konsultationen und Familiengesprächen.<br />

c) Administration<br />

Zu diesem Bereich gehört die Zusammenarbeit mit dem Justizdepartement, dem „Service<br />

psycho-sozio-educatif“ (S.P.S.E.) und dem „Service central d’assistance sociale“ (S.C.A.S.).<br />

In diesem Rahmen wird auch wissenschaftliche Forschung betrieben.<br />

1.26.2.3 Angaben zu Patienten<br />

Es wurden insgesamt 5 149 Konsultationen durchgeführt. Dazu kamen 939 stationäre Hospi-<br />

talisationen. Die Patienten litten dabei zu ca. 45% unter Substanzstörungen (Alkohol-, Medi-<br />

kamenten- und Drogenmissbrauch), zu ca. 30% unter neurotischen Störungen, Angststörun-<br />

gen und affektiven Störungen, zu je 10% unter psychotischen Störungen und schwerwiegen-<br />

den Persönlichkeitsstörungen. Der Rest entfiel zu ca. 5% auf „sexuelle Aggressionen“.<br />

1.26.2.4 Fazit<br />

Die psychiatrische Versorgung innerhalb des luxemburgischen Systems wird durch den<br />

„Service socio-judicaire“ des CHNP vorgenommen. Die psychiatrischen Behandlungsmög-<br />

lichkeiten in der Justizvollzugsanstalt richten sich dabei nach den räumlich-technischen Ge-<br />

gebenheiten und der Schwere der Erkrankung. Strafvollzugsbegleitend, d.h. in der Anstalt<br />

durchführbar, sind ambulante psychotherapeutische und psychopharmakologische Behand-<br />

lungen. Stationäre Behandlungen sind in beschränktem Umfang in der Krankenhausabtei-<br />

lung des „Centre Pénitentiaire de Luxembourg“ (C.P.L.) möglich; diese zählt 15 Betten für


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 135<br />

psychisch Kranke. Da diese Abteilung nur teilzeitbetreut ist und zudem personelle Defizite<br />

aufweist, ist bei entsprechender Indikation eine Überweisung ins CHNP notwendig. Diese<br />

bietet noch immer als einzige Klinik die Möglichkeit einer geschlossenen Unterbringung. Dem<br />

CHNP sind bei der psychiatrischen Behandlung von Straftätern jedoch sicherheitstechnische<br />

Grenzen gesetzt, so dass keine generelle Aufnahmegarantie für psychiatrische Straftäter be-<br />

steht. Es muss davon ausgegangen werden, dass schwer psychisch kranke und gefährliche<br />

Straftäter nicht entsprechend versorgt werden.<br />

1.26.3 Gerontopsychiatrie und Bereich Substanzstörungen<br />

Wie einleitend erwähnt, zählte die Analyse der Bereiche „Gerontopsychiatrie“ und „Sub-<br />

stanzerkrankungen“ nicht zum Auftrag der Bestandeserhebung. Dies macht Sinn, wurde<br />

doch erst kürzlich durch das SASS des CRP-<strong>Santé</strong> eine Analyse und Evaluation der Spital-<br />

politik im Bereich Geriatrische Wiedereingliederung und Suchtprävention durchgeführt (Quel-<br />

le: Resolux, 2004). Da diese zwei Bereiche jedoch unverzichtbare Bestandteile des psychiat-<br />

rischen Versorgungssystems darstellen, werden die Empfehlungen in Kap. 8 zum Teil auch<br />

diese Bereiche miteinbeziehen. Ein Überblick über Einrichtungen in diesen Bereichen sind<br />

der Website www.resolux.lu zu entnehmen. Zudem wurde im Rahmen der Beschreibung des<br />

CHNP und der komplementären und ambulanten Einrichtungen (Kap. 5) bereits auf einige<br />

substanz- oder gerontopsychiatrisch orientierte Institutionen eingegangen.<br />

1.26.4 Ausländerspezifische Angebote<br />

Ausländische Mitbürger stellen mit einem Anteil von über einem Viertel einen beachtlichen<br />

Teil der Gesamtbevölkerung Luxemburgs. Unter Berücksichtigung des prognostizierten<br />

Wachstums durch Bevölkerungsstudien der Statec (siehe Kap. 4) ist mit einer deutlichen Zu-<br />

nahme zu rechnen. Über Art und Umfang psychischer Erkrankungen bei ausländischen Mit-<br />

bürgern liegen jedoch wenige verlässliche Daten vor. Verschiedene Studien weisen aber auf<br />

einen signifikant inversen Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Indikatoren und<br />

psychischen Störungen (siehe Kap. 3.2) hin. Dabei sind ausländische Mitbürger gegenüber<br />

der übrigen Bevölkerung überproportional häufig mit schwierigeren Lebens- und Arbeitsbe-<br />

dingungen konfrontiert. Zugleich sind sie bei den Inanspruchnahmedaten medizinischer Ein-<br />

richtungen jedoch unterrepräsentiert. Dies geht auch aus den Angaben der Bestandeserhe-<br />

bung hervor, in denen ausländische Mitbürger in allen Einrichtungen untervertreten sind. Die<br />

schwerwiegendsten Barrieren bei der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Einrich-<br />

tungen stellen dabei Sprachprobleme dar. In diesem Zusammenhang ist auf Aussagen der<br />

ambulant tätigen Psychiater und der sozialpsychiatrischen Zentren hinzuweisen, die einen<br />

deutlichen Mangel an Dolmetschern bzw. an fremdsprachigem Fachpersonal konstatieren.<br />

Die Mehrheit des Fachpersonals ist trotz der Dreisprachigkeit Luxemburgs nur der französi-<br />

schen Sprache mächtig.<br />

Zu den Grenzgängern und Einwanderern kommt die weltweite Zunahme von Asylsuchenden<br />

hinzu. Diese sind dabei neben migrationsspezifischen Schwierigkeiten häufig mit schwerwie-<br />

genden psychischen Störungen (z.B. posttraumatische Belastungsstörungen) konfrontiert.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 136<br />

Der Anstieg dieser Klientel schlägt sich gemäss Angaben der Erhebungsbögen v.a. im<br />

CHNP nieder.<br />

Nach Einschätzungen der Weltgesundheitsorganisation bedarf deshalb die Gesundheitsver-<br />

sorgung ausländischer Mitbürger, insbesondere die Versorgung psychisch kranker Mitbürger,<br />

erhöhter Aufmerksamkeit. Es wurden diesbezüglich aber keine spezifischen Angebote für<br />

Ausländer gefunden.<br />

1.27 Koordinationsstellen<br />

Es wurden zwei Koordinationsstellen gefunden, die Aufgaben im Bereich des „Case Mana-<br />

gements“ übernehmen könnten. Die Koordinationsstelle „Le Service d’Action Thérapeutique“<br />

und die Koordinationsstelle ATP asbl. Administration (Quelle: Reseau Social Luxemburg 9,<br />

November 2004 / www.resolux.lu).<br />

• Die Koordinationsstelle „Service d’Action Thérapeutique“ wurde im Jahr 1985 gegrün-<br />

det und 1998 mit dem Ziel der Applikation des ASFT-Gesetzes vom 8. September<br />

1998 in den Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsministeriums integriert. Die Kern-<br />

aufgabe des Dienstes bezieht sich auf die Regelung und Koordination der Beziehun-<br />

gen zwischen den sozialen, familiären und therapeutischen Strukturen und dem<br />

Staat, insbesondere des Bereichs der<br />

• ausserstationären Einrichtungen im Bereich der psychischen Gesundheit;<br />

• Substanzstörungen.<br />

• Im Rahmen der therapeutischen Werkstätten besteht des Weiteren eine Koordinati-<br />

onsstelle „ATP asbl. Administration“, welche die Aktivitäten der therapeutischen Ein-<br />

richtungen koordiniert und zudem Öffentlichkeitsarbeit betreibt.<br />

1.28 Schlussfolgerungen<br />

Grundsätzlich wurden beachtliche Unterschiede in den Datengrundlagen innerhalb des sta-<br />

tionären wie auch des ausserstationären Bereichs festgestellt. Während für die psychiatri-<br />

sche Versorgung im stationären und teilstationären Bereich durch die Carte Sanitaire 2000<br />

(medizinische Statistik) und durch Daten der Krankenkassenunion UCM zum Teil relativ gute<br />

Datengrundlagen vorliegen, so konnte doch die Mehrheit der Krankenhäuser keine nach Al-<br />

ter, Nationalität, Diagnosen etc. aufgeschlüsselten Angaben zu den Patienten machen. Es ist<br />

in diesem Zusammenhang hervorzuheben, dass ein Grossteil der Einrichtungen im ausser-<br />

stationären Bereich über Dokumentationen in Form von Jahresberichten verfügen, die detail-<br />

lierte Angaben über Tätigkeitsfelder, Personal sowie Angaben zu Klienten erlauben. Die Da-<br />

tenverfügbarkeit schwindet jedoch mit zunehmender Distanz zur staatlichen Planung. Na-<br />

mentlich sind insbesondere Lücken im Bereich der ambulanten Versorgung durch privat<br />

praktizierende Ärzte zu verzeichnen. Ebenso liegen ungenügende Daten vor, um das Ge-<br />

flecht von Versorgungsinstitutionen medizinischer und sozialer Art abzubilden. Es fehlt dies-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 137<br />

bezüglich an Übersichtlichkeit und z.B. an einem detaillierten und übersichtlichen Verzeichnis<br />

aller Leistungserbringer in der Psychiatrie („Psychiatrie-Führer“).<br />

Zusammenfassend kann die Versorgungslandschaft am Ende des Jahres 2004 folgender-<br />

massen skizziert werden:<br />

Süden (Esch-Alzette, Remich) (Bevölkerungszahl: 52 205*)<br />

• Stationärer Bereich: Centre Hospitalier Emil Mayrisch (CHEM) (Plätze: 33 ) (Esch)<br />

• Teilstationärer Bereich: Tagesklinik im CHEM auf Ende <strong>2005</strong> geplant<br />

• Psychiatrische Klinikambulanzen: Keine<br />

• Ambulanter Bereich:<br />

- Sozialpsychiatrische Beratungsstelle: Beratungsstelle Oppen Dir (Esch)<br />

- Tagesstätten: Villa Reebou, Kaspar Haus (Dudelange / Esch)<br />

- Ambulant tätige Psychiater: 4 (Esch)<br />

• Komplementärer / rehabilitativer Bereich:<br />

- Wohneinrichtungen: Wohnungen des Reseau Psy (Plätze: 14)<br />

- Geschützte Werkstätten: Eilinger Konschtwerk (Ehlange)<br />

Zentrum (Luxemburg-Stadt, Redange, Mesch, Grevenmacher, Echternach, Capellen)<br />

(Bevölkerungszahl: 223 262*)<br />

• Stationärer Bereich: Centre Hospitalier Luxemburg (Plätze: 46) / Hôpital Kirchberg<br />

(Plätze: 45) inkl. Abteilung für Jugendliche (Plätze: 15) (Luxemburg-Stadt)<br />

• Teilstationärer Bereich: Tagesklinik des Centre Hospitalier (Plätze: 12) inkl. Tageskli-<br />

nik für Kinder (Plätze: 6) und Tagesklinik des Hôpital Kirchberg (Plätze: 15)<br />

• Psychiatrische Klinikambulanzen: Psychiatrische Klinikambulanzen im Centre Hospi-<br />

talier und Psychiatrische Praxen innerhalb des Hôpital Kirchberg<br />

• Ambulanter Bereich im ausserstationären Setting:<br />

-Ambulant tätige Psychiater: Luxemburg-Stadt: 27 / Schrassig: 2 (im CPL) / Capellen:<br />

1 / Grevenmacher: 2 / Echternach: 2<br />

- Sozialpsychiatrisches Zentrum: Centre de <strong>Santé</strong> Mentale, Zentrum Oppen Dir<br />

-Therapeutische Zentren Useldange und Manternach (inkl. Beratungsstellen)<br />

- Sozialpsychiatrische Beratungsstellen in Echternach und Grevenmacher<br />

• Komplementärer Bereich:<br />

- Wohneinrichtungen: Wohneinrichtungen des C.E.R.R.M. (Plätze: 31); Wohneinrich-<br />

tungen des Centre de <strong>Santé</strong> Mentale (31 Plätze) (Luxemburg-Stadt)


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 138<br />

- Geschützte Werkstätten: Therapeutische Werkstätte Walferdange (Luxemburg-<br />

Stadt), Valeriushof (Selz)<br />

Norden (Diekirch, Vianden, Wiltz, Clervaux) (Bevölkerungszahl: 56 283*)<br />

(Die psychiatrischen Einrichtungen befinden sich vornehmlich in Ettelbrück (Diekirch), der ei-<br />

gentliche Norden (Clervaux, Wiltz, Vianden) ist jedoch unterrepräsentiert.)<br />

• Stationärer Bereich: Hôpital St. Louis (Betten: 46) und das CHNP (Betten 276) (Et-<br />

telbrück)<br />

• Teilstationärer Bereich: Tagesklinik St. Louis und CHNP (Ettelbrück)<br />

• Psychiatrische Klinikambulanzen: Klinikambulanz des CHNP (Ettelbrück)<br />

• Ambulanter Bereich:<br />

- Ambulant tätige Psychiater: 11 (davon 7 im CHNP fest angestellt) (Ettelbrück)<br />

- Komplementärer / rehabilitativer Bereich:<br />

- Wohneinrichtungen: Einrichtungen des Liewen Dobaussen (Plätze: 35) (Ettelbrück),<br />

Familienpensionen (Norden) (Anzahl: unbekannt)<br />

- Geschützte Werkstätten: Werkstatt Schieren (Schieren), Hof Ditgesbaach (Et-<br />

telbrück)<br />

* Quelle: Recueil de statistiques par commune, 2003 (B. 101)


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 139<br />

Eine detaillierte Karte der Versorgungslandschaft ist der nachfolgenden Abbildung zu ent-<br />

nehmen:


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 140<br />

Abbildung 11: Karte der psychiatrischen Versorgungslandschaft<br />

In Luxemburg wurden seit 1992 viele Schritte in Richtung einer modernen Psychiatrie ge-<br />

macht, was zu einem bemerkenswerten Ausbau der psychiatrischen Versorgungslandschaft<br />

geführt hat. Dennoch sind noch immer verschiedene Defizite zu konstatieren. Diese sollen<br />

nachfolgend kurz zusammengefasst werden:<br />

• In Anlehnung an die Richtlinien der WHO verfügt Luxemburg mit einer Quote von 0.37<br />

Betten / 1 000 (ab Juli <strong>2005</strong>: 0.4 / 1 000) Einwohner über eine ungenügende Anzahl<br />

Betten zur stationären Akutversorgung.<br />

• Die psychiatrische Fachklinik CHNP bietet mit 240 Rehabilitationsbetten (0.53 / 1 000<br />

Einwohner) indessen ein Überangebot an stationärer rehabilitativer Versorgung.<br />

• Ein bemerkenswerter Mangel an adäquaten Versorgungsstrukturen ist vor allem im<br />

komplementären Wohnbereich zu konstatieren. Dabei entsprechen weder die Perso-<br />

nalausstattung und -ausbildung noch die Anzahl Plätze sowie die Art der Angebote<br />

den internationalen Standards.<br />

• Bei den therapeutischen Werksstätten fehlen konkrete Angebote bzw. Interventionen<br />

zur Integration auf dem freien Arbeitsmarkt (z.B. Supported Employment).<br />

• Da die Dichte von Psychiatern in eigener Praxis überdurchschnittlich hoch ist, können<br />

Wartezeiten und Kapazitätsprobleme der ambulanten Praxen auf ein ungenügendes<br />

sozialpsychiatrisches Angebot, insbesondere in Form von Tageszentren, hinweisen.<br />

• Ein Mangel ist auch im sozialpsychiatrischen Bereich zu konstatieren. Im Jahre 2004<br />

gab es nur zwei Angebote, die der eigentlichen Definition eines Sozialpsychiatrischen<br />

Zentrums entsprechen.<br />

• Es wurde ein Defizit an klientenspezifischen Einrichtungen festgestellt. Dies betrifft<br />

insbesondere besonders vulnerable Gruppen, wie z.B. Ausländer, Kinder und Ju-<br />

gendliche, ältere Menschen und schwer psychisch kranke Straftäter.<br />

• Trotz des Ausbaus von zwei Beratungsstellen im Osten des Landes, muss noch im-<br />

mer von einer ungleichen regionalen Versorgung mit einer grundsätzlichen Unterver-<br />

sorgung des Nordens trotz einer ansehnlichen Bevölkerungszahl ausgegangen wer-<br />

den.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 141<br />

Darstellung der Ergebnisse der qualitativen Untersuchung<br />

1.29 Einleitung<br />

Mit den wichtigsten Interessengruppen des Psychiatriesektors (Verwaltungsrat, Ärzte, Pfle-<br />

gepersonal CHNP, Vertreter der Einrichtungen im ausserstationären Bereich, Leiter der psy-<br />

chiatrischen Fachabteilungen) wurden Fokusinterviews zu fünf verschiedenen Themenberei-<br />

chen durchgeführt. Die Ergebnisse widerspiegeln dabei die subjektive Meinung der befragten<br />

Gruppen. Angaben zur Methodik sind dem Kapitel 2.2 zu entnehmen. Die Zusammenfassung<br />

und Analyse der Fokusinterviews erfolgt im weiteren Verlauf in einem allgemeinen Teil sowie<br />

in spezifischen Abschnitten, die auf die jeweiligen Interessegruppen fokussieren. Gelegent-<br />

lich wurden die jeweiligen Kapitel mit Angaben zu den offenen Fragen in den Fragebögen<br />

ergänzt. Eine diesbezügliche Auswertung ist dem Anhang II zu entnehmen.<br />

1.30 Beurteilung der aktuellen Versorgung aus Sicht der Leistungsanbieter<br />

In diesem Abschnitt geht es vornehmlich um die Beurteilung der aktuellen psychiatrischen<br />

Versorgung psychisch kranker Menschen in Luxemburg. Dazu gehört insbesondere die Be-<br />

nennung der über- bzw. unterversorgten Patientengruppen (Bedarfs- und Nutzungsseite),<br />

aber auch die qualitative Beurteilung der Angebotsseite. Die am häufigsten genannten Aus-<br />

sagen werden stichwortartig aufgezählt und gelegentlich mit exemplarischen Zitaten aus den<br />

Interviews illustriert.<br />

Fehlversorgung von Patienten<br />

Die Experten waren sich einig, dass ein Grossteil der Patienten fehlplatziert, unterversorgt<br />

oder gar nicht betreut ist. Dazu gehören insbesondere:<br />

• ca. 50% der Patienten im CHNP (Langzeitpatienten);<br />

• ca. 30% der Patienten auf Akutstationen („könnten zwar entlassen werden, aber niemand weiss<br />

wohin“);<br />

• ca. 70-80% von Patienten in Obdachlosenheimen („Ich würde den Crash von den sozialen<br />

Betreuungsstrukturen hinzufügen. Diese werden überrannt von Leuten, die in eine psychiatrische<br />

Betreuung gehören. Wir (Caritas Obdachlosenheim) schätzen, dass ca. 70-80% (500-600 Leute/Jahr)<br />

der Leute, die zu uns kommen, eigentlich in die Psychiatrie gehören und keine geeignete Betreuung er-<br />

halten.“);<br />

• eine unklare Anzahl Patienten, die in Familienpensionen ohne adäquate Betreuung<br />

wohnen („Manche gehen dann in solche Pensionen und zahlen dann ¾ von ihrem Sozialgeld dafür,<br />

aber erhalten nicht, was sie brauchen. Haben dann noch ca. 200 Euro zum Leben / Monat. Ist aber fast<br />

unmöglich.“);<br />

• eine unklare Anzahl Patienten im CTM und CTU („Aufenthalte werden monatelang verlängert,<br />

da Anschlusslösungen fehlen“).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 142<br />

Die Mehrheit der Befragten sind der Ansicht, dass aufgrund der nur ansatzweise vollzogenen<br />

Reform aktuell viele Patienten schlechter versorgt werden als früher. Dies wird v.a. allem auf<br />

Folgendes zurückgeführt:<br />

• Beachtlicher Mangel an diversifizierten und abgestuften Nachsorgestrukturen<br />

„Es braucht unbedingt mehr differenzierte Strukturen, die den unterschiedlichen Anforderungen gerecht<br />

werden.“ / „Es muss von einer 2-4h-Betreuung bis zum Einzelwohnen gehen. Dabei muss es z.B. nie-<br />

derschwellige Angebote geben, die nicht überfordern und Freiraum lassen.“ / „Im Moment ist es eine Art<br />

Notversorgung, was Lux bietet, und nicht ein diversifiziertes Wohnprogramm. Es gibt zwar einzelne<br />

Wohngruppen, Heimstrukturen, einzelbetreutes Wohnen. Aber es fehlen Foyers médicalisés (24-h-<br />

Betreuung) und Zwischenstufen.“<br />

• Unzureichende diagnosespezifische Angebote<br />

„Viele Diagnosen werden nicht spezialisiert bzw. überhaupt nicht behandelt.“<br />

• Kliniken und Sozialpsychiatrische Zentren sind nur bedingt auf die ehemalige Klientel<br />

des CHNP ausgerichtet.<br />

• Demographische Veränderungen wurden in der Versorgungsplanung bisher nicht be-<br />

rücksichtigt<br />

„Starkes Bevölkerungswachstum… u.a. Zunahme von alten Menschen, Ausländern etc… für die keine<br />

geeigneten Strukturen bestehen.“<br />

• Ungenügende Anzahl stationärer Betten<br />

• Ungenügende Betreuung (Personalmangel)<br />

„Oft ist in den Einrichtungen niemand während der Nacht oder am Wochenende anwesend. Diese Pati-<br />

enten können aber nicht ganz auf sich alleine gestellt leben" / Ein Problem, sehe ich v.a. darin, wenn<br />

keine genügende Betreuung vorhanden ist. Ist Gefahr für die Mitpatienten, aber es werden trotz unseren<br />

Bemühungen und Bitten, keine Posten finanziert“ / „Wir hatten etwas aufgebaut, aber mussten zuma-<br />

chen, aufgrund Personalmangel“)<br />

Der Mangel an Nachsorgestrukturen und stationären Betten hat gemäss den Befragten .u.a.<br />

folgende Folgen:<br />

• grosse Anzahl von so genannten „Drehtür-Patienten“;<br />

• viele Auslandbehandlungen;<br />

• Überlastung der Krankenhäuser;<br />

• Überlastung der bestehenden ausserstationären Angebote (inkl. ambulant tätigen<br />

Psychiatern)<br />

Da die Krankenhäuser zudem nicht für längere Aufenthalte ausgestattet sind und ihrem Auf-<br />

trag der Not- und Vollversorgung gerecht werden müssen, sind sie gezwungen, Patienten in<br />

zum Teil ungenügendem Genesungszustand ohne geeignete Anschlusslösung wieder zu<br />

entlassen, weshalb u.a. auch die Betreuungskontinuität nicht gewährleistet werden kann. Der<br />

Hauptgrund für den ungenügenden Ausbau der Versorgungslandschaft wird nicht im fehlen-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 143<br />

den Willen der Interessegruppen, sondern in der restringenten Finanzierungspolitik, einer-<br />

seits der Krankenkassen und andererseits des Gesundheitsministeriums, gesehen.<br />

Unter-/fehlversorgte Patientengruppen<br />

(„Es gibt eine Reihe von Nischen, die ab <strong>2005</strong> aufgrund der Aufgabenteilung, von nieman-<br />

dem mehr abgedeckt werden, und wo auch, wenn diese Patienten verteilt sind, niemand<br />

mehr die Kompetenz erreichen wird, sich mit diesen Patienten korrekt zu beschäftigen.. dazu<br />

gehören z.B. Dualdiagnosen, spezifische Formen von Persönlichkeitsstörungen, die sehr<br />

schwierig integrierbar sind“)<br />

Am häufigsten wurden folgende unterversorgten Patientengruppen genannt:<br />

• Patienten mit psychotischen Störungen (Chronische Erkrankungen vs. Erstmanifesta-<br />

tionen) („junge Patienten brauchen andere Angebote, v.a. im rehabilitativen Bereich als langjährige<br />

chronische Patienten, mit einer Lebensgeschichte im CHNP.. braucht Angebote für beide Subgruppen“);<br />

• abgebaute Korsakow-Patienten und chronisch mehrfach geschädigte Patienten;<br />

• schwer psychisch kranke Kinder und Jugendliche („braucht Angebote für Junge Menschen,<br />

die eine mittel- bis langfristige psychiatrische Behandlung brauchen.. bisher nur pädagogisch orientierte<br />

Einrichtungen“);<br />

• fremdgefährdende Patienten („’Gefährliche’ Patienten, die nicht straffällig wurden, sind nirgendwo<br />

untergebracht“. CHNP hat nicht die notwendigen Sicherheitsbedingungen dafür“ );<br />

• schwer kranke forensische Patienten („für schwer kranke Inhaftierte, gibt es nichts.. “);<br />

• ältere „Toxikomanen“ („gibt nur Einrichtungen für junge Drogenabhängige“);<br />

• gerontopsychiatrische Patienten (“Es gibt nur noch 24 Plätze für gerontopsychiatrische Patienten<br />

im CHNP, wobei die Versorgung im CHNP Heimcharakter hat. Viele sind Pflegefälle. Für Demenzkranke<br />

gibt es Möglichkeiten. Hingegen für psychisch Kranke, die nicht dement sind, gibt es ungenügend Ange-<br />

bote. Diese sind jedoch schwierig in Altersheimen unterzubringen, da diese eine andere Alltagsregulie-<br />

rung haben. Wenn sie sich nicht an die Hausordnung halten, sind sie sofort wieder im CHNP“);<br />

• Patienten mit komorbiden Störungen (Dualdiagnosen);<br />

• Patienten mit Persönlichkeitsstörungen (z.B. Borderline-Störungen) („Persönlichkeitsstö-<br />

rungen. werden ja immer wichtiger.. und fallen immer mehr auf.. Es muss einfach irgendwo eine Stelle<br />

geben, wo dies angeboten wird.. das ist „State of the art“, die muss man nicht ins Ausland schicken,<br />

sondern die gehören hierher.. müssen hier behandelt werden“);<br />

• Alkoholerkrankte („Useldange steckt nicht das ganze Spektrum des Alkoholbereiches ab. ..Ist nur für<br />

sehr abgebaute Patientengruppe gut geeignet.. viele Leute wollen nicht dorthin“);<br />

• Langzeitpatienten des CHNP („Gibt im CHNP viele Patienten, die schon seit Jahrzehnten im<br />

CHNP sind, die schon alle Betreuungsformen ausprobiert haben und die keinen Platz haben, wo sie hin-<br />

können" )<br />

• Grenzarbeiter und Migranten („dazu kommen noch die vielen Grenzarbeiter und Immigranten, für<br />

die kein Angebot besteht. Gibt auch viele die keine Wohnungen, keinen Job mehr finden. Die dekom-<br />

pensieren dann immer wieder. Es gibt keinen sozialpsychiatrischen Bereich bzw. der diese auffangen<br />

würde.. in den Kliniken gibt es zudem häufig Sprachprobleme“)


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 144<br />

Allgemeine Defizite der versorgungspolitischen Aufgaben<br />

Zudem wurden Mängel bezüglich der folgenden drei Bereiche konstatiert:<br />

• Prävention:<br />

„Im Bereich Prävention wird bisher nichts gemacht. Nicht nur im Bereich ausserhalb betreffend Psychi-<br />

schen Krankheiten, sondern auch innerhalb was den Bereich „Burnout“ betrifft. Wir haben eine grosse<br />

Zahl von Krankmeldungen, die nicht ersetzt werden können was die Situation und Personalverknappung<br />

noch verstärkt. Aber diesbezüglich wird in Lux. gar nichts gemacht"<br />

„Nicht nur der ambulante Bereich im Bereich Alkohol muss ausgebaut werden, sondern es muss auch<br />

viel mehr präventiv gearbeitet werden. Prävention in den Arbeitsstellen etc<br />

• Antistigmatisierungskampagnen:<br />

"Extrem wichtig, wären auch verstärkte Antistigmakampagnen. Die Öffentlichkeit reagiert immer noch<br />

stark abwehrend, will nichts mit Psychisch Kranken zu tun haben" / "Auch die in vielen europäischen<br />

Ländern durchgeführten Antistigmakampagnen, die sich weniger darin erschöpfen in den Medien aufzu-<br />

treten, sondern gezielt Zielgruppen suchen, z.B. Schulen etc. bewusst aufsuchen. Das sind diese Dinge,<br />

die hier einfach etwas fehlen“<br />

• Fehlende Regionalisierung (Zufallsprinzip):<br />

„Bis jetzt läuft ja alles über den Zufall, niemand fühlt sich für ein bestimmtes Gebiet zuständig“<br />

Die Analyse der „offenen Fragen“ hat grundsätzlich zu ähnlichen Ergebnissen geführt, wes-<br />

halb diese hier nicht näher ausgeführt wurden. Die ausgewerteten Antworten sind dem An-<br />

hang II zu entnehmen.<br />

1.30.1 Fazit<br />

Das erste Fazit zur Versorgung psychisch Kranker zeigt das Bestehen grosser Disparitäten<br />

zwischen den einzelnen Versorgungsbereichen bei gleichzeitig starkem Veränderungsdruck<br />

(struktureller Wandel, veränderte Versorgungs- und Behandlungsparadigmen, knappe öko-<br />

nomische Ressourcen etc.). Nebenher besteht insgesamt eine gute, infrastrukturell zum Teil<br />

hervorragende, aber historisch überholte Dominanz stationärer Versorgung und eine offen-<br />

sichtlich ungenügende ausserstationäre bzw. ambulante Versorgung. Diese kann nebst der<br />

grundlegenden Deckung des Basisbedarfes v.a. infolge Ressourcenmangels nicht mit den<br />

wachsenden Bedürfnissen, sprich Nutzungsverschiebungen Schritt halten.<br />

Aus Perspektive der Nutzung und des Bedarfs sticht die Diskrepanz zwischen schweren Stö-<br />

rungen, wie Schizophrenie und anderen – meist leichteren – Störungen heraus. Eine be-<br />

stimmte Kerngruppe von vornehmlich schwer chronisch Erkrankten ist häufig fehlplatziert<br />

und fällt im Rahmen des Umstrukturierungsprozesses zunehmend durch die Maschen des<br />

Systems. Diese Diskrepanz hat gewisse Ähnlichkeiten mit der Gegenüberstellung von Sub-<br />

stanzstörungen durch so genannt harte Drogen und andererseits Alkohohlstörungen. Dabei<br />

beschäftigen letztere das stationäre Versorgungssystem zwar weniger, betreffen und invali-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 145<br />

disieren aber weitaus mehr Menschen und verursachen grösseren sozioökonomischen<br />

Schaden für die ganze Gesellschaft als die erstgenannten schweren Substanzstörungen.<br />

Diese Diskrepanz besteht bei psychischen Störungen über die Substanzstörungen hinaus<br />

und verdeutlicht nicht nur die notwendige Verbesserung der Aufgabenteilung zwischen dem<br />

stationären und dem ambulanten Versorgungssystem, sondern auch die ausserordentliche<br />

Bedeutung des quantitativen und qualitativen Ausbaus von ausserstationären und von dia-<br />

gnosespezifischen Angeboten.<br />

1.31 Schwierigkeiten des Transformationsprozesses der letzten Jahre aus der<br />

Sicht der Leistungsanbieter<br />

1.31.1 Generelle Schwierigkeiten in der Umsetzung der Psychiatriereform (Hidden Agenda)<br />

Die Grundstimmung bei allen Fokusgruppen war geprägt von Resignation, Verärgerung und<br />

Desillusioniertheit bezüglich der Entwicklung der letzten Jahre. Alle Parteien scheinen in der<br />

Vergangenheit Enttäuschungen, Kritik und Schuldzuweisungen ausgesetzt gewesen zu sein.<br />

Das „Gefühl viel versucht, aber wenig erreicht zu haben“ sowie „wenn doch nur die anderen<br />

wollten“ stand im Vordergrund.<br />

Die Gründe für die träge Umsetzung der Psychiatriereform scheinen vielfältig, betreffen ge-<br />

mäss den Befragten aber mehrheitlich die drei Ebenen Politik, Struktur des Gesundheitssys-<br />

tems und Interessengruppen:<br />

• Politische Ebene: In der Befragung kommt die marginale Rolle der Psychiatrie in der<br />

politischen Agenda der letzten Jahre zum Ausdruck. Der Politik wird dabei ein Mangel<br />

an Interesse, Umsetzungswille und Beharrlichkeit hinsichtlich des Transformations-<br />

prozesses vorgeworfen. Dies wirkte sich auch auf die Planung und Steuerung des<br />

Plan Hospitalier aus, die fragmentarisch blieb.<br />

• Struktur des Gesundheitssystems: In diesem Zusammenhang wurde v.a. auf struktu-<br />

relle, organisationelle und finanzierungstechnische Hindernisse hingewiesen, insbe-<br />

sondere:<br />

- dualistisches Finanzierungssystem (Krankenkassen und Gesundheitsministerien).<br />

Dadurch können Einsparungen auf der einen Seite (z.B. stationärer Bereich) nicht<br />

durch Ausgaben (z.B. im ausserstationären Bereich) kompensiert werden;<br />

- die psychiatrischen Leistungsanbieter sind verschiedenen Ministerien zugeordnet. Die<br />

Abgrenzungen sind zum Teil auch innerhalb der Ministerien nicht eindeutig, die Ver-<br />

antwortlichkeiten daher diffus. Die Antragsteller sind so administrativen Hürden aus-<br />

gesetzt und mit einer gewissen Intransparenz konfrontiert;<br />

- mangelnde Vertretung der Psychiatrie in Beratungsgremien (z.B. Commission per-<br />

manente Hospitalier) bzw. Dominanz des stationären allgemeinmedizinischen Sys-<br />

tems;


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 146<br />

- Belegarztsystem;<br />

- Gesetz über Zwangseinweisungen: Das aktuelle Gesetz erschwert die Übernahme<br />

der Vollversorgung durch die Allgemeinkrankenhäuser;<br />

- Personalbemessungsinstrument PRN.<br />

• Ebene der Interessegruppen: In der Befragung stand insbesondere die Uneinigkeit<br />

betreffend des Aufgaben- und Kompetenzbereichs der verschiedenen Leistungserb-<br />

ringer im Vordergrund. Schwierigkeiten im Transformationsprozess wurden dabei<br />

vornehmlich auf eine ausgeprägte Interessenpolitik, einen Mangel an Zusammenar-<br />

beit und ein daraus resultierendes Kommunikationsdefizit zurückgeführt. Die ver-<br />

schiedenen Parteien sind in Konfrontationsstellung zueinander gegangen, anstatt sich<br />

in einer politischen Bewegung zusammen zu schliessen.<br />

Alle Befragten versicherten nachdrücklich, den Reformprozess grundsätzlich mitzutragen.<br />

Auch stehen alle Parteien einheitlich hinter den versorgungspolitischen Grundsätzen. Der als<br />

unsystematisch, mangelhaft koordiniert und als zögerlich angesehene Transformationspro-<br />

zess scheint dabei zu Frustrationen, Ratlosigkeit und Transformationsmüdigkeit bei allen Ak-<br />

teuren geführt zu haben. Diese sehen die Gründe der bisherigen Reformschwierigkeiten in<br />

nachfolgenden Aspekten.<br />

Steuerung<br />

• Fehlende politische Führung und Leitung<br />

• Fehlende Planung des Überganges<br />

• Fehlende Ansprechperson / wissenschaftlicher Beirat mit Experten- und Beratungs-<br />

funktion<br />

• Divergierende Interessen und Uneinigkeit betreffend der Aufgaben(-verteilung), was<br />

zu einer Konfrontationsstellung zwischen den einzelnen Interessengruppen mit ge-<br />

genseitigen Schuldzuweisungen geführt hat<br />

• Verunsicherung über die fehlende Marschrichtung<br />

Rahmenbedingungen<br />

• Strukturelle Schwierigkeiten, wie z.B. Gesetz über Zwangseinweisungen: Aktuelles<br />

Gesetz weist grosse Mängel auf und erschwert die Aufnahme von Zwangseinweisun-<br />

gen in die Klinik<br />

• Mangelnde Unterstützung, bzw. administrative Hindernisse, z.B. zum Aufbau von<br />

notwendigen Einrichtungsstrukturen wie Foyers médicalisés


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 147<br />

• Administrative und politische Hindernisse, die eine Umsetzung von Projekten verun-<br />

Vernetzung<br />

möglichen<br />

• Mangelnde Zusammenarbeit und Vernetzung<br />

• Fehlende Interessenvertretung und Lobby im stationären wie auch im ausserstationä-<br />

ren Bereich<br />

• Fehlende Diskussionsplattform<br />

Angebote<br />

• Fehlende infrastrukturelle und personelle Ausstattung der einzelnen Institutionen zur<br />

adäquaten Ausführung der Aufgaben<br />

• Fehlende ausserstationäre Angebote für psychisch Kranke<br />

1.31.2 Spezifische Schwierigkeiten der Leistungserbringer<br />

Nachfolgend werden die spezifischen Schwierigkeiten nach den einzelnen Gruppen geglie-<br />

dert dargestellt. Eine vollständige Übersicht findet sich im Anhang.<br />

1.31.2.1 Spezifische Schwierigkeiten des Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique<br />

CHNP generell<br />

Im CHNP zeichnete sich die allgemeine Stimmungslage besonders stark durch Resignation,<br />

Ratlosigkeit und Verärgerung aus. Dies wird v.a. auf folgende interne Konfliktpunkte zurück-<br />

geführt:<br />

• Strukturelle Schwierigkeiten einer grossen und dadurch trägen Institution (z.B.<br />

schwerfälligere Umsetzung von Massnahmen, Fehlinformationen durch lange Kom-<br />

munikationswege, Missverständnisse etc.)<br />

• Fehlende Marschrichtung in den letzten Jahren: Der Verwaltungsrat zog in den letz-<br />

ten Jahren diverse Berater zur Planung der zukünftigen Aufgaben des CHNP bei, die<br />

unterschiedliche Pläne und Projekte ausgearbeitet haben. Dem Personal wurden in<br />

den letzten Jahren deshalb wiederholt neue Entwicklungsmöglichkeiten und Richtli-<br />

nien präsentiert, was zunehmend Verunsicherung über die Zukunft des CHNP ausge-<br />

löst hat. („Es ist wie ein Schiff, nicht nur ohne Steuermann sondern auch ohne Seekarte und dann sind<br />

auf einmal zu viele Steuermänner auf einmal und die Reederei hat die Idee, dass man zudem Kreuz-<br />

fahrtangebote bereitstellen müsste“)<br />

• Fehlende Kommunikation innerhalb des CHNP


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 148<br />

• Vermischung von Fachpersonal mit unterschiedlichen Nationalitäten und Ausbildun-<br />

gen, häufig ohne Kenntnisse der versorgungspolitischen Grundsätze und der Emp-<br />

fehlungen der Häfner-Studie.<br />

• „Hidden Agendas“ von Seiten eines Teils des Personals (z.B. Wunsch, an der Akut-<br />

versorgung festzuhalten)<br />

• Gefühl der fehlenden Unterstützung durch Gesundheitsministerium, durch Finanzie-<br />

rungsträger („alle Bemühungen, ausgearbeiteten Konzepte, Ideen wurden abgelehnt“)<br />

• Fehlende Lobby, bzw. Interessenvertretung im allgemeinmedizinischen System (z.B.<br />

CHNP hat keine Interessenvertretung. Ist im CPH nicht vertreten“ / „Gefühl sich alles vorschreiben las-<br />

sen zu müssen“)<br />

• Personalmangel bei gleichzeitig starker Arbeitsbelastung. Dieser ist auf folgende Fak-<br />

toren zurückzuführen:<br />

- Anweisungen des Plan Hospitaliers zu Bettenreduktion;<br />

- Personalberechnungsinstrument PRN: Dies ist ein für die Psychiatrie ungeeignetes<br />

Bemessungsinstrument, das auf alle Krankenhäuser das gleiche Berechnungsverfah-<br />

ren anwendet. Diese Bemessungsgrundlage wird der Betreuungszeit in der Psychiat-<br />

rie jedoch nicht gerecht und errechnet dadurch zuwenig Personalstellen. Dazu kommt<br />

ein enormer Administrations- und Dokumentationsaufwand, der zu einer zusätzlichen<br />

Arbeitsbelastung führt.<br />

- Zweigleisigkeit des Aufgabengebietes des CHNP: Führt neben Rehabiliationsaufga-<br />

ben noch immer Akutaufnahmen durch, d.h. muss mit weniger Personal gleich viele<br />

Stationen aufrechterhalten. („Akutversorgung muss weiterhin gewährleistet werden, solange Kran-<br />

kenhäuser noch nicht die Vollversorgung übernehmen können, wodurch Umstellung auf Rehabilitative<br />

Aufgaben nicht möglich ist…“ „fahren noch immer doppelspurig“).<br />

Der Personalmangel führte zu:<br />

- Sicherheitsproblemen;<br />

- inadäquater Betreuung der Patienten;<br />

- Frustration, Überarbeitung, Ärger, Verstärkung interner Konflikte.<br />

Spezifische Schwierigkeiten Verwaltungsrat CHNP<br />

Im CHNP wird viel Kritik an der Führung und der Leitung des Spitals geübt. Die Aussagen<br />

des Verwaltungsrates machten dabei aber auch die eigene Unzufriedenheit mit dem Resultat<br />

der letztjährigen Bemühungen deutlich. Dabei stand das Gefühl im Vordergrund, dass im po-<br />

litischen Raum kaum etwas Bestand gehabt hat und die politische Unterstützung im ge-<br />

wünschten Transformationsprozess unzureichend war. Es wurde ein Mangel an konkreten<br />

politischen Konzepten und Leitlinien sowie an einer notwendigen Führung durch das Ge-<br />

sundheitsministerium konstatiert. Der Verwaltungsrat gibt an, vor der Schwierigkeit zu ste-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 149<br />

hen, einen Transformationsprozess ohne klare Marschrichtung umzusetzen. Er skizziert sei-<br />

ne Position dabei folgendermassen:<br />

„Wir sind sozusagen der Puffer, einerseits zwischen den Mitarbeitern des CHNP und den Kranken-<br />

kassen insbesondere was das PRN anbelangt.. andererseits aber auch gegenüber dem Gesund-<br />

heitsministerium und den anderen Kliniken.. Wir sind eine Projektionsfläche für alle angestauten Ver-<br />

ärgerungen..“<br />

Fazit: Wunsch nach mehr „Leadership“ seitens des Ministeriums. Wunsch nach einem politi-<br />

schen Entscheid, der mit explizit formulierten Richtlinien mit eindeutiger Verteilung der Auf-<br />

gaben und expliziter Planung der notwendigen Massnahmen einhergeht.<br />

Spezifische Schwierigkeiten des Pflegefachpersonals<br />

Die Stimmung des Pflegepersonals ist von einer gewissen Verbitterung und Frustration ge-<br />

prägt. Dies ist auf interne Konflikte zurückzuführen, die durch vier Entwicklungen entstanden<br />

sind:<br />

• Abbau des Pflegepersonals: Seit der Privatisierung der psychiatrischen Klinik haben<br />

die Pflegemitarbeiter einen Abbau des Pflegepersonals bei gleich bleibendem Ar-<br />

beitsaufwand erlebt. Dies wird hauptsächlich auf das Personalbemessungsinstrument<br />

PRN zurückgeführt, welches neben der ungenügenden Berechnung des Pflegeperso-<br />

nals zu einer Zunahme des Dokumentationsaufwandes geführt hat. Personalredukti-<br />

onen wurden dabei im Nachhinein u.a. aufgrund von Mängeln in der Dokumentation<br />

gerechtfertigt. Dadurch entstand von Seiten des Personals der Eindruck; „für etwas ver-<br />

antwortlich gemacht zu werden, was nicht wirklich im Verantwortungsbereich der Pflege liegt, sondern<br />

durch unmögliche Vorgaben seitens der PRN entstanden ist“.<br />

Der Personalabbau führte gemäss Aussagen des Pflegepersonals zu verschiedenen Schwie-<br />

rigkeiten, wie z.B. zu grosser Arbeitsbelastung, zu Insuffizienzgefühlen, zu mangeln-<br />

der Gewährleistung der notwendigen Sicherheit bei fremdgefährdenden Patienten, zu<br />

qualitativen Einbussen bei der Erfüllung von Aufgaben und Pflichten.<br />

• Intransparenz über zukünftige Aufgabe des CHNP: Die Pflegefachkräfte betonen die<br />

fehlende Orientierung im Transformationsprozess, die durch widersprüchliche Infor-<br />

mationen betreffend der zukünftigen Entwicklung des CHNP entstanden ist. Dies<br />

wurde durch ein Kommunikationsdefizit innerhalb des CHNP verstärkt.<br />

• Mangelnde Zusammenarbeit: Zudem beklagen die Mitarbeiter eine mangelnde inter-<br />

ne und externe Zusammenarbeit, wodurch Konflikte verschärft wurden und zu einer<br />

angespannten Arbeitsatmosphäre geführt haben.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 150<br />

• Mangelnde Würdigung der Reformbemühungen: Was die Bestrebungen, sich zu de-<br />

zentralisieren anbelangt, herrscht bei den betreffenden Verantwortlichen das Gefühl<br />

vor, dass ihre Bemühungen nicht genügend gewürdigt wurden. Die Pflegemitarbeiter<br />

formulierten es folgendermassen: „ wir werden Opfer des übergeordneten Interesses des CHNP..<br />

unsere Bemühungen werden nicht erkannt, obwohl wir doch schon relativ eigenständig Richtung Rehabi-<br />

litation gearbeitet haben.. Es waren wir, die z.B. den SPAD aufgebaut haben“.<br />

Fazit: Wunsch nach einer klaren Marschrichtung und nach expliziten und vertrauenswürdigen<br />

Konzepten und Aussagen seitens des Verwaltungsrates. Wunsch nach ausreichendem Per-<br />

sonal und adäquaten Arbeitsbedingungen. Wunsch nach Wertschätzung des bisherigen Ar-<br />

beitsaufwandes.<br />

Spezifische Schwierigkeiten der Ärzte des CHNP<br />

Bei der Ärzteschaft liegt das Grundproblem wiederum in der Unsicherheit über die zukünftige<br />

Entwicklung des CHNP. Dazu kommt das Gefühl „seit Jahren für die Ausarbeitung von Konzepten<br />

missbraucht zu werden, die dann entweder gar nicht gelesen werden, in den Papieren von verschiedenen Con-<br />

sultants landen, in den Schubladen der Direktion oder des Gesundheitsministeriums verschwinden“. Die Ärzte<br />

geben in diesem Zusammenhang an, sehr viel in den Reformprozess investiert zu haben,<br />

ohne das „ein befriedigender Output“ daraus resultiert hätte.<br />

Schwierigkeiten bestehen des Weiteren in der Zusammenarbeit mit den Psychologen, was<br />

u.a. auf „Kompetenzstreitigkeiten“ zurückzuführen ist. Es fehlt zudem ein Gremium für Ärzte mit<br />

einem wissenschaftlichen Beirat und Fachexperten. Zudem beklagen die Ärzte die Einmi-<br />

schung des Verwaltungsrates als eine fachfremde Instanz in therapeutische Belange.<br />

Fazit: Wunsch nach klaren Leitlinien und Wertschätzung der bisherigen Bemühungen. Zu-<br />

dem Wunsch nach klarer interner wie externer Kompetenz- und Aufgabenverteilung als auch<br />

ein Ausbau an medizinischem Personal. Wunsch nach einem wissenschaftlichen Beirat mit<br />

Fachexperten zur Kontrolle und Begleitung des Transformationsprozesses.<br />

1.31.2.2 Spezifische Schwierigkeiten der psychiatrischen Abteilungen<br />

Die Stimmung dieser Fokusinterviews war von Spannungen zwischen den psychiatrischen<br />

Fachabteilungen und der psychiatrischen Fachklinik CHNP geprägt. Die Hauptschwierigkei-<br />

ten scheinen vor allem in den fehlenden Voraussetzungen zur Umsetzung des Plan Hospita-<br />

lier, d.h. zur umfassenden Übernahme der Akutversorgung psychiatrischer Patienten, zu lie-<br />

gen. Diese hätte zu Beginn des Jahres <strong>2005</strong> stattfinden müssen. Die Gründe sind vielfältig,<br />

werden aber vor allem auf folgende Aspekte zurückgeführt:<br />

• Bauliche Defizite (z.B. ist das Centre Hospitalier noch nicht fertig renoviert, u.a. weil in<br />

der Planungsphase „aus ungeklärten Motiven ein Baustop verhängt worden ist“).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 151<br />

• Ungeklärte personelle Situation (z.B. stehen die Krankenhäuser noch immer in Ver-<br />

handlungen mit den Krankenkassen betreffend Personaldotationen).<br />

• Unklare Aufgaben- und Kompetenzenverteilung zwischen CHNP und Allgemeinkran-<br />

kenhäusern (z.B. Welche Patienten werden ins CHNP weiterverwiesen?).<br />

• Gesetz über Zwangseinweisungen: Das Gesetz über Zwangseinweisungen ist aktuell<br />

noch in Überarbeitung, wobei den Belegärzten gemäss bestehendem Gesetz nicht er-<br />

laubt ist, Patienten in die eigene Klinik einzuweisen.<br />

• Mangelnde Sektorisierung: Die Einzugsgebiete der jeweiligen Kliniken sind nicht reg-<br />

lementiert, sondern nur annäherungsweise festgelegt.<br />

Die Kliniken Kirchberg und St. Louis sind gegenwärtig die einzigen, die eine Vollversorgung<br />

übernehmen können und nicht mit Widerständen seitens des eigenen Krankenhauses gegen<br />

die Integration psychisch Kranker in das allgemeinmedizinische Gesundheitssystem konfron-<br />

tiert sind. Die anderen Kliniken äussern dagegen u.a. Schwierigkeiten, die notwendige soma-<br />

tische Versorgung der psychiatrischen Patienten zu gewährleisten, da Widerstände gegen<br />

die Psychiatrie per se bestehen und die somatische Versorgung der psychiatrischen Patien-<br />

ten eine unbezahlte Mehrarbeit darstellt.<br />

Des Weiteren sind die Kliniken mit Problemen der Weiterweisung bzw. der Nachsorge (z.B.<br />

lange Wartefristen) konfrontiert. Für längere Aufenthalte sind die Kliniken nicht ausgestattet,<br />

Weiterweisungen ins CHNP sind umstritten bzw. dessen zukünftige Klientel undefiniert und<br />

Anschlusslösungen aufgrund mangelnder Nachbetreuungsstrukturen eingeschränkt. Da-<br />

durch sind die Kliniken oft genötigt, Patienten ohne Anschlusslösung zu entlassen.<br />

Fazit: Wunsch nach expliziter Kompetenz- und Aufgabenklärung mit dem CHNP. Wunsch<br />

nach Ausbau des ausserstationären Bereichs, insbesondere der komplementären und reha-<br />

bilitativen Einrichtungen. Wunsch nach Klärung der Personalsituation. Wunsch nach Koordi-<br />

nation und Steuerung des Übergangs zur Übernahme der Vollversorgung aller akut psychiat-<br />

risch erkrankten Patienten.<br />

1.31.2.3 Spezifische Schwierigkeiten des ausserstationären Sektors<br />

Im ausserstationären Bereich fehlen grundsätzlich teil- und vollbetreute Wohneinrichtungen<br />

und sozialpsychiatrische Zentren. Angesichts der grossen Nachfrage und der fehlenden<br />

Möglichkeit, entsprechende Hilfeleistungen anbieten zu können, hat sich zunehmend Resi-<br />

gnation und Desillusionierung ausgebreitet. Das Gefühl „nicht in die Reformen miteinbezogen zu<br />

werden, bzw. das Gefühl der Dominanz des stationären Sektors“ stand dabei im Vordergrund.<br />

In den letzten Jahren wurden verschiedene Bemühungen zum Aufbau von Projekten unter-<br />

nommen, die jeweils aufgrund administrativer Hürden, mangelnder finanzieller Unterstützung<br />

und dem daraus resultierenden Personalmangel nicht umgesetzt werden konnten. Dies wur-<br />

de zudem durch den knappen und teuren luxemburgischen Wohnungsmarkt erschwert. Auch<br />

werden viele Einrichtungen von fachfremdem Personal geführt. Spezifische Weiterbildungs-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 152<br />

möglichkeiten für das Betreuungspersonal waren wiederum aufgrund finanzieller Engpässe<br />

nicht möglich.<br />

Die Gründe für die internen wie auch generellen Schwierigkeiten im Transformationsprozess<br />

liegen gemäss den ausserstationären Vertretern:<br />

• im fehlenden politischen Willen;<br />

• in der fehlenden Zusammenarbeit / Interessevertretung (Lobbyarbeit): Die Zusam-<br />

menarbeit im ausserstationären Sektor ist von Uneinigkeit und Spannungen geprägt,<br />

was eine gemeinsame Lobbyarbeit bisher verunmöglicht hat. Die vorhandenen Mög-<br />

lichkeiten zu einem Zusammenschluss bestehen scheinbar nur auf dem Papier (z.B.<br />

E.G.S.P.). In diesem Zusammenhang wurde auf die erfolgreiche Umsetzung von<br />

Diskussions- und Vertretungsplattformen seitens der „geschützten Werkstätten“ und<br />

des Familienministeriums hingewiesen;<br />

• in einer fehlenden Positionierung (Marketing): Möglichkeiten zur Positionierung wur-<br />

den entweder unzureichend wahrgenommen oder aufgrund der bereits erwähnten in-<br />

ternen Konflikte nicht genutzt (z.B. Infoveranstaltungen des CIP);<br />

• in der Abhängigkeit vom Gesundheitsministerium: Durch die jährlich zu erneuernden<br />

Konventionsverträge stehen die ausserstationären Strukturen auf finanziell unsiche-<br />

ren Beinen und geben an, dadurch dem guten Willen des Ministeriums ausgesetzt zu<br />

sein. Interventionen und Kritik sind aus dieser Abhängigkeitsposition heraus kaum<br />

möglich („Dessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing“);<br />

• im Fehlen einer Koordinationsstelle / Fehlen von Fachexperten: Die Vertreter bekla-<br />

gen eine fehlende Fach- und Ansprechperson auf ministerieller Ebene, welche die<br />

ausserstationäre Versorgung koordiniert. In diesem Zusammenhang wird auch auf die<br />

fehlende Zusammenarbeit der Ministerien untereinander hingewiesen (z.B. „Fond de<br />

Logement“ gehört zum Bereich des Wohnungsministers, das „Betreute Wohnen“ in<br />

die Kompetenz der Familien- und des Gesundheitsministeriums). Dies erschwert die<br />

Umsetzung von Projekten deutlich;<br />

• in der Dominanz des stationären Bereichs: Im bisherigen Reformprozess wird eine<br />

einseitige Konzentration auf den stationären Bereich festgestellt. Die Vertreter bekla-<br />

gen in diesem Zusammenhang den notwendigen Miteinbezug der ausserstationären<br />

Strukturen bei der Planung der psychiatrischen Versorgungslandschaft und der Um-<br />

setzung der Psychiatriereform.<br />

Fazit: Wunsch nach konkreter Planung der psychiatrischen Versorgungslandschaft mit klarer<br />

Aufgabenverteilung und gleichwertigem Miteinbezug des ausserstationären Bereichs.<br />

Wunsch nach wissenschaftlicher Begleitung und Koordination der Reform durch einen wis-<br />

senschaftlichen Beirat. Wunsch nach einer Interessenvertretung und dem Aufbau einer Dis-<br />

kussionsplattform im ausserstationären Bereich.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 153<br />

1.32 Mögliche Entwicklungsszenarien aus Sicht der Leistungsanbieter (Zukunfts-<br />

workshop)<br />

Einer der Schwerpunkte der Fokusinterviews stellte die Diskussion von Zukunftsszenarien<br />

der psychiatrischen Versorgungslandschaft dar. Die Diskussionspunkte betrafen dabei die<br />

folgenden Fragestellungen:<br />

• Klärung der Aufgaben- und Kompetenzgebiete des CHNP und der psychiatrischen<br />

Fachabteilungen in der Grundversorgung psychiatrisch Erkrankter (mit konkreter Ver-<br />

antwortungszuweisung)<br />

• Fragen der Spezialisierung (Störungsgruppen, Diagnostik, Versorgungsbereiche)<br />

• Fragen der Regionalisierung und Sektorisierung<br />

• Trends in der psychiatrischen Versorgung (z.B. Paradigmenwechsel im Substanzbe-<br />

reich, klientenorientierte Einrichtungen)<br />

• Personalreform<br />

• Entwicklung von Diskussionsforen sowie Aufbau eines wissenschaftlichen Beirates<br />

• Change Management betreffs Umsetzung des Plan Hospitalier (Zeit- und Personal-<br />

planung, Definition von Übergangsbestimmungen)<br />

(1) Klärung der Aufgaben- und Kompetenzgebiete des CHNP und der psychiatrischen<br />

Fachabteilungen / Entwicklung möglicher Zukunftsvisionen / Fragen der Spezialisie-<br />

rung<br />

Mögliche Aufgaben für das CHNP:<br />

Einigkeit herrschte darüber, dass es in Luxemburg keinen Bedarf an 235 Betten zur stationä-<br />

ren Rehabilitation gibt. Die Zukunft des CHNP wird deshalb eher in einer Spezialisierung ge-<br />

sehen, z.B. im Bereich der Psychoserehabilitation, der Behandlung von Substanzabhängig-<br />

keiten und/oder Gerontopsychiatrie. Analog zum somatischen Bereich soll das CHNP an-<br />

spruchsvolle Diagnostik bewältigen können, zu welcher andere Akteure (z.B. Allgemeinkran-<br />

kenhäuser, liberal tätige Psychiater) nicht in der Lage sind. Weitere Angebote eines speziali-<br />

sierten Rehabilitationszentrums könnten z.B. Trainingsprogramme oder auch Früherken-<br />

nungszentren, u.a. zur Früherkennung von Psychosen, sein.<br />

Uneinigkeit bestand hinsichtlich der Frage, ob Rehabilitation zentral oder dezentral organi-<br />

siert und angeboten werden soll.<br />

Diese Zukunftsszenarien machen deutlich, dass das CHNP sich in Zukunft nicht mehr auf die<br />

Zuweisungen von Patienten wird verlassen können. Um sich auf dem Gesundheitsmarkt zu<br />

behaupten, werden u.a. Marketingbemühungen notwendig sein.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 154<br />

Mögliche Aufgabe der Allgemeinkliniken:<br />

In Anlehnung an den Plan Hospitalier ist unbestritten, dass die Allgemeinkrankenhäuser die<br />

Verantwortung für die Vollversorgung aller psychiatrischen Akutpatienten, inklusive<br />

Zwangseinweisungen, übernehmen müssen. Inwieweit und ab welchem Zeitpunkt eine Wei-<br />

terweisung in ausserstationäre Strukturen oder auch ins CHNP erfolgen soll, wurde kontro-<br />

vers diskutiert. Im Zentrum der Überlegungen stand der Wunsch der Allgemeinkliniken, sich<br />

als eigentliche Kompetenzzentren mit spezifischen Therapieangeboten zu profilieren. Es ist<br />

z.B. vorstellbar, auch Angebote für Persönlichkeitsstörungen (z.B. DBT-Therapie für Border-<br />

line-Patienten), Zwangs- und Ess-Störungen im Rahmen von Allgemeinkliniken zu etablieren.<br />

Im Spital Centre Hospitalier Emil Mayrisch besteht beispielsweise der Wunsch, sich als<br />

Kompetenzzentrum für Alkoholabhängigkeit zu etablieren, da Useldange nur auf eine be-<br />

stimmte Klientel von mehrheitlich „abgebauten“ Alkoholkranken spezialisiert ist. Zudem be-<br />

steht die Bereitschaft, auch körperliche Entzüge von Drogenabhängigen durchzuführen. Das<br />

Centre Hospitalier Luxemburg möchte sich andererseits – wenn möglich in Zusammenarbeit<br />

mit der Maternité und dem Kinderspital – auf die Betreuung von Mutter-Kind-Dyaden, v.a. im<br />

Rahmen der postnatalen Depression, spezialisieren.<br />

Der Aufbau von Kriseninterventionszentren sowie der Ausbau des tagesklinischen Settings<br />

wird als notwendig erachtet, wobei Uneinigkeit darüber herrschte, inwieweit auch ein aufsu-<br />

chender ambulanter Dienst zu einem Angebot der psychiatrischen Abteilungen gehören soll.<br />

Schliesslich war ein Bedürfnis nach Innovation und Anpassung an die europäischen Stan-<br />

dards zu spüren.<br />

Ein klares Defizit an Angeboten wird insbesondere im ausserstationären Bereich konstatiert.<br />

Im Bereich der Wohneinrichtungen wird dabei ein stufenartiges Konzept von „Betreutem Ein-<br />

zelwohnen“ bis hin zu vollzeitbetreuten Foyers médicalisés als notwendig erachtet. Dies wird<br />

als unabdingbare Voraussetzung für eine optimale Ausübung der Vollversorgung seitens der<br />

Krankenhäuser betrachtet. Da diese nicht für längere Aufenthalte ausgestattet sind, müssen<br />

die Patienten nach der Notfallversorgung weiter geleitet werden können, um die notwendige<br />

Behandlungskontinuität, aber auch die stationäre Aufnahmekapazität gewährleisten zu kön-<br />

nen.<br />

Bei der Diskussion möglicher Lösungsansätze wurde auf das dualistische Finanzierungssys-<br />

tem hingewiesen, welches die mögliche Umschichtung (Abbau von Betten im CHNP, Aufbau<br />

im ausserstationären Bereich) erschwert. Ein möglicher Lösungsansatz sah man in einem in-<br />

ternen Umtausch des CHNP von Krankenhausbetten gegen Wohnstrukturen, wodurch der<br />

Träger nicht gewechselt werden müsste. Dies wurde auch in den Allgemeinkliniken gemacht,<br />

als 10 Betten aus dem Akutbereich in die Tagesklinik transferiert wurden.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 155<br />

(2) Frage der Regionalisierung<br />

In der Diskussion wurde betont, dass eine Vollversorgung seitens der Krankenhäuser un-<br />

trennbar an klare Einzugsgebiete geknüpft ist, was nach einer Sektorisierung der psychiatri-<br />

schen Versorgung verlangt.<br />

(3) Trends in der psychiatrischen Versorgung (klientenorientierte Angebote)<br />

Es wurde von allen Seiten ein Mangel an stationären Betten konstatiert. Dazu kommt, dass<br />

Patienten häufig in unangemessenen Strukturen wie Obdachlosenheimen und Familienpen-<br />

sionen platziert werden. Gut ein Drittel der Patienten könnte jedoch tagesklinisch betreut<br />

werden. Des Weiteren sind individuell angepasste Betreuungszeiten notwendig, welche ge-<br />

mäss neusten Standards von Nachtkliniken oder Akuttageskliniken erbracht werden könnten.<br />

Über das ambulante Angebot der Psychiater hinaus gewinnen Tageskliniken an Bedeutung.<br />

Solche teilstationären Settings bieten intensivere Behandlungs- und Betreuungsmöglichkei-<br />

ten ohne negative Nebenwirkung stationärer Behandlungsformen, wie z.B. „Hospitalisati-<br />

onsspiralen“ und damit einhergehende Stigmatisierung.<br />

Zustimmung fand zudem die Forderung nach einem Paradigmenwechsel im Suchtbereich.<br />

Das klassische 3-Phasen-Konzept (Entzug – Entwöhnung – Wiedereingliederung) gilt nicht<br />

mehr als „state of the art“, da nicht nur ist das Mortalitätsrisiko nach einem Entzug sich um<br />

das Zehnfache erhöht, sondern auch die Rückfallquoten äusserst hoch sind. Die Zukunft liegt<br />

im ambulanten Entzug und in Substitutionsbehandlungen, z.B. auch in der Heroinsubstituti-<br />

on.<br />

(4) Personalreform<br />

Unbestritten blieb, dass die Hauptschwierigkeit sowohl im CHNP wie in den Allgemeinklini-<br />

ken in dem für die Psychiatrie ungeeigneten Personalbemessungsinstrument PRN liegt. Eine<br />

Revision dieses Instruments, z.B. in Anlehnung an die deutsche Psych-PV oder an die kana-<br />

dische Version des PRN, wird als unumgänglich betrachtet.<br />

(5) Entwicklung von Diskussionsforen / Aufbau eines wissenschaftlichen Beirats<br />

Im Rahmen der Fokusinterviews wurde unisono auf die Notwendigkeit von Diskussionsforen<br />

hingewiesen. Zudem wurde auf den Mangel an fachspezifischem Expertenwissen und einem<br />

institutionalisierten Zugang, im Sinne eines konstanten wissenschaftlichen Beirats, hingewie-<br />

sen.<br />

(6) Change Management betreffs Umsetzung des Plan Hospitalier (Zeit- und Personalpla-<br />

nung, Definition von Übergangsbestimmungen)<br />

Im Rahmen der Fokusinterviews wurde die Notwendigkeit einer Steuerungs- und Kontroll-<br />

gruppe zur Bewältigung des Change Managements deutlich. In erster Linie ging es aber dar-<br />

um, klare Übergangsbestimmungen zu definieren, die einen schrittweisen und geordneten


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 156<br />

Übergang zur Übernahme der Vollversorgung seitens der Krankenhäuser sichern. Problem-<br />

stelllungen sind dabei insbesondere:<br />

• Auslösung der Behandlung der Akutpatienten im CHNP<br />

• Transfer des entsprechenden Fachpersonals des CHNP in die Allgemeinkrankenhäu-<br />

ser<br />

• Anstehende Personalrestrukturierungsmassnahmen im CHNP<br />

• Ausformulierung eines Übergangsvertrags mit konkretem Zeitplan unter Berücksichti-<br />

gung einer so genannten „Trockenphase“ im Sinne eines Übungsfeldes für die Um-<br />

stellungsphase. Zur Diskussion stand auch ein progressives Personalrekrutierungs-<br />

modell, wobei als möglicher Überganszeitpunkt die Sommerferien in Betracht gezo-<br />

gen wurden.<br />

1.33 Schlussfolgerungen<br />

Die Fokusinterviews weisen auf eine fehlende politische Bewegung z.B. im Vergleich zu Ita-<br />

lien hin. Interessenpolitik und Uneinigkeit der verschiedenen Leistungserbringer scheinen ei-<br />

ne effektive Zusammenarbeit bzw. Lobbying bisher verunmöglicht zu haben. Auf staatlicher<br />

Ebene lassen sich zwar verschiedene Ansätze zur Reformierung der Psychiatrie (z.B. Plan<br />

Hospitalier) erkennen, die Umsetzung und Steuerung wird jedoch als fragmentarisch be-<br />

schrieben. Eine kontinuierliche Umsetzungs- und Kontrollinstanz wie bei der Psychiatrie-<br />

Enquète in Deutschland scheint in Luxemburg demnach gefehlt zu haben.<br />

Die qualitativen Analysen weisen zudem auf eine Fokussierung des stationären Bereichs hin,<br />

wodurch der ausserstationäre Sektor nur beschränkt in die Planungsüberlegungen miteinbe-<br />

zogen wurde. Dem entsprechend zeigt sich aktuell ein Mangel an adäquaten Nachsorge-<br />

strukturen. Bemühungen zum Auf- und Ausbau des ausserstationären Bereichs scheinen<br />

u.a. an der Struktur des Gesundheitssystems gescheitert zu sein. Eine besondere Heraus-<br />

forderung scheint diesbezüglich das Versorgungs- und Finanzierungssystem Luxemburgs<br />

darzustellen. Es sind dabei verschiedene Kostenträger (hauptsächlich Gesundheitsministeri-<br />

um und Krankenkassen) in die Finanzierung eingebunden, dadurch ist der Mitteltransfer<br />

durch eine Fragmentierung in unterschiedliche Finanzierungsströme charakterisiert. Eine<br />

Fragmentierung der Finanzierung bedeutet gleichzeitig aber immer auch eine Fragmentie-<br />

rung der Versorgung, die eine optimale Koordination und Versorgung erschwert. Zudem wird<br />

dadurch meistens eine angebotsorientierte Versorgung gefördert, bei der in erster Linie die<br />

Anbieter das Angebot bestimmen, anstatt einer personenzentrierten Versorgung, die sich<br />

nach den individuellen Bedürfnissen der psychisch Kranken richtet. Die Befragten wiesen in<br />

diesem Zusammenhang wiederholt auf eine Unterversorgung verschiedener Patientengrup-<br />

pen bzw. auf mangelnde patientenspezifische Angebote hin. Da die Finanzierung u.a. auch<br />

immer mit Anreizmechanismen verbunden ist (siehe Kap. 4.7), besteht die Gefahr, dass die<br />

psychiatrische Versorgung in Zukunft zwar gemeindenah, aber weiterhin primär spital-<br />

zentriert wie auch unkoordiniert und angebotsorientiert bleibt. Dadurch würde dem Kriterium<br />

der Bedürfnisorientierung jedoch nicht Rechnung getragen. Eine gemeindenahe Psychiatrie


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 157<br />

stellt somit immer auch neue Anforderungen an die Finanzierung der psychiatrischen Ver-<br />

sorgung. Diese sollte deshalb regelmässig überprüft und hinterfragt werden.<br />

Länderpsychiatriepläne werden zukünftig mehr die Form eines dynamischen Regelwerks von<br />

miteinander verknüpften, strategisch-steuernden und operativ-ausführenden Prozessen an-<br />

nehmen müssen. Diese müssen von kompetenten Gremien bei gleichzeitiger Partizipation al-<br />

ler relevanten Interessengruppen unter Einsatz gültiger und vergleichbarer Methoden getra-<br />

gen werden. Dabei werden sie sich kontinuierlich an den Bedarf anpassen müssen. Dazu<br />

müssen gemäss den Fokusinterviews folgende kritische Einflussfaktoren an Bedeutung ge-<br />

winnen:<br />

• Erstellung von standardisierten „Methoden- und Massnahmen-Katalogen“, die eine ef-<br />

fektive und effiziente Massnahmenumsetzung ermöglichen mit kontinuierlicher Aktua-<br />

lisierung;<br />

• klare Vorgaben von zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen, Schritten und<br />

Verantwortlichkeiten zur Sicherung der Umsetzung und kontinuierlichen Weiterent-<br />

wicklung;<br />

• klare Formulierung von eindeutigen Versorgungsaufträgen bis hin zu Vertragsab-<br />

schlüssen zwischen den verschiedenen Leistungserbringern, Versorgungsbereichen<br />

(inkl. regionalen Unterschieden) und Finanzierungsträgern;<br />

• Einsatz von Umsetzungsgremien, die nach der Implementierung der geplanten Pro-<br />

zesse auch die laufenden Evaluationen übernehmen und in aggregierter Form auf die<br />

steuernde Staats-Planungsebene rückmelden.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 158<br />

Empfehlungen zur Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung<br />

im Grossherzogtum Luxemburg<br />

1.34 Ausgangslage<br />

7.1.1<br />

Die in der <strong>Planungsstudie</strong> Luxemburg 1992 abgegebenen Empfehlungen zur Weiterentwick-<br />

lung der psychiatrischen Versorgung sind in ihren Grundzügen umgesetzt worden. Dies gilt<br />

speziell für den Neuaufbau dreier psychiatrischer Abteilungen an verschiedenen Allgemein-<br />

spitälern des Landes. Die neu eröffneten Abteilungen zeugen von einem öffentlichen Gesin-<br />

nungswandel gegenüber psychisch Kranken. Die neuen, sehr gut ausgestatteten Abteilun-<br />

gen verdeutlichen auch den politischen Willen, Psychiatrie als Teil der allgemeinen Gesund-<br />

heitsversorgung zu akzeptieren. Ein Gesamtplan zur Weiterentwicklung der psychiatrischen<br />

Versorgung ist jedoch nicht klar erkennbar (vgl. u.a. Kap. 5 und 6 / Tabelle Vergleich 1992<br />

und 2004 (Anhang)).<br />

7.1.2<br />

Es sind wesentliche Entwicklungsschritte nicht vollzogen worden. Dies betrifft im Speziellen<br />

das CHNP, dem trotz erheblichen Bettenabbaus der Übergang in die 1992 vorgeschlagenen<br />

Rehabilitationsstrukturen nicht gelungen ist und im Kern seine ursprünglichen Aufgaben, z.B.<br />

die Betreuung von Langzeitpatienten weiterführt. Die Gründe hierfür sind vielfältig, nicht zu-<br />

letzt lassen die 1992er Empfehlungen einen Mangel an konkreten Umsetzungsvorschlägen<br />

vermissen (vgl. u.a. Kap. 6).<br />

7.1.3<br />

Die noch bestehenden Mängel der stationären Versorgung sind nicht zuletzt daran zu be-<br />

messen, dass bis heute ein beträchtlicher Teil der akut psychisch Kranken in Allgemeinkran-<br />

kenhäusern ohne spezialisierte psychiatrische Abteilungen behandelt wird (vgl. u.a. Kap. 5<br />

und 6).<br />

7.1.4<br />

Der Ausbau des ausserstationären Bereichs ist nicht entsprechend den Erfordernissen vo-<br />

rangetrieben worden (siehe u.a. Kap. 5.5 / 5.6 und Kap. 6).<br />

7.1.5<br />

Das Sozialversicherungsrecht ist nicht optimal auf die Bedürfnisse psychisch Kranker und<br />

auf die psychiatrische Versorgung abgestimmt (siehe u.a. Kap. 4.6-4.8). Beispielsweise kön-<br />

nen ambulant behandelte, chronisch psychisch Kranke, die über Jahre hinweg auf Medika-<br />

mente angewiesen sind, in der Regel nicht den Selbstbehalt von 20% bei teuren psychiatri-<br />

schen Medikamenten aufbringen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 159<br />

7.1.6<br />

Der „Plan Hospitalier“ sollte zum 1.1.<strong>2005</strong> in Kraft treten. Die Umsetzung hat sich aus ver-<br />

schiedenen Gründen verzögert (Siehe u.a. Kap. 1 und Kap. 6.3).<br />

1.35 Versorgungsleitlinien<br />

7.2.1<br />

Das Grossherzogtum Luxemburg bietet günstige ökonomische Voraussetzungen für eine an-<br />

gemessene und den europäischen Standards angeglichene Versorgung psychisch Kranker<br />

(vgl. 4.4). Die jetzt vorgelegten Empfehlungen sind den neueren Entwicklungen auf dem Ge-<br />

biet der Versorgung psychisch Kranker angepasst. Die Empfehlungen dieses Berichts erfol-<br />

gen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen sozio-demographischen Rahmenbedingungen.<br />

Die Empfehlungen zur Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgungsstrukturen sind<br />

regelmässig den diesbezüglichen Veränderungen anzupassen. Diese ergeben sich zum Bei-<br />

spiel aus Veränderungen der Bevölkerungszahl oder Bevölkerungsstruktur (vgl. Kap. 4.2ff.),<br />

die wesentlich Einfluss nehmen auf das Ausmass und die Art der altersspezifischen psychi-<br />

atrischen Morbidität. Andere Einflussfaktoren sind detailliert in Kap. 4 dargelegt.<br />

7.2.2<br />

Heute wird der Individualität und der Entscheidungsfreiheit des einzelnen Patienten zuneh-<br />

mend mehr Beachtung geschenkt. Dies beinhaltet auch, dass jegliche Massnahmen mit den<br />

geringst möglichen Einschränkungen für die Betroffenen verbunden sein sollen. Auch soll ih-<br />

nen ein Leben so normal wie möglich, d.h. den Lebensbedingungen der Allgemeinbevölke-<br />

rung angepasst, ermöglicht werden.<br />

Die jetzigen Empfehlungen berücksichtigen auch, dass die medizinische Teildisziplin „Psy-<br />

chiatrie“ im letzten Jahrzehnt wesentliche Therapiefortschritte zu verzeichnen hat. Die „Psy-<br />

chiatrie“ hat sich dabei von einer pflegenden zu einer therapeutischen Disziplin entwickelt<br />

(vgl. Kap. 3.2).<br />

7.2.3<br />

Besondere Bedeutung wird in diesem Zusammenhang die <strong>2005</strong> von den Gesundheitsminis-<br />

tern der EU unterzeichneten „Deklaration von Helsinki“, die auf die psychische Gesundheit<br />

der Bevölkerung gerichtet ist, gewinnen (vgl. Kap. 3.2). Im Zentrum der Deklaration steht<br />

u.a.:<br />

• Die gezielte Unterstützung von Menschern in vulnerablen Lebensphasen.<br />

• Besondere Aufmerksamkeit für Menschen mit schweren psychischen Gesund-<br />

heitsproblemen und deren Bedürfnissen sowie ihre langfristige Betreuung in einer Pa-<br />

lette verschiedener Settings und sie vor Missbrauch und Vernachlässigung, schützen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 160<br />

• Präventive Massnahmen insbesondere auch für Personen mit besonderen Risiken,<br />

und<br />

• die Bekämpfung von Stigma und Diskriminierung.<br />

1.36 Reformumsetzung (vgl. Kap. 6)<br />

7.3.1<br />

Die jetzt nachfolgende Phase der Reformumsetzung sollte von einem wissenschaftlichen<br />

Beirat begleitet werden, der mindestens jährlich der Regierung über die erzielten Fortschritte<br />

bzw. über wesentliche Gründe, die die Umsetzung behindern, berichtet. Der Beirat sollte aus<br />

den verantwortlichen Ärzten der psychiatrischen Abteilungen, des (zu restrukturierenden)<br />

CHNPs, verantwortlichen Vertretern ausserstationärer Strukturen, insbesondere des Wohn-,<br />

Arbeits- und Freizeitbereiches, und Verantwortlichen der beteiligten Ministerien sowie der<br />

verschiedenen Sozialleistungsträger bestehen. Für die Moderation des Beirates sollte ein ex-<br />

terner Berater eingebunden werden.<br />

Insbesondere sollten:<br />

• klare Vorgaben der zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen erarbeitet,<br />

• Arbeitsgruppen zur Massnahmenumsetzung gebildet werden, die kontinuierlich dem-<br />

Beirat über die Umsetzungsschritte berichten, und<br />

• Versorgungsaufträge eindeutig formuliert und gegebenenfalls in Vertragsform zwi-<br />

7.3.2<br />

schen den Leistungserbringern gebracht werden.<br />

Dem Beirat sollte ein vollzeitlich beschäftigter „Reform-Manager“ zur Seite gestellt werden,<br />

der die einzelnen vom Beirat zu erarbeitenden Schritte vorplant, koordiniert und überwacht.<br />

Der Reform-Manager berichtet dem Beirat.<br />

7.3.3<br />

Es sollte eine Arbeitsgruppe (unter substanzieller Beteiligung der verschiedenen Ministerien)<br />

beauftragt werden, eine Stärken-Schwächen-Analyse des gegenwärtigen Sozialleistungs-<br />

rechts und Finanzierungssystems, soweit es psychisch Kranke betrifft, durchzuführen. Be-<br />

sondere Beachtung sollte in diesem Zusammenhang die Frage finden, ob nach dem CHNP<br />

auch die extrahospitalieren Einrichtungen und Dienste zukünftig aus dem Verantwortungsbe-<br />

reich des Staatsbudgets entlassen und in andere Finanzierungstrukturen (z.B. Pflegeversi-<br />

cherung) überführt werden sollen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 161<br />

7.3.4<br />

Psychiatrische Reformen sind kein Prozess, der verordnet werden kann. Es ist angeraten,<br />

Diskussionsforen durchzuführen, die es engagierten professionellen Helfern wie auch betrof-<br />

fenen Personen erlauben, ihre Ansichten und Meinungen in den Diskussionsprozess einzu-<br />

bringen. Der Reform-Manger sollte diese Prozesse initiieren, moderieren und über deren Er-<br />

gebnisse dem Beirat Bericht erstatten.<br />

7.3.5<br />

Die Voraussetzungen für Qualitätssicherungsmassnahmen der psychiatrischen Versorgung<br />

sind zu schaffen. Der Reformprozess bietet auch die Chance, auf allen psychiatrischen Ver-<br />

sorgungsebenen Behandlungs- und Betreuungsstandards einzuführen. Dabei steht nicht die<br />

Kontrolle der einzelnen Einrichtungen und Diernste im Vordergrund sondern die kontinuierli-<br />

che Verbesserung der Behandlungs- und Btereuungsprozesse der jeweiligen Institution.<br />

7.3.6<br />

In den Kliniken ist das Augenmerk besonders auf die kritischen Elemente des Behandlungs-<br />

prozesses zu richten, beginnend mit der Aufnahme über die Behandlungsvereinbarungen mit<br />

den Patienten bis zu deren Austritt. Der Umgang mit Risikosituationen, einschliesslich<br />

Zwangsmassnahmen, ist zu regeln und kontinuierlich zu dokumentieren. Die Behandlung soll<br />

so weit wie möglich auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgen. Dies beinhaltet die Einfüh-<br />

rung klinischer Leitlinien.<br />

7.3.7<br />

Sinngemäss sind diese Qualitätssicherungsmassnahmen auch auf die anderen an der psy-<br />

chiatrischen Versorgung beteiligten Institutionen anzuwenden. Dies betrifft damit alle ambu-<br />

lanten Institutionen wie auch den gesamten extrahospitalieren Wohn- und Arbeitsbereich.<br />

7.3.8<br />

Für die Qualitätsicherungsmassnahem sind ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung zu<br />

stellen. Grössere Institutionen benötigen in der Regel einen fest angestellten Qualitäts-<br />

beauftragten. Für grössere Institutionen ist auch das Instrument des Audit einzuführen, d.h.<br />

eine Qualitätsbeurteilung vor Ort durch externe Experten nach vorgegebenen Regeln.<br />

7.3.9<br />

Längerfristig sollte eine Akkreditierung der Institutionen stattfinden.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 162<br />

1.37 Spezielle Empfehlungen zum stationären Versorgungsbereich<br />

7.4.1 Gesetzliche Regelungen<br />

Die Zwangseinweisungsrate in Luxemburg ist im europäischen Vergleich hoch. Die anste-<br />

hende Überarbeitung des Unterbringungsgesetzes sollte sich an den europäischen Stan-<br />

dards orientieren. Insbesondere sollte die Einweisung auf einem (fach-)ärztlichen Urteil ba-<br />

sieren und die Überprüfung der Einweisung gegebenenfalls durch einen Richter erfolgen. Al-<br />

le psychiatrischen Abteilungen müssen in die Lage versetzt werden, zwangseingewiesene<br />

Patientinnen und Patienten aufzunehmen (vgl. u.a. Kap. 3.4 und 4.8).<br />

7.4.2 Ambulante Zwangsmassnahmen<br />

Ein geringer Teil vorwiegend krankheitsuneinsichtiger Patienten ist durch ein besonders ho-<br />

hes Rückfallrisiko gekennzeichnet. Diese Patientengruppe konsumiert bis zu 50% der statio-<br />

nären Kapazitäten. Es ist zu überlegen, ob für diese Patientengruppen unter streng definier-<br />

ten Rahmenbedingungen auch ambulante Zwangsmassnahmen vorzusehen sind, die den<br />

Betroffenen ein menschenwürdiges Leben ausserhalb des Krankenhauses ermöglichen sol-<br />

len.<br />

7.4.3 Personal<br />

Die Psychiatrie hat sich zu einer differenzierten Behandlungsdiziplin entwickelt. Neben der<br />

medizinisch-psychiatrischen Behandlungskompetenz braucht es verschiedenartige Beruf-<br />

gruppen, um das Spektrum erforderlicher Kompetenzen abzudecken. Dies betrifft neben<br />

Psychologen und psychiatrischen Pflegefachpersonen v.a. Ergo-, Arbeits-, Musik- und Phy-<br />

siotherapeuten. Das gegenwärtige in Luxemburg gebräuchliche Personalbemessungssystem<br />

„PRN“ ist v.a. im Hinblick auf die erforderliche Multidisziplinarität den Anforderungen nicht<br />

hinreichend angepasst. Es ist dringend zu empfehlen, dieses Personalbemessungssystem<br />

mit der in Deutschland gebräuchlichen Psych-PV oder der Kanadischen Version des PRN<br />

auf seine Funktionalität für die Personalaustattung in der Psychiatrie zu vergleichen (vgl.<br />

3.4.1.2 und Kap. 6).<br />

7.4.4 Fort- und Weiterbildung<br />

Der Fort- und Weiterbildungsbedarf in der Psychiatrie ist enorm hoch. Dies hat v.a. mit der<br />

dynamischen Entwicklung dieses Fachs zu tun. Die gesetzlichen Voraussetzungen für Fort-<br />

und Weiterbildung sind gegeben. Diese Gegebenheiten sollten mehr als gegenwärtig genutzt<br />

werden.<br />

Als beziehungsorientiertes Fach braucht es darüber hinaus auch kontinuierliche Supervisi-<br />

onsangebote für die Mitarbeiter. Den Verantwortlichen ist anzuraten, die entsprechenden fi-<br />

nanziellen Mittel hierfür einzuplanen (vgl. Kap. 5).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 163<br />

7.4.5 Ausländische Mitarbeiter<br />

Das psychiatrische Berufsfeld ist gegenwärtig durch eine grosse Zahl ausländischer Arbeit-<br />

nehmer geprägt. Wenn auch in einer Zeit, in der Europa zusammenwächst, die Nationalitä-<br />

tenfrage in den Hintergrund tritt, ist ein Stärkung des luxemburgischen Personals in der Psy-<br />

chiatrie als kommunikativer Disziplin grundsätzlich und langfristig unabdingbar (vgl. Kap. 6).<br />

1.38 Allgemeinkrankenhhäuser mit psychiatrische Abteilungen<br />

1.38.1 Allgemeinpsychiatrie<br />

7.5.1.1<br />

Die Krankenhaushäufigkeit, d.h. die Zahl der pro 1 000 Einwohner stationär behandelter Pa-<br />

tienten, ist hoch und die Verweildauer in stationärer Behandlung kurz. Dies hat vermutlich mit<br />

dem Belegarztsystem zu tun, das eine hohe Durchlässigkeit zwischen ambulanter und stati-<br />

onärer Behandlung ermöglicht. Da die Verweilzeiten in stationärer Behandlung mit durch-<br />

schnittlich 15 Tagen nicht wesentlich zu verkürzen sind, zeichnet sich ab, dass nach Schlies-<br />

sung der Akutbetten im CHNP die Zahl der in den Abteilungen vorgehaltenen Akutbetten –<br />

auch im europäischen Vergleich – knapp bemessen sind. In diesem Zusammenhang ist auch<br />

zu erwähnen, dass die <strong>Planungsstudie</strong> 1992 eine Abteilungsgrösse von 55 Betten vorgese-<br />

hen hatte anstelle der jetzt vorgehaltenen circa 45 Betten pro Abteilung (die Reduktion erfolg-<br />

te zugunsten des Aufbaus von Tageskliniken) (vgl. Kap. 3.4 und 5.2).<br />

7.5.1.2<br />

Es ist zu prüfen, ob gegebenenfalls eine weitere Abteilung an einem Allgemeinkrankenhaus<br />

zu eröffnen ist. Diese Empfehlung erfolgt vor dem Hintergrund, dass bereits jetzt eine grös-<br />

sere Zahl psychisch Kranker in Allgemeinkrankenhäusern ohne spezialisierte Abteilungen<br />

behandelt wird (vgl. 5.2). Den Krankenkassen sei dann im Hinblick angeraten, entsprechen-<br />

de leistungsrechtliche Massnahmen zu ergreifen, um nur noch Behandlungen in spezialisier-<br />

ten Abteilungen mit qualifiziertem Perssonal finanziell abzugelten.<br />

7.5.1.3<br />

Auslandbehandlungen sollten zukünftig so weit wie möglich verhindert werden, da das<br />

Grossherzogtum infrastrukturell und ökonomisch in der Lage ist, zukünftig eine qualitativ gute<br />

stationäre Vollversorgung im Lande selbst anzubieten (vgl. Kap. 4.4).<br />

7.5.1.4<br />

Die stationäre Vollversorgung aller Bürger als Teil der allgemeinen Gesundheitsversorgung<br />

bietet auch die Möglichkeit die Stigmatisierung psychisch Kranker weiter abzubauen (vgl.<br />

Kap. 3.2).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 164<br />

7.5.1.5<br />

Den Abteilungen ist ein definiertes Versorgungsgebiet verantwortlich zuzuweisen, das sie<br />

verpflichtet, alle stationär behandlungsbedürftigen Patienten dieses Gebietes zu behandeln.<br />

Den Patienten bleibt hingegen die freie Krankenhauswahl erhalten, sofern entsprechende<br />

Bettenkapazitäten in anderen Krankenhäusern bestehen.<br />

7.5.1.6<br />

Die Abteilungen sind gefordert, eine Vollversorgung im Bereich der Akutversorgung (mit<br />

Ausnahme extrem selbst- oder fremdgefährlicher Patienten) zu betreiben. Insbesondere ist<br />

nicht anzuraten, Patienten nur kurz anzubehandeln, um sie dann in den (neu zu schaffen-<br />

den) Rehabilitationsbereich des CHNP zu verlegen. Einzelne Behandlungsepisoden sind un-<br />

ter dem Aspekt der Kontinuität der Versorgung, die auch personale Kontinuität beinhaltet, an<br />

einer Behandlungsinstitution abzuschliessen.<br />

7.5.1.7<br />

Zwei psychiatrische Abteilungen sind inzwischen mit Tageskliniken ausgestattet, die vorwie-<br />

gend in der Nachsorge rehabilitativ tätig sind. Dies gilt nicht für die Tagesklinik am CHL. Die<br />

Tagesklinik am CHL führt vorwiegend ambulante Spezialbehandlungen ausgewählter Patien-<br />

tengruppen durch (vgl. u.a. Kap. 5.3). Für das CHL ist deshalb die Schaffung einer neuen<br />

Tagesklinik erforderlich, die die entsprechenden Nachsorgefunktionen orientiert an den ta-<br />

gesklinischen Standards übernimmt. Die vierte Tagesklinik steht vor der Eröffnung.<br />

7.5.1.8<br />

Um dem zu erwartenden Aufnahmedruck weiter zu reduzieren, sind akuttagesklinische An-<br />

gebote im Rahmen der bestehenden Strukturen zu schaffen. Nach neueren Untersuchungen<br />

ist es möglich, 20-30% der gegenwärtig stationär behandelten Patienten tagesklinisch zu be-<br />

handeln.<br />

7.5.1.9<br />

Die Spezialisierung in der Psychiatrie ist soweit fortgeschritten, dass zukünftig nicht alle Ab-<br />

teilungen alle Therapien werden anbieten können. Ohne dass ein Auftrag explizit formuliert<br />

worden wäre, hat sich in einigen Abteilungen bereits eine gewisse Spezialisierung entwickelt<br />

(vgl. u.a. Kap. 5.2 und 6.4):<br />

• Im Centre Hospitalier Emil Mayrisch hat sich so bereits ein Schwerpunkt für die Akut-<br />

behandlung im Bereich der Alkoholabhängigkeit entwickelt.<br />

• Im CHL ist die Behandlung von Frauen mit postpartalen Erkrankungen in Gang ge-<br />

kommen. Diese Entwicklung ist weiter zu fördern.<br />

• Das Hôpital Kirchberg Erwähnung hat sich zu einem Zentrum für Jugendpsychiatrie<br />

(s.u.) entwickelt.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 165<br />

Auch für die anderen Abteilungungen ist eine gewisse Spezialisierung zu empfehlen:<br />

• Beispielsweise sollte eine Abteilung (z.B. die Clinique St. Louis) ein nationales Kom-<br />

7.5.1.10<br />

petenzzentrum zur Durchführung von Elektrokrampftherapien entwickeln. Hierzu be-<br />

darf es einer engen Kooperation mit einer anästhesiologischen Abteilung.<br />

Die Grundversorgung hat Vorrang vor der spezialisierten Versorgung.<br />

1.38.2 Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

Gesondert kommentiert werden soll die jugendpsychiatrische Abteilung am Hôpital Kirch-<br />

berg, die angesichts der Grössenordnung kinder- und jugendpsychiatrischer Problems Aus-<br />

serordentliches leistet. Dies bezieht sich vorwiegend auf die im Vergleich mit anderen kinder-<br />

und jugendpsychiatrischen Abteilungen kurzen Verweildauern in stationärer Behandlung, die<br />

eher den Charakter von Kriseninterventionen haben (vgl. u.a. Kap. 5.6.1).<br />

7.5.2.1<br />

Die jugendpsychiatrische Abteilung leidet unter unzulänglichen Nachsorgestrukturen insbe-<br />

sondere im Heimbereich für schwer psychisch erkrankte Jugendliche, insbesondere mit Ver-<br />

haltensauffälligkeiten. Hier ist dringend Abhilfe zu schaffen, weil diese Art stationärer Krisen-<br />

hilfen nur funktionieren kann in einem dichten Netz mitbetreuender Institutionen.<br />

7.5.2.2<br />

An die jugendpsychiatrische Abteilung in Hôpital Kirchberg ist eine Tagesklinik für 2006 ge-<br />

plant.<br />

7.5.2.3<br />

Die an die pediatrische Abteilung des CHL angebundene Tagesklinik für psychisch kranke<br />

Kinder, ist mit 6 Plätzen noch ungenügend ausgestattet. Der weitere Ausbau ist geplant.<br />

1.39 Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique (CHNP)<br />

1.39.1 Umstrukturierung des CHNP<br />

Das einstmals institutionell dominierende psychiatrische Versorgungsangebot Luxemburgs,<br />

das CHNP, hat in den vergangenen Jahren eine schwierige Entwicklung durchgemacht. Ob-<br />

wohl die Ausrichtung des CHNP auf Rehabilitationspsychiatrie seit Jahren vorgegeben war,<br />

verblieben dem CHNP fortdauernd akutpsychiatrische Aufgaben, v.a. auch im Bereich der


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 166<br />

Zwangseinweisungen. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Restrukturierungsvorschläge<br />

für die geplante Rehabilitationspsychiatrie sich nicht dem in einem Umwälzungsprozess be-<br />

findlichen Fach als angepasst erwiesen haben. Insbesondere findet der Grundsatz des Vor-<br />

rangs der ambulanten vor der stationären Rehabilitation heutzutage deutlich mehr Beachtung<br />

als dies noch vor einem Jahrzehnt gegolten hat. In der Konsequenz bedeutet dies, dass heu-<br />

te deutlich weniger Betten als die gegenwärtig dafür eingeplanten 240 benötigt werden (vgl.<br />

u.a. Kap. 6).<br />

Das CHNP soll zukünftig in fünf nationale Fachzentren gegliedert werden, die je aus einem<br />

stationären Kern, einem tagesklinischen und einem ambulanten Angebot bestehen. Nachfol-<br />

gend werden nur die Rahmenbedingungen umrissen, wobei die Details in Arbeitsgruppen<br />

genauer festzulegen sind.<br />

1. Zentrum Früherkennung, Prävention, Frührehabilitation<br />

Während die Psychiatrie über lange Jahre sich auf die Versorgung chronisch psychisch<br />

Kranker konzentriert hat, gewinnen heute Früherkennung, Prävention und Frührehabilitation<br />

wesentlich mehr Beachtung. Dies entspricht auch dem Europäischen Aktionsplan für psychi-<br />

sche Gesundheit <strong>2005</strong> – 2010.<br />

• Das Zentrum soll im Rahmen der Prävention langfristige Aufklärungs- und Interventi-<br />

onsprogramme entwickeln z.B. im Hinblick auf psychische Gesundheitsprobleme in<br />

der Ausbildung und am Arbeitsplatz oder am Übergang von und in verschiedene Risi-<br />

ko behaftete Lebensphasen.<br />

• Im Hinblick auf Suizidprävention soll hier beispielhaft das so genannte „Nürnberger<br />

Bündnis“ genannt werden, das sich unter Einbezug verschiedener gesellschaftlicher<br />

Kräfte und Institutionen die Verringerung der Suizidhäufigkeit zum Ziel gesetzt hat. Im<br />

ärztlichen Bereich ist hier insbesondere auf eine enge Vernetzung der „Spezialisten“<br />

mit den Grundversorgern, also den Hausärzten zu achten. Dieses Programm wird<br />

gegenwärtig in verschiedenen Europäischen Ländern implementiert.<br />

• Psychisch Kranke, insbesondere Schizophreniekranke, sind im besonderen Mass<br />

von Ausgrenzung und Diskriminierung bedroht. Weltweit haben sich unter dem Patro-<br />

nat der Weltvereinigung der Psychiater Fachleute und Betroffene zusammenge-<br />

schlossen, um mit entsprechenden Projekten (z.B. Aufklärung in Schulen oder ver-<br />

besserung der Zusammenarbeit von Psychiatrie und Polizei) dieser Stigmatisierung<br />

entgegen zu wirken. Das Zentrum sollte ebenfalls in diesen Bereichen tätig werden.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 167<br />

• Im Hinblick auf Früherkennung und Frührehabilitation fokussiert das Zentrum auf die<br />

Identifikation von für bestimmte psychische Probleme anfällige Risikogruppen. Eine<br />

der viel versprechendsten Entwicklungen in diesem Bereich ist die Frühidentifikation<br />

Schizophreniekranker, bei denen zwischen drei und fünf Jahre zwischen Erkran-<br />

kungs- und Behandlungsbeginn liegen. Für diesen Bereich bedarf es hoch speziali-<br />

sierter Kenntnisse für die Diagnosestellung und Behandlung. Diagnostik und Behand-<br />

lung finden überwiegend ambulant statt. Ein solches Netz von Diensten wird gegen-<br />

wärtig in England flächendeckend aufgebaut.<br />

• Für einen Teil der Betroffenen sind jedoch intensive stationäre Massnahmen zur<br />

Frührehabilitation erforderlich in einem besonders ruhigen und akzeptierenden Klima<br />

(1 Rehabilitationsstation).<br />

• Darüber hinaus benötigen die betroffenen Personen oft jahrelange sorgfältige ambu-<br />

lante Begleitung bei der beruflichen und sozialen Wiedereingliederung.<br />

2. Zentrum für Sozial- und Gemeindepsychiatrie<br />

Für Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen bedarf es über die medizinisch-<br />

psychiatrische Behandlung hinaus Hilfen im Wohn-, Arbeits- und Freizeitbereich, die detail-<br />

liert im Abschnitt „ausserstationäre Strukturen“ behandelt werden. Das Zentrum für Sozial-<br />

und Gemeindepsychiatrie soll zu diesen „üblichen“ ausserstationären Strukturen ergänzende<br />

Angebote in verschiedenen neu zu errichtenden Diensten machen:<br />

(1) Das betrifft zum einen die Gruppe der besonders schwer psychisch Kranken, die auf 24-<br />

stündige Betreuung und Behandlung angewiesen sind. Eine beträchtliche Zahl dieser Patien-<br />

ten ist bis heute im CHNP fehlplaziert. Nach Schätzungen von Mitarbeitern betrifft dies bis zu<br />

50% der gegenwärtig im CHNP befindlichen Patienten (vgl. u.a. Kap. 5.2.4 und Kap. 6).<br />

• Für diese Patienten sind entsprechende Rehabilitationsstationen vorzusehen. Ziel der<br />

mittelfristigen stationären Rehabilitationsbehandlung ist die weitest mögliche Selbst-<br />

ständigkeit der Betroffenen.<br />

• Nach Abschluss der stationären Rehabilitationsbehandlung benötigen aber viele der<br />

Betroffenen weiterhin eine 24-stündige Betreuung. Diese Betreuung kann in dezentra-<br />

lisierten Foyers medicalisés sicher gestellt werden, die deshalb dringend und vorran-<br />

gig unter der Verantwortung des Zentrums für Sozial- und Gemeindepsychiatrie auf-<br />

zubauen sind.<br />

(2) Die andere zu betreuende Patientengruppe betrifft die psychisch Kranken, die zu einem<br />

selbstständigen Leben bei entsprechender ambulanter Unterstützung in der Lage sind. Ein<br />

solches ambulantes Angebot macht der SPAD (Soins Psychiatriques à Domicile). Betreutes


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 168<br />

Einzelwohnen hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen und bei den Betroffe-<br />

nen ausserordentlich beliebten Betreuungsinstrument entwickelt, dass den Betreuten ein<br />

grösstmögliches Mass an Autonomie erlaubt. Dieser Dienst ist deshalb nachhaltig auszu-<br />

bauen.<br />

(3) Über die therapeutischen Werkstätten hinaus (s.u.) bedarf es im beruflichen Bereich sol-<br />

cher Dienste, die die Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt fördern. International sind diese<br />

Angebote unter dem Begriff „Supported Employment“ bekannt geworden. Das vorrangige<br />

Ziel dieses neu aufzubauenden Dienstes als Teil des Zentrums für Sozial- und Gemeinde-<br />

psychiatrie ist die Integration in den Arbeitsmarkt ohne vorgängige Trainingsmassnahmen.<br />

Die betroffenen Personen werden direkt am Arbeitsplatz betreut und geschult. Aber auch die<br />

Arbeitgeber erhalten entsprechende Hilfe und Unterstützung. Darüber hinaus sollte die auf<br />

berufliche Integration gerichteten Dienste des Zentrums für Sozial- und Gemeindepsychiatrie<br />

eine enge Kooperation mit den Werkstätten für psychisch Behinderte suchen, um sie in ihren<br />

Bemühungen um Vermittlung ihrer Klienten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstüt-<br />

zen. Gesetzliche Anreize für die Arbeitgeber erleichtern den Integrationsprozess deutlich.<br />

(4) Zuletzt fällt einem ebenfalls neu aufzubauenden Dienst des Zentrums für Sozial- und<br />

Gemeindepsychiatrie die Aufgabe zu, für die integrationsschwachen ausländischen Mitbür-<br />

ger spezifische Angebote zu entwickeln. Da diese Gruppe von einer beträchtlichen Grösse<br />

ist (siehe Kap. 4) wird das Zentrum einen Gutteil der Aktivitäten in das Case Management,<br />

also in der Koordination der vorhandenen Angebote, legen. Art und Umfang dieses Problem-<br />

feldes sind noch näher zu bestimmen.<br />

3. Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen<br />

Für die Personen mit Abhängigkeitserkrankungen bestehen zahlreiche Angebote, die teilwei-<br />

se neu auszurichten und zu koordinieren sind (vgl. Kap. 5.2.4):<br />

(1) Die Neuausrichtung der Angebote betrifft v.a. die Schwerpunktsetzung im ambulanten<br />

und teilstationären Bereich.<br />

Die klassische Abfolge der primären Entgiftung im stationären Rahmen und die nachfolgende<br />

stationäre Entwöhnungsphase ist teilweise abgelöst worden durch ambulante oder tageskli-<br />

nische Entgiftung mit nachfolgender Integration in bestehende Lebensbezüge. Insbesondere<br />

im Bereich der illegalen Drogen hat sich anstelle der Abstinenzbehandlung die Substitutions-<br />

behandlung als Alternative etabliert. Vor diesem Hintergrund sind die bestehenden stationä-<br />

ren Angebote des CHNP zu restrukturieren:<br />

• Es sind entsprechende tagesklinische und ambulante Angebote aus den vorhande-<br />

nen Ressourcen zu bilden.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 169<br />

• Dort wo stationäre Entgiftung erforderlich ist, soll dies durch die psychiatrische Abtei-<br />

lung am Centre Hospitalier Emil Mayrisch erfolgen, wo sich bereits ein Schwerpunkt<br />

für die Akutbehandlung v.a. im Bereich der Alkoholabhängigkeit entwickelt hat.<br />

(2) Neben den schweren psychischen Erkrankungen wie die Schizophrenie sind es vorran-<br />

gig Abhängigkeitserkrankte, die stigmatisiert werden. Abhängigkeitserkrankte gelten als wil-<br />

lensschwach, ihre Erkrankung als selbstverschuldet. Viele der Betroffenen suchen deshalb<br />

Hilfe in der somatischen Medizin und nicht in den entsprechend spezialisierten Einrichtun-<br />

gen. Hierauf müssen sich die Spezialeinrichtungen einrichten.<br />

• Insbesondere muss der Kontakt und die Zusammenarbeit mit den Ärzten für Allge-<br />

meinmedizin und den praktischen Ärzten hergestellt werden.<br />

• Entsprechende ambulante Beratungsangebote sind an der Schnittstelle zur somati-<br />

schen Medizin sind aufzubauen.<br />

• Integration in Beruf und Gesellschaft sind auch für Abhängigkeitserkrankte vorrangige<br />

rehabilitative Ziele. Halbjährliche und längere Entwöhnungsbehandlungen ausserhalb<br />

des gewohnten Lebensfeldes sind nicht mehr zeitgemäss.<br />

4. Zentrum für Alterspsychiatrie<br />

Die Alterspsychiatrie hat sich vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung in den<br />

letzten Jahren zu einem der wichtigsten Teilgebiete der Psychiatrie entwickelt.<br />

(1) Diagnostik und Behandlung sind erheblich weiterentwickelt worden. Das heisst, dass<br />

sich die Alterspsychiatrie von einer pflegenden zu einer therapeutischen Disziplin weiterent-<br />

wickelt hat. An diese Entwicklung sind die institutionellen Strukturen anzupassen.<br />

(2) Ambulante Angebote ergänzt durch (teil-)stationäre Angebote zur Diagnostik und Be-<br />

handlungseinleitung sind zu schaffen, insbesondere nach Zuweisung durch niedergelassene<br />

Ärzte.<br />

5. Zentrum für Forensik<br />

Psychisch kranke Straftäter sind eine häufig vernachlässigte Gruppe im Rahmen psychiatri-<br />

scher Versorgungsreformen (vgl. u.a. Kap. 5.2.3 und Kap. 6.2.)<br />

Das CHNP verfügt bereits über einen forensischen Dienst, der ein Grundversorgungsange-<br />

bot für die Justiz machen kann (vgl. Kap. 5.6.2). Dieser Dienst ist weiter auszubauen. Insbe-<br />

sondere ist diesem Dienst eine Hochsicherheitsstation zur 24-stündigen Vollbetreuung an-<br />

zugliedern, die die Behandlung extrem gefährlicher psychisch Kranker, die die Versogungs-<br />

möglichkeiten der psychiatrischen Abteilungen im Allgemeinkrankenhaus oder der Gefäng-<br />

nisse übersteigen, erlaubt. Hierfür ist eine gesonderte Personalbemessung erforderlich.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 170<br />

1.39.2 Allgemeine Empfehlungen für das CHNP<br />

7.6.2.1<br />

Die unsichere Zukunft hat bei vielen Beteiligten im CHNP zu Verunsicherung und Resignati-<br />

on geführt (vgl. u.a. 6.3.2.1). Eine der wesentlichsten Aufgaben im Zusammenhang mit der<br />

Neuausrichtung des CHNP wird es sein, die Mitarbeiter für die zukünftigen Aufgaben zu mo-<br />

tivieren, um das grosse Potential an Humanressourcen zu nutzen. Es ist zu erwägen, ob in<br />

den Restrukturierungsprozess ein externer Berater eingebunden werden soll.<br />

7.6.2.2<br />

Darüber hinaus werden spezifische Weiter- und Fortbildungsmassnahmen für die Mitarbeiter<br />

des CHNP erforderlich, um sie auf ihre zukünftigen Aufgaben optimal vorzubereiten. Die ent-<br />

sprechenden finanziellen Mittel sind hierfür bereit zu stellen.<br />

7.6.2.3<br />

Da für viele der neu zu errichtenden Angebote kein entsprechendes Know-how in Luxemburg<br />

selbst vorhanden ist, müssen vorübergehend entsprechende Experten für Schulungszwecke<br />

verpflichtet werden.<br />

7.6.2.4<br />

Die Infrastrukturen des CHNP sind auf die zukünftigen Aufgaben auszurichten. Insbesondere<br />

wird das so genannte „Building“ diesen Aufgaben nicht mehr gerecht. Es ist auch zum Sinn-<br />

bild für die Vernachlässigung der Psychiatrie im Gesundheitswesen geworden. Der Abriss<br />

dieses Gebäudes ist zu empfehlen. Stattdessen sollten den zukünftigen dezentralen Aufga-<br />

ben besser angepasste Gebäude errichtet werden (vgl. u.a. Kap. 5.2.3.1, 5.2.6 und Kap. 6).<br />

1.40 Spezielle Empfehlungen zum ambulanten Versorgungsbereich<br />

7.7.1 Ambulante Versorgung durch Neuropsychiater<br />

Neuropsychiater erfüllen in der ambulanten Versorgung wesentliche Behandlungsaufgaben,<br />

wobei die Struktur der Praxen niedergelassener Neuropsychiater die Betreuung chronisch<br />

Kranker mit mutiplen, die psychiatrische Behandlung übersteigenden Bedürfnissen, nur be-<br />

schränkt erlaubt.<br />

Die grosse Zahl leichterer psychischer Störungen in der Allgemeinbevölkerung erlaubt nicht<br />

die Behandlung dieser Personen ausschliesslich in spezialisierten Einrichtungen. Erste An-<br />

laufstelle sind in aller Regel die Hausärzte. Niedergelassene Neuropsychiater sind gefordert,<br />

die Hausärzte in Diagnostik und Behandlung in erster Linie zu beraten und erst in zweiter Li-<br />

nie diese Behandlungen selbst durchzuführen.


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 171<br />

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Praxen der Neuropsychiater regional sehr ungleich,<br />

mit einer Konzentration auf städtische Gebiete, verteilt sind. Es sollten Anreize gesetzt wer-<br />

den, die Niederlassung von Neuropsychiater im ländlichen Raum, insbesondere im nördli-<br />

chen Landesteil zu fördern (vgl. u.a. Kap. 5.4.3/5.4.4, 5.8).<br />

7.7.2 Sozialpsychiatrische Zentren<br />

Die Gruppe chronisch psychisch Kranker wird gegenwärtig in sozialpsychiatrischen Zentren<br />

behandelt, die neben der ambulanten Betreuung zumeist auch entsprechend betreute<br />

Wohnmöglichkeiten und Angebote zur Tagestrukturierung vorhalten. Diese sozialpsychiatri-<br />

schen Zentren sind personell mangelhaft ausgestattet. Es bedarf ausserordentlicher An-<br />

strengungen, die über die Regelzuteilung von Personal, wie sie gegenwärtig erfolgt, hinaus-<br />

geht. Es ist zu empfehlen, dass mittels eines Kabinettsbeschlusses in einem ersten Schritt<br />

eine signifikante Zahl neuer Stellen ausserhalb der regulären Stellenzuteilung geschaffen<br />

wird. Der weitere Ausbau ist dem Bedarf kontinuierlich anzupassen (vgl. Kap. 5.4.2/5.4.4;<br />

Kap. 5.8 und Kap. 6).<br />

Ein entsprechendes Zentrum für die sozialpsychiatrische Versorgung des nördlichen Landes-<br />

teils fehlt. Nach Bedarfsprüfung ist ein solches sozialpsychiatrisches Zentrum dort vorrangig<br />

aufzubauen.<br />

Die sozialpsychiatrischen Zentren sind gefordert, sich insbesondere mit dem nationalen<br />

Fachzentrum für Sozial- und Gemeindepsychiatrie des CHNP abzustimmen.<br />

7.7.3 Psychiatrisches Behandlungszentrum für spezielle Patientengruppen<br />

Schizophreniekranke machen den überwiegenden Teil der schwerst und chronisch Kranken<br />

aus. Häufig vergessen werden in diesem Zusammenhang andere Patientengruppen, wie z.B.<br />

Zwangs- und Angstkranke, Patienten mit Borderlinestörungen oder auch Patienten mit Ess-<br />

störungen, die beträchtliche Behinderungen entwickeln können (vgl. u.a. Kap. 6.2 und 6.4).<br />

Ein Behandlungszentrum für diese Patienten mit einem differenzierten Behandlungsangebot<br />

existiert bereits am CHL (unter der Bezeichnung „Tagesklinik“). Dieses Zentrum ist personell<br />

weiter zu stärken, um zukünftig als nationales Fachzentrum zur Behandlung spezieller Pati-<br />

entengruppen wirken zu können. Die Bezeichnung dieses Zentrums sollte entsprechend sei-<br />

nen Aufgaben erfolgen.<br />

1.41 Ausserstationäre Strukturen<br />

7.8.1<br />

Der durch das CHNP eingeleitete Prozess der Enthospitalisierung war und ist auch durch ei-<br />

nen beträchtlichen Mangel an ausserstationäre Strukturen im Wohn-, Arbeits- und Freizeit-


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 172<br />

/Tagestrukturierungsbereich gekennzeichnet. Die Enthospitalisierung hat für einige der be-<br />

troffenen psychisch Kranken (z.B. die in Familienpensionen leben) eine deutliche Ver-<br />

schlechterung ihrer Lebenssituation mit sich gebracht (vgl. Kap. 6).<br />

Familienpensionen sind keine Alternative zu betreuten Wohnformen. Der betreute Wohnbe-<br />

reich für psychisch Kranke ist mit grossem Vorrang auszubauen. Wenn auch in den vergan-<br />

genen 10 Jahren ein wesentlicher Ausbau bereits in die Wege geleitet wurde, fehlt nach wie<br />

vor ein beträchtlicher Teil der erforderlichen Plätze des betreuten Wohnens. Eine Verdreifa-<br />

chung der betreuten Wohnplätze ist anzustreben. Die Zielgrösse liegt bei circa 350 Wohn-<br />

heimplätzen. Dabei ist darauf zu achten, dass eine entsprechende Differenzierung des An-<br />

gebots vom betreuten Einzelwohnen bis zum 24-stündig betreuten Wohnen vorhanden ist<br />

(vgl. u.a. Kap. 3.2., 5.5.3, 5.8 und Kap. 6)<br />

7.8.2<br />

Im beruflichen Rehabilitationsbereich stellen die Werkstätten fast das ausschliessliche Ange-<br />

bot dar. Der Standard der Werkstätten ist sehr gut. Gleichwohl gibt es wenig Fluktuation bei<br />

den dort Beschäftigten mit der Folge eines chronischen Mangels an Werkstattplätzen. Die<br />

Werkstätten sollten zukünftig ihre Aufmerksamkeit deutlich mehr auf die Vermittlung der von<br />

ihnen betreuten Personen in den allgemeinen Arbeitsmarkt richten (vgl. Kap. 5.5.3 und 5.8).<br />

7.8.2.1<br />

Die berufliche Integration ist für viele der Betroffenen ein zentrales Element. Neuere berufli-<br />

che Rehabilitationsangebote (wie das oben beschriebene „Supported Employement) sind<br />

deshalb nachdrücklich zu fördern.<br />

7.8.3<br />

Auch im Bereich des Personals ausserstationärer Einrichtungen besteht ein erheblicher<br />

Mangel an Fort- und Weiterbildung sowie an Supervision. Auch hier sind die entsprechenden<br />

finanziellen Mittel bereit zu stellen bzw. die vorhandenen Möglichkeiten vermehrt als bisher<br />

zu nutzen (Kap. 5.4.2.3, 5.5.1.2, 5.5.2.2 und Kap. 6).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 173<br />

Literaturverzeichnis<br />

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Sonstiges Quellenverzeichnis<br />

• Amtsblatt des Grossherzogtums Luxemburg. Recueil de Législation. A-N°82 vom 24.<br />

September 1998. Loi du 8 septembre 1998 réglant les relations entre l’Etat et les or-<br />

ganismes oeuvrant dans les domaines sociaux, familial et thérapeutiques. Luxem-<br />

burg.<br />

• Amtsblatt des Grossherzogtums Luxemburg. Recueil de Législation. A-N°106 vom 18.<br />

Dezember 1998. Règlement grand-ducal du 10 décembre 1998 conce4rnant<br />

l’agrément à accorder aux gestionnaires de services dans les domaines médico-<br />

social et thérapeutique. Luxemburg.<br />

• Amtsblatt des Grossherzogtums Luxemburg. Recueil de Législation. A-N°85 vom 30.<br />

Juni 1999. Sommaire. Luxemburg.<br />

• Amtsblatt des Grossherzogtums Luxemburg. Recueil de Législation. A-N°82 vom 24.<br />

September 1998. Loi du 8 septembre 1998 réglant les relations entre l’Etat et les or-<br />

ganismes oeuvrant dans les domaines sociaux, familial et thérapeutiques. Luxem-<br />

burg.<br />

Verschiedene Dokumentationsmaterialien des Gesundheitsministeriums Luxemburg<br />

• Anlagen zur Korrespondenz vom 3.12.2004:<br />

- Formaler Auftrag und Budget<br />

- Telefon-Verzeichnis der im Grossherzogtum niedergelassenen Psychiater<br />

- Verzeichnis der Krankenhäuser und Spezialkliniken<br />

- Verzeichnis der anderen Institutionen im direkten Bereich der Psychiatrie<br />

• Briefe Dr. Weicherding (u.a. Fax des 14.4.05; Antworten auf das Schreiben vom<br />

17.12.04)<br />

• Fax des 17.1.<strong>2005</strong>: Liste der in Luxemburg tätigen Psychiater.<br />

• Carte Sanitaire des Jahres 2000.<br />

(http://www.ms.etat.lu/MINSANT/indexes/Archive.htm)<br />

• 22.10.04: Bericht der Arbeitsgruppe „Nationales Konzept in Sachen Psychiatrie“ / Ro-<br />

ger Consbruck<br />

• 26.08.04: Bericht über den „Stand der Psychiatriereform und Perspektiven in Sache<br />

psychiatrische Nachbetreuung“ / Dr. Weicherding.<br />

• 24.06.04: Rapport und Dokumentation der „Grunddebatte zur Organisation der Psy-<br />

chiatrie in Luxemburg und Ansichten zur Errichtung von Tageskliniken“ / Commission<br />

permanente pour le Secteur hospitalier (CPH).


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 178<br />

• 15.03.04 Bericht: Zusammenfassung der Umsetzung der Psychiatriereform in Lu-<br />

xemburg: Treffen der Kommission „<strong>Santé</strong>“ der Abgeordnetenkammer / Dr. Consbruck<br />

& Dr. Weicherding<br />

• 15.04.00: Bericht an den Minister der Arbeitsgruppe „Strategie und Umsetzung der<br />

Psychiatriereform in Luxemburg“ con C. Damang, J.Mossong (CRESIS, CHP-<strong>Santé</strong>)<br />

• 27.04. 01: Studie über aktuellen Stand der Psychiatriereform 2000: Dr. C. Daman &<br />

J. Mossong (CRP-<strong>Santé</strong> (CRESIS) (= Centre de Ressources en Epidémiologie et<br />

Systèmes d’Informations Sanitaires) (Resources and Helathcare Information Sys-<br />

tems)<br />

• 2000: Auftrag des Gesundheitsministeriums an eine Arbeitsgruppe ad hoc zur Wiede-<br />

raufnahme des „verlorenen Fadens“ in der Psychiatriereform in Luxemburg.<br />

• 1994: „Commission ministérielle chargée de L’élaboration d’un programme plurian-<br />

nuel de concrétisation des réformes envisagées dans le secteurs de la Psychiatrie“,<br />

M. Reimen und A. Wagner<br />

Sonstige Dokumentationsmaterialien:<br />

• Neuberg, P. (2004). Les Services de la Réhabilitation Alcoologique du CHNP. Situa-<br />

tion actuelle et projets d’avenir englobant également le site de NIEDERCORN.<br />

• Jahresbericht des Reseau Psy, 2003<br />

• Jahreszeitung „Villa Express“ der Villa Reebou<br />

• Buch über Hôpital St. Louis, 2003<br />

• Konzept des Centre Thérapeutique pour Toxicomanes „Syrdall Schlass Manternach“<br />

• Dokumentationsmaterialien zur Tagesklinik „Villa Stoffel“ des Hôpital St. Louis, <strong>2005</strong><br />

• Dokumentationsmaterialien zur Tagesklinik im Centre Hospitalier Luxemburg, 2000<br />

• Statistiques Patients Présents au 31.12. 2004 des CHNP<br />

• Statistiques CHNP (Oktober, 2004). Distribution Régionale (Suivant l’Autorité Pla-<br />

çante) des Observations et Placements par Classe d’Age et Sexe.<br />

• Dokumentationsmaterialien der Krankenkassen (Herr Juchem). Système PRN. For-<br />

mule de mesure du niveau des soins infirmiers requis.<br />

• Dokumentationsmaterialien zur Struktur des CHNP<br />

• Briefliche Stellungnahme des „Conseil Médical“ vom 15. März <strong>2005</strong>


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 179<br />

Internetangaben:<br />

www.psychiatrienetz.de<br />

www.who.dk („Mental Health in Europe“ )<br />

www.obsan.ch<br />

www.gesundheitspolitik.ch<br />

www.euro.who.int/observatory<br />

http://www.statec.public.lu<br />

http://www.grossregion.lu<br />

http://www.resolux.lu<br />

http://legilux.public.lu/leg/a/achives/2001/0492704/20001A10341.html<br />

http://caritas.lu


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 180<br />

ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />

Abbildung 1: Abhängigkeit der Inanspruchnahme von der Reisezeit (Quelle: Rössler, 1998,<br />

S. 65) ...................................................................................................................................26<br />

Abbildung 2: Politische und verwaltungstechnische Gliederung Luxemburgs .......................48<br />

Abbildung 3: Veränderung der Wohnbevölkerung seit 1960 .................................................49<br />

Abbildung 4: Bevölkerungswachstum in ausgewählten Ländern (1970 = 100.0) (Quelle:<br />

Statec, 2004, S. 65)..............................................................................................................49<br />

Abbildung 5: Verteilung der luxemburgischen Wohnbevölkerung nach Altersgruppen und<br />

Geschlecht 1.1.2004 (Quelle: STATEC, Luxemburg in Zahlen, 2004) ..................................50<br />

Abbildung 6: Durchschnittlicher Wanderungssaldo 1990–2000 (Quelle: Statec, 2004) .........53<br />

Abbildung 7: Bevölkerungsprojektion (Quelle: Statistisches Jahresbuch Grossregion, 2004,<br />

S. 26) ...................................................................................................................................53<br />

Abbildung 8: Hypothesen über die Wanderungssalden in den nächsten 10 bis 50 Jahren<br />

(Quelle: Statec, 2004)...........................................................................................................54<br />

Abbildung 9: Bevölkerungsprojektion: 60 Jahre und älter (Quelle: Statistisches Jahrbuch<br />

Grossregion, 2004)...............................................................................................................55<br />

Abbildung 10: Ausgaben für die soziale Sicherung in den 15 EU Ländern (1999) ................57<br />

Abbildung 11: Karte der psychiatrischen Versorgungslandschaft .......................................140<br />

TABELLENVERZEICHNIS<br />

Tabelle 1: Übersicht über die versandten Fragebögen .........................................................18<br />

Tabelle 2: Fragebogen Rücklaufquoten ................................................................................19<br />

Tabelle 3: Übersicht über Spannweite der Raten psychischer Störungen in internationalen<br />

epidemiologischen Studien...................................................................................................25<br />

Tabelle 4: Anzahl psychiatrischer Betten pro 1 000 Einwohner ............................................37<br />

Tabelle 5: Anzahl betreute Wohnplätze ................................................................................39<br />

Tabelle 6: Zwangseinweisungen ..........................................................................................39<br />

Tabelle 7: Gegenüberstellung der psychiatrischen Einrichtungen in Italien...........................42<br />

Tabelle 8: Behandlungsbereiche und -gruppen nach Psych-PV ...........................................44<br />

Tabelle 9: Personalanpassung an Psych-PV........................................................................46<br />

Tabelle 10: Angaben zu Kliniken ohne psychiatrische Abteilungen in Luxemburg ................69<br />

Tabelle 11: Angaben zu Kliniken in Luxemburg im Jahre 2004.............................................74


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 181<br />

Tabelle 12: Angebotsspektrum der Kliniken..........................................................................76<br />

Tabelle 13: Personal im Jahre 2004 (ohne Tagesklinik, Kinder- und Jugendpsychiatrie)......77<br />

Tabelle 14: Störungsbilder gemäss ICD-10 ..........................................................................79<br />

Tabelle 15: Zusammenarbeit der Kliniken mit zuweisenden Institutionen .............................81<br />

Tabelle 16: Zusammenarbeit der Kliniken mit Nachsorgestrukturen und weiterbehandelnden<br />

Institutionen..........................................................................................................................82<br />

Tabelle 17: Angaben zu Patienten im CHNP (Ende 2003)....................................................84<br />

Tabelle 18: Altersverteilung der Patienten im CHNP (Ende 2003) ........................................85<br />

Tabelle 19: Durchschnittliche Aufenthaltsdauer (Stichtag 31.12.2004) .................................86<br />

Tabelle 20: Aufschlüsselung des Personals nach Anstellungsgrad (Tageskliniken)..............95<br />

Tabelle 21: Angebote der Tagesklinik...................................................................................96<br />

Tabelle 22: Störungsbilder, Anzahl Patienten, Aufenthaltsdauer der Tagesklinik..................97<br />

Tabelle 23: Übersicht über die sozialpsychiatrischen Einrichtungen ...................................100<br />

Tabelle 24: Angebote im Bereich der Sozialpsychiatrie ......................................................102<br />

Tabelle 25: Angaben zum Personal (Anstellungsgrad) .......................................................103<br />

Tabelle 26: Angaben zu Anzahl Patienten, Nationalität, Alter .............................................104<br />

Tabelle 27: Angaben zu den Klienten .................................................................................105<br />

Tabelle 28: Angebote im Bereich der Sozialpsychiatrie ......................................................107<br />

Tabelle 29: Auswertung zu weiterweisenden Institutionen und Ämter im Jahre 2004 .........108<br />

Tabelle 30: Die Angebote ambulant tätiger Psychiater .......................................................110<br />

Tabelle 31: Krankheitsbilder (Behandlungsspektrum).........................................................112<br />

Tabelle 32: Zusammenarbeit mit zuweisenden Institutionen...............................................113<br />

Tabelle 33: Zusammenarbeit mit weiterweisenden Institutionen .........................................114<br />

Tabelle 34: Angaben zu den Wohneinrichtungen im ausserstationären Bereich.................117<br />

Tabelle 35: Angaben zum Personal (Anstellungsgrad) .......................................................119<br />

Tabelle 36: Angebote der Wohneinrichtungen ....................................................................120<br />

Tabelle 37: Durchschnittliche Aufenthaltsdauer ..................................................................121<br />

Tabelle 38: Übersicht über Art der Klientengruppe .............................................................122<br />

Tabelle 39: Häufigkeit der zuweisenden Stellen .................................................................122<br />

Tabelle 40: Häufigkeit der Weiterweisung an Nachsorgestrukturen ....................................123<br />

Tabelle 41: Struktur der 7 therapeutischen Ateliers ............................................................124<br />

Tabelle 42: Personalangaben.............................................................................................125


Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 182<br />

Tabelle 43: Zuweisende Institutionen .................................................................................127<br />

Tabelle 44: Weiterweisende Institutionen ...........................................................................128

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