PSYCHIATRIE LUXEMBURG Planungsstudie 2005 - Santé
PSYCHIATRIE LUXEMBURG Planungsstudie 2005 - Santé
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Psychiatrische Universitätsklinik<br />
Forschungsabteilung Public Mental Health<br />
Militärstrasse 8, Postfach 1930, 8021 Zürich<br />
<strong>PSYCHIATRIE</strong> <strong>LUXEMBURG</strong><br />
<strong>Planungsstudie</strong> <strong>2005</strong><br />
Bestandeserhebung und Empfehlungen<br />
Wulf Rössler Ursula Koch
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 2<br />
Zusammenfassung<br />
Die <strong>Planungsstudie</strong> wurde im Auftrag des Gesundheitsministeriums des Grossherzogtums<br />
Luxemburg durchgeführt. Ziel der Studie war die Analyse der psychiatrischen Gesundheits-<br />
versorgung Luxemburgs, die Erörterung der bisherigen Schwierigkeiten im Transformations-<br />
prozess sowie die Ausarbeitung von Leitlinien und Empfehlungen für eine weitergehende Re-<br />
form der Psychiatrie. Die Bestandesaufnahme wurde mit Hilfe quantitativer und qualitativer<br />
Erhebungsmethoden durchgeführt und um fachliches, gesundheitspolitisches und strukturel-<br />
les Hintergrundwissen ergänzt.<br />
Psychische Störungen sind erstens häufig (bis zu 50% der Bevölkerung leiden zumindest<br />
einmal in ihrem Leben an behandlungsbedürftigen psychischen Störungen) und ziehen zwei-<br />
tens für viele Betroffene einschneidende individuelle und sozioökonomische Folgen nach<br />
sich. Auch die volkswirtschaftlichen Belastungen sind enorm. Die Notwendigkeit, die psychi-<br />
atrische Versorgung zu planen, gewann in den letzten Jahren deshalb zunehmend an Be-<br />
deutung. Dabei hat die europäische Entwicklung der letzten Jahre gezeigt, dass die Versor-<br />
gungsstandards sich zunehmend aneinander angeglichen haben. Diese Entwicklungen fan-<br />
den zu Beginn des Jahres <strong>2005</strong> ihren besonderen Ausdruck in der „Europäischen Erklärung<br />
von Helsinki“, die einen europäischen Aktionsplan für die psychische Gesundheit implemen-<br />
tierte, zu dessen Umsetzung sich auch Luxemburg bekannt hat.<br />
Die psychiatrische Versorgung des 451 600 Einwohner umfassenden Grossherzogtums Lu-<br />
xemburg kann in drei Regionen (Süden, Norden, Zentrum) aufgeteilt werden. Im Jahre 2004<br />
teilten sich vier psychiatrische Fachabteilungen und eine psychiatrische Fachklinik die Zu-<br />
ständigkeit für die Vollversorgung psychiatrischer Patienten. Dafür standen insgesamt 485<br />
Betten, d.h. 1.07 Betten pro 1 000 Einwohner, zur Verfügung. Von diesen entfielen 194 Bet-<br />
ten (40%) auf kurz- und mittelfristige Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern, wovon sich<br />
170 in offiziellen psychiatrischen Fachabteilungen befanden. Hinzu kamen 36 Akutbetten<br />
(7.4%) und 240 Betten (49.5%) zur langfristigen Behandlung der psychiatrischen Fachklinik<br />
CHNP. 15 Betten (3.1%) waren für die stationäre Versorgung von psychisch auffälligen Ju-<br />
gendlichen vorgesehen.<br />
Gemäss dem Plan Hospitalier 2001 soll die Akutversorgung ab Mitte <strong>2005</strong> nur noch von den<br />
vier Allgemeinkrankenhäusern mit Fachabteilungen (Centre Hospitalier in Luxemburg Stadt,<br />
l’Hôpital Kirchberg, Centre Hospitalier Emil Mayrisch, Clinique St Louis) übernommen werden<br />
und die psychiatrische Fachklinik CHNP sich ausschliesslich auf rehabilitative Aufgaben be-<br />
schränken. Für die Akutversorgung durch die Allgemeinkrankenhäuser sind dabei 180 Betten<br />
vorgesehen, was einem Bettenschlüssel von 0.4 Betten auf 1 000 Einwohner entspricht und<br />
damit unter dem von der WHO definierten Standard von 0.5-1.0 Bett / 1 000 Einwohner bzw.<br />
unter dem europäischen Durchschnitt von 0.87 Betten liegt. Dabei ist allerdings in Rechnung<br />
zu stellen, dass die definitorische Unschärfe, welche Betten in die Berechnungen der ver-<br />
schiedenen Länder einbezogen werden, die Vergleichbarkeit erschweren. Insgesamt ist aber<br />
in Luxemburg trotz eines gesamthaft hohen Bettenbestandes (1.07 / 1 000 Einwohner im
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 3<br />
Jahre 2004) bei der Akutversorgung ein Mangel an Betten zu konstatieren, der sich 2004 u.a.<br />
in einer grösseren Anzahl von Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern ohne psychiatri-<br />
sche Fachabteilungen widerspiegelt. Dies ist insofern von Bedeutung, als Luxemburg eine<br />
hohe Hospitalisationsrate von durchschnittlich 6 500 Hospitalisationen/Jahr und eine hohe<br />
Zwangseinweisungsquote von 100 / 100 000 Einwohnern verzeichnet. Dabei werden moder-<br />
nen Standards entsprechend bereits 80% der Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern<br />
durchgeführt, wobei die Aufenthaltsdauern bei durchschnittlich 15 Tagen liegen und im euro-<br />
päischen Vergleich auch bereits beachtenswert kurz sind.<br />
Es sind bauliche und personelle Unterschiede zwischen den einzelnen Allgemeinkranken-<br />
häusern, insbesondere im Vergleich zum CHNP festzustellen. Die Allgemeinkrankenhäuser<br />
sind infrastrukturell in hervorragendem Zustand oder werden aktuell renoviert. Sie weisen<br />
dabei grundsätzlich genügend Fachpersonal auf. Eine Ausnahme bildet das Centre Hospita-<br />
lier, welches im Jahr 2004 in Hinblick auf die personellen und baulichen Standards die ver-<br />
gleichsweise schlechtesten infrastrukturellen Voraussetzungen bot. Personelle Unterschiede<br />
sind dabei v.a. auf das Personalbemessungsinstrument PRN zurückzuführen, welches auf<br />
den internen Erhebungen der einzelnen Krankenhäusern beruht.<br />
Das CHNP weist im Gegensatz zu den Allgemeinkrankenhäusern infrastrukturelle Defizite<br />
zur angemessenen Versorgung der Patienten auf. Aus unterschiedlichen Gründen verzeich-<br />
net das CHNP eine personelle Unterversorgung, die v.a. das psychiatrische Pflegepersonal<br />
und die ärztliche Versorgung betrifft. Dabei sind insbesondere die ungenügenden Bedingun-<br />
gen zur somatischen Behandlung der Patienten durch den Mangel an allgemeinmedizini-<br />
schen Ressourcen (2 Allgemeinarzte (50%) für 257 Patienten, fehlende internistische Abtei-<br />
lung) bei bekannt hoher somatischer Komorbidität psychiatrischer Patienten hervorzuheben.<br />
Es sind auch Unterschiede im Behandlungsspektrum zwischen den verschiedenen Kliniken<br />
festzustellen. Die Allgemeinkliniken konzentrieren sich eher auf so genannt „leichtere Stö-<br />
rungen“ wie neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen, affektive Störungen und<br />
zum Teil auf Persönlichkeits- oder Essstörungen. Der Schwerpunkt des CHNP liegt dagegen<br />
auf der Behandlung von psychotischen Störungen sowie Alkohol- und sonstigen Suchter-<br />
krankungen.<br />
Es hat seit 2003 ein starker Ausbau an tagesklinischen Plätzen stattgefunden. Aktuell stehen<br />
dabei 54 Plätze zur Verfügung. Eine weitere Tagesklinik im Centre Hospitalier Emil Mayrisch<br />
ist auf Beginn 2006 geplant. Die Tageskliniken sind entsprechend den Empfehlungen von<br />
1992 organisatorisch und rechtlich an die jeweiligen Allgemeinspitäler angebunden. Ausser<br />
der Tagesklinik im CHL, entspricht das Angebot der übrigen Tagesklinken dem europäischen<br />
Standard. Die Tagesklinik des CHL weist anders als ursprünglich geplant Beschränkungen in<br />
Infrastruktur, Angebot und Betreuungskapazität auf.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 4<br />
Im sozialpsychiatrischen Bereich wurden insgesamt elf Institutionen (ohne Kinder- und Ju-<br />
gendbereich) unterschiedlicher Grösse ermittelt. Dazu gehören sechs Beratungsstellen, eine<br />
Koordinations- und Informationsstelle, zwei Tageszentren und ein Kontaktzentrum sowie Ein-<br />
richtungen der Caritas. Die Einrichtungen decken tendenziell eher das Zentrum Luxemburgs<br />
ab, eine Unterversorgung des Nordens ist festzustellen.<br />
Der ambulante Bereich wird durch 56 Psychiater (5 davon Kinder- und Jugendpsychiater)<br />
abgedeckt, was einer Rate von 0.124 Psychiatern pro 1 000 Einwohner entspricht. Luxem-<br />
burg weist in Bezug auf die ambulante Versorgung eine hohe Dichte an Psychiatern auf, die<br />
weit über dem internationalen Durchschnitt liegt. Es ist jedoch hervorzuheben, dass ein Teil<br />
davon in Doppelfunktion auch als Belegärzte in den Allgemeinkliniken tätig ist. Was die Ge-<br />
schlechts- und Altersverteilung betrifft, so spiegelt die Verteilung der Klientel in etwa die lu-<br />
xemburgische Gesamtbevölkerung wider (davon je 20% Kinder- und Jugendliche und über<br />
65-jährige). Es ist jedoch wiederum eine ungleiche regionale Verteilung mit der Konzentrati-<br />
on fast aller Psychiater auf die städtischen Räume ersichtlich.<br />
Im Rahmen sozialpsychiatrischer Eingliederungshilfen wurden im Jahre 2004 111 Plätze in<br />
Wohneinrichtungen vorgehalten, die von betreutem Einzelwohnen bis zu Wohnheimen reich-<br />
ten. Zudem standen 236 Arbeitsplätze in therapeutischen Werkstätten zur beruflichen Wie-<br />
dereingliederung oder als Beschäftigungsmöglichkeiten für psychisch Kranke zur Verfügung.<br />
Der komplementäre Bereich weist trotz einem beachtenswerten Ausbau in den letzten Jah-<br />
ren verschiedene Defizite auf:<br />
Die Wohnplätze entsprechen mit einer Rate von 0.25 Plätzen pro 1 000 Einwohner nicht den<br />
Richtlinien der WHO, die von einer Minimalausstattung von 0.3-0.5 Wohnplätzen pro 1 000<br />
Einwohner allein für die langfristige Pflege chronisch Kranker ausgehen. Darüber hinaus ist<br />
ein Mangel an Personal und an diversifizierten, den verschiedenen Behandlungsphasen an-<br />
gepassten Wohnstrukturen zu konstatieren. Es fehlen dabei insbesondere dezentralisierte<br />
vollzeitbetreute Einrichtungen, so genannte „Foyers médicalisés“, wie sie im Plan Hospitalier<br />
2001 vorgesehen sind. Der ungedeckte Bedarf an diversifizierten Wohnplätzen wird durch<br />
die überproportionale und nicht angemessene Betreuung chronisch Kranker in Einrichtungen<br />
der Obdachlosenhilfe und in Familienpensionen sowie einer grossen Anzahl Langzeitpatien-<br />
ten im CHNP widergespiegelt.<br />
Die therapeutischen Werkstätten sind grundsätzlich in tadellosem Zustand und decken in ih-<br />
rer regionalen Verteilung ganz Luxemburg ab. Sie befinden sich jedoch selten in unmittelba-<br />
rer Nähe zu betreuten Wohneinrichtungen und werden ihrer Aufgabe der beruflichen Rehabi-<br />
litation nur bedingt gerecht. Es fehlen mehrheitlich konkrete Ansätze zur Integration auf dem<br />
freien Arbeitsmarkt, wie z.B. Angebote des „Supported Employment“. Die Werkstätten müs-<br />
sen daher eher als parallele Angebote zum primären Arbeitsmarkt betrachtet werden, die<br />
den unterschiedlichen Behandlungsphasen bzw. Krankheitsspektren der Patienten nur be-<br />
dingt gerecht werden.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 5<br />
Die Auswertungen der Fokusinterviews – welche die persönlichen Meinungen der Leistungs-<br />
erbringer widerspiegeln – zeigen ebenfalls das Bestehen grosser Disparitäten zwischen den<br />
einzelnen Versorgungsbereichen bei gleichzeitig starkem Veränderungsdruck (struktureller<br />
Wandel, veränderte Versorgungs- und Behandlungsparadigmen, knappe ökonomische Res-<br />
sourcen etc.) auf. Es wurde dabei auf die insgesamt gute, infrastrukturell zum Teil hervorra-<br />
gende, aber historisch überholte Dominanz stationärer Versorgung und eine offensichtlich<br />
ungenügende ausserstationäre Versorgung hingewiesen. Diese kann nebst der grundlegen-<br />
den Deckung des Basisbedarfes v.a. infolge Ressourcenmangels nicht mit den wachsenden<br />
Bedürfnissen, sprich Nutzungsverschiebungen Schritt halten.<br />
Aus der Perspektive von Angebot und Bedarf sticht die Diskrepanz zwischen schweren Stö-<br />
rungen wie Schizophrenie und anderen – meist leichteren – Störungen heraus. Eine be-<br />
stimmte Kerngruppe, von vornehmlich schwer chronisch Erkrankten scheint häufig fehlplat-<br />
ziert und im Rahmen des Umstrukturierungsprozess zunehmend durch die Maschen des<br />
Systems zu fallen. Des Weiteren wurde auf eine Unterversorgung von besonders vulnerablen<br />
Gruppen (z.B. Kinder und Jugendliche, Ausländer) hingewiesen und eine Mangel an diagno-<br />
sespezifischen Angeboten (z.B. für Persönlichkeitsstörungen) konstatiert. Diese Diskrepanz<br />
verdeutlicht nicht nur die notwendige Verbesserung der Aufgabenteilung zwischen dem stati-<br />
onären und dem ambulanten Versorgungssystem, sondern auch die ausserordentliche Be-<br />
deutung des quantitativen und qualitativen Ausbaus von ausserstationären und von diagno-<br />
sespezifischen Angeboten.<br />
Die Gründe für die träge Umsetzung der Psychiatriereform werden vornehmlich in den drei<br />
Ebenen Politik, Struktur des Gesundheitssystems und Leistungserbringer gesehen. Während<br />
die Psychiatrie in der politischen Agenda der letzten Jahre anscheinend eine eher marginale<br />
Rolle gespielt hat, so scheinen auf struktureller Ebene organisationelle und finanzierungs-<br />
technische Probleme die Umsetzung möglicher Reformen behindert zu haben. Nicht zuletzt<br />
wurden Schwierigkeiten auf eine ausgeprägte Interessenpolitik und mangelnde Zusammen-<br />
arbeit der verschiedenen Leistungserbringer zurückgeführt.<br />
Es wurde von allen Seiten der Wunsch nach einer konkreten Erarbeitung von Versorgungs-<br />
leitlinien und eindeutigen Versorgungsaufträgen geäussert. Dabei sollen klare Vorgaben von<br />
zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen und Verantwortlichkeiten zur Sicherung der<br />
Umsetzung getätigt werden. Die Erarbeitung von Strategien, um ein ausreichendes Arbeits-<br />
kräfteangebot im medizinischen und psychosozialen Bereich zu schaffen, wurde dabei als<br />
unerlässlich betrachtet (z.B. Orientierung an der Psych-PV im stationären Bereich; Kabi-<br />
nettsbeschluss zur Schaffung neuer Stellen im ausserstationären Bereich).<br />
Einer der Schwerpunkte der Fokusinterviews stellte zudem die Diskussion von Zukunftssze-<br />
narien der psychiatrischen Versorgungslandschaft dar. In erster Linie ging es aber darum,<br />
klare Übergangsbestimmungen zu definieren, die eine schrittweise und geordnete Verant-<br />
wortungsübernahme der Vollversorgung seitens der Krankenhäuser sichern. Dabei wurde
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 6<br />
die Notwendigkeit einer Steuerungs- und Kontrollgruppe zur Bewältigung des aktuell anste-<br />
henden Change Managements deutlich.<br />
Die Empfehlungen weisen den vorangegangenen Ausführungen entsprechend auf einen<br />
quantitativen und qualitativen Ausbau der Allgemeinkrankenhäusern mit klaren Einzugsge-<br />
bieten hin (z.B. Bildung einer weiteren psychiatrischen Abteilung und von Schwerpunktzent-<br />
ren). Dabei sollen u.a. bestehende tagesklinische und klientenspezifische Angebote ausge-<br />
baut werden (z.B. Tagesklinik CHL, Jugendpsychiatrie Hôpital Kirchberg).<br />
Im Kern der Überlegungen steht jedoch die Umstrukturierung des CHNP zu fünf nationalen<br />
Fachzentren: Zentrum für Prävention, Früherkennung und -rehabilitation; Zentrum für Sozial-<br />
und Gemeindepsychiatrie; Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen, Zentrum für Geron-<br />
topsychiatrie und Zentrum für Forensik.<br />
Ein besonderes Augenmerk wird zudem auf einen quantitativen und qualitativen Ausbau des<br />
ausserstationären Bereiches gelegt. Dieser soll an die neusten versorgungspolitischen Stan-<br />
dards angepasst werden.<br />
Die Reformumsetzung soll von einem wissenschaftlichen Beirat, einem externen Berater wie<br />
mit einem dem Beirat zugeordneten Reform-Manager begleitet sowie durch ein Bündel ver-<br />
schiedener Qualitätssicherungsmassnahmen sichergestellt werden.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 7<br />
INHALTSVERZEICHNIS<br />
ZUSAMMENFASSUNG 2<br />
EINLEITUNG 12<br />
AUFTRAG 14<br />
1.1 AUSGANGSLAGE, AUFTRAGGEBER UND UMSCHREIBUNG DES AUFTRAGS 14<br />
1.2 ZIELSETZUNGEN DER STUDIE 15<br />
1.3 ERFOLGSFAKTOREN 15<br />
METHODIK 16<br />
1.4 QUANTITATIVE ANALYSE: BEFRAGUNG 16<br />
1.4.1 THEORETISCHE BEGRÜNDUNG DER BEFRAGUNG 16<br />
1.4.2 FRAGEBOGENKONSTRUKTION 16<br />
1.4.3 AUSWAHL DER ADRESSATINNEN UND VERSAND 17<br />
1.4.4 RÜCKLAUFQUOTE 18<br />
1.4.5 AUSWERTUNG 19<br />
1.5 QUALITATIVE ANALYSE: FOKUSINTERVIEWS 20<br />
1.5.1 THEORETISCHE BEGRÜNDUNG QUALITATIVER ANALYSEN (FOKUSINTERVIEWS) 20<br />
1.5.2 AUSWAHL DER FOKUSGRUPPEN 20<br />
1.5.3 LEITFADEN DER FOKUSINTERVIEWS (THEMENBEREICHE/ BEFRAGUNGSINHALTE) 20<br />
1.5.4 AUSWERTUNG 21<br />
FACHLICHE UND GESUNDHEITSPOLITISCHE GRUNDLAGEN DER PSYCHIA-<br />
TRIEPLANUNG 22<br />
1.6 PLANUNG DER GESUNDHEITSVERSORGUNG 22<br />
1.6.1 ADMINISTRATIVER PLANUNGSANSATZ 22<br />
1.6.2 EPIDEMIOLOGIE ALS GRUNDLAGE DER BEDARFSERMITTLUNG 23<br />
1.6.2.1 Inzidenz und Prävalenz psychischer Störungen 24<br />
1.6.3 INANSPRUCHNAHMEDATEN ALS PLANUNGSGRUNDLAGE 26<br />
1.6.4 ZUSAMMENFASSUNG 28<br />
1.7 VERSORGUNGSPOLITISCHE GRUNDSÄTZE UND PRINZIPIEN 29<br />
1.7.1 INTERNATIONALE ENTWICKLUNGEN UND INSTANZEN DER GESUNDHEITSVERSORGUNG 29<br />
1.7.2 VERSORGUNGSPOLITISCHE GRUNDSÄTZE UND STANDARDS IN ANLEHNUNG AN DIE WHO 31<br />
1.8 MODERNE VERSORGUNGSSTRUKTUREN (BAUSTEINE DER PSYCHIATRISCHEN VERSORGUNG)<br />
33<br />
1.9 INDIKATOREN ZUR MESSUNG DES PSYCHIATRISCHEN STANDES IN DER <strong>PSYCHIATRIE</strong> IM<br />
EUROPÄISCHEN VERGLEICH 36<br />
1.9.1 ZUSAMMENFASSUNG 40
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 8<br />
1.10 KOMPARATISTISCHER EXKURS: ITALIEN, DEUTSCHLAND UND SCHWEIZ 40<br />
1.10.1.1 Beispiel: Italien 40<br />
1.10.1.2 Beispiel: Deutschland 42<br />
1.10.1.3 Beispiel: Schweiz 46<br />
RAHMENBEDINGUNGEN EINER REFORM DER PSYCHIATRISCHEN VERSORGUNG IN<br />
<strong>LUXEMBURG</strong> 48<br />
1.11 ALLGEMEINE STRUKTURBESCHREIBUNG 48<br />
1.12 BEVÖLKERUNGSZAHL UND VERTEILUNG 48<br />
1.12.1 BEVÖLKERUNGSZAHL UND -DICHTE 48<br />
1.12.2 VERTEILUNG DER BEVÖLKERUNGSZAHL AUF DIE VERSCHIEDENEN REGIONEN 50<br />
1.12.3 GESCHLECHT- UND ALTERSVERTEILUNG 50<br />
1.12.4 NATIONALITÄTENANTEILE 51<br />
1.12.5 HAUSHALTE 51<br />
1.13 BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG 51<br />
1.13.1 NATÜRLICHE DEMOGRAPHISCHE PARAMETER 52<br />
1.13.2 MOBILITÄTSFAKTOREN 52<br />
1.13.3 ENTWICKLUNGSPROGNOSEN 53<br />
1.14 WIRTSCHAFT, BESCHÄFTIGUNG, LEBENSSTANDARD 55<br />
1.14.1 WIRTSCHAFTSSEKTOREN UND ERWERBSBEVÖLKERUNG 55<br />
1.14.2 ARBEITSLOSIGKEIT 56<br />
1.14.3 LEBENSSTANDARD 56<br />
1.15 VERKEHRSERSCHLIESSUNG 57<br />
1.15.1 STRASSENNETZ 58<br />
1.15.2 BAHN- UND BUSVERBINDUNGEN 58<br />
1.16 DAS SOZIAL- UND KRANKENVERSICHERUNGSWESEN <strong>LUXEMBURG</strong>S 58<br />
1.16.1 DIE KRANKENVERSICHERUNG 58<br />
1.16.2 DIE INVALIDEN-, ALTERS- UND HINTERBLIEBENENPENSION 59<br />
1.16.3 DAS GARANTIERTE MINDESTEINKOMMEN 59<br />
1.16.4 SPEZIELLE ZUSCHÜSSE 60<br />
1.17 FINANZIERUNG DER PSYCHIATRISCHEN VERSORGUNG IN <strong>LUXEMBURG</strong> 60<br />
1.17.1 ORGANISATIONSSTRUKTUR UND TRÄGERSCHAFTEN 60<br />
1.17.2 LEISTUNGEN UND FINANZIERUNG 61<br />
1.17.3 FAZIT 61<br />
1.18 RECHTLICHE ASPEKTE DER PSYCHIATRISCHEN BEHANDLUNG 62<br />
1.18.1 ZWANGSEINWEISUNGEN GEMÄSS ALTEM GESETZ 62<br />
1.18.2 AKTUELLE SITUATION BETREFFEND ZWANGSEINWEISUNGEN 62<br />
1.19 DIE AUSBILDUNG MEDIZINISCHER UND PSYCHIATRISCHER FACHKRÄFTE 63<br />
1.20 ANALYSE DER PSYCHIATRISCHEN VERSORGUNG <strong>LUXEMBURG</strong>S IN DER VERGANGENHEIT 64<br />
DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE DER QUANTITATIVEN UNTERSUCHUNG<br />
(BESTANDESAUFNAHME) 67
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 9<br />
1.21 EINLEITUNG 67<br />
1.22 STATIONÄRER BEREICH: ALLGEMEINKRANKENHÄUSER MIT UND OHNE PSYCHIATRISCHE<br />
FACHABTEILUNGEN UND PSYCHIATRISCHE FACHKLINIK 67<br />
1.22.1 EINLEITUNG 67<br />
1.22.2 PSYCHIATRISCHES VORFELD: KRANKENHÄUSER OHNE PSYCHIATRISCHE ABTEILUNGEN 68<br />
1.22.2.1 Struktur und Personal 68<br />
1.22.2.2 Angebot 69<br />
1.22.2.3 Angaben zu Patienten 69<br />
1.22.2.4 Zusammenarbeit/Vernetzung 70<br />
1.22.3 STATIONÄRES KERNFELD: PSYCHIATRISCHE FACHKLINIK UND FACHABTEILUNGEN 70<br />
1.22.3.1 Beschreibung der stationären Einrichtungen (Struktur) 71<br />
1.22.3.2 Angebot 76<br />
1.22.3.3 Personal 76<br />
1.22.3.4 Angaben zu Patienten (Störungsbilder, Alter und Nationalität) 78<br />
1.22.3.5 Zusammenarbeit/Vernetzung 80<br />
1.22.4 EXKURS: CENTRE HOSPITALIER NEURO-PSYCHIATRIQUE 82<br />
1.22.4.1 Allgemeine Struktur des CHNP 82<br />
1.22.4.2 Angaben zu Aufnahmen, Aufenthaltsdauer und Angaben zu Patienten 83<br />
1.22.4.3 Angebot: Beschreibung der einzelnen Abteilungen (Filières) 86<br />
1.22.5 KRISEN- UND NOTFALLDIENSTE 91<br />
1.22.6 FAZIT 91<br />
1.23 TEILSTATIONÄRER BEREICH: TAGESKLINIKEN 94<br />
1.23.1 BESTAND, STRUKTUR, ANGEBOT, PERSONAL, PATIENTEN, ZUSAMMENARBEIT 94<br />
1.23.1.1 Struktur 94<br />
1.23.1.2 Angebote 95<br />
1.23.1.3 Angaben zu Patienten 97<br />
1.23.1.4 Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen 98<br />
1.23.2 FAZIT 98<br />
1.24 AMBULANTER BEREICH 98<br />
1.24.1 SOZIALPSYCHIATRISCHE BERATUNGSSTELLEN UND TAGESZENTREN 98<br />
1.24.1.1 Struktur 98<br />
1.24.1.2 Angebot 101<br />
1.24.1.3 Personal 102<br />
1.24.1.4 Angaben zu den Klienten 104<br />
1.24.1.5 Zusammenarbeit/Vernetzung 106<br />
1.24.2 PSYCHIATER IN FREIER PRAXIS 108<br />
1.24.2.1 Struktur 109<br />
1.24.2.2 Angebot 110<br />
1.24.2.3 Angaben zu Patienten 111<br />
1.24.2.4 Zusammenarbeit/Vernetzung 113<br />
1.24.3 FAZIT 114<br />
1.25 KOMPLEMENTÄRER UND REHABILITATIVER BEREICH 115<br />
1.25.1 BEREICH WOHNEN 115
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 10<br />
1.25.1.1 Struktur 116<br />
1.25.1.2 Personal 118<br />
1.25.1.3 Angebot und Konzept 120<br />
1.25.1.4 Angaben zu den Klienten 120<br />
1.25.1.5 Zusammenarbeit/Vernetzung 122<br />
1.25.2 BEREICH ARBEIT (THERAPEUTISCHE WERKSTÄTTEN) 123<br />
1.25.2.1 Struktur 123<br />
1.25.2.2 Personal 124<br />
1.25.2.3 Angebot und Konzept 125<br />
1.25.2.4 Angaben zu Klienten 126<br />
1.25.2.5 Zusammenarbeit/Vernetzung 126<br />
1.25.3 FAZIT 128<br />
1.26 KLIENTENSPEZIFISCHE ANGEBOTE 130<br />
1.26.1 KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRISCHE DIENSTE 130<br />
1.26.1.1 Stationärer und teilstationärer Bereich 130<br />
1.26.1.2 Ambulanter Bereich 131<br />
1.26.1.3 Komplementärer und Rehabilitativer Bereich (Wohnen, Arbeit) 132<br />
1.26.1.4 Fazit 133<br />
1.26.2 FORENSISCHE <strong>PSYCHIATRIE</strong> 133<br />
1.26.2.1 Struktur (inkl. Personal) 133<br />
1.26.2.2 Angebot 134<br />
1.26.2.3 Angaben zu Patienten 134<br />
1.26.2.4 Fazit 134<br />
1.26.3 GERONTO<strong>PSYCHIATRIE</strong> UND BEREICH SUBSTANZSTÖRUNGEN 135<br />
1.26.4 AUSLÄNDERSPEZIFISCHE ANGEBOTE 135<br />
1.27 KOORDINATIONSSTELLEN 136<br />
1.28 SCHLUSSFOLGERUNGEN 136<br />
DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE DER QUALITATIVEN UNTERSUCHUNG 141<br />
1.29 EINLEITUNG 141<br />
1.30 BEURTEILUNG DER AKTUELLEN VERSORGUNG AUS SICHT DER LEISTUNGSANBIETER 141<br />
1.30.1 FAZIT 144<br />
1.31 SCHWIERIGKEITEN DES TRANSFORMATIONSPROZESSES DER LETZTEN JAHRE AUS DER<br />
SICHT DER LEISTUNGSANBIETER 145<br />
1.31.1 GENERELLE SCHWIERIGKEITEN IN DER UMSETZUNG DER <strong>PSYCHIATRIE</strong>REFORM (HIDDEN<br />
AGENDA) 145<br />
1.31.2 SPEZIFISCHE SCHWIERIGKEITEN DER LEISTUNGSERBRINGER 147<br />
1.31.2.1 Spezifische Schwierigkeiten des Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique 147<br />
1.31.2.2 Spezifische Schwierigkeiten der psychiatrischen Abteilungen 150<br />
1.31.2.3 Spezifische Schwierigkeiten des ausserstationären Sektors 151<br />
1.32 MÖGLICHE ENTWICKLUNGSSZENARIEN AUS SICHT DER LEISTUNGSANBIETER (ZUKUNFTS-<br />
WORKSHOP) 153
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 11<br />
1.33 SCHLUSSFOLGERUNGEN 156<br />
EMPFEHLUNGEN ZUR WEITERENTWICKLUNG DER PSYCHIATRISCHEN<br />
VERSORGUNG IM GROSSHERZOGTUM <strong>LUXEMBURG</strong> 158<br />
1.34 AUSGANGSLAGE 158<br />
1.35 VERSORGUNGSLEITLINIEN 159<br />
1.36 REFORMUMSETZUNG (VGL. KAP. 6) 160<br />
1.37 SPEZIELLE EMPFEHLUNGEN ZUM STATIONÄREN VERSORGUNGSBEREICH 162<br />
1.38 ALLGEMEINKRANKENHHÄUSER MIT PSYCHIATRISCHE ABTEILUNGEN 163<br />
1.38.1 ALLGEMEIN<strong>PSYCHIATRIE</strong> 163<br />
1.38.2 KINDER- UND JUGEND<strong>PSYCHIATRIE</strong> 165<br />
1.39 CENTRE HOSPITALIER NEURO-PSYCHIATRIQUE (CHNP) 165<br />
1.39.1 UMSTRUKTURIERUNG DES CHNP 165<br />
1.39.2 ALLGEMEINE EMPFEHLUNGEN FÜR DAS CHNP 170<br />
1.40 SPEZIELLE EMPFEHLUNGEN ZUM AMBULANTEN VERSORGUNGSBEREICH 170<br />
1.41 AUSSERSTATIONÄRE STRUKTUREN 171<br />
LITERATURVERZEICHNIS<br />
ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />
TABELLENVERZEICHNIS<br />
ANHANG
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 12<br />
Einleitung<br />
Das Gesundheitsministerium Luxemburgs beauftragte im Dezember 2004 Prof. Dr. med.<br />
Dipl. Psych. Wulf Rössler, Klinischer Direktor an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zü-<br />
rich, die psychiatrische Gesundheitsversorgung Luxemburgs zu begutachten.<br />
Zu diesem Zeitpunkt stand das Grossherzogtum an einem Scheidepunkt in der Psychiatriere-<br />
form, die sich wie folgt skizzieren lässt:<br />
• Ab dem 1. Januar <strong>2005</strong> sollten die psychiatrischen Abteilungen in den Allgemeinkran-<br />
kenhäusern die Vollversorgung der akut psychisch Erkrankten übernehmen und die<br />
Psychiatrische Fachklinik CHNP sich ausschliesslich auf rehabilitative Aufgaben be-<br />
schränken.<br />
• Seit dem Inkrafttreten des Plan Hospitalier im Jahre 2001, der verschiedene Mass-<br />
nahmen zur Deinstitutionalisierung der psychiatrischen Versorgung vorsah, trat nach<br />
einigen vorbereitenden Schritten eine Stagnation im Transformationsprozess ein.<br />
• Der neue Minister, Mars di Bartolomeo, nahm bei seinem Amtsantritt im Jahr 2004<br />
das Thema der Psychiatrieversorgung wieder auf und beauftragte eine Experten-<br />
gruppe unter der Leitung von Hr. Roger Consbruck, die notwendigen Schritte für die<br />
Umsetzung des Plan Hospitalier sowie für eine kontinuierliche Psychiatriereform ein-<br />
zuleiten.<br />
• Die Experten sind dabei zum Schluss gekommen, dass eine Überarbeitung der Emp-<br />
fehlungen der <strong>Planungsstudie</strong> aus dem Jahre 1992 sowie eine detaillierte Analyse der<br />
aktuellen psychiatrischen Versorgungslandschaft für die strategische Psychiatriepla-<br />
nung unabdingbar ist.<br />
• Aufgrund der langjährigen Erfahrung in der Beratung von Regierungen und Gebiets-<br />
körperschaften des In- und Auslands zum Thema Psychiatrieplanung sowie seiner<br />
umfassenden Kenntnisse des Luxemburgischen Gesundheitssystems wurde Prof. Dr.<br />
Wulf Rössler als Fachexperte der Versorgungsplanung dieser Auftrag übertragen. Die<br />
Auftragsbearbeitung erfolgte in drei Schritten:<br />
In einem ersten Schritt wurde anhand einer quantitativen Befragung der verschiedenen Leis-<br />
tungserbringer im Psychiatriesektor eine Bestandeserhebung der gegenwärtigen (Jahr 2004)<br />
Versorgungslage durchgeführt. Diese wurde ergänzt um die Analyse der demographischen<br />
und topographischen Rahmenbedingungen Luxemburgs, da Gesundheitssysteme immer nur<br />
im Zusammenhang mit den jeweiligen landeseigenen Gegebenheiten betrachtet werden dür-<br />
fen.<br />
In einem zweiten Schritt wurden Fokusinterviews mit den wichtigsten Leistungsanbietern des<br />
psychiatrischen Sektors durchgeführt. Diese hatten zum Ziel, die Schwierigkeiten bei der<br />
Umsetzung der versorgungspolitischen Grundsätze, spezifische Schwierigkeiten der jeweili-<br />
gen Interessengruppen und bestehende Defizite in der gegebenen psychiatrischen Versor-<br />
gung, zu erfassen. Zusätzlich wurden im Sinne eines `Zukunftsworkshops` Entwicklungssze-<br />
narien der Psychiatrielandschaft skizziert. Gestützt auf die Erkenntnisse der qualitativen und
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 13<br />
quantitativen Analysen wurden in einem letzten Schritt Empfehlungen für eine weitergehende<br />
Reform der psychiatrischen Versorgung ausgearbeitet. Es wurde versucht, realisierbare<br />
Empfehlungen vorzulegen, die überall dort an Bestehendes anknüpfen, wo es mit dem der-<br />
zeitigen Wissen sinnvoll und effektiv ist.<br />
Der vorliegende Bericht soll durch die verschiedenen Aspekte der Erhebung führen, damit<br />
eine je nach Wunsch detaillierte oder auch nur knappe, überblicksartige Einsicht in das um-<br />
fangreiche Material möglich ist. Infolgedessen wird jedes Kapitel mit einer kurzen Zusam-<br />
menfassung bzw. mit einem kurzen Fazit abgeschlossen:<br />
• Im ersten Kapitel werden Auftrag, Auftraggeber und die Ausgangslage bei Annahme<br />
des Auftrages kurz erörtert. Zudem werden die Zielsetzungen der Studie dargestellt<br />
und die Vorgehensweise in der Bearbeitung des Auftrages begründet. Es wird in die-<br />
sem Zusammenhang ein besonderes Augenmerk auf die Erfolg versprechenden An-<br />
sätze („Erfolgsfaktoren“) gelegt, dies in Abgrenzung zu früheren Analysen.<br />
• Das zweite Kapitel befasst sich mit den methodischen Aspekten der Studie, d.h. der<br />
Beschreibung der verwendeten Erhebungsinstrumente und der verschiedenen Pha-<br />
sen der Erhebung (u.a. Fragebogenkonstruktion, Auswahl der Befragten, Rücklauf-<br />
quote).<br />
• Das dritte Kapitel – als eigentlicher Theorieteil - legt den Fokus auf die fachlichen und<br />
gesundheitspolitischen Grundlagen der Psychiatrieplanung, die von internationalen<br />
Quervergleichen exemplarisch begleitet werden. Als Leitlinien für eine moderne psy-<br />
chiatrische Versorgung werden die aktuellen gesundheitspolitischen Standards und<br />
die versorgungspolitischen Grundsätze dargelegt, die modernen Versorgungsstruktu-<br />
ren beschrieben und die Indikatoren zur Überprüfung des erreichten Standes der<br />
psychiatrischen Versorgung definiert. Anhand eines kurzen exemplarischen Exkurses<br />
zu Italien, Deutschland und der Schweiz werden Vergleichsmöglichkeiten und An-<br />
satzpunkte für mögliche Reformen in Luxemburg aufgezeigt.<br />
• Das vierte Kapitel ermöglicht einen Überblick über die topographischen, demographi-<br />
schen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen unter Beachtung möglicher<br />
Entwicklungsprognosen des Grossherzogtums, deren Kenntnis und Miteinbezug für<br />
die Ausarbeitung realistischer Empfehlungen unabdingbar sind.<br />
• Im Kapitel fünf und sechs, dem eigentlichen Schwerpunkt des Berichts, werden die<br />
Ergebnisse der quantitativen und qualitativen Analyse präsentiert. Die verschiedenen<br />
Versorgungsbereiche wurden dabei einzeln ausgewertet und anschliessend in einem<br />
Fazit zusammengefasst.<br />
• Auf der Basis dieser Vorüberlegungen und Analysen wurden in einem letzten Schritt<br />
Empfehlungen und Leitlinien zu einer konkreten Reform der Psychiatrie ausgearbei-<br />
tet, die im letzten Kapitel dargelegt werden.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 14<br />
Auftrag<br />
1.1 Ausgangslage, Auftraggeber und Umschreibung des Auftrags<br />
Im Anschluss an die <strong>Planungsstudie</strong> (Rössler et al., 1993) im Jahre 1992 sind verschiedene<br />
Schritte in der Psychiatriereform vollzogen, einige jedoch nur ansatzweise vorangetrieben<br />
worden. Neue Verordnungen (z.B. der Plan Hospitalier) wurden implementiert und die Be-<br />
mühungen um eine Integration der psychiatrischen Versorgung ins allgemeinmedizinische<br />
Gesundheitssystem intensiviert. Die Reformbemühungen nahmen in den darauf folgenden<br />
Jahren allerdings stetig ab, wobei seit einigen Jahren aus verschiedenen Gründen eine ei-<br />
gentliche Stagnation zu konstatieren ist. Nach seinem Amtsantritt Mitte 2004 nahm der Ge-<br />
sundheitsminister Mars di Bartolomeo die Diskussion um die Dezentralisierung und Moderni-<br />
sierung der Psychiatrie wieder entschieden auf. Die Zeit drängte, stand Luxemburg doch kurz<br />
vor der Umsetzung des Plan Hospitalier, dessen Schwerpunkt in der Übernahme der Voll-<br />
versorgung psychiatrischer Patienten durch die psychiatrischen Fachabteilungen der Allge-<br />
meinkrankenhäuser liegt. Allerdings reichten die Vorbereitungen dieses Paradigmenwech-<br />
sels zu wenig weit. Die Allgemeinkrankenhäuser verzeichneten z.T. personelle und infra-<br />
strukturelle Mängel, die eine Bewältigung dieser neuen Aufgabe zu Beginn des Jahres <strong>2005</strong><br />
verunmöglichten. Dieser Übergang wurde durch die Uneinigkeit über die zukünftige Marsch-<br />
richtung sowie angehende Aufgabenteilung der verschiedenen Leistungserbringer im psychi-<br />
atrischen Versorgungssystem zusätzlich erschwert.<br />
Angesichts der trägen Umsetzung des „Häfnerplans“ (<strong>Planungsstudie</strong> 1992) und gestützt auf<br />
die Regierungserklärung vom 4. August 2004, welche eine besondere Aufmerksamkeit auf<br />
die Implementierung der versorgungspolitischen Grundsätze legt, wurde deshalb im Dezem-<br />
ber 2004 von Seiten des Gesundheitsministeriums des Grossherzogtums Luxemburg unter<br />
der Leitung des Gesundheitsministers Mars di Bartolomeo eine Expertenstudie zur Analyse<br />
des psychiatrischen Versorgungssystems in Luxemburg in Auftrag gegeben, die unter ande-<br />
rem eine Aktualisierung der <strong>Planungsstudie</strong> 1992 mit sich bringen sollte. Um eine gewisse<br />
methodische Kontinuität und fachliche Kompetenz zu gewährleisten, wurde Professor Röss-<br />
ler, als Mitarbeiter der damaligen Studie und Fachexperte im Bereich der Versorgungspla-<br />
nung, beauftragt, das System der psychiatrischen Versorgung zu analysieren und Empfeh-<br />
lungen für die Psychiatrieplanung der nächsten 5 bis 10 Jahre auszuarbeiten, die eine um-<br />
fassende moderne psychiatrische Versorgung der luxemburgischen Bevölkerung gewährleis-<br />
ten sollte.<br />
Der Auftrag beschränkte sich im Gegensatz zur <strong>Planungsstudie</strong> 1992 auf die Erfassung des<br />
Kernbereichs des psychiatrischen Gesundheitssystems und verzichtete auf eine vollumfäng-<br />
liche Bestandesaufnahme der Versorgung psychisch kranker alter Menschen sowie der Insti-<br />
tutionen im Bereich der Suchterkrankungen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 15<br />
1.2 Zielsetzungen der Studie<br />
Die Studie hat zum Ziel,<br />
• eine Bestandesaufnahme der psychiatrischen Versorgungslandschaft Ende 2004 in-<br />
nerhalb ihrer demographischen und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen wie<br />
auch in Anlehnung an europäische Standards vorzulegen;<br />
• eine Analyse der bisherigen Schwierigkeiten im Transformationsprozess vorzuneh-<br />
men;<br />
• Leitlinien für den weiteren Reformprozess aufzuzeigen;<br />
• konkrete Empfehlungen für eine fortschreitende Reform und Modernisierung der Psy-<br />
chiatrie in den nächsten 5 bis 10 Jahren zu formulieren.<br />
Obwohl im Fokus der vorliegenden Studie demnach die Kernfeldeinrichtungen stehen, wird<br />
im Ergebnis- und Empfehlungsteil auf Kernangebote im Bereich Drogen und Gerontopsychi-<br />
atrie eingegangen.<br />
1.3 Erfolgsfaktoren<br />
Die vorliegende Studie stellt einen umsetzungsorientierten Beitrag im weiteren Reformpro-<br />
zess der psychiatrischen Versorgung Luxemburgs dar. Daher orientiert sie sich an folgenden<br />
drei Erfolgsfaktoren:<br />
• Berücksichtigung der Rahmenbedingungen, um auf die spezifischen Bedürfnisse und<br />
demographischen Gegebenheiten Luxemburgs einzugehen und die Empfehlungen<br />
massgeschneidert darauf auszurichten.<br />
• Einbezug der verschiedenen Interessengruppen (Leistungsträger und Leistungsfinan-<br />
zierer), um einerseits das vorhandene Know-how zu nutzen und andererseits die Ak-<br />
zeptanz und den Implementierungserfolg zukünftiger Empfehlungen zu sichern.<br />
• Analyse von Implementierungswiderständen, um die Schwierigkeiten des bisherigen<br />
Transformationsprozesses als Ressource nutzbar zu machen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 16<br />
Methodik<br />
1.4 Quantitative Analyse: Befragung<br />
1.4.1 Theoretische Begründung der Befragung<br />
Die schriftliche Erhebung eignet sich, um eine grosse Anzahl Akteure zu befragen und dar-<br />
aus quantifizierbare Schlüsse zu ziehen. Die Fragen können dabei anonym und zu einem frei<br />
wählbaren Zeitpunkt beantwortet werden. Zudem beansprucht die Beantwortung eines Fra-<br />
gebogens weitaus weniger Zeit als persönliche Interviews. Die standardisierte Formulierung<br />
der Fragen sowie die Antwortalternativen gewährleisten zudem eine maximale Durchfüh-<br />
rungsobjektivität und Einfachheit der Beantwortung.<br />
Schriftliche Befragungen beruhen allerdings auf der Annahme der Korrektheit der Antworten.<br />
Die Nachteile dieser Methode bestehen deshalb neben der erfahrungsgemäss geringen<br />
Rücklaufquote auch in der Möglichkeit falscher Angaben. Beides kann zu Verzerrungen in<br />
den Ergebnissen führen.<br />
1.4.2 Fragebogenkonstruktion<br />
Auf der Basis der <strong>Planungsstudie</strong> (Rössler et al, 1993) im Jahre 1992 sowie in Anlehnung an<br />
die langjährigen Erfahrungen von Prof. Rössler mit vergleichbaren Erhebungen in anderen<br />
Versorgungsgebieten wurden verschiedene standardisierte, halboffene Fragebögen zur Er-<br />
fassung von sechs verschiedenen Typen von Einrichtungen und Diensten des psychiatri-<br />
schen Kernfeldes entworfen. Auf folgende Einrichtungstypen und Versorgungsbereiche wur-<br />
den die Fragebögen jeweils gesondert abgestimmt:<br />
• Fachkliniken und Krankenhäuser<br />
• Therapeutische Werkstätten<br />
• Wohneinrichtungen (Heime und Wohngruppen)<br />
• In freier Praxis tätige (Neuro-)Psychiater<br />
• Sozialpsychiatrische Zentren / Tagesstätten / Beratungsstellen<br />
• Tageskliniken<br />
Unter Berücksichtigung des mangelnden Rücklaufs im Rahmen der <strong>Planungsstudie</strong> 1992<br />
sowie der Studie der CRP-<strong>Santé</strong> im Jahre 2000 (Damang & Mossong, 2000) wurden die<br />
Fragebögen so konzipiert, dass deren Bearbeitung nicht mehr als 15 Minuten in Anspruch<br />
nehmen sollte. Inhaltlich lassen sich alle Fragebögen in folgende sechs Bereiche unterteilen:<br />
• Angaben zu Organisation und Struktur der Institution<br />
• Angaben zum Personal<br />
• Angaben zum Angebot für psychisch Kranke<br />
• Angaben zu Anzahl Patienten und Diagnosegruppen
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 17<br />
• Angaben zu Zusammenarbeit und Vernetzung<br />
• Offene Fragen (u.a. zu den bisherigen Schwierigkeiten der Umsetzung der Psychia-<br />
triereform und zu Defiziten in der psychiatrischen Versorgung)<br />
1.4.3 Auswahl der AdressatInnen und Versand<br />
Die Bestandesaufnahme fokussiert im Gegensatz zur Bestandesaufnahme im Jahre 1992<br />
vornehmlich die Kernfeldeinrichtungen der psychiatrischen Versorgung. Diese werden unter-<br />
teilt in stationäre Einrichtungen, d.h. psychiatrische Krankenhäuser und psychiatrische Abtei-<br />
lungen an Allgemeinkrankenhäusern, teilstationäre Behandlungsformen wie z.B. Tagesklini-<br />
ken, ambulante Dienste, wie z.B. Psychiater in freier Praxis, Beratungsstellen für psychisch<br />
Kranke, sozialpsychiatrische Dienste und rehabilitative/komplementäre Einrichtungen wie<br />
Werkstätten und Wohneinrichtungen für psychisch Kranke.<br />
Eine eindeutige Zuordnung aller Institutionen gemäss ihrer Funktion im psychiatrischen Ver-<br />
sorgungssystem war bei einer Reihe von Einrichtungen im Voraus nicht möglich. In Koopera-<br />
tion mit dem luxemburgischen Gesundheitsministerium wurden in mehreren Überarbeitungs-<br />
schritten die für die Bestandsaufnahme in Frage kommenden Einrichtungen ermittelt. Aus-<br />
gangspunkt waren verschiedene Adressenverzeichnisse sowie Angaben der Carte Sanitaire<br />
des Jahres 2000. Diese Angaben wurden in der Recherchierphase ergänzt und erweitert,<br />
wobei als Informationsquelle Veröffentlichungen und Broschuren einzelner Einrichtungen und<br />
Träger, vereinzelte Webseiten sowie elektronische Telefonbücher dienten. Aufgrund eines<br />
fehlenden Psychiatrieführers bzw. einer Koordinations- und Informationsstelle sowie spärli-<br />
cher Webinformationen ist es möglich, dass einerseits nicht alle psychiatrischen Institutionen<br />
erfasst werden konnten. Andererseits wurden z.T. Institutionen angeschrieben, die nicht zum<br />
psychiatrischen Kernfeld gehören und nur beschränkt mit psychiatrischen Störungsbildern<br />
konfrontiert sind. Diese wurden retrospektiv aus den Auswertungen ausgeschlossen.<br />
Nach allen Änderungen des Einrichtungsverzeichnisses betrug die Gesamtzahl der für die<br />
Bestandsaufnahme relevanten Einrichtungen, an die Fragebögen verschickt wurden, 59. Ei-<br />
ne Übersicht über die Verteilung der Fragebögen ist aus nachfolgender Tabelle ersichtlich:
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 18<br />
Tabelle 1: Übersicht über die versandten Fragebögen<br />
Institution Anzahl Fragebögen<br />
Allgemeinkrankenhäuser 4<br />
Psychiatrische Fachkliniken und Abteilungen 5<br />
Tageskliniken 3<br />
Ambulant tätige (Neuro-)Psychiater 56<br />
Sozialpsychiatrische Angebote<br />
(Kontakt-, Beratungsstellen und Tagesstätten, 2 offizielle Träger)<br />
Werkstätten für psychisch Kranke 8<br />
Wohneinrichtungen<br />
(6 Träger)<br />
Diverse übrige Institutionen, deren Angebot für psychisch Kranke<br />
unklar ist<br />
1.4.4 Rücklaufquote<br />
13<br />
12<br />
12<br />
Detaillierte Versandliste siehe Anhang<br />
In einem ersten Schritt wurden am 6. Januar <strong>2005</strong> die verschiedenen Fragebögen an die 59<br />
stationären, teilstationären, ambulanten und komplementären Dienste versandt. In einem<br />
zweiten Schritt erfolgte der Versand am 20. Januar <strong>2005</strong> an 56 in Luxemburg ambulant tätige<br />
(Neuro-)Psychiater, einen Monat später gefolgt von einem ersten Erinnerungsschreiben an<br />
alle Leistungserbringer. Dabei wurden verschiedene Institutionen, bei denen im Nachhinein<br />
festgestellt werden konnte, dass diese nicht zum Kernbereich gehören, nicht mehr integriert.<br />
Ebenso wurde mit fest angestellten Psychiatern im stationären Bereich verfahren. Die Rück-<br />
laufphase der Fragebögen dauerte, ungeachtet des ursprünglich bis Ende Februar <strong>2005</strong> ge-<br />
setzten Rücksendetermins, bis Anfang April <strong>2005</strong>. Folgende Rücklaufquoten wurden in den<br />
einzelnen Bereichen erzielt:
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 19<br />
Tabelle 2: Fragebogen Rücklaufquoten<br />
Institution Rücklaufquote in %<br />
Allgemeinkrankenhäuser 75%<br />
Psychiatrische Fachkliniken und Abteilungen 100%<br />
Ambulant praktizierende (Neuro-)Psychiater 28.60%<br />
Kontakt-, Beratungsstellen und Tagesstätten 100%<br />
Werkstätten / Therapeutische Ateliers 87.5% (100%)*<br />
Wohneinrichtungen 100%<br />
Weitere Institutionen (verschiedene Zentren etc.) 33.30%<br />
* Reiterhof Matthellef nimmt Arbeit offiziell erst 2006 auf (hat nicht geantwortet).<br />
Insgesamt ergab sich eine sehr gute Rücklaufquote der psychiatrischen Kernfeldeinrichtun-<br />
gen von 81,9% (83,4%). Dieses Ergebnis wurde lediglich durch die schlechte Mitwirkung von<br />
über zwei Dritteln der ambulant praktizierenden Ärzte ungünstig beeinflusst. Dies ist mögli-<br />
cherweise dem Umstand zuzuschreiben, dass die Fragebögen nur in deutscher Sprache<br />
versandt wurden. Die Rücklaufquoten der anderen Leistungserbringer sind dagegen gut bis<br />
ausgezeichnet und liegen über dem Niveau vergleichbarer Untersuchungen.<br />
1.4.5 Auswertung<br />
Sämtliche Auswertungen wurden mit Hilfe des Statistikpakets SPSS – ein vorrangig für die<br />
Analyse von Daten der sozialwissenschaftlichen Disziplinen entwickeltes Programm – durch-<br />
geführt. Dabei wurde vornehmlich mit Häufigkeitsanalysen und Kreuztabellen gearbeitet. Je-<br />
der Versorgungsbereich wurde dabei einzeln ausgewertet und dargestellt. Die Ergebnisse<br />
der einzelnen Auswertungen flossen dann im Kap. 5.8 in ein allgemeines Fazit („Schlussfol-<br />
gerungen“) ein, welches einen aggregierten Überblick über die Versorgungslandschaft er-<br />
möglicht.<br />
Die verwendeten Fragebögen, die Liste der befragten Einrichtungen sowie weitere Dokumen-<br />
tationsmaterialien (u.a. Begleitschreiben) sind dem Anhang zu entnehmen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 20<br />
1.5 Qualitative Analyse: Fokusinterviews<br />
1.5.1 Theoretische Begründung qualitativer Analysen (Fokusinterviews)<br />
Fokusinterviews basieren auf der persönlichen Befragung und Diskussion innerhalb einer<br />
klar umgrenzten Gruppe und fokussieren – wie der Name bereits sagt – gezielt auf bestimm-<br />
te Inhalte. Ziel dieser Methode ist es u.a., die subjektive Meinung des Einzelnen wie auch der<br />
Gruppe widerzuspiegeln. Fokusinterviews sind deshalb zur Erschliessung komplexer Befra-<br />
gungsinhalte und Zusammenhänge am besten geeignet. Gerade wenn es um Transformati-<br />
onsprozesse und damit einhergehende Konflikte, Bedürfnisse und Erwartungen verschie-<br />
denster Interessegruppen geht, sind qualitative Erhebungsverfahren aufgrund der offenen<br />
und interaktiven Interviewführung sowie der prozesshaften Analyse besser geeignet als<br />
quantitative Befragungen.<br />
1.5.2 Auswahl der Fokusgruppen<br />
Die Auswahl der Fokusgruppen erfolgte nach den wichtigsten Leistungserbringern der psy-<br />
chiatrischen Versorgungslandschaft wie auch nach deren Bedeutung im Hinblick auf die Um-<br />
setzung des Plan Hospitalier. Da das CHNP im Zentrum des Umstrukturierungsprozesses<br />
steht und deshalb verstärkt Spannungen ausgesetzt ist, wurde der Fachklinik bei den Inter-<br />
views besonders viel Gewicht verliehen und die einzelnen Berufsgruppen auch separat be-<br />
fragt. Es wurden gesamthaft sechs Fokusinterviews durchgeführt, wobei folgende Gruppen<br />
interviewt wurden:<br />
• Verwaltungsrat des CHNP<br />
• Pflegepersonal des CHNP<br />
• Psychiatrische Fachärzte des CHNP und Leiter der ausgegliederten Strukturen des<br />
CHNP (Therapiezentren und forensische Abteilung in der Justizvollzugsanstalt)<br />
• Alle Interessengruppen des CHNP zusammen<br />
• Leiter der Psychiatrischen Fachabteilungen in den Allgemeinkrankenhäusern alleine<br />
und zusammen mit dem Leitung des CHNP (wird als ein Fokusinterview betrachtet)<br />
• Leistungserbringer des komplementären, ausserstationären Bereichs (Träger der so-<br />
zialpsychiatrischen Angebote und Wohneinrichtungen)<br />
1.5.3 Leitfaden der Fokusinterviews (Themenbereiche/ Befragungsinhalte)<br />
Die Fokusinterviews hatten die Erfassung folgender fünf Bereiche zum Ziel:<br />
• Spezifische Schwierigkeiten der jeweiligen Interessengruppen<br />
• Einstellung zu den versorgungspolitischen Versorgungsgrundsätzen („Hidden<br />
Agenda“)
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 21<br />
• Einschätzung der Schwierigkeiten und Hindernisse der Umsetzung der Psychiatrie-<br />
reform<br />
• Defizite in der aktuellen Versorgung („Adäquate Versorgung“) sowie im psychiatri-<br />
schen Sektor generell (z.B. Zusammenarbeit, Diskussionsforen etc.).<br />
• Zusammenarbeit und Vernetzung der verschiedenen Akteure im psychiatrischen Ge-<br />
sundheitssystem<br />
• Im Anschluss an die Fokusinterviews wurden nach dem Prinzip des Zukunftswork-<br />
shops jeweils Entwicklungsszenarien unter Anleitung und Anregungen seitens der<br />
Experten entworfen.<br />
1.5.4 Auswertung<br />
In einem ersten Schritt wurde das Textmaterial der rund 2-stündigen Interviews wörtlich<br />
transkribiert. Danach erfolgte in einem zweiten Schritt die Auswertung nach dem Verfahren<br />
der qualitativen zusammenfassenden Inhaltsanalyse mittels des Computerprogramms<br />
MaxQda2. Dabei wird das Datenmaterial so weit reduziert, dass ein Überblick entsteht, der<br />
noch ein genaues Abbild des Grundmaterials ermöglicht. Die qualitative Inhaltsanalyse un-<br />
tersucht sprachliches Material systematisch, indem sie es zergliedert und schrittweise in Ka-<br />
tegorien einteilt. Das Kategoriensystem entsteht theoriegeleitet und wird mit weiteren, aus<br />
dem Datenmaterial ableitbaren Kategorien ergänzt. Die Kategorien bilden die Grundlage für<br />
die Ergebnisse der Inhaltsanalyse und erlauben neben qualitativen auch quantitative Aus-<br />
wertungen (vgl. u.a. Mayring, 2000; Züll & Mohler, 2001, Flick, 2003). Dabei werden die Ka-<br />
tegorien in Form von kurzen und übersichtlichen Portraits präsentiert, welche trotz der knap-<br />
pen Darstellung eine informative Beschreibung des Themenbereiches ermöglichen. Alle In-<br />
terviews wurden dieser Methode entsprechend einzeln ausgewertet. Da diese Dokumentati-<br />
on von grossem Umfang ist, konnte sie nicht dem Anhang beigefügt werden. Im Ergebnisteil<br />
werden deshalb die am häufigsten genannten Aussagen pro Fokusgruppe einzeln sowie<br />
auch alle Gruppen zusammengefasst dargestellt..<br />
Die offenen Fragen der Erhebungsbögen wurden ebenfalls qualitativ ausgewertet und nach<br />
Aussagehäufigkeiten quantifiziert. Diese Auswertungen sind dem Anhang zu entnehmen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 22<br />
Fachliche und gesundheitspolitische Grundlagen der Psychia-<br />
trieplanung<br />
1.6 Planung der Gesundheitsversorgung<br />
Die Planung der Gesundheitsversorgung ist eine vielschichtige Aufgabe. Die Versorgungs-<br />
forschung unterstützt die Gesundheitsverwaltung in dieser Aufgabe durch die Bereitstellung<br />
von Daten zur Objektivierung des Bedarfs und der erforderlichen Mittel zur Bedarfsdeckung.<br />
Hierzu nimmt die Versorgungsforschung Rückgriff auf deskriptive und analytische Daten der<br />
Epidemiologie.<br />
1.6.1 Administrativer Planungsansatz<br />
Die administrative Planung betrachtet v.a. die Angebotsseite, d.h. die Leistungserbringer.<br />
Grundsätzlich lassen sich dabei folgende Leistungserbringer in der psychiatrischen Versor-<br />
gungslandschaft unterscheiden (siehe auch Kap. 3.2.3):<br />
• stationäre Einrichtungen: psychiatrische Kliniken, Fachabteilungen in Allgemeinspitä-<br />
lern, Konsiliarärzte in Spitälern ohne psychiatrische Abteilungen, Kriseninterventions-<br />
zentren;<br />
• teilstationäre Einrichtungen: Tageskliniken, Nachtkliniken;<br />
• ambulante Dienste an stationären Einrichtungen: Klinikambulanzen, 24-stündige Kri-<br />
sen- und Notfalldienste;<br />
• ambulante Dienste: sozialpsychiatrische Dienste (Tagesstätten, Beratungsstellen<br />
etc.), Psychiater, Psychotherapeuten sowie Ärzte anderer Fachrichtungen (Allge-<br />
meinpraktiker, Internisten, Neurologen) in freier Praxis;<br />
• komplementäre und rehabilitative Einrichtungen (Institutionen im Bereich Wohnen –<br />
Arbeit – Freizeit);<br />
• intermediäre Einrichtungen wie Fürsorge etc., die bis zu einem gewissen Grad die<br />
Betreuungskoordination übernehmen, bspw. Case-Management durch Sozial-, Infor-<br />
mations- und Koordinationsstellen.<br />
Für die verschiedenen Angebote, d.h. für die jeweiligen Einrichtungen und Dienste werden<br />
dabei häufig Richtwerte angegeben, wie z.B.<br />
• in den Krankenhausplänen festgehaltene Zahl der Betten (Bettenplanung);<br />
• einwohnerbezogene Platzzahlen in Einrichtungen des beschützten Wohnens;<br />
• einwohnerbezogene Zahl von Fachkräften in den Kernfeldeinrichtungen der psychiat-<br />
rischen Versorgung (Festlegung der Personalstellen pro 100 000 Bewohner).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 23<br />
Richtwerte haben dabei beträchtliche Implikationen für die beteiligten Einrichtungs- und Fi-<br />
nanzierungsträger wie auch für die jeweils in den Einrichtungen beschäftigten Mitarbeiter.<br />
Vor allem aber sind die Patienten selbst von Art und Umfang des Angebotes betroffen. Vor<br />
diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Gesundheitsverwaltung bestrebt ist, mög-<br />
lichst Richtwerte auf der Basis objektivierter Bedarfserhebungen zu erhalten. Der Einbezug<br />
von Experten auf allen Planungsebenen (stationärer, teilstationärer, ambulanter und kom-<br />
plementärer Bereich) ist deshalb nicht ungewöhnlich.<br />
Eine andere Position nimmt hier die Versorgungsforschung mit einem empirischen Pla-<br />
nungsansatz ein. Der Versorgungsforschung geht es um die empirische Überprüfung und<br />
Begründung der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen. Im Rahmen der Versorgungs-<br />
forschung geht es deshalb vornehmlich um Bedarfs- und Nutzungsanalysen. Als Grundlage<br />
der Bedarfsplanung wird dabei auf die Epidemiologie zurückgegriffen, die Auskunft über Art<br />
und Umfang seelischer Störungen, Inanspruchnahmedaten sowie sozialstrukturelle Indikato-<br />
ren liefert. Diese werden im folgenden Abschnitt näher erläutert.<br />
1.6.2 Epidemiologie als Grundlage der Bedarfsermittlung<br />
Die psychiatrische Epidemiologie lässt sich in eine deskriptive und eine analytische Epide-<br />
miologie unterteilen, wobei der Schwerpunkt v.a. bei der deskriptiven Epidemiologie liegt.<br />
Diese beschreibt die Häufigkeiten von Erkrankungen, Störungen, Syndromen und Sympto-<br />
men. Dabei sucht sie mitunter auch nach Häufigkeitsunterschieden sowohl zwischen Perso-<br />
nen- und Bevölkerungsgruppen sowie Regionen als auch nach Unterschieden über die Zeit<br />
hinweg. In den letzten Jahrzehnten hat im wissenschaftlichen Umfeld aus gesundheitspoliti-<br />
schen Gründen die Versorgungsepidemiologie an Profil und Eigenständigkeit hinzugewon-<br />
nen (vgl. Ajdacic & Graf, 2003). Die Versorgungsepidemiologie ist grundsätzlich auf die Re-<br />
sultate der deskriptiven Epidemiologie angewiesen. Dabei ist neben der Bedarfs- und der<br />
Versorgungsebene (z.B. Erhebung krankheitsrelevanter Symptome, anamnestische Informa-<br />
tionen) auch die Nutzungsebene (z.B. Inanspruchnahmedaten) zu berücksichtigen, also die<br />
Frage, wie das Versorgungssystem durch Betroffene wahrgenommen und genutzt wird.<br />
Die in der Epidemiologie verwendeten quantitativen Daten können Registerdaten (z.B. Morta-<br />
litätsstatistiken, Daten der medizinischen Statistik) oder auch Stichprobendaten sein. Bei den<br />
letzteren handelt es sich in der Regel um Querschnittsdaten, d.h. Daten aus einmaligen Un-<br />
tersuchungen. Massstab für die meisten Studien sind dabei die Querschnittdesigns der gros-<br />
sen US-amerikanischen Studien mit den Abkürzungen ECA (Epidemiological Catchment A-<br />
rea Program) und NCS (National Comorbidity Survey) (ebd.).<br />
Besser geeignet sind aber Längsschnittdaten, d.h. wiederholte Untersuchungen derselben<br />
Population über eine bestimmte Zeit hinweg. Diese longitudinale Perspektive gewinnt dabei<br />
insofern an Bedeutung, als dass durch wiederholte Surveys Möglichkeiten geschaffen wer-<br />
den, den Wandel zu erfassen, wodurch auch der Blick auf Interdependenzen hinsichtlich le-<br />
bensgeschichtlicher und gesellschaftlicher Prozesse ermöglicht wird (ebd.).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 24<br />
Der Blick auf die Entwicklung psychiatrischer Epidemiologie verdeutlicht, dass es sich um ei-<br />
ne junge Disziplin handelt, deren Terminologie noch nicht konsolidiert ist. Laufend werden<br />
neue Diagnosen entwickelt, die auf unterschiedlichen Konzepten von Krankheiten beruhen.<br />
Da sich die psychiatrische Diagnostik in Entwicklung befindet, kommen sehr viele verschie-<br />
dene Erhebungsinstrumente zur Anwendung. Diese können zum Teil die grossen Unter-<br />
schiede in den empirischen Ergebnissen, z.B. den Inzidenz- und Prävalenzraten, erklären.<br />
Die epidemiologischen Daten sind zudem häufig lückenhaft und weisen je nach Land grosse<br />
Unterschiede auf. Dies und die hohen Spannbreiten der in unterschiedlichen Studien ausge-<br />
wiesenen Raten sind eines der Grundprobleme psychiatrischer Epidemiologie. Dies er-<br />
schwert Vergleiche und eine darauf aufbauende Versorgungsplanung. Der Abgleich der Da-<br />
ten zur stationären und zur ambulanten Versorgung, gemäss Bedarfs-, Angebots- und Nut-<br />
zungsdaten, sind aufgrund der lückenhaften Dokumentierung schwer möglich. Auf der Ange-<br />
botsseite fehlen zudem oftmals detaillierte und aktuelle Informationen aller Leistungserbrin-<br />
ger. Um schlussendlich die Veränderungen des Versorgungssystems zu evaluieren und die<br />
entsprechenden Konsequenzen zu formulieren, reichen die statistischen Grössen oftmals<br />
nicht aus (ebd.).<br />
1.6.2.1 Inzidenz und Prävalenz psychischer Störungen<br />
Etwa die Hälfte der Menschen sind ein- oder mehrmals im Verlauf ihres Lebens von ernsthaf-<br />
ten psychischen Störungen betroffen, d.h. von solchen Störungen, die international aner-<br />
kannte Diagnosekriterien erfüllen und eine Behandlung erfordern. Dazu gehören die als<br />
schwer behandelbar bekannten Schizophrenien und Psychosen, daneben affektive Störun-<br />
gen, Angst- und Substanzstörungen bis hin zu Störungsbildern wie z.B. Ess-, Sexual- und<br />
Persönlichkeitsstörungen (Ajdacic & Graf, 2003).<br />
Die psychischen Störungen sind dabei sehr heterogen und verteilen sich über ein breites<br />
Spektrum von Symptomen und Verlaufsformen. Obwohl z.B. die Schizophrenien mit einer<br />
Lebenszeitprävalenz von 0.5 – 1% eher selten sind, verdienen sie aufgrund ihres Schwere-<br />
grades besondere Beachtung. Es sind aber v.a. die affektiven Störungen, die Angst- und<br />
Substanzstörungen, die mit einer Lebenszeitprävalenz bis zu 25% die häufigsten psychi-<br />
schen Störungen darstellen. Trotz des breiten Spektrums an Schweregraden stellen sich bei<br />
diesen Erkrankungen bereits bei leichteren Formen Beeinträchtigungen ein. Sie treten zudem<br />
mit einem hohen Anteil von Komorbidität auf (oft verbunden mit Substanzstörungen). Komor-<br />
bide Störungen sind in nahezu 90% der Fälle schwere Störungen, die mit massiven Beein-<br />
trächtigungen einhergehen (ebd.). Es ist dabei nicht nur mit einer schlechteren Prognose<br />
(Schweregrad, Wahrscheinlichkeit der Chronifizierung, Suizidalität), sondern auch mit einem<br />
erhöhten Behandlungsbedarf (häufigere Inanspruchnahme von medizinischen Dienstleistun-<br />
gen; erhöhter Medikamentenkonsum) wie auch mit höherem Beeinträchtigungsgrad zu rech-<br />
nen (Kessler, 1995).<br />
Gemäss dem neusten Weltgesundheitsbericht der WHO (WHO, 2001) leiden gegenwärtig 10<br />
– 20% der Menschen zu einem gegebenen Zeitpunkt an einer psychischen Erkrankung. Es<br />
wird dabei von einer 12-Monats-Prävalenz zwischen 20-30% ausgegangen. Eine Übersicht
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 25<br />
über die Ergebnisse internationaler Studien zur psychiatrischen Epidemiologie ist in nachfol-<br />
gender Tabelle wiedergegeben.<br />
Tabelle 3: Übersicht über Spannweite der Raten psychischer Störungen in internati-<br />
onalen epidemiologischen Studien<br />
Raten in %; in den meisten Studien auf DSM-Kriterien basierend<br />
12-Monats-<br />
Prävalenz<br />
Lebenszeit-<br />
Prävalenz<br />
Störungen insgesamt 20–30 40–50<br />
Störungen exkl. Substanzstörungen 10–20 35–40<br />
Schizophrenie ~0.5 (0.2–1.3) 0.3–1<br />
Affektive Störungen 2–10 10–25<br />
Major Depression 2–7 5–20<br />
Dysthymie 2–7<br />
Hypomanie, bipolare Störungen 0.5–10<br />
Alle Angststörungen 7–17 13–27<br />
Generalisierte Angststörung 1.5–6.5 2.5–7<br />
Panikstörung 0.5–1.5 1–3.5<br />
Einfache Phobie 2–4 4–12<br />
Soziale Phobie 0.5–2 1–3.5<br />
Agoraphobie 2.5–6 3–9<br />
Zwangsstörungen 0.5–3 0.5–4<br />
Essstörungen 1.5<br />
Persönlichkeitsstörungen 5 5–10<br />
Somatoforme Störungen 7–8<br />
Quelle: Ajdacic & Graf, 2003. Schweizerisches Gesundheitsobservatorium
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 26<br />
1.6.3 Inanspruchnahmedaten als Planungsgrundlage<br />
In einem dynamischen Gesundheitswesen strukturiert nicht nur das Angebot die Nachfrage,<br />
sondern die Inanspruchnahme selbst bestimmt aktiv das Angebot mit. Ein weiteres Instru-<br />
ment der Versorgungsplanung stellt deshalb die Analyse von Inanspruchnahme- und versor-<br />
gungsstruktureller Daten dar. Die Inanspruchnahmedaten werden u.a. auf institutioneller E-<br />
bene oder auf Systemebene (z.B. durch Fallregister) analysiert. Je nach Fragestellung, Ziel-<br />
setzung und Anspruch auf Generalisierbarkeit werden hierzu sehr unterschiedliche Ansätze<br />
benutzt, auf die nicht näher eingegangen werden soll.<br />
Das Inanspruchnahmeverhalten wird dabei von verschiedenen Faktoren beeinflusst, wovon<br />
hier die wichtigsten erwähnt werden sollen:<br />
• Räumliche Indikatoren: Im Hinblick auf das Inanspruchnahmeverhalten sind räumli-<br />
che Indikatoren, d.h. Einflüsse der geographischen und zeitlichen Entfernung zwi-<br />
schen Wohn- und Behandlungsort, von grosser Bedeutung.<br />
Abbildung 1: Abhängigkeit der Inanspruchnahme von der Reisezeit (Quelle: Rössler, 1998, S.<br />
65)<br />
So wurde in einer Reihe von Untersuchungen eine Abnahme der Aufnahmeraten in<br />
Abhängigkeit von der Entfernung zwischen Wohn- und Behandlungsort nachgewie-<br />
sen. Die inverse Beziehung zwischen administrativer Prävalenz und der geographi-<br />
schen Distanz ging dabei als Jarvis’sches Gesetz in die Literatur ein (Rössler, 1998).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 27<br />
• Sozioökonomische Indikatoren: Untersuchungen haben gezeigt, dass das Mass der<br />
Inanspruchnahme der psychiatrischen Dienstleistungen mit soziodemographischen<br />
Variablen korreliert. Zu solchen Einflussfaktoren zählen Sozialschicht, Geschlecht,<br />
Familienstand, Lebenssituation, Arbeitslosigkeit, Bevölkerungsmobilität und ethnische<br />
Gruppe dergestalt, dass die schlechtere soziale Integration mit höheren Inanspruch-<br />
nahmeraten assoziiert ist. Sozioökonomische Indikatoren gelten dabei als Risikofak-<br />
toren für die Entstehung wie für den Verlauf seelischer Erkrankungen. Eine Grosszahl<br />
von Studien belegt eine Verbindung zwischen einem niedrigen sozioökonomischen<br />
Status, Armut und Arbeitslosigkeit und verschiedenartigsten seelischen Störungen<br />
(Lewis et al., 1998). Ebenso bekannt sind regionale Häufigkeitsunterschiede seeli-<br />
scher Störungen. Regelhaft finden sich höhere Raten in städtischen Regionen (Röss-<br />
ler, 2000). Es wurden deshalb auf der Basis von Sozialindikatoren Verfahren (z.B.<br />
Jarman-Index) entwickelt, mittels derer die Inanspruchnahme psychiatrischer Versor-<br />
gungseinrichtungen vorhergesagt werden kann (Jarman, 1983).<br />
• Verfügbarkeit von Versorgungsangeboten: Auch die Verfügbarkeit von Versorgungs-<br />
angeboten beeinflusst die Inanspruchnahme und damit den Bedarf. Je mehr Angebo-<br />
te vorhanden und zugänglich gemacht werden, desto häufiger die Inanspruchnahme.<br />
Gemäss einer Studie von Rössler & Häfner (1985) ergab sich in Mannheim parallel<br />
zum Aufbau eines gemeindepsychiatrischen Versorgungssystems eine deutliche Zu-<br />
nahme der Inanspruchnahme (Becker & Johnson, 1998).<br />
In diesem Zusammenhang ist auch das Problem der Über- versus der Unterversorgung zu<br />
betrachten. Das System der stationären Versorgung ist v.a. mit schweren Störungen und Be-<br />
einträchtigungen – z.B. schizophrenen und wahnhaften Störungen, Selbst- und Fremdge-<br />
fährdung, Substanzstörungen – konfrontiert, versorgt jedoch eine Minderheit der psychisch<br />
Kranken in der Bevölkerung. Darunter fallen zu einem grossen Teil sogenannte „Heavy U-<br />
ser“, also Patienten mit wiederholten Aufenthalten in psychiatrischen Institutionen. Dabei be-<br />
anspruchen 10 – 30% dieser Patienten 50 – 80% aller stationären Kapazitäten (Ajdacic &<br />
Graf, 2003).<br />
Das Profil der Klienten im halbstationären und ambulanten Bereich umfasst über die Men-<br />
schen mit schweren Beeinträchtigungen hinaus auch diejenigen mit weniger akuten Störun-<br />
gen.<br />
Die Verhaltensmuster bei der Inanspruchnahme von Hilfe variieren dabei noch bedeutender<br />
zwischen Stadt und Land, nach Geschlecht, Ausbildung und Nationalität. Zudem nehmen<br />
Menschen mit leichteren psychischen Erkrankungen weitaus seltener Hilfe in Anspruch,<br />
weshalb nahegelegene ambulante Angebote von grosser Bedeutung sind. Während bei Pa-<br />
tienten mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen die Problematik der Versorgungsoptimie-<br />
rung oder gar der Überversorgung im Vordergrund steht, ist es deshalb bei Menschen mit<br />
weniger auffälligen Störungen v.a. die Problematik der Unterversorgung. Während bei den<br />
Erstgenannten mit der Verlagerung zum ambulanten Bereich die Betreuung und Fürsorge,
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 28<br />
wie auch die Verbesserung der Integration in den Vordergrund rückt, liegt der Schwerpunkt<br />
der Unterversorgung bei weniger auffälligen Störungen bei der Inanspruchnahme einer Be-<br />
handlung. Dabei ist der Weiterbildung und Vernetzung mit dem psychiatrischen Vorfeld, wie<br />
z.B. der Allgemeinärzte, grosse Bedeutung zuzumessen. Dieser Zusammenhang kann v.a.<br />
am Beispiel „Depressionen“ verdeutlicht werden: Von den etwa 5% der Bevölkerung, die in<br />
einer Studie in Deutschland (Wittchen & Jacobi, 1998) an einer behandlungsbedürftigen De-<br />
pression leiden,<br />
• sind etwa zwei Drittel in hausärztlicher Behandlung;<br />
• werden etwa ein Drittel korrekt diagnostiziert;<br />
• werden etwa 10% adäquat behandelt;<br />
• weisen etwa 5% eine adäquate Compliance aus.<br />
Die Konsequenzen der Unterversorgung sind auf der individuellen Ebene wie auch auf der<br />
sozialen und ökonomischen Ebene zu verorten. Während auf der individuellen Ebene mit ei-<br />
nem erhöhten Risiko für die Chronifizierung und/oder Zunahme des Schweregrades, einem<br />
erhöhten Risiko für Komorbidität etc. zu rechnen ist, so folgen daraus auf ökonomischer E-<br />
bene höhere Gesundheitskosten (Ajdacic & Graf, 2003). Die wirtschaftlichen Kosten psychi-<br />
scher Gesundheitsdefizite belaufen sich auf 3 – 4% des Bruttoinlandproduktes (WHO, 2003).<br />
Neben den Kosten, die im Gesundheits- und Sozialwesen anfallen, kommen noch andere<br />
bisher nicht berücksichtigte Kosten, wie z.B. Produktivitätsausfall, Auswirkungen auf Familie,<br />
Umfang an Kriminalität und öffentliche Sicherheit dazu (WHO, 2001).<br />
1.6.4 Zusammenfassung<br />
Die psychiatrische Versorgungsplanung ist von grosser Bedeutung, da psychische Störun-<br />
gen erstens häufig sind und zweitens einschneidende Folgen sowohl für die betroffenen Indi-<br />
viduen als auch für die Gesellschaft als Ganzes nach sich ziehen.<br />
Was die Behinderung und Beeinträchtigung der Lebensqualität betrifft, stehen psychische<br />
Störungen nach den Herzkreislauferkrankungen an zweiter Stelle einer Rangfolge verschie-<br />
dener Krankheiten. Werden die Folgen von Alkohol- und Drogenmissbrauch hinzugezählt, so<br />
nehmen psychische Störungen sogar deutlich den Spitzenrang ein (Rüesch & Manzoni,<br />
2003). Die meisten dieser Störungen können jedoch ambulant behandelt werden, wobei ca.<br />
0.5% eine psychiatrische Hospitalisation benötigen (Ernst, 2001). Die meisten psychischen<br />
Störungen sind dabei vorübergehend, treten aber häufig wiederholt auf. Psychisch Kranke<br />
suchen dabei seltener von sich aus eine Behandlung auf als körperlich Kranke. Dabei ent-<br />
stehen psychische Krankheiten im Vergleich zu körperlichen Krankheiten häufiger unter be-<br />
lastenden sozialen Bedingungen, z.B. Migration, Pensionierung. Schwere psychische Krank-<br />
heiten führen dabei auch häufig zu sozialem Abstieg, Vereinsamung und Verelendung. Im<br />
Gegensatz zu den meisten somatischen Erkrankungen treten psychische Störungen zumeist<br />
im jungen und mittleren Erwachsenenalter auf und verlaufen, nicht zuletzt aufgrund einer un-<br />
zulänglichen Diagnose und Behandlung, oft chronisch.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 29<br />
Epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass nur ein kleiner Teil der Menschen mit psy-<br />
chischen Störungen professionelle Hilfe in Anspruch nimmt. Noch geringer ist der Anteil der-<br />
jenigen, die dies rechtzeitig tun. Ebenso ist anzunehmen, dass die Hilfesuchenden im Rah-<br />
men der primären Versorgung – vornehmlich durch die praktizierenden Ärzte – nur zu einem<br />
Teil adäquat diagnostiziert und behandelt werden. Die Konsequenzen beschränken sich da-<br />
bei nicht nur auf die Krankheit selbst (Chronifizierung, Komorbidität), sondern zeigen sich<br />
auch in einer erhöhten Inanspruchnahme medizinischer Dienstleistungen in Bezug auf soma-<br />
tische Beschwerden und durch erhöhte Invalidisierungsrisiken, was auch zu massiv höheren<br />
Gesundheitskosten führt. Die Bedeutung psychischer Störungen bemisst sich aber auch an<br />
der Tabuisierung, welches das Thema im Alltag begleitet. Wenn von einer Lebenszeitpräva-<br />
lenz-Diagnose für psychische Störungen bis zu 50% ausgegangen wird, so betrifft dies letzt-<br />
endlich fast alle Menschen, entweder in ihrer Rolle als Betroffener, als Familienmitglied, als<br />
Arbeitskollege etc.<br />
Dazu kommt ein hohes Mass an Unwissen bezüglich der realen Ausmasse psychischer<br />
Krankheiten, Symptome und v.a. der Behandlungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten. Es<br />
gibt aktuell keinen anderen Gesundheitsbereich, der in ähnlicher Weise durch Vorurteile und<br />
Unkenntnis geprägt ist.<br />
All diese Ausführungen zeigen die Notwendigkeit angepasster, heterogener Behandlungs-<br />
formen und differenzierter, der Behandlungsphase angepasster Angebote und führten dazu,<br />
dass in den letzten Jahren verschiedene versorgungspolitische Standards und moderne Ver-<br />
sorgungsstrukturen formuliert wurden, die den verschiedenen Schwierigkeiten (z.B. Inan-<br />
spruchnahme) Rechnung tragen. Diese sollen im nächsten Kapitel ausgeführt werden.<br />
1.7 Versorgungspolitische Grundsätze und Prinzipien<br />
1.7.1 Internationale Entwicklungen und Instanzen der Gesundheitsversorgung<br />
In den vergangen Jahren haben zwei internationale Entwicklungen dazu beigetragen, dass<br />
Informationsaustausch und Kooperation auf dem Gebiet der psychiatrischen Versorgung im<br />
europäischen Raum zunehmend an Bedeutung gewonnen haben und allgemeingültige Stan-<br />
dards zur psychiatrischen Versorgung entwickelt werden konnten. Die eine ist die zuneh-<br />
mende Integration europäischer Länder in die „Europäischen Union“ (15 Mitgliedsstaaten),<br />
die andere die Intensivierung der Aktivitäten der Weltgesundheitsorganisation.<br />
Seit 1998 hat die WHO für die Region Europa einen Mental Health Coordinator. Es finden<br />
dabei regelmässig Treffen statt mit so genannten „National Counterparts“, von den einzelnen<br />
Regierungen nominierte Vertreter der insgesamt 52 Mitgliedsstaaten der WHO (Europa).<br />
An der letzten europäischen ministeriellen WHO-Konferenz zur psychischen Gesundheit vom<br />
12.–15. Januar <strong>2005</strong> in Helsinki wurde von den Mitgliedern (darunter auch Luxemburg) eine<br />
Europäische Erklärung zur psychischen Gesundheit („Erklärung von Helsinki“) unterschrie-<br />
ben und ein europäischer Aktionsplan für Psychische Gesundheit implementiert (S. 13):
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 30<br />
„Die Mitgliedstaaten bekennen sich durch die Europäische Erklärung zur psychischen Ge-<br />
sundheit und diesen Europäischen Aktionsplan für Psychische Gesundheit zur Annahme der<br />
Herausforderungen und zu folgenden Zielen. Zwischen <strong>2005</strong> und 2010 sollten sie:<br />
1. eine Politik erarbeiten und Aktivitäten umsetzen, die gegen Stigma und Diskriminierung<br />
vorgehen und das psychische Wohlbefinden fördern, u. a. an gesundheitsförderlichen<br />
Schulen und Arbeitsplätzen.<br />
2. die Auswirkungen der öffentlichen Politik auf die psychische Gesundheit gründlich<br />
untersuchen.<br />
3. Prävention von psychischen Gesundheitsproblemen und Suizid in die nationale Politik<br />
einschließen.<br />
4. spezialisierte Dienste aufbauen, die in der Lage sind, besondere Herausforderungen<br />
durch junge und ältere Menschen und geschlechtsspezifische Probleme aufzugreifen.<br />
5. Dienste priorisieren, die auf die psychischen Gesundheitsprobleme marginalisierter<br />
und vulnerabler Gruppen und auf die Komorbiditätsproblematik ausgerichtet sind, bei<br />
welcher psychische Gesundheitsprobleme und andere Probleme wie Substanzmiss-<br />
brauch oder körperliche Erkrankung auftreten.<br />
6. Partnerschaften für die sektorübergreifende Arbeit aufbauen und gegen Negativanreize<br />
vorgehen, die die gemeinsame Arbeit behindern.<br />
7. Strategien für die Humanressourcen einführen, um ein ausreichendes und kompeten-<br />
tes Arbeitskräfteangebot im psychosozialen Bereich zu schaffen.<br />
8. Indikatoren für die Determinanten und die Epidemiologie der psychischen Gesundheit<br />
und die Gestaltung und Erbringung der Dienste in Partnerschaft mit anderen Mitglieds-<br />
staaten definieren.<br />
9. gerechte Finanzierungen, Vorschriften und Gesetze für Gesundheit bekräftigen, die<br />
psychische Gesundheit mit einbeziehen.<br />
10. inhumane und entwürdigende Behandlung und Versorgung beenden und Menschen-<br />
rechte gesetzlich verankern und Gesetze zur psychischen Gesundheit erlassen, die mit<br />
den Normen aus den Konventionen der Vereinten Nationen und internationaler Ge-<br />
setzgebung in Einklang stehen.<br />
11. das Ausmaß der gesellschaftlichen Integration von Menschen mit psychischen Ge-<br />
sundheitsproblemen erhöhen.<br />
12. die Vertretung von Betroffenen und Betreuenden in Ausschüssen und Gruppen sicher-<br />
stellen, welche für die Planung, Erbringung, Überprüfung und Inspektion von psycho-<br />
sozialen Angeboten verantwortlich sind.“<br />
Weitere Details dazu finden sich unter:<br />
http://www.euro.who.int/mentalhealth<strong>2005</strong>/ineurope/20041123_1
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 31<br />
Im Jahre 2003 wurde von der EU, dem Niederländischen Gesundheitsministerium und dem<br />
National Research and Development Centre for Welfare and Health (STAKES) in Finnland<br />
zudem das „Implementing Mental Health Promotion Action“-Netzwerk (Impha) gegründet.<br />
Diesem sind bereits 20 Europäische Länder beigetreten. Das Impha entwickelt evidenzba-<br />
sierte gesundheitspolitische und präventive Massnahmen. Zu Beginn des Jahres <strong>2005</strong> wurde<br />
dabei in Anlehnung an die vorher erwähnte WHO-Konferenz ein Konzept zur Förderung der<br />
psychischen Gesundheit und zur Verhütung psychischer Störungen entworfen, welches zehn<br />
Aktionsbereiche vorsieht und auf fünf allgemeinen Leitlinien beruht:<br />
Die Länder der Europäischen Union der WHO sollen dabei konkrete Pläne oder umfassende<br />
Strategien für die Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung von psychi-<br />
schen Störungen aufstellen, die auf jeder Ebene von dem jeweils höchsten politischen Organ<br />
gebilligt werden müssen. Die Massnahmen betreffen dabei insbesondere den Bereich der<br />
Prävention im Allgemeinen (z.B. psychische Störungen, Suizidalität) sowie in verschiedenen<br />
Lebensbereichen (z.B. Schulen, Arbeitsplatz) und -phasen (z.B. frühkindliche Entwicklung,<br />
Alter) wie auch den Bereich der Antistigmatisierung. Die Aktionsbereiche müssen somit das<br />
gesamte Leben der Menschen umfassen, z.B. Kindern und Familien einen gesunden Le-<br />
bensanfang sichern oder durch schulische Massnahmen die kindliche Fähigkeit zur Bewälti-<br />
gung schwieriger Lebenssituationen stärken. Die finanziellen Mittel können beispielsweise<br />
aus einem speziellen Fonds für Psychische Gesundheit kommen, der durch Einnahmen aus<br />
Tabak- und Alkoholsteuern finanziert wird. Um den zu erwartenden Herausforderungen ge-<br />
recht zu werden, muss die Entwicklung einer wirksamen gesundheitsfördernden Politik ab-<br />
gestützt werden durch:<br />
• Kompetenzbildung und interdisziplinären Miteinbezug verschiedener Fachexperten<br />
(bzw. Sektoren) und Laien;<br />
• Massnahmen zur Umsetzung (u.a. Management, Qualitätssicherung, Zusammenar-<br />
beit);<br />
• Umsetzungs- und Begleitevaluation und Verträglichkeitsprüfung der Politik;<br />
• Sicherung der Nachhaltigkeit von Massnahmen auf örtlicher und nationaler Ebene.<br />
Diese Richtlinien sind insofern umsetzungsorientiert, als dass grossen Wert darauf gelegt<br />
wird, die Massnahmen den Gesundheitssystemen der jeweiligen Länder anzupassen (Jané-<br />
Lopis & Anderson, <strong>2005</strong>).<br />
1.7.2 Versorgungspolitische Grundsätze und Standards in Anlehnung an die WHO<br />
Versorgungsgrundsätze zur Versorgung psychisch Kranker, die bereits im Jahre 1950 von<br />
der WHO formuliert wurden, konnten durch diese Entwicklungen zunehmend präzisiert wer-<br />
den. Die wichtigsten Grundsätze beziehen sich dabei auf folgende Themen:
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 32<br />
• Die Gleichstellung körperlich und psychisch kranker Menschen in rechtlicher, finan-<br />
zieller und sozialer Hinsicht und die damit zusammenhängende Integration der psy-<br />
chiatrischen Versorgung in das allgemeinmedizinische Gesundheitssystem.<br />
• Der Aufbau eines bedarfsgerechten Versorgungssystems, welches allen Behand-<br />
lungsbedürftigen die vom Erfolg und vom Kostenaufwand her günstigste Behandlung<br />
ohne Barrieren zugänglich macht.<br />
• Den Aufbau eines gemeindenahen Versorgungssystems, wodurch psychisch Kranke<br />
in ihrem Umfeld behandelt und nur so kurz wie unbedingt nötig aus Familie und Arbeit<br />
herausgenommen werden, was auch die Wiedereingliederung vereinfacht bzw. obso-<br />
let macht.<br />
• Die Koordination und Zusammenarbeit innerhalb der Versorgungssysteme, um Fehl-<br />
platzierungen und Doppelspurigkeiten zu vermeiden und um eine<br />
Behandlungskontinuität über mehrere Institutionen hinweg zu gewährleisten.<br />
Diese allgemein gültigen Prinzipien wurden in den vergangen Jahren weiterentwickelt und<br />
ergänzt. Dabei wurde deutlich, dass die Rehabilitation der meist in ihrer sozialen Kompetenz<br />
behinderten chronisch psychisch Kranken unabdingbar mit gemeindenahen Versorgungs-<br />
strukturen verknüpft ist, da eine Integration jeweils an die konkreten Lebens- und Arbeitsbe-<br />
dingungen gebunden ist. In diesem Zusammenhang hat der Grundsatz der Normalisierung<br />
grosse Bedeutung erlangt. Dabei geht es um die Art und Weise, wie für psychisch Kranke die<br />
Bedingungen geschaffen werden, die zu einer weitgehend normalen Lebensführung notwen-<br />
dig sind. Normalisierende Hilfen betreffen dabei u.a. die Bereiche Arbeit, Wohnen, Freizeit<br />
und Kommunikation und sind darauf ausgerichtet, einen der Allgemeinheit entsprechenden<br />
Rhythmus von Arbeit, Freizeit, Schlaf- und Wachzyklus zu ermöglichen (Rössler et al, 1993).<br />
Eine Ergänzung zum Grundsatz der Normalisierung bietet das Prinzip der „least restrictive al-<br />
ternative“. Dabei ist bei gleich wirksamen Behandlungs- und Betreuungsmethoden jeweils<br />
diejenige Methode zu wählen, die mit den geringsten Einschränkungen für die Betroffenen<br />
verbunden ist. Die praktische Bedeutung dieses Prinzips wird v.a. im Umgang mit so ge-<br />
nannten chronisch kranken Patienten deutlich. Diese befinden sich in verschiedenen Ver-<br />
laufsstadien der Erkrankung, weisen beträchtliche Unterschiede in der Vorbehandlung auf<br />
und haben dementsprechend unterschiedliche Versorgungsbedürfnisse. Daraus resultiert<br />
z.B. im Wohnbereich die Notwendigkeit einer Ausdifferenzierung der Angebotsstruktur, die<br />
von betreutem Einzelwohnen über Wohngemeinschaften bis hin zu einer Rund-um-die-Uhr-<br />
Betreuung reicht. Arbeits- und beschäftigungstherapeutische Angebote sollen dabei nicht di-<br />
rekt an die Wohneinrichtung angebunden werden, sondern sind aus dem regionalen Angebot<br />
heraus zu organisieren. Ziel ist es, den Betroffenen eine notwendige, aber nicht über ihre<br />
Bedürfnisse hinausgehende Versorgung zu ermöglichen (ebd.).<br />
Die gewünschte Individualisierung und Flexibilisierung der Versorgung ist am besten durch<br />
kleinstrukturierte Einrichtungen zu erreichen, deren Angebote sich variabel miteinander ver-<br />
knüpfen lassen. Dadurch wird das Krankenhaus nur ein Glied in der Behandlungskette, des-<br />
sen Kernaufgabe in der medizinisch-psychiatrischen Behandlung von hospitalisationsbedürf-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 33<br />
tigen Patienten liegt. Die stationäre und die ausserstationäre, so genannte komplementäre<br />
Versorgung werden dadurch zu sich ergänzenden Elementen eines umfassenden sozialen<br />
und medizinischen Betreuungs- und Behandlungsangebots für psychisch Kranke. Aus diesen<br />
Erkenntnissen resultierten verschiedene moderne Versorgungsstrukturen, die nachfolgend<br />
detaillierter beschrieben werden.<br />
1.8 Moderne Versorgungsstrukturen (Bausteine der psychiatrischen Versorgung)<br />
Im Folgenden werden die Bausteine der psychiatrischen Kernversorgung (siehe Kap. 3.1.1.)<br />
detaillierter beschrieben (Rössler et al., 1992). Dies ist für die Bewertung der Ergebnisse der<br />
Bestandeserhebung unerlässlich.<br />
Baustein: Stationäre Einrichtung<br />
Zum stationären Bereich werden psychiatrische Fachabteilungen an den Allgemeinkranken-<br />
häusern und Fachkliniken gezählt. Die Behandlung umfasst die unverzichtbare stationäre<br />
Versorgung akut psychisch Kranker, welche in der Regel einer raschen, präzisen und mitun-<br />
ter aufwändigen Diagnostik bedürfen. Akutbehandlungen verlangen zudem nach 24-<br />
stündiger ärztlicher und pflegerischer Präsenz. Diese Leistungen können dabei nur in Kran-<br />
kenhäusern mit interdisziplinärer Zusammenarbeit erbracht werden.<br />
Nach Einschätzung der WHO liegt der als optimal erachtete Wert psychiatrischer Betten zwi-<br />
schen 0.5 und 1.0 Betten pro 1 000 Einwohner (vgl. u.a. Freeman et al, 1985).<br />
Baustein: Teilstationärer Bereich (Tagesklinik)<br />
Die Tagesklinik kann vielen Kranken, bei denen ambulante Massnahmen nicht ausreichen,<br />
einen vollstationären Krankenhausaufenthalt ersparen resp. verkürzen. Darüber hinaus zielt<br />
sie auf die Erleichterung der sozialen und beruflichen Rehabilitation. Die so genannte ver-<br />
bundene Tagesklinik wird dabei den praktischen und wirtschaftlichen Erfordernissen, aber<br />
auch ihrer Funktion als Bindeglied zwischen ambulanter und stationärer Behandlung am e-<br />
hesten gerecht. Dabei wird sie administrativ und organisatorisch an eine stationäre Abteilung<br />
gekoppelt, ist jedoch in eigenen Räumen untergebracht.<br />
Der Bedarf an tagesklinischen Plätzen hängt von Struktur und Ausbau der ambulanten und<br />
vollstationären Versorgung ab. Schätzungen gehen von 15 tagesklinischen Plätzen bei ei-<br />
nem stationären Angebot von 60 bis 80 Betten aus (Rössler et al., 1992).<br />
Baustein: Ambulante psychiatrische Kernfeldeinrichtungen (ambulant tätige Psychiater, sozi-<br />
alpsychiatrische Dienste, psychiatrische Krisen- und Notfalldienste)<br />
Die Entwicklung einer modernen gemeindepsychiatrischen Versorgung der letzten Jahre hat<br />
zur Folge, dass ein beträchtlicher Teil der chronisch psychisch Kranken in den Gemeinden<br />
leben. Ein Teil dieser Patienten leiden aufgrund des Schweregrades der Erkrankung an ver-<br />
schiedenen Beeinträchtigungen. Es bedarf deshalb integrierter medizinischer und sozialer<br />
Versorgungsangebote, die durch die herkömmliche ambulante Versorgung und Sozialdienste
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 34<br />
nicht gewährleistet werden können. Die hauptsächlichsten Betreuungsfelder für diese Kern-<br />
gruppe psychisch Kranker entstehen:<br />
• beim Übergang von stationärer in ambulante Behandlung und umgekehrt;<br />
• bei der begleitenden sozialen Betreuung in Zusammenarbeit mit Psychiater;<br />
• bei der Rehabilitation bzw. Betreuung in den Bereichen Arbeit, Wohnen und Freizeit.<br />
Sozialpsychiatrische Dienste<br />
Sozialpsychiatrische Zentren spielen bei obgenannten Betreuungsaufgaben eine herausra-<br />
gende Rolle. Diesen obliegt. in der ambulanten Betreuung die Koordination aller sozialer<br />
Massnahmen und in einem gewissen Umfang auch die psychiatrische Behandlung dieser<br />
Patienten. Eine Angebotsbündelung in einem sozialpsychiatrischen Zentrum ist darüber hin-<br />
aus von zentraler Bedeutung. Diese haben folgende Aufgaben zum Ziel:<br />
• Hilfen im Bereich Wohnen;<br />
• Sicherung von rechtlichen und materiellen Ansprüchen;<br />
• Tagesstrukturierung und Alltagsgestaltung im Rahmen beschäftigungs- und arbeits-<br />
therapeutischer Massnahmen;<br />
• Erhalt und Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen.<br />
Der international übliche Standard beim Personalbedarf für solche sozialpsychiatrische Zent-<br />
ren wurde auf ca. 1.4 Fachkräfte pro 10 000 Einwohner festgelegt.<br />
Ambulant tätige Psychiater<br />
Psychiater übernehmen die spezialisierte Versorgung schwer und chronisch psychisch Kran-<br />
ker. Nach internationalen Untersuchungen umfasst dieser Personenkreis ca. 5% der Bevöl-<br />
kerung. Dazu kommen aber auch Patienten mit leichteren Störungen. Dabei fällt neben der<br />
Psychopharmakotherapie auch die psychiatrische Beratung und gegebenenfalls Psychothe-<br />
rapie in ihr Aufgabengebiet. Weiter sollten Psychiater die rehabilitativen Massnahmen für<br />
schwer chronisch Kranke koordinieren. Die Beratung von Allgemeinärzten hinsichtlich dia-<br />
gnostischer Massnahmen und Behandlung gewinnt zunehmend an Bedeutung.<br />
Psychiatrische Krisen- und Notfalldienste<br />
Eine angemessene Versorgung im Bereich von Krisenintervention und Notfallpsychiatrie<br />
muss sich an folgenden Handlungsprinzipien orientieren:<br />
• Für dringliche Notfälle muss Hilfe rund um die Uhr zur Verfügung stehen und rasch,<br />
d.h. verkehrstechnisch unkompliziert zu erreichen sein.<br />
• Neben psychiatrischen Hilfen sind bei psychiatrischen Notfällen medizinische Aspek-<br />
te einer psychischen Erkrankung zu beachten.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 35<br />
• Eine solchermassen umfassende Krisen- und Notfallhilfe kann nicht von einzelnen<br />
spezialisierten Krisen- und Notfalleinrichtungen, sondern nur durch ein kooperativ<br />
verknüpftes Netz verschiedener an der Versorgung beteiligter Vorfeld- und Kernfeld-<br />
einrichtungen erbracht werden. Um das weite Spektrum von Bedürfnissen abzude-<br />
cken, muss die angebotene medizinisch-psychiatrische Hilfestellung schnell und<br />
leicht verfügbar sein. Deshalb sollten psychiatrische Krisen- und Notfalldienste dort<br />
errichtet werden, wo sich erfahrungsgemäss der grösste Bedarf äussert. Dies sind<br />
neben den psychiatrischen Kliniken die Notfallambulanzen in Allgemeinkrankenhäu-<br />
sern. Über die unmittelbare Notfallversorgung und Krisenintervention hinaus fällt die-<br />
sen Diensten oftmals eine Verteilerfunktion zu. Deshalb müssen für weiterführende<br />
Hilfen einerseits stationäre und andererseits soziale und ambulante medizinische Ein-<br />
richtungen ausreichend vorhanden sein.<br />
Baustein: Rehabilitative und komplementäre Einrichtungen<br />
Rehabilitationshilfen im komplementären/rehabilitativen Bereich haben das Ziel, die (Rest-)<br />
Fähigkeiten der seelisch Kranken so umfassend wie möglich zu fördern. Sie erstrecken sich<br />
deshalb auf Hilfen in den Bereichen Wohnen, Freizeit/Kommunikation und Ar-<br />
beit/Beschäftigung. Gemäss den individuellen Versorgungsbedürfnissen ist ein System ge-<br />
stufter Hilfen bereitzuhalten.<br />
Die wichtigsten Einrichtungen so genannt „beschützten Wohnens“ sind Wohnheime, Über-<br />
gangsheime mit rehabilitativer Ausrichtung und Wohngruppen. In Wohnheimen wird Versor-<br />
gungsbedürftigen mittel- bzw. langfristig die Möglichkeit eines beschützten, dauerhaften und<br />
fachlich betreuten Aufenthaltes geboten. Übergangsheime mit rehabilitativer Zielsetzung die-<br />
nen dagegen der kurz- bzw. mittelfristigen Wiedereingliederung psychisch Kranker. Sie stel-<br />
len dabei ein Bindeglied zwischen der stationären Behandlung und der Wiedergewinnung der<br />
Selbständigkeit dar. Während in den intensiver betreuten Heimen eine Aufsicht rund um die<br />
Uhr sichergestellt werden muss, werden in Wohngruppen bzw. Einzelwohnungen die Klien-<br />
ten nur ambulant betreut. Die Betreuung in letzteren Angeboten erfordert deshalb ein grösse-<br />
res Mass an Selbständigkeit der betreuten Patienten.<br />
Über die Angebote im Wohnbereich hinaus sind Massnahmen der beruflichen Rehabilitation<br />
erforderlich. Notwendig sind auch so genannt „geschützte“ Beschäftigungsmöglichkeiten für<br />
diejenigen Menschen, die den normalen Arbeitsbedingungen nicht oder noch nicht gewach-<br />
sen sind. Die wichtigste Einrichtung zur Wiedereingliederung psychisch Erkrankter sind die<br />
so genannten „geschützten Werkstätten“ (therapeutische Ateliers). Diese bieten den Klienten<br />
einerseits langfristige Beschäftigungsmöglichkeiten, andererseits werden Arbeitstraining und<br />
berufsvorbereitende Massnahmen durchgeführt. Diese verfolgen das Ziel, psychisch Kranke<br />
wieder auf die Eingliederung auf dem primären Arbeitsmarkt vorzubereiten.<br />
Es braucht des Weiteren aber auch Angebote zur Begleitung von Erkrankten bei ihrem Wie-<br />
dereinstieg auf dem freien Arbeitsmarkt. Dies kann einerseits durch sozialpsychiatrische Be-<br />
ratungsstellen oder durch spezifische berufsbegleitende Angebote (Supported Employment)<br />
geschehen. Ein kleiner Teil der psychisch Kranken kann sich trotz rehabilitativer Hilfen nicht
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 36<br />
mehr auf dem freien Arbeitsmarkt behaupten. In den letzten Jahren sind deshalb so genann-<br />
te Selbsthilfefirmen entstanden, die Dauerarbeitsplätze für solche Patienten schaffen.<br />
1.9 Indikatoren zur Messung des psychiatrischen Standes in der Psychiatrie im<br />
europäischen Vergleich<br />
In Europa ist in den vergangenen Jahren eine Enthospitalisierungsbewegung zu beobachten,<br />
die in manchen Ländern schneller, in anderen langsamer vorangegangen ist. Hauptursachen<br />
für diese Enthospitalisierung, Verkleinerung und auch Schliessung von psychiatrischen<br />
Grosskrankenhäusern waren die Entdeckung der Psychopharmaka in den 50er Jahren des<br />
vergangenen Jahrhunderts, des Weiteren Kostenüberlegungen und schliesslich Reformbe-<br />
wegungen, die auf den vorher genannten versorgungspolitischen Grundsätzen und den Er-<br />
kenntnissen der im Kap. 3.2 erwähnten Versorgungsforschung beruhten.<br />
Zu den quantitativen Indikatoren, die den jeweils erreichten Stand der psychiatrischen Ver-<br />
sorgung aufzeigen, gehören u.a.:<br />
• die Zahl der psychiatrischen Betten;<br />
• die Grösse der Krankenhäuser bzw. Anzahl psychiatrischer Fachabteilungen in<br />
Allgemeinkrankenhäusern;<br />
• die durchschnittliche Verweildauer in stationärer Behandlung;<br />
• die Anzahl ausserstationärer Angebote;<br />
• die Anzahl Zwangseinweisungen.<br />
Vergleichende Zahlen im Hinblick auf die psychiatrische Versorgung in verschiedenen euro-<br />
päischen Ländern sind einerseits sehr spärlich und weisen andererseits starke Abweichun-<br />
gen gegenüber anderen Publikationen auf. Dabei wird die epidemiologische Hauptproblema-<br />
tik (vgl. Kap. 3.1.2) deutlich, weshalb Verzerrungen aufgrund unterschiedlicher Erhebungs-<br />
verfahren und Kriterien zur Berechnung von Daten nicht auszuschliessen sind. Da keine ak-<br />
tuelle Tabelle mit Daten betreffend Luxemburg im Vergleich zu anderen europäischen Län-<br />
dern zur Verfügung stand, werden die Daten der aktuellen Erhebung (Kap. 5) herangezogen.<br />
Psychiatrische Betten in Europa<br />
Im Jahre 2004 wurden gemäss WHO-Atlas in ganz Europa auf 1 000 Einwohner im Durch-<br />
schnitt noch 0.87 psychiatrische Betten vorgehalten. Die Verfügbarkeit stationärer Behand-<br />
lungsplätze variiert dabei von 0.17 pro 1 000 Einwohner (ausschliesslich Akutbetten) in Ita-<br />
lien bis zu 1.3 pro 1 000 Einwohner in der Niederlande. Unten stehende Tabelle weist die<br />
Bettenzahlen gemäss dem neusten Bericht des BMJ auf:
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 37<br />
Tabelle 4: Anzahl psychiatrischer Betten pro 1 000 Einwohner<br />
Jahr England Deutschland Italien Niederlande Spanien Schweden<br />
1990 1.3 1.4 0.04 (1992) 1.6 0.6 1.7<br />
2001 0.6 1.2 0.05 1.3 0.4 0.6<br />
% Veränderung -52 -10 18 -15 -28 -65<br />
Quelle: BMJ, <strong>2005</strong> (http://bmj.bmjjournals.com/cgi/reprint/330/7483/123.pdf)<br />
Die Tabelle zeigt eine deutliche Abnahme der psychiatrischen Krankenhausbetten in allen<br />
Ländern, abgesehen von Italien, welche die Psychiatriereform bereits vor 1990 vorangetrie-<br />
ben hatte (Weiteres zu Italien siehe Kap 3.4). Damit entsprechen fast alle Staaten dem<br />
WHO-Standard, der zwischen 0.5 und 1 Bett pro 1 000 Einwohner liegt. Betrachtet man die<br />
Anzahl Akutbetten, so liegt Luxemburg mit einer Bettenverteilung von 0.37 / 1 000 Einwohner<br />
deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. Werden hingegen die Rehabilitationsbetten<br />
mitgezählt, so weist Luxemburg eine totale Bettenquote von 0.98 aus (Quelle: Ergebnisse<br />
der Bestandeserhebung, Kap. 5.2.6).<br />
Grösse der psychiatrischen Krankenhäuser / Anzahl psychiatrischer Abteilungen<br />
Ein weiterer, teilweise mit der Reduktion der Betten zusammenhängender Indikator für psy-<br />
chiatrische Reformen ist die abnehmende durchschnittliche Grösse psychiatrischer Kranken-<br />
häuser. In England, Italien, Schweden und einigen Regionen Spaniens wurden dabei in den<br />
letzten Jahren auch psychiatrische Spitäler geschlossen. Gleichzeitig stieg in verschiedenen<br />
Ländern die Bedeutung psychiatrischer Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern für die A-<br />
kutbehandlung psychisch Kranker. Die Länder zeichnen sich dabei durch grosse Unterschie-<br />
de aus, weshalb Daten der WHO zurzeit europaweit noch immer von 70.5% der Betten in ei-<br />
nem psychiatrischen Krankenhaus, 10.1% in Allgemeinkrankenhäusern und 19.4% in sonsti-<br />
gen Einrichtungen ausgehen. Die Bedeutung psychiatrischer Abteilungen für die Akutbe-<br />
handlung psychisch Kranker ist deshalb besser daran zu messen, welche Anteile der statio-<br />
nären Versorgung von ihnen getragen werden. Luxemburg liegt gemäss den Ergebnissen<br />
der Bestandeserhebung (Kap. 5) mit 36.2% der Betten in Allgemeinkrankenhäusern, 51.7%<br />
im psychiatrischen Fachkrankenhaus und 12.1% in anderen Einrichtungen (z.B. suchtspezi-<br />
fische Einrichtungen) im europäischen Durchschnitt. Sie führten im Jahr 2004 jedoch bereits<br />
rund 80% der Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern mit und ohne psychiatrische Abtei-<br />
lungen durch.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 38<br />
Durchschnittliche stationäre Verweildauer<br />
In deutlichem Zusammenhang mit Art und Umfang der Bettenreduktion steht die durch-<br />
schnittliche Verkürzung der Verweildauer in stationären Einrichtungen. In Ländern, in denen<br />
eine grosse Zahl chronisch psychisch Kranker in ausserstationäre Einrichtungen entlassen<br />
werden konnte, macht sich die Verkürzung der Verweildauer besonders bemerkbar. Grund-<br />
sätzlich nahm in nahezu allen europäischen Ländern die durchschnittliche Verweildauer in<br />
stationären Einrichtungen ab. Auch in Luxemburg weisen die Allgemeinkrankenhäuser im<br />
Gegensatz zu 1992 eine bemerkenswert kurze durchschnittliche Aufenthaltsdauer von rund<br />
15 Tagen auf. Demgegenüber zeigen sich im psychiatrischen Fachkrankenhaus noch immer<br />
Aufenthaltsdauern bis zu 30 Jahren (siehe Kap. 5).<br />
Ausserstationäres Angebot<br />
Die meisten Länder Europas verfügen als Folge der psychiatrischen Reformen inzwischen<br />
über sozialpsychiatrische gemeindenahe Zentren und über einen gut ausgebauten komple-<br />
mentären Bereich. Gemäss den Richtlinien der WHO muss von mindestens 0.3 bis 0.5<br />
Wohnplätzen pro 1 000 Einwohner allein für die langfristige Pflege chronisch Kranker ausge-<br />
gangen werden. Bei der Personalausstattung ist mindestens ein Betreuer für 2–4 Plätze ein-<br />
zustellen (siehe u.a. Rössler et al., 1992).<br />
Nicht alle europäischen Länder entsprechen diesen Standards. Aus der untenstehenden Ta-<br />
belle ist jedoch eine Zunahme an zusätzlichen Wohnstrukturen in allen Ländern ersichtlich.<br />
Diese variiert von 15% in Schweden bis zu 237% neuer Wohnstrukturen in Italien. Auch Lu-<br />
xemburg liegt trotz einem Ausbau des Wohnbereiches um 19% (1992: 0.06) mit einer Rate<br />
von 0.25 / 1 000 Einwohner unter den versorgungspolitischen Standards der WHO (Näheres<br />
siehe Kap. 5).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 39<br />
Tabelle 5: Anzahl betreute Wohnplätze<br />
Anzahl Wohnplätze pro 10 000 Einwohner in sechs europäischen Ländern im Jahre 1990 und 2002<br />
Jahr England Deutschland Italien Niederlande Spanien Schweden<br />
1990<br />
15.9<br />
(1997)<br />
8.9 8.8 24.8 (1992) 5.1 (1994) 76.0 (1997)<br />
2002 22.3 17.9 31.8 43.8 12.7 88.1<br />
Veränderung % +40 +101 +259 +77 +149 +15<br />
Quelle: BMJ, <strong>2005</strong> (http://bmj.bmjjournals.com/cgi/reprint/330/7483/123.pdf)<br />
Zwangseinweisungen<br />
Die Häufigkeit von Zwangseinweisungen psychiatrischer Patienten ist international sehr un-<br />
terschiedlich, was u.a. auch an den unterschiedlichen gesetzlichen Definitionen liegen muss.<br />
Sie reicht von 18.4 Zwangseinweisungen pro 100 000 Personen in Italien bis zu 190.5<br />
Zwangseinweisungen pro 100 000 Einwohner in Deutschland im Jahre 2001. Luxemburg<br />
weist mit einer Zwangseinweisungsrate von 100 pro 100 000 Einwohner neben Deutschland<br />
eine der höchsten Zwangseinweisungsrate im europäischen Vergleich auf (siehe Kap. 5).<br />
Tabelle 6: Zwangseinweisungen<br />
Anzahl Zwangsweinweisungen pro 100 000 Bevölkerung in 6 Ländern in den Jahren 1990 und 2001<br />
Jahr England Deutschland Italien Niederlande Spanien<br />
1990 40.5 (1991) 114.4 (1992) 20.51 16.4 33.8<br />
2001 50.3 190.5 18.4 19.1 (1999) 31.8 32.4<br />
% Verän-<br />
derung<br />
+24 +67 -12 +16 -6 -17<br />
Quelle: BMJ, <strong>2005</strong> (http://bmj.bmjjournals.com/cgi/reprint/330/7483/123.pdf)<br />
Schwe-<br />
den<br />
39.0<br />
(1992)
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 40<br />
Finanzierung der psychiatrischen Versorgung<br />
In Europa fliessen zwischen 5 und 10% aller Gesundheitsausgaben in die Psychiatrieversor-<br />
gung (Quelle: Atlas of Health in Europa. WHO, Regional office for Europe, Copenhagen,<br />
2003, pp 105 oder http://www.euro.who.int/document/e797876.pdf).<br />
1.9.1 Zusammenfassung<br />
Gemäss den obgenannten Quellen (u.a. BMJ, <strong>2005</strong>) werden in ganz Europa auf 1 000 Ein-<br />
wohner im Jahre 2004 noch 0.87 psychiatrische Betten vorgehalten. Dabei befinden sich<br />
70.5% der Betten in psychiatrischen Krankenhäusern und psychiatrischen Fachabteilungen,<br />
10.1% in Allgemeinkrankenhäusern, 19.4% in sonstigen Einrichtungen. Die Verfügbarkeit<br />
stationärer psychiatrischer Behandlungsplätze variiert von 0.17 pro 1 000 Einwohner (aus-<br />
schliesslich Akutbetten) in Italien bis zu 1.3 pro 1 000 Einwohner in den Niederlanden. In<br />
verschiedenen Ländern wie z.B. England, Italien, Schweden wurden psychiatrische Anstalten<br />
geschlossen, in anderen Ländern zumindest die Zahl der Betten reduziert. Fast alle Länder<br />
der europäischen Union verfügen als Folge unterschiedlicher psychiatrischer Reformen in-<br />
zwischen über gemeindepsychiatrische Zentren und stützen sich in der einen oder anderen<br />
Weise auf das Prinzip des Sektorisierung oder des Einzuggebietes. Die Zahl der<br />
Zwangseinweisungen variiert hingegen von Land zu Land und hat trotz den Leitlinien der<br />
WHO in manchen Ländern sogar zugenommen. In den Ländern der europäischen Union<br />
fliessen zwischen 5 und 10% aller Gesundheitsausgaben in die psychiatrische Versorgung.<br />
1.10 Komparatistischer Exkurs: Italien, Deutschland und Schweiz<br />
Ziel des folgenden Kapitels ist es, anhand von drei ausgewählten Beispielen einerseits Ver-<br />
gleichsmöglichkeiten zu schaffen und anderseits mögliche Ansatzpunkte für Veränderungen<br />
des luxemburgischen Psychiatriesystems hervorzuheben. Die Daten werden nicht explizit ei-<br />
nem Vergleich zu Luxemburg unterzogen, sondern dienen als Anregungen für den interes-<br />
sierten Leser. Die drei Beispiele sind dabei in unterschiedlichen Aspekten von Bedeutung:<br />
• Am Beispiel Italien interessiert vornehmlich die Bedeutung der politischen Bewegung<br />
hinsichtlich der systematischen und äusserst rasant umgesetzten Psychiatriereform.<br />
• Am Beispiel Deutschland interessiert die Entwicklung eines adäquaten Personalbe-<br />
messungsinstrumentes.<br />
• Am Beispiel der Schweiz lassen sich aufgrund von vergleichbaren sozioökonomi-<br />
schen und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen idealerweise Vergleiche mit<br />
Luxemburg anstellen.<br />
1.10.1.1 Beispiel: Italien
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 41<br />
Die Psychiatriereform in Italien hat in den vergangen Jahrzehnten weltweit grosse Aufmerk-<br />
samkeit erlangt. Die Psychiatriereform beruhte dabei auf einer politischen Bewegung enga-<br />
gierter und sozialkritisch ausgerichteter Ärzte. Diese Bemühungen mündeten 1978 in ein<br />
Psychiatriereformgesetz der italienischen Verfassung und brachten eine drastische Neu-<br />
strukturierung der psychiatrischen Landschaft binnen weniger Jahre mit sich.<br />
Das psychiatrische Reformgesetz von 1978 traf vier Hauptentscheidungen (Girolamo, 2001):<br />
• allmähliches Auslaufen-Lassen der psychiatrischen Krankenhäuser durch Aufnahme-<br />
stopp für alle Neuaufnahmen;<br />
• Erstellen bzw. Schaffen von psychiatrischen Stationen in Allgemeinkrankenhäusern<br />
mit max. 15 Betten;<br />
• Begrenzung und strengere Kontrolle von Zwangseinweisungen und<br />
• Aufbau von psychiatrischen Gemeindezentren für die psychiatrische Versorgung ei-<br />
nes geographisch definierten Gebietes.<br />
Betrachtet man die unten stehende Tabelle, so wird der enorme Abbau der psychiatrischen<br />
Krankenhäuser bei gleichzeitigem Ausbau der psychiatrischen Fachabteilungen und des<br />
ausserstationären Sektors deutlich. Diesen Trend spiegelt auch die rigorose Enthospitalisie-<br />
rung wider, wobei die Zahl der hospitalisierten Patienten von 0.85 im Jahre 1982 auf 0.2 im<br />
Jahre 2000 (Hinterhuber et al., 2001) sank.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 42<br />
Tabelle 7: Gegenüberstellung der psychiatrischen Einrichtungen in Italien<br />
der Jahre 1978 und 1998<br />
1978 1998<br />
Psychiatrische Krankenhäuser 101 50<br />
Zahl der aufgenommenen Patienten 77 000 10 000<br />
Zentren für psychische Gesundheit 248 740<br />
Psychiatrische Krankenhausabteilungen 3 319<br />
Tageskliniken und Tagesstätten 9 589<br />
Wohnheime und Wohngemeinschaften 53 640<br />
Neuropsychiatrische Sanatorien & Privatkliniken 64 71<br />
Sozialpsychiatrische Genossenschaften 10 500<br />
Quelle: Hinterhuber et al. (2001, S. 502)<br />
Aufgrund dieser umfassenden Umsetzung der gemeindepsychiatrischen Grundsätze galt und<br />
gilt Italien seit geraumer Zeit als Vorbild für die Psychiatriereformen der europäischen Län-<br />
der, wohingegen immer wieder auf die immense Bedeutung politischer Bewegungen im Zu-<br />
sammenhang mit Transformationsprozessen hingewiesen wird.<br />
1.10.1.2 Beispiel: Deutschland<br />
Der grundlegende Wandel in der psychiatrischen Versorgung fand in Deutschland im Ge-<br />
gensatz zu Italien mit 15–20 Jahren Verspätung im Jahre 1975 statt. Im Rahmen der Psychi-<br />
atrieenquète, einer umfangreichen Bestandeserhebung, erfolgte eine modellhafte Planung<br />
der psychiatrischen Versorgung. Dabei wurden explizit umschriebene Leitlinien formuliert<br />
und Massnahmen zur Umsetzung erarbeitet, deren Realisierung wissenschaftlich begleitet<br />
und von speziell dafür eingesetzten Instanzen kontrolliert wurde.<br />
Während auf der einen Seite die psychiatrischen Abteilungen in Allgemeinkrankenhäusern<br />
von 21 (1971) auf 165 (2001) mit 80 Betten pro Abteilung zugenommen haben, so reduzier-<br />
ten die psychiatrischen Krankenhäuser auf der anderen Seite ihre Grösse von 1200 (1971)<br />
auf 200–400 Betten (2001). Um die 85% der allgemeinmedizinischen Dienste übernehmen<br />
heute die Vollversorgung für ein Einzugsgebiet, wobei keine Trennung zwischen Kurz- und
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 43<br />
Langzeitbehandlung gemacht wird. Die Anzahl Betten hat sich seit dem Beginn der Psychiat-<br />
riereform halbiert. Der Bettenschlüssel ist von 1.6 Betten pro 1 000 Einwohner (1971) auf<br />
0.73 Betten / 1 000 Einwohner (1996) gesunken. Es sind dabei aber regionale Unterschiede<br />
festzustellen, die zwischen 0.5–1 Bett pro 1 000 Einwohner variieren. Diese doch relativ ho-<br />
he Zahl an Betten im europäischen Vergleich ist darauf zurückzuführen, dass die Vollversor-<br />
gung durch die psychiatrischen Dienste auch Substanzstörungen und gerontopsychiatrische<br />
Erkrankungen integriert, wobei diese zwischen 30 und 50% der Hospitalisationen ausma-<br />
chen (Bauer et al., 2001).<br />
Von grosser Bedeutung in der psychiatrischen Versorgungsplanung ist die Implementierung<br />
eines neuen Personalbemessungsinstrumentes der Psychiatrischen Personalverordnung<br />
(Psych-PV) als Konsequenz der Personalreform. Diese soll nachfolgend näher erläutert wer-<br />
den:<br />
Die Pflegepersonalverordnung (PPR) ist im Jahr 1993 als Folge der massiven Proteste aus<br />
dem Pflegebereich gegen unzumutbare Arbeitsbedingungen, hohe Fluktuationen und einem<br />
unzumutbaren Personalmangel wirksam geworden. Damals wurde erkannt, dass die Per-<br />
sonalbemessung an den diagnostischen und therapeutischen Bedürfnissen der Patienten<br />
und nicht an der Anzahl Betten zu orientieren ist. Die Deutsche Psychiatrieenquète hat dabei<br />
im Jahre 1991 Empfehlungen zur Personalausstattung der stationären psychiatrischen<br />
Dienste ausgearbeitet, die zu einer Veränderung des Bundesarbeitsinstrumentes für statio-<br />
näre psychiatrische Dienste und Krankenversicherungen führte. Ziel war es, die Qualität der<br />
psychiatrischen Behandlung durch ein ausreichendes Niveau an Personal zu gewährleisten.<br />
Dabei wurden drei Gruppen von Patienten definiert (Kunze & Kaltenbach, 2003): Allgemeine<br />
Erwachsenenpsychiatrie (A), Substanzstörungen (S) und Gerontopsychiatrie (G). Alle Patien-<br />
ten dieser Gruppen wurden dann in folgende Kategorien eingeteilt:
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 44<br />
Tabelle 8: Behandlungsbereiche und -gruppen nach Psych-PV<br />
Personalbemessungsbereiche der Psych-PV<br />
Allgemeine Psychiatrie Abhängigkeitskranke Gerontopsychiatrie<br />
A1 Standardbehandlung S1 Standardbehandlung G1 Standardbehandlung<br />
A2 Intensivbehandlung S2 Intensivbehandlung G2 Intensivbehandlung<br />
A3 Rehabilitative Behandlung S3 Rehabilitative Behandlung G3 Rehabilitative Behandlung<br />
A4<br />
Langzeitbehandlung<br />
schwer- und mehrfach-<br />
kranker Menschen<br />
S4<br />
Langzeitbehandlung<br />
schwer- und mehrfach-<br />
kranker Menschen<br />
G4<br />
Langzeitbehandlung<br />
schwer- und mehrfach-<br />
kranker Menschen<br />
A5 Psychotherapie S5 Psychotherapie G5 Psychotherapie<br />
A6<br />
Tagesklinische Behand-<br />
lung<br />
Quelle: Kunze & Kaltenbach (2003)<br />
S6<br />
Tagesklinische Behand-<br />
lung<br />
G6<br />
Tagesklinische Behand-<br />
Diese drei Gruppen und sechs Behandlungskategorien resultierten in 18 Behandlungsberei-<br />
chen bzw. Personalbemessungsgruppen. Diese sind definiert durch die Zielgruppe („Kran-<br />
ke“), die „Behandlungsziele“ sowie die darauf typischerweise ausgerichteten „Behandlungs-<br />
mittel“. Für jede dieser Behandlungskategorien wurden Minutenwerte pro Woche berechnet.<br />
Diese wurden der Zusammensetzung der Patientengruppe entsprechend den verschiedenen<br />
Berufsgruppen zugeteilt. Anders formuliert definiert die Psych-PV den Personalbedarf an-<br />
hand von Arbeitsminiuten je Patient und Woche je Berufsgruppe. Gemäss Friedrich & Rei-<br />
nermann (wido.de/fileadmin/wido/downloads/ pdf_praevention/wido_pra_psych_vergl_1104.pdf) variiert<br />
der Anteil der Berufsgruppen am Leistungskomplex „Behandlungsgruppe“ stark: So machen<br />
z.B. die Leistungen von Ärzten und Psychologen in A2 („Allgemeinpsychiatrie“: Intensivbe-<br />
handlung) zusammen 17% der Gesamtminuten aus, in der A5 („Allgemeine Psychiatrie: Psy-<br />
chotherapie) dagegen 43%. Pflegerische Leistungen decken 70% (A2) bzw. 33% (A5) ab.<br />
Die Psych-PV beinhaltet äquivalente Personalstandards für die Kinder- und Jugendpsychiat-<br />
rie. Dabei werden jedoch nur sieben Behandlungsbereiche unterschieden:<br />
• Kinderpsychiatrische Standard- und Intensivbehandlung<br />
• Jugendpsychiatrische Standardbehandlung<br />
• Jugendpsychiatrische Intensivbehandlung<br />
• Rehabilitative Behandlung<br />
lung
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 45<br />
• Langdauernde Behandlung Schwer- und Mehrfachkranker<br />
• Eltern-Kind-Behandlung<br />
• Tagesklinische Behandlung<br />
Die Verordnung gilt dabei für folgende Berufsgruppen:<br />
• Ärzte<br />
• Pflegefachkräfte, Erziehungsdienst*, Psychologen<br />
• Ergotherapeuten<br />
• Bewegungstherapeuten, Physiotherapeuten<br />
• Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Heilpädagogen*<br />
• Sprachheiltherapeuten*, Logopäden*<br />
(*nur in Kinder- und Jugendpsychiatrie)<br />
Diese neue Bemessungsgrundlage für den Personalschlüssel wurde ein bindender Standard<br />
für Krankenversicherungen und das Spitalmanagement. Das Personal, welches vor der neu-<br />
en Berechnungsweise 24% unter dem für eine adäquate Betreuung notwendigen Personal-<br />
schlüssel lag, wurde dann stufenweise über 5 Jahre hinweg rekrutiert. Dieser Trend verlief<br />
dabei parallel zum Abbau psychiatrischer Betten, so dass eine drastische Änderung in Rich-<br />
tung intensivere Behandlung vollzogen werden konnte. In den drei Jahren von 1993 bis Ende<br />
1995 wurden durch diese neue Berechnungsmethode 20 000 bis 25 000 neue Stellen im<br />
Krankenhausbereich für die Pflege geschaffen (Bartholomeyczik, 1998).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 46<br />
Tabelle 9: Personalanpassung an Psych-PV<br />
Personal in 115 stationären Diensten vor- und nach Personalreform<br />
Personal 1990 1995 Differenz in %<br />
Psychiatrische Fachärzte 1 630 2 334 +43<br />
Pflegefachkräfte 11 577 13 613 +18<br />
Psychologen 408 541 +33<br />
Egotherapeuten 872 1 231 +41<br />
Physiotherapeuten 320 401 +25<br />
Sozialarbeiter 445 818 +84<br />
Veränderung in % 15 253 18 939 +24<br />
Quelle: Bauer et al. (2001, S. 32)<br />
1.10.1.3 Beispiel: Schweiz<br />
In der Schweiz gibt es 60 psychiatrische Kliniken und ärztlich geleitete Suchtkliniken. Dabei<br />
stellen die psychiatrischen Kliniken gemäss der administrativen Spitalstatistik des Bundes-<br />
amtes für Statistik im Jahr 2001 8 125 Bettenplätze zur Verfügung, was einer Bettenanzahl<br />
von 1.1 pro 1 000 Bevölkerung entspricht. Dabei sind jedoch bedeutende regionale Unter-<br />
schiede zu verzeichnen. Die im internationalen Vergleich grosse Anzahl Betten ist nicht nur<br />
unter dem Aspekt des Reichtums des Landes, sondern auch unter dem Blickwinkel föderalis-<br />
tischer Strukturen und direktdemokratischer politischer Steuerung zu sehen.<br />
Auch in Bezug auf die ambulante Versorgung weist die Schweiz eine hohe Dichte an Psychi-<br />
atern (2.3 / 10 000) und Psychotherapeuten (6.7 / 10 000) auf.<br />
Anzahl Hospitalisationen, Behandlungsepisoden und Aufenthaltsdauer<br />
2001 wurden 6.5 Personen pro 1 000 Einwohner psychiatrisch hospitalisiert (Bundesamt für<br />
Statistik, 2003). Diese Hospitalisationsrate ist im internationalen Vergleich relativ hoch, wobei<br />
auch hier regionale wie auch soziodemographische Unterschiede zu verzeichnen sind (Rü-<br />
esch & Manzoni, 2001).<br />
Im Jahre 1998 erlitten 75% der erkrankten Personen eine Behandlungsepisode, 16% zwei<br />
und 10% zwischen drei und 66 Behandlungsepisoden. Es existieren dabei unterschiedliche<br />
Aufenthaltsmuster von wenigen langen bis zu vielen kurzen Aufenthalten (Christen & Chris-<br />
ten, 2003). Die Aufenthaltsdauer ist deshalb äusserst schief verteilt. Die Hälfte aller Patienten
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 47<br />
blieben zwischen einem und 23 Tagen in den Kliniken, 20.9% länger als 60 Tage, 4.4% über<br />
ein halbes Jahr und 1.6% über ein Jahr (Sturny et al, 2004). Die Aufenthaltsdauer betrug da-<br />
bei im Kanton Zürich in den psychiatrischen Kliniken im Schnitt 24 Tage, in den Psychothe-<br />
rapiestationen 230 Tage und in den Suchtinstitutionen 45 Tage.<br />
Zwangseinweisungen<br />
Im Jahr 2000 fanden 18,6% aller Eintritte unfreiwillig, d.h. aufgrund des so genannten „für-<br />
sorgerischen Freiheitsentzugs“ statt.<br />
Kosten der stationären psychiatrischen Versorgung<br />
Insgesamt verursachte im Jahr 2001 die stationäre psychiatrische Versorgung 10.1% an den<br />
gesamten Ausgaben der Krankenhäuser (Meyer & Hell, 2004).<br />
2.6 Fazit für Luxemburg<br />
• Am Beispiel Italiens zeigt sich die enorme Bedeutung des von einer breiten Basis<br />
mitgetragenen für Transformationsprozesses sowie der Stellenwert einer umfassen-<br />
den Partizipation der verschiedenen Leistungserbringer. Dabei zeigt sich auch der<br />
zentrale Stellenwert einer starken Lobby, die Zusammenarbeit der verschiedenen<br />
Leistungserbringer und die Fokussierung auf ein gemeinsames Ziel.<br />
• Am Beispiel Deutschlands wird die modellhafte Planung der Psychiatriereform deut-<br />
lich. In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung von explizit formulierten Richtlinien<br />
und Massnahmen und die Notwendigkeit systematischer Begleitung und Kontrolle der<br />
Umsetzung hervorzuheben.<br />
• Zu einer adäquaten Betreuung von psychisch erkrankten Menschen ist genügend<br />
Personal erforderlich. Das Beispiel der Psychiatrischen Personalverordnung Deutsch-<br />
lands liefert nicht nur ein adäquates Personalbemessungsinstrument, welches sich an<br />
den diagnostischen und therapeutischen Bedürfnissen der Patienten orientiert, son-<br />
dern zeigt zugleich konkrete Umsetzungsmöglichkeiten für eine umfassende Perso-<br />
nalreform auf.<br />
• Die Schweiz liefert Vergleichsmöglichkeiten, an denen sich das psychiatrische Ge-<br />
sundheitssystem Luxemburgs orientieren kann. Dies macht insofern Sinn, als dass<br />
die Schweiz vergleichbare sozioökonomische und gesundheitspolitische Rahmenbe-<br />
dingungen aufweist.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 48<br />
Rahmenbedingungen einer Reform der psychiatrischen Versorgung in<br />
Luxemburg<br />
1.11 Allgemeine Strukturbeschreibung<br />
Mit einer Gesamtfläche von 2 586 km 2 , einer Nord-Süd-Ausdehnung von 82 km sowie einer<br />
maximalen Ost-West-Entfernung von 57 km ist Luxemburg der kleinste Mitgliedsstaat der<br />
Europäischen Union. Mit einer Gesamtlänge der Grenzen von 356 km grenzt Luxemburg an<br />
Frankreich, Deutschland und Belgien (STATEC, 2004).<br />
Politisch und verwaltungstechnisch ist Luxemburg in drei Distrikte (Luxemburg, Diekirch und<br />
Grevenmacher) gegliedert, die sich wiederum in 12 Kantone unterteilen. Insgesamt gibt es in<br />
Luxemburg 118 Gemeinden und Kommunen (STATEC, 2004).<br />
Abbildung 2: Politische und verwaltungstechnische Gliederung Luxemburgs<br />
1.12 Bevölkerungszahl und Verteilung<br />
Angaben zu Wachstum, Anzahl und Verteilung (u.a. Wohnort, Alter, Geschlecht, Nationalität)<br />
der Bevölkerung sind zur Ermittlung der Art von Versorgungsangeboten und zur geeigneten<br />
Platzierung dieser von grosser Bedeutung.<br />
1.12.1 Bevölkerungszahl und -dichte<br />
Die letzte Hochrechnung der Bevölkerungszahl am 1. Januar 2004 belief sich auf 451 600<br />
Einwohner. Dies entspricht einer Bevölkerungsdichte von 174,6 pro km 2 (STATEC, 2004).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 49<br />
Betrachtet man die unten stehenden Tabellen 3 und 4, so wird ein Anstieg der Wohnbevölke-<br />
rung um über 100 000 Einwohner binnen dreissig Jahren deutlich. Dies ist ein im Vergleich<br />
mit benachbarten Ländern eher aussergewöhnliches Wachstum, welches in Luxemburg ins-<br />
besondere während der 90er Jahre von der Norm abwich. Der Zuwachs von 30% ist wesent-<br />
lich höher als die Werte in Belgien oder in Österreich (STATEC, 2003).<br />
Abbildung 3: Veränderung der Wohnbevölkerung seit 1960<br />
.<br />
Abbildung 4: Bevölkerungswachstum in ausgewählten Ländern (1970 = 100.0) (Quelle: Statec, 2004,<br />
S. 65)<br />
Entscheidender Punkt beim Bevölkerungswachstum in Luxemburg ist die hohe Bedeutung<br />
der Zuwanderung. Die Wanderungsströme sind dabei weit höher als die natürliche Fluktuati-<br />
on (z.B. Geburten und Todesfälle). Während die Überschussrate der Geburten im Vergleich<br />
zu den Todesfällen selten über 4‰ liegt, werden beim Wanderungssaldo Spitzenwerte von<br />
bis zu 14‰ erreicht. Diese Wanderungsbewegungen und die starken natürlichen Positivsal-<br />
den der ausländischen Bevölkerung führten zu einem beständigen Zuwachs des Ausländer-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 50<br />
anteils an der Wohnbevölkerung, der von 18,4% im Jahr 1970 auf 37.5% im Jahr 2002 zu-<br />
nahm.<br />
1.12.2 Verteilung der Bevölkerungszahl auf die verschiedenen Regionen<br />
In Luxemburg-Stadt, der grössten Kommune des Landes, lebten im Jahr 2003 77 300 Ein-<br />
wohner, Esch-sur-Alzette zählte 27 900, Dfferdingen 18 900 und Düdelingen 17 500 Einwoh-<br />
ner. Die verbleibende Bevölkerung verteilt sich auf Kleinstädte mit einer Einwohnerzahl von<br />
unter 15 000 und auf ländliche Gebiete, v.a. im nordwestlichen Teil des Landes. Im Vergleich<br />
zu 1992 scheint sich die Bevölkerung entgegen dem weltweiten Trend in Richtung Ballungs-<br />
zentrum eher von der Stadt Luxemburg weg auf die anderen Gemeinden zu verlagern.<br />
1.12.3 Geschlecht- und Altersverteilung<br />
Gemäss den Berechnungen am 1.1.2003 waren 50,7% (227 291) der 448 300 Einwohner<br />
weiblichen und 49,3% (221 009) männlichen Geschlechts.<br />
Wie der unten stehenden Tabelle zu entnehmen ist, zeigt die Altersverteilung die in Indust-<br />
riestaaten typische Zwiebelform mit einer Dominanz der 30–40-Jährigen an.<br />
Abbildung 5: Verteilung der luxemburgischen Wohnbevölkerung nach Altersgruppen und Ge-<br />
schlecht 1.1.2004 (Quelle: STATEC, Luxemburg in Zahlen, 2004)
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 51<br />
1.12.4 Nationalitätenanteile<br />
Aufgrund der geringen Ausdehnung und der geographischen Lage ist Luxemburg seit jeher<br />
ein Land mit einem grossen Anteil an einer ausländischen Bevölkerung. Dabei lässt sich die<br />
nicht-luxemburgische Wohnbevölkerung in drei Gruppen einteilen:<br />
• die traditionellen „Gastarbeiter“, die meist in Landwirtschaft (Nord-Westen, Nord-<br />
Osten), Dienstleistungsgewerbe und Industrie (Süden) tätig sind;<br />
• die Angestellten der internationalen Finanzinstitute (Zentrum);<br />
• die Beamten der internationalen Behörden und Institutionen (Zentrum).<br />
Den stärksten Nationalitätenanteil stellten 2001 mit 58 700 (13.4 %) die Portugiesen. Danach<br />
folgten mit ungefähr gleichen Anteilen von 20 000 resp. 19 000 Einwohnern die Franzosen<br />
und die Italiener, gefolgt von Belgiern und Deutschen. Diese Angaben sind von zentraler Be-<br />
deutung für die Prognosen des mittelfristigen Bevölkerungswachstums.<br />
1.12.5 Haushalte<br />
Das Wissen über die Verteilung der Grösse der Haushalte ist aus der versorgungspolitischen<br />
Perspektive u.a. in Hinblick auf die Laienhilfe und der sozialen Unterstützung (insb. Famili-<br />
ennetzwerk) von zentraler Bedeutung.<br />
In Luxemburg ist in den letzten Jahren ein klarer Trend von Mehrpersonen-Haushalten zu<br />
Einzelhaushalten zu beobachten. Lag im Jahre die Anzahl der im gleichen Haushalt leben-<br />
den Menschen im Jahre 1970 noch bei 3.3 Personen, so wies Luxemburg im Jahre 2001 be-<br />
reits eine Gesamtzahl von 171 953 Haushalten auf mit einer mit einer durchschnittlichen<br />
Grösse von 2.51 Personen (Statistisches Jahrbuch, 2004). Besonders betroffen von dieser<br />
Entwicklung dürften neben Geschäftsleuten aus dem Dienstleistungsbereich (z.B. internatio-<br />
nale Finanzinstitute), v.a. Personen über 65 Jahre und chronisch psychisch kranke Men-<br />
schen sein.<br />
1.13 Bevölkerungsentwicklung<br />
Verlässliche Prognosen über die Luxemburger Bevölkerungsentwicklung der nächsten Jahr-<br />
zehnte sind unverzichtbare Grundlagen für eine Versorgungsplanung im psychiatrischen Be-<br />
reich. Aussagen über die zukünftige Verteilung der Alters- und Bevölkerungsgruppen ermög-<br />
lichen dabei Folgerungen über Prävalenz und Inzidenz psychischer Störungen in den Alters-<br />
kohorten und somit über benötigte Versorgungskapazitäten.<br />
Das Wachstum einer Bevölkerung wird bestimmt von den so genannten natürlichen demo-<br />
graphischen Parametern wie Geburtenzahl, Fruchtbarkeits- und Sterblichkeitsziffern sowie<br />
den stark ökonomisch und politisch beeinflussten Mobilitätsvariablen, d.h. den Wanderungs-<br />
bewegungen (Fort- und Zuzüge über die Landesgrenze).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 52<br />
1.13.1 Natürliche demographische Parameter<br />
Geburten<br />
Die Geburtenrate von 11,8 im Jahre 2003 entspricht dem allgemeinen Trend der letzten Jah-<br />
re und zeigt einen leichten Bevölkerungsrückgang an. Dabei überstieg seit den 90er Jahren<br />
die Zahl der Todesfälle die Geburtenrate, so dass der Geburtenüberschuss auch im Jahre<br />
2003 mit -900 negativ ausfiel (STATEC, 2004).<br />
Fruchtbarkeitsziffern<br />
Die Durchschnittszahl an Kindern je Frau ist dabei seit 1990 mehr oder weniger konstant<br />
geblieben und belief sich im Jahre 2003 auf 1.63.<br />
Sterblichkeit<br />
Wie in allen Industrienationen sind die Sterbequoten in Luxemburg in den letzten Jahrzehn-<br />
ten stark gesunken. Seit 1990 waren jährlich rund 3 700 Todesfälle (Ausnahme 2003) zu<br />
verzeichnen. Dies entspricht einer Sterberate (Todesfälle pro 1 000 Einwohner) von ungefähr<br />
9.0, während sie im Jahre 1989 noch bei ca. 10.5 lag (STATEC, 2003). Angaben der Statec<br />
lassen in Zukunft eine weiterhin konstant niedrige Sterberate, wenn nicht sogar ein leichter<br />
Rückgang der Sterblichkeit erwarten.<br />
Lebenserwartung<br />
Analog zum Rückgang der Sterblichkeit hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung der<br />
luxemburgischen Bevölkerung innerhalb von 30 Jahren bei Männern um acht und bei den<br />
Frauen um sechs Jahre erhöht (STATEC, Gesellschaftsporträt), wobei sie im Jahre 2002 ei-<br />
nen Höchstwert von 74,9 Jahren bei den Männern und von 81 Jahren bei den Frauen, er-<br />
reichte (STATEC, 2004).<br />
1.13.2 Mobilitätsfaktoren<br />
Wanderungsbewegungen<br />
Die Wanderungsbewegungen stellen angesichts des hohen Ausländeranteils und der Anglei-<br />
chung der Fruchtbarkeitsziffern ausländischer und einheimischer Frauen den eigentlich be-<br />
stimmenden Faktor der Bevölkerungsentwicklung dar. Der jährliche Mittelwert des Wande-<br />
rungssaldos (solde migratoire) betrug in den letzten 10 Jahren über 10‰, ganz im Gegen-<br />
satz zu den Ländern der europäischen Union mit einem Mittelwert von ungefähr 2.3‰.<br />
Ein Vergleich des durchschnittlichen jährlichen Wanderungssaldos mit anderen europäi-<br />
schen Ländern veranschaulicht die klare Spitzenposition Luxemburgs, was die Wanderungs-<br />
bewegungen anbelangt.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 53<br />
Abbildung 6: Durchschnittlicher Wanderungssaldo 1990–2000 (Quelle: Statec, 2004)<br />
1.13.3 Entwicklungsprognosen<br />
Gesamtbevölkerung und Nationalitäten<br />
Ausgangspunkt der Bevölkerungsprognosen im statistischen Jahrbuch der STATEC (2004)<br />
ist der Bevölkerungsstand zum 1.1.1995 (406 600 Einwohner). Es ist mit 493 000 im Jahre<br />
2010 bis zu 744 000 Personen im Jahre 2050 zu rechnen.<br />
Abbildung 7: Bevölkerungsprojektion (Quelle: Statistisches Jahresbuch Grossregion, 2004, S. 26)<br />
Fruchtbarkeit: Es wurden zwei Varianten berechnet. Bei der ersten bleibt die Fruchtbarkeit<br />
konstant mit 1,7 Kindern je Frau, bei der zweiten steigt sie von 1,7 bis zu 1,95 im Jahre 2010<br />
und bleibt dann konstant bis 2030.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 54<br />
Sterbewahrscheinlichkeit: Die Lebenserwartung bei der Geburt steigt bei den Männern von<br />
72,4 Jahren im Jahre 1991 auf 77,4 im Jahr 2030, bei den Frauen von 79,1 auf 84,3 Lebens-<br />
jahre.<br />
Wanderungen: Die zentralen Varianten gehen von jährlichen Wanderungssalden zwischen<br />
1 000 und 4 000 Personen aus.<br />
Abbildung 8: Hypothesen über die Wanderungssalden in den nächsten 10 bis 50 Jahren (Quelle:<br />
Statec, 2004)<br />
Altersgruppen<br />
Es ist zu erwarten, dass die über 60-Jährigen zahlenmässig schon bald stärker als die unter<br />
20-Jährigen vertreten sein werden. Dabei ist bereits im Jahre 2020 mit 26,5% von über 60-<br />
Järhigen im Vergleich zu 24% unter 20-Järigen auszugehen. Dies obwohl die luxemburgi-<br />
sche Bevölkerung innerhalb eines Vergleiches der Grossregion (Saarland, Lorraine, Rhein-<br />
land-Pfalz, Allonie, Luxemburg) dank einer starken Zuwanderung von erwerbsfähigen Perso-<br />
nen noch relativ jung und fruchtbar ist und beständig anwächst.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 55<br />
Abbildung 9: Bevölkerungsprojektion: 60 Jahre und älter (Quelle: Statistisches Jahrbuch Grossregion,<br />
2004)<br />
Gesamtlastenquotient<br />
Die Gesamtlastquote (Anzahl Personen über 60 oder unter 20 Jahren auf 1 000 Personen im<br />
Alter zwischen 20 und 59 Jahren) betrug im Jahre 2004 763 und wird gemäss den Progno-<br />
sen der STATEC kontinuierlich steigen (Statistisches Jahrbuch Grossregion, 2004, S. 27).<br />
1.14 Wirtschaft, Beschäftigung, Lebensstandard<br />
Die Versorgungsplanung ist u.a. auch von ökonomischen und beschäftigungspolitischen<br />
Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes abhängig, weshalb Daten zu sozioökonomi-<br />
schen Faktoren unabdingbar sind.<br />
Die nachfolgenden Ausführungen weisen anhand verschiedener Indikatoren (u.a. BIP, Ar-<br />
beitslosigkeit, Sozialausgaben) auf die wirtschaftliche Stärke des Grossherzogtums hin.<br />
1.14.1 Wirtschaftssektoren und Erwerbsbevölkerung<br />
Die Wirtschaftsstruktur Luxemburgs hat wie alle industrialisierten Länder in den letzten Jahr-<br />
zehnten erhebliche Umwälzungen erfahren. Neben einem Rückgang des landwirtschaftlichen<br />
Sektors kommt in Luxemburg ein im Vergleich zu anderen europäischen Ländern überdurch-<br />
schnittliches Wachstum der Dienstleistungen, welche auch beschäftigungspolitisch zum<br />
bedeutendsten Wirtschaftssektor geworden sind, hinzu.<br />
In den Jahren von 1970 bis 2000 hat die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft von<br />
13.1 auf 4.5 um zwei Drittel abgenommen, während die Beschäftigtenzahl im Dienstleis-<br />
tungssektor mehr als das Doppelte stieg. Die Beschäftigtenzahl hat sich seit 1995 sowohl im<br />
industriellen als auch im Dienstleistungsbereich auf einem konstanten Wert um 3.9 resp. um<br />
34.8 eingependelt. Dabei kommt dem internationalen Finanzplatz Luxemburg heute eine ü-<br />
berragende Bedeutung zu. Dieser hat in den letzten drei Jahrzehnten eine markante Zunah-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 56<br />
me von Finanzinstituten mit mehrheitlich internationaler Beteiligung verzeichnet (STATEC,<br />
2004).<br />
Ab Mitte der 80er Jahre und bis zum Jahr 2004 erreichte die durchschnittliche BIP-<br />
Wachstumsrate in Luxemburg ein Rekordniveau von über 5% und lag damit im Vergleich<br />
weit über dem Wachstum der anderen Länder Europas, mit Ausnahme Irlands (Statec,<br />
2004).<br />
Die Wachstumsbeschleunigung impliziert den verstärkten Rückgriff auf eingewanderte Ar-<br />
beitnehmer und Grenzgänger, wobei über ein Drittel der Arbeitsplätze von Grenzgängern be-<br />
setzt ist. Die Anzahl Grenzgänger wuchs von 28 600 im Jahr 1989 auf 106 900 im Jahr 2003.<br />
Das bedeutet einen Anstieg von über 374% (STATEC, 2004). Den grössten Anteil machen<br />
mit 52 000 Personen die Franzosen aus.<br />
Die aussergewöhnliche wirtschaftliche Entwicklung und Prosperität des Landes seit 1985 ist<br />
gemäss einem Bericht der STATEC (2003) auf folgende Faktoren zurückzuführen:<br />
• das anhaltende Wachstum des Finanzsektors;<br />
• ein produktiver und wettbewerbsfähiger Industriesektor;<br />
• ein hohes Niveau und Wachstum der Investitionen;<br />
• relativ geringe Lohnausgaben (Lohnsteuern, Sozialbeiträge);<br />
• eine sinkende globale öffentliche Ausgabenquote und rückläufige öffentliche Ausga-<br />
ben.<br />
1.14.2 Arbeitslosigkeit<br />
Insgesamt umfasste die Erwerbsbevölkerung im Jahre 2003 291 500 Personen. Davon wa-<br />
ren 7 600 arbeitslos. Die offizielle Arbeitslosenquote betrug dabei 3.8%. Obwohl die Arbeits-<br />
losenquote in den letzten Jahren gestiegen ist, bleibt sie innerhalb der EU-Staaten die nied-<br />
rigste.<br />
1.14.3 Lebensstandard<br />
Im Bereich der Indikatoren der reinen „Wirtschaftsleistungen“ – BIP pro Einwohner, sichtbare<br />
Arbeitsproduktivität (BIP/Beschäftigung) – befindet sich Luxemburg an der Spitze der Indust-<br />
rieländer. Im Jahre 2003 wurde in Luxemburg sogar das höchste Bruttoinlandprodukt pro<br />
Kopf der Bevölkerung in Europa erwirtschaftet. Ein Vergleich des Konsums der privaten<br />
Haushalte bzw. des individuellen Konsums (in Kaufkraftstandard KKS ausgedrückt) verdeut-<br />
licht, dass die durchschnittliche Kaufkraft der Bewohner Luxemburgs die durchschnittliche<br />
Kaufkraft der EU im Jahre 2001 um mehr als 42% übertraf (STATEC, 2003).<br />
Im Vergleich mit den europäischen Ländern hat Luxemburg neben Spanien und Irland, ge-<br />
messen am BIP, die geringsten Sozialausgaben.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 57<br />
Abbildung 10: Ausgaben für die soziale Sicherung in den 15 EU Ländern (1999)<br />
(Quelle: Grossregionalstatistik, 2004)<br />
Dennoch weisen Zahlen der STATEC und Angaben der Obdachlosenhilfe<br />
(http://www.caritas.lu) auf eine Zunahme der Sozialhilfeempfänger hin (siehe auch Kap. 4.6).<br />
Darunter dürften sich vermehrt psychisch Kranke befinden, die aktuell nicht zur Erzielung ei-<br />
nes Erwerbseinkommens in der Lage sind. Dazu kommt der zunehmend knappe und teure<br />
Wohnraum in Luxemburg mit einer Durchschnittsmiete von 553 Euro im Vergleich zu 350 Eu-<br />
ro in den anderen Ländern der Grossregion (STATEC, 2004). Dies macht sich – angesichts<br />
der wachsenden Zahl der Ein-Personenhaushalte – besonders gravierend bei Wohnungen<br />
für Alleinstehende bemerkbar und erschwert es psychisch Kranken zunehmend, in den grös-<br />
seren Städten, wo sich die psychiatrischen Versorgungseinrichtungen noch immer mehrheit-<br />
lich konzentrieren, finanzierbaren Wohnraum zu finden.<br />
1.15 Verkehrserschliessung<br />
Die verkehrstechnische Erschliessung spielt für die psychiatrische Versorgungsplanung eine<br />
bedeutende Rolle. Wie im Kapitel 3 bereits erwähnt, zeigen neue Untersuchungen u.a. auf-<br />
grund eigener Studien (Rössler et al., 1991) auf, dass bereits ein Zeitaufwand von mehr als<br />
einer halben Stunde deutlichen Einfluss auf das Inanspruchnahmeverhalten von Patienten<br />
haben kann. Folglich wurde das Netz öffentlicher Verkehrsverbindungen in Luxemburg auf<br />
diese Aspekte hin untersucht.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 58<br />
1.15.1 Strassennetz<br />
Verkehrstechnisch ist vor allem der Süden des Landes gut erschlossen. Autobahnverbindun-<br />
gen bestehen von Luxemburg/Stadt aus in westlicher und in südlicher Richtung bis zur fran-<br />
zösischen Grenze und im Osten bis zur deutschen Grenze. Zusätzlich verlaufen sternförmig<br />
von Luxemburg/Stadt aus Europastrassen in alle Landesteile. Die kleineren Städte und Ort-<br />
schaften vor allem in Norden, Nordwesten und Osten sind über National- und Landstrassen<br />
zu erreichen. Fahrzeiten mit einem PKW über eine Stunde treten von Luxemburg/Stadt v.a.<br />
bei Reisen in den Norden und Nordosten auf. In den letzten Jahren wurde zudem das Stras-<br />
sennetz, v.a. die Autobahnen, massiv ausgebaut, ihre Anzahl verdoppelte sich von 78 im<br />
Jahr 1990 auf 146 im Jahr 2004.<br />
1.15.2 Bahn- und Busverbindungen<br />
Luxemburg verfügt über ein gut ausgebautes Netz öffentlicher Verkehrsmittel. Wie beim<br />
Strassenetz ist jedoch auch hier der südliche Landesteil am besten erschlossen.<br />
Die Hauptstrecken des luxemburgischen Eisenbahnnetzes verlaufen fast alle sternförmig von<br />
der Stadt Luxemburg aus. Busverbindungen bestehen zum Teil parallel zu den Eisenbahnli-<br />
nien, wobei v.a. die ländlichen Gebiete im Norden nur per Bus zu erreichen sind.<br />
1.16 Das Sozial- und Krankenversicherungswesen Luxemburgs<br />
Das Sozialversicherungswesen Luxemburgs teilt sich auf in:<br />
• das Krankenversicherungssystem<br />
• die Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenrente<br />
• die Arbeitslosenversicherung<br />
• die Berufsunfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung<br />
• das garantierte Mindesteinkommen (revenu minimum garanti)<br />
• spezielle Zuschüsse (Pflegeversicherung, Kindergeld, Einkommen für Behinderte)<br />
1.16.1 Die Krankenversicherung<br />
Die Krankenkassen Luxemburgs sind nach Berufen gegliedert, wobei je eine für Landwirt-<br />
schaft und freie Berufe, zwei für Arbeiter und fünf für Angestellte zuständig ist. Es besteht<br />
dabei eine gesetzliche Versicherungspflicht. Davon befreit sind Personen ohne geregelte Ar-<br />
beit (Rössler et al., 1992).<br />
Die einkommensabhängige Beitragshöhe beträgt einheitlich 5.4% des Einkommens, zuzüg-<br />
lich 0.2–4.7% bei Berufstätigen für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle. Die Hälfte dieser
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 59<br />
Beiträge wird vom Arbeitgeber resp. von der zuständigen Rentenkasse übernommen (Quel-<br />
le: UCM).<br />
Die Krankenkassen übernehmen neben den Leistungen für Behandlung und Medikamente<br />
auch die Kosten des Verdienstausfalls (Krankengeld) und die Bestattungskosten. Bei Vorlie-<br />
gen einer medizinischen (z.B. Behandlung in einer Spezialklinik) oder sozialen Indikation<br />
(z.B. Schutz der Privatsphäre) können Behandlungen auf Kosten der Krankenkasse auch im<br />
Ausland durchgeführt werden (Quelle: Angaben des Gesundheitsministeriums).<br />
Grundsätzlich werden alle im Plan Hospitalier vorgesehenen Massnahmen von den Kran-<br />
kenkassen getragen. Genaue Angaben zum Plan Hospitalier sind dem Kap. 4.10 zu entneh-<br />
men (Quelle: Angaben des Gesundheitsministeriums).<br />
1.16.2 Die Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenpension<br />
Die Altersrente wird ab dem 65. Lebensjahr, in Ausnahmefällen auch früher, zuerkannt. Die<br />
Höhe der Leistungen ist dabei von der Dauer der Beitragszahlung abhängig. Auf Wunsch<br />
des Versicherten kann die Pensionierung aber auch bis zum 68. Lebensjahr verzögert wer-<br />
den.<br />
Leistungen der Invalidenkasse werden dann zuerkannt, wenn der Antragssteller infolge einer<br />
Krankheit, Gebrechens oder infolge einer Abnützung seiner Kräfte nicht mehr in der Lage ist,<br />
seinen zuletzt ausgeübten Beruf weiterzuführen und sofern er das 65. Altersjahr noch nicht<br />
überschritten hat. Die Höhe der Rente richtet sich dabei nach Höhe und Dauer der Beitrags-<br />
zahlungen.<br />
Bei der „vorgezogenen Alterspension“ kann in begrenztem, zu der „Regelalterspension“ in<br />
unbegrenztem Umfang hinzuverdient werden. Teilberentungen sind hingegen nicht möglich.<br />
1.16.3 Das garantierte Mindesteinkommen<br />
Das garantierte Mindesteinkommen sind einheitlich finanzierte Zuwendungen für finanz-<br />
schwache Personen. Dies besteht entweder aus einer „Eingliederungspauschale“ oder ei-<br />
nem Zuschuss aus dem „Nationalen Solidaritätsfonds“ zum normalen Einkommen, um das<br />
Mindesteinkommen zu erreichen. Die Höhe des Zuschusses hängt dabei von der Anzahl der<br />
im Haushalt lebenden Personen ab. Leistungsempfänger des garantierten Mindesteinkom-<br />
mens ist dabei jeweils nur ein Mitglied eines Haushaltes. Zurzeit beträgt das Mindestein-<br />
kommen 1024,31 € pro Monat für eine Person, 1536,5 € für einen Haushalt mit zwei Er-<br />
wachsenen und 93,13€ pro Kind. Die Tarife werden dabei jährlich an die Preisentwicklung<br />
angepasst. Die Zahl der Haushalte, die ein garantiertes Mindesteinkommen in Anspruch<br />
nehmen, erhöhte sich von 2 675 (1986) auf 5 853 (2002) um das Doppelte. Dabei lebten im<br />
Jahr 1999 ca. 12% der Haushalte nahe am Existenzminimum (Indikator für „Armutsrisiko)<br />
(Quelle: www.caritas.lu). Luxemburg lag damit im Vergleich der europäischen Union im Mit-<br />
telbereich. Obwohl die Zahl der psychisch Kranken, die von der Sozialhilfe abhängen, nicht<br />
bekannt ist, muss von einer relativ hohen Anzahl ausgegangen werden (STATEC, 2003).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 60<br />
Darunter dürften vorwiegend psychisch Kranke fallen, die aktuell nicht zum Erzielen eines<br />
Erwerbseinkommens fähig sind und sich nicht in stationärer Behandlung befinden.<br />
1.16.4 Spezielle Zuschüsse<br />
Dokumentationen aus dem Gesundheitsministerium weisen zudem auf spezielle Zuschüsse<br />
hin, die in den letzten Jahren eingeführt wurden:<br />
• Doppeltes Kindergeld: Für Kinder unter 18 Jahren, mit einer körperlichen oder geisti-<br />
gen Behinderung von mindestens 50%. Diese erhalten zurzeit 181.08 € pro Monat.<br />
• Pflegeversicherung: Diese wurde im Jahre 1999 rechtsgültig und übernimmt für alle<br />
Altersklassen die Finanzierung von Hilfeleistungen im Bereich Körperhygiene, Ernäh-<br />
rung oder Mobilität. Dabei werden die Pflegedienste entweder direkt oder über die Be-<br />
troffenen bzw. deren Angehörigen finanziert.<br />
• Einkommen für Behinderte: Dieses Gesetz garantiert den Anspruch von Behinderten<br />
auf eine geregelte Arbeit in speziellen Werkstätten oder in Betrieben auf dem freien<br />
Arbeitsmarkt. Das Gesetz ist aktuell noch in Ausarbeitung, weshalb die genauen<br />
Ausübungsbestimmungen noch unklar sind.<br />
1.17 Finanzierung der psychiatrischen Versorgung in Luxemburg<br />
1.17.1 Organisationsstruktur und Trägerschaften<br />
Die Finanzierung der psychiatrischen Versorgung ist in Luxemburg durch ein dualistisches<br />
Finanzierungssystem geprägt. Die Kosten der (teil-)stationären und psychiatrischen Versor-<br />
gung werden dabei von den Krankenkassen übernommen, während der ausserstationäre<br />
Bereich (u.a. Beratungsstellen, Wohneinrichtungen, Werkstätten) zwar von freigemeinnützi-<br />
gen Trägern geführt, jedoch durch Verträge mit den verantwortlichen Ministerien finanziert<br />
wird (ASFT-Gesetz des 8. Septembers 1998, siehe Kap. 4.10).<br />
Dabei hängt die Zuständigkeit eines Ministeriums von der Art der Hilfe einer Einrichtung ab.<br />
So arbeitet das Gesundheitsministerium mit denjenigen Einrichtungen zusammen, deren Auf-<br />
trag vorwiegend medizinisch-psychiatrisch definiert ist (Krankenhäuser, Drogenbereich, Psy-<br />
chiatrie). Dem Familienministerium unterstehen mehrere Einrichtungen im Vorfeld oder im<br />
komplementären Bereich, wie z.B. Alters- und Pflegeheime und Einrichtungen für geistig Be-<br />
hinderte. Das Gleiche gilt für das Sozialministerium, das z.T. auch Funktionen im psychiatri-<br />
schen Vorfeld wahrnimmt. Obwohl die Aufgabenbereiche der Ministerien theoretisch klar ge-<br />
trennt sind, kann es in der Praxis dennoch zu bürokratischen Überschneidungen kommen,<br />
weshalb eine Zusammenarbeit und verstärkte Abstimmung unumgänglich sind.<br />
Was die Finanzierung des Personals anbelangt, so besteht eine Art „Numerus Clausus“, der<br />
über die jährliche Verteilung der Personalstellen im ausserstationären Bereich entscheidet.<br />
Sind zusätzliche Stellen zu schaffen, können diese in einem Kabinettsbeschluss zugespro-<br />
chen werden.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 61<br />
1.17.2 Leistungen und Finanzierung<br />
Ambulant tätige Psychiater werden von den Krankenkassen nach einem Einzelleistungskata-<br />
log bezahlt. Die Krankenhäuser selbst werden hingegen durch Tagespauschalen finanziert.<br />
Die Höhe sowohl der Einzelleistungsgebühren wie auch der Krankenhauspauschalen werden<br />
jährlich in Verhandlungen mit den entsprechenden Verbänden und den Krankenkassen fest-<br />
gelegt. Eine psychotherapeutische Behandlung wird nur dann von den Krankenkassen be-<br />
zahlt, wenn sie von einem Facharzt für Psychiatrie durchgeführt wird. Ausser dem Centre<br />
Hospitalier und dem CHNP kassieren die ambulant tätigen Ärzte (Belegärzte) die Honorare<br />
selbst, also nicht das Krankenhaus. Im ambulanten Bereich verschriebene Medikamente<br />
müssen von den Patienten selbst gekauft werden und werden anschliessend von den Kran-<br />
kenkassen zu 80% zurückerstattet (Quelle: UCM).<br />
Das Pflegepersonal wird in allen Kliniken durch das Personalbemessungsinstrument PRN<br />
(„Projet de recherche en nursing“) berechnet, welches auf internen Erhebungen der einzel-<br />
nen Krankenhäusern beruht. Personelle Unterschiede sind deshalb immer auf ungleiche in-<br />
terne Berechnungen zurückzuführen (Quelle: UCM). Eine Eignungsprüfung dieses Erhe-<br />
bungsinstrumentes für den Bereich Psychiatrie wäre aus verschiedenen Gründen (u.a. erfor-<br />
derliche Multidisziplinarität, Aufwand der Berechnungen) zu bedenken (vgl. u.a. Kap. 6 und<br />
7.4.3).<br />
1.17.3 Fazit<br />
Wie die vorangehenden Ausführungen zeigen, ist die psychiatrische Versorgung in Luxem-<br />
burg durch ein vielschichtiges Versorgungssystem charakterisiert. Dies betrifft sowohl die<br />
Mittelaufbringung, d.h. die beteiligten Kostenträger, als auch den Mitteltransfer, worunter die<br />
Finanzierungsflüsse, -sicherheit und -kontinuität sowie die Vergütungsformen zu verstehen<br />
sind.<br />
Es sind dabei verschiedene Kostenträger in die Finanzierung eingebunden. Neben den öf-<br />
fentlichen Mitteln spielen auch private Mittel der Patienten, z.B. in Form von Selbstbehalten<br />
(bspw. Medikamente), eine wesentliche Rolle. Der Mitteltransfer ist vor allem durch eine<br />
Fragmentierung in unterschiedliche Finanzierungsströme charakterisiert. So werden zum ei-<br />
nen psychiatrische Leistungen des Gesundheitsbereichs getrennt von den Leistungen des<br />
Sozialbereichs finanziert, aber z.B. auch innerhalb der Bereiche „Gesundheit“ finden sich ge-<br />
trennte Finanzierungsmodi (ausserstationärer vs. stationärer Bereich).<br />
Neben den unterschiedlichen Finanzierungsflüssen sind auch die Vergütungsformen für die<br />
einzelnen Einrichtungen/Dienste verschieden gestaltet. Im Gesundheitsbereich besteht so-<br />
wohl im ambulanten als auch im stationären System ein Mischsystem zwischen Einzelleis-<br />
tungsvergütung wie auch Pauschalvergütung, wobei diese unterschiedlich ausgestaltet und<br />
regelmässig neu adaptiert bzw. zwischen den verschiedenen Vertragspartnern neu verhan-<br />
delt werden müssen.<br />
Finanzierungsstrukturen sind auch immer mit spezifischen Anreizen für die beteiligten Akteu-<br />
re – Patienten, Kostenträger und Leistungsanbieter – verbunden. Zum einen steuern die An-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 62<br />
reize die Wahl der Versorgungsebenen, wobei die Versorgung heute eher auf eine Spitals-<br />
zentrierung hin orientiert ist. Durch das bisherige Tarifsystem wird eher ein Anreiz zur Steige-<br />
rung der stationären Fallzahlen gesetzt, wobei seitens des Staates normalerweise wenig In-<br />
teresse besteht, einer krankenhauslastigen Versorgung entgegenzuwirken, weil jede Mehr-<br />
leistung im ausserstationären Bereich eine Ausgabensteigerung bedeutet. Es wird zudem ein<br />
Anreiz gesetzt, die einzelnen Aufenthalte möglichst nicht über eine festegelegte Verweildau-<br />
erobergrenze hinaus zu verlängern, da eine Überschreitung für die jeweiligen Krankenhäuser<br />
aus finanzieller Sicht unattraktiv ist.<br />
1.18 Rechtliche Aspekte der psychiatrischen Behandlung<br />
Das Gesetz über Zwangseinweisungen befindet sich aktuell in Überarbeitung. Da dieses Ge-<br />
setz in Anbetracht der vielen Zwangseinweisungen in Luxemburg jedoch eine wesentliche<br />
Rolle einnimmt, wird kurz auf das bisherige Reglement verwiesen und danach die aktuelle<br />
Handhabung betreffend Zwangseinweisungen skizziert.<br />
1.18.1 Zwangseinweisungen gemäss altem Gesetz<br />
Einweisungsberechtigt sind nach dem alten Gesetz:<br />
• Vormund oder Pfleger;<br />
• Familienmitglieder oder sonstige beteiligte Personen;<br />
• Bürgermeister und öffentliche Sicherheitsbeauftragte (z.B. Polizei);<br />
• Staatsanwaltschaft;<br />
• Vormundschaftsrichter;<br />
• Ärzte (sofern nicht an die zugewiesene Klinik gebunden).<br />
Als Einweisungsgründe gelten dabei Eigen- oder Fremdgefährdung durch psychische Stö-<br />
rungen. Ist eine Person einmal eingewiesen, so überprüft jeweils am Ende einer Beobach-<br />
tungsperiode von 14 Tagen ein Psychiater die Notwendigkeit eines weiteren stationären Auf-<br />
enthaltes. Die maximale Dauer der Beobachtungsperioden beträgt dabei zweimal 14 Tage.<br />
Danach erfolgt die Überprüfung in grösser werdenden zeitlichen Abständen, jeweils in Ab-<br />
sprache mit dem Gericht. Bei Wegfall des Unterbringungsgrundes muss der Patient entlas-<br />
sen werden, wobei er die Behandlung jedoch jederzeit auf freiwilliger Basis fortsetzen kann.<br />
1.18.2 Aktuelle Situation betreffend Zwangseinweisungen<br />
Die Zahl der Zwangseinweisungen betrug im Jahr 2003 rund 545, was also über ein Drittel<br />
aller 1 200 Aufnahmen im CHNP ausmachte (Quelle: CHNP). Auf die Wohnbevölkerung Lu-<br />
xemburgs umgerechnet, ergibt dies eine Rate von rund 100 Zwangseinweisungen pro<br />
100 000 Einwohner. Damit liegt Luxemburg im europäischen Vergleich neben Deutschland
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 63<br />
an der Spitze, wobei auch diese Daten mit Blick auf die unterschiedlichen Gesetze und Be-<br />
rechnungsarten betrachtet werden müssen (vgl. Kap. 3.3).<br />
Gemäss Angaben verschiedener Fachpersonen sind etwa ein Viertel der zwangseingewie-<br />
senen Personen in Luxemburg psychotisch Kranke, in rund der Hälfte der Fälle wird dagegen<br />
übermässiger Drogen- und Alkoholkonsum diagnostiziert. In der Mehrheit der Fälle scheint<br />
eine Zwangseinweisung nicht notwendig, wohingegen eine kurze Zeit der Beobachtung bzw.<br />
Phase der Ausnüchterung ausreichen würde. Seit geraumer Zeit gehen die Forderungen<br />
deshalb in Richtung Reform des geltenden Gesetzes. Das Gesetz muss aufgrund des „Plan<br />
Hospitalier 2001“ ohnehin überarbeitet werden. Dabei werden die vier Allgemeinspitäler<br />
Hospital Kirchberg, Clinique St. Louis, Centre Hospitalier und Centre Hospitalier Emil May-<br />
risch verpflichtet, auch die Verantwortung für unfreiwillig eingewiesene Patienten zu über-<br />
nehmen. Dies ist jedoch erst ab Mitte <strong>2005</strong> bzw. bei Inkrafttreten des neuen Zwangseinwei-<br />
sungsgesetzes durchführbar. Einerseits sind aus technischen und infrastrukturellen Gründen<br />
geschlossene Unterbringungen derzeit nur in der psychiatrischen Fachklinik CHNP möglich.<br />
Andererseits verunmöglicht das bisherige Gesetz für Zwangseinweisungen einem Arzt die<br />
Einweisungen in die eigene Klinik. Zurzeit darf ein Psychiater nur Zwangseinweisungen in<br />
eine Klinik verfügen, an die er nicht liiert ist. Dies kann nicht mehr funktionieren, wenn der<br />
Dienst tuende Psychiater eines Akutkrankenhauses im Bereitschaftsdienst Patienten in des-<br />
sen geschlossene Abteilungen einweisen soll. Dieses Gesetz ist deshalb seit Ende 2004 in<br />
Überarbeitung.<br />
1.19 Die Ausbildung medizinischer und psychiatrischer Fachkräfte<br />
Da Luxemburg keine eigene Universität besitzt, sind alle in Luxemburg tätigen Psychiater<br />
und Psychologen an ausländischen Hochschulen ausgebildet. Demzufolge unterscheiden<br />
sich die Ausbildungen der psychiatrischen Fachkräfte zum Teil stark voneinander. Im psy-<br />
chotherapeutischen Bereich führt dies zu einer deutlichen Heterogenität, da die Therapeuten<br />
den unterschiedlichen Schulen und Anforderungen der jeweiligen Ausbildungsländer ver-<br />
pflichtet sind. Psychiater haben jedoch die Möglichkeit, nach dem Studium einen Teil der<br />
Facharztausbildung in Luxemburg zu absolvieren.<br />
Die Ausbildung zur psychiatrischen Fachpflegekraft erfolgt in Luxemburg über eine dreijähri-<br />
ge direkte Ausbildung zur psychiatrischen Pflegekraft mit einer anschliessenden einjährigen<br />
Weiterbildung für bereits diplomierte Krankenpfleger bzw. -schwestern zu erreichen.<br />
Aus verschiedenen Gründen hat das Interesse im medizinischen und paramedizinischen Be-<br />
reich nachgelassen, weshalb Luxemburg auf die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte an-<br />
gewiesen ist. Gegenwärtig ist es angesichts der sehr günstigen Verdienstmöglichkeiten in<br />
Luxemburg noch möglich, den Bedarf an psychiatrischem Fachpersonal aus angrenzenden<br />
Ländern zu decken. Es ist allerdings fraglich, wie lange dieser Vorteil, aufgrund der Ver-<br />
schärfung des Pflegenotstandes in den Nachbarländern und der damit zu erwartenden Ver-<br />
besserung der tariflichen Situation, noch erhalten bleibt.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 64<br />
1.20 Analyse der psychiatrischen Versorgung Luxemburgs in der Vergangenheit<br />
Seit den fünfziger Jahren war die psychiatrische Versorgung Luxemburgs mehrfach Gegens-<br />
tand von Bestandesaufnahmen und Analysen. Dabei wurden verschiedenste Leitlinien entwi-<br />
ckelt, deren Umsetzung jedoch nur zum Teil gelang. Zu einem besseren Verständnis der Si-<br />
tuation, in der sich Luxemburg zurzeit befindet, sollen im Folgenden die wichtigsten Meilen-<br />
bzw. Stolpersteine in Luxemburgs Entwicklung in Richtung einer modernen Psychiatrie be-<br />
schrieben werden.<br />
1971 wurde ein Entwicklungsplan für die Dienste der <strong>Santé</strong> Publique, wiederum vom Europa-<br />
Regionalbüro der WHO im Auftrag der luxemburgischen Regierung, erstellt (Aujaleu &<br />
Rösch, 1971). Die damals ermittelte Bettenzahl betrug 3.95 pro 1 000 Einwohner. Die wich-<br />
tigsten damaligen Empfehlungen lauteten:<br />
• die Auflösung der Anstalt in Betzdorf (die dann auch erfolgte);<br />
• die Verringerung der Bettenzahl im CHNP;<br />
• die Gründung von drei neuen psychiatrischen Fachabteilungen an Allgemeinkranken-<br />
häusern in Luxemburg/Stadt, Esch und Ettelbrück (entsprechende Gründungen er-<br />
folgten am Centre Hospitalier 1977, am Hôpital de la Ville d’Esch 1981 und an der<br />
Clinique St. Louis 1979);<br />
• die Einrichtung neuropsychiatrischer Ambulanzen an den psychiatrischen Klin-<br />
ken/Abteilungen;<br />
• die Einrichtung sozialmedizinischer bzw. sozialpsychiatrischer Zentren in Esch und im<br />
Osten des Landes;<br />
• die Aufstockung auf 491 gerontopsychiatrische Pflegebetten;<br />
• eine Reform der Krankenversicherungsgesetzgebung sowie der ärztlichen Ausbil-<br />
dung.<br />
Neben diesen Berichten bemühte sich vor allem der luxemburgische Neuropsychiater Dr.<br />
Hastert über Jahre hinweg um die Weiterentwicklung und Umstrukturierung der psychiatri-<br />
schen Versorgung in Luxemburg. So wurde 1960 unter seiner Beteiligung das Dispensaire<br />
d’Hygiène Mentale (1973 in „Centre de <strong>Santé</strong> Mentale“ umbenannt) geschaffen. Zudem wur-<br />
den immer wieder Verbesserungen gefordert, bzw. einen Ausbau im Bereich von:<br />
Tages- und Nachtkliniken, Geschützten Werkstätten, Gerontopsychiatrischen Einrichtungen,<br />
Suchtstationen in den Allgemeinkrankenhäusern, Ausbildung der psychiatrischen Pflegekräf-<br />
te, kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung.<br />
In einem Bericht für den Europarat über die psychische Gesundheit im Jahre 1976 wurden<br />
diese Forderungen wiederholt und wiederum die Notwendigkeit eines Wechsels einer kusto-<br />
dial geprägten Psychiatrie hin zu einer gemeindenahen, präventionsbezogenen Versorgung<br />
betont. Zur Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen wurde dabei ein Gesetz zur so-<br />
zialen Rehabilitation psychisch Kranker und Behinderter vorgeschlagen (Rössler, 1992).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 65<br />
Im Jahre 1990 wurde das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim unter der Lei-<br />
tung von Prof. Häfner und der Mitarbeit von Prof. Rössler und Dr. Salize durch das Ministeri-<br />
um für Gesundheit mit der Analyse der psychiatrischen Versorgung und der Ausarbeitung<br />
von Empfehlungen für eine Psychiatriereform beauftragt.<br />
Da die vorliegende Arbeit an diese <strong>Planungsstudie</strong> anknüpft, ist es von grosser Bedeutung,<br />
die damals formulierten Empfehlungen ausführlicher darzustellen. Eine detaillierte Zusam-<br />
menfassung der damaligen Empfehlungen ist deshalb dem Anhang zu entnehmen.<br />
1998 kam es im Gesundheitsministerium jedoch zu einem Eklat, den man im Luxemburg<br />
„Dysfunktionnement“ nannte. Dabei erfolgten Finanzverteilungen, die nicht den Regeln des<br />
Staates entsprachen. Im Rahmen der daraus folgenden Untersuchung kam es zu einem<br />
Stillstand des Gesundheitsapparates, wobei auch die Psychiatriereform zurückgestellt wurde<br />
und im Koalitionsprogramm der neuen Regierung keine Erwähnung fand.<br />
Im Jahr 2000 wurde durch den damaligen Gesundheitsminister C. Wagner eine Kampagne<br />
„für eine offene Psychiatrie“ lanciert. Dadurch wurde eine Arbeitsgruppe unter der Leitung<br />
von Hr. Consbruck einberufen, welche Massnahmen zur Dezentralisierung erarbeiten sollten.<br />
Folgende Entwicklungen sind auf deren Arbeit zurückzuführen:<br />
• Zwischenbericht „Standortbestimmung Psychiatrie“;<br />
• Im Jahr 2001 trat das luxemburgische Reglement, welches einen nationalen Spital-<br />
plan („Plan Hospitalier“) etablierte, in Kraft.<br />
Dieser „Plan Hospitalier“ sah dabei eine Reorganisation der Spitallandschaft vor, wobei ein<br />
besonderer Akzent auf die ambulante Behandlung und auf die Modernisierung der aktuellen<br />
Infrastrukturen gesetzt wurde. Im psychiatrischen Bereich sah er hauptsächlich die Umwand-<br />
lung des CHNP in eine Rehabilitationsklinik und eine damit verbundene Reduktion der Bet-<br />
tenzahl auf 237 vor. Alle Akutbehandlungen sollen demgemäss den vier grossen regionalen<br />
Krankenhäuser in Ettelbrück (Clinique St. Louis), Esch/Alzette (Centre Hospitalier Emil May-<br />
risch) und Luxemburg-Stadt (Centre Hospitalier, Clinique Kirchberg) zufallen. Dafür sind je-<br />
weils 45 Akutbetten vorgesehen, davon je zwölf in „unités fermées“. Der Spitalplan sieht des<br />
Weiteren die Bildung von 50 Rehabilitationsbetten in so genannten „Foyer médicalisés“ zur<br />
Reintegration psychisch Kranker vor. Die Allgemeinkliniken sollen zudem ab Januar <strong>2005</strong><br />
auch alle Zwangseinweisungen aufnehmen, wobei nur straffällig Gewordene auf untersu-<br />
chungsrichterlichen Beschluss hin ins CHNP eingewiesen werden sollen.<br />
Nach der Implementierung des Plan Hospitalier nahmen die Reformbemühungen aus ver-<br />
schiedenen Gründen wieder ab. Innerhalb des CHNP wurden verschiedene Experten einbe-<br />
rufen, die Entwicklungsmöglichkeiten für das CHNP skizzierten. Diese wurden jedoch nicht<br />
konkretisiert, blieben fragmentarisch und wurden v.a. CHNP-intern diskutiert.<br />
• Dazu gehört ein Ende 2002 erstelltes Konzept namens „Centre hospitalier de réhabili-<br />
tation psychiatrique“. Dieses sah eine Ausgliederung von rund 100 Betten in der Nähe<br />
des Hôpital Princesse Marie-Astrid in Niederkorn und vier Stationen zur Langzeitthe-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 66<br />
rapie von Alkohol- bzw. Drogenabhängigen, psychotisch Kranken sowie eine psycho-<br />
geriatrische Station vor.<br />
Im Jahr 2004 wurde der neue Gesundheitsminister Mars di Bartolomeo gewählt. Dieser setz-<br />
te sich zum Ziel, die stagnierte Psychiatriereform voranzutreiben. Im Rahmen der Wiederauf-<br />
nahme der Verhandlungen, wurde die Arbeitsgruppe aus Vertretern des Gesundheitsministe-<br />
riums und der stationären Psychiatrie unter der Leitung von Hr. Consbruck reaktiviert. Dabei<br />
fanden verschiedene Sitzungen, Debatten und Briefwechsel mit dem Ministerium zur weite-<br />
ren Planung der Psychiatriereform und zur Umsetzung des Plan Hospitalier statt.<br />
• 22.10.04: Bericht der Arbeitsgruppe „Nationales Konzept in Sachen Psychiatrie“<br />
• 26.08.04: Bericht über den „Stand der Psychiatriereform und Perspektiven in Sache<br />
psychiatrische Nachbetreuung“ durch Dr. Weicherding (Koordinator der ausserstatio-<br />
nären Dienste)<br />
• 24.06.04: Rapport und Dokumentation der „Grunddebatte zur Organisation der Psy-<br />
chiatrie in Luxemburg und Ansichten zur Errichtung von Tageskliniken“ durch die<br />
Commission permanente pour le Secteur hospitalier (CPH)<br />
• 15.03.04 Bericht über die Umsetzung der Psychiatriereform in Luxemburg, das an-<br />
hand eines Treffens der Kommission „<strong>Santé</strong>“ der Abgeordnetenkammer durch Dr.<br />
Consbruck und Dr. Weicherding erstellt wurde.<br />
Die Debatten führten u.a. zum Beschluss, die Dezentralisierung weiter zu treiben, als dies<br />
der Plan Hospitalier vorsieht. Da die Empfehlungen der ‚<strong>Planungsstudie</strong> 1992’ nicht mehr ak-<br />
tuell sind, wurde eine erneute Bestandesaufnahme und sorgfältige Analyse des psychiatri-<br />
schen Gesundheitssystems Luxemburgs mit daraus resultierenden Leitlinien für die weitere<br />
Planung als unerlässlich betrachtet. In diesem Zusammenhang wurde im Dezember 2004 ei-<br />
ne Expertenstudie an die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich in Auftrag gegeben.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 67<br />
Darstellung der Ergebnisse der quantitativen Untersuchung (Bestandes-<br />
aufnahme)<br />
1.21 Einleitung<br />
Im Rahmen einer schriftlichen Befragung der verschiedenen Leistungserbringer wurde eine<br />
Bestandeserhebung der psychiatrischen Kernversorgung am Ende des Jahres 2004 durch-<br />
geführt. Angaben zu Methodik und Beschränkungen der Studie sind dem Kap. 2 zu entneh-<br />
men. Die Ergebnisse werden nachfolgend – den in Kap. 3 definierten Bausteinen der Ver-<br />
sorgung entsprechend – dargestellt. Eine bildliche Darstellung (Mind Map) der Versorgungs-<br />
landschaft findet sich dabei bei den Schlussfolgerungen im Kap. 5.8. Die aktuelle Erhebung<br />
ermöglicht zudem einen Vergleich zur psychiatrischen Versorgungslage im Jahre 1992. Da-<br />
bei werden die erfolgten Schritte zur Umsetzung der Empfehlungen der <strong>Planungsstudie</strong> von<br />
1992 deutlich. Eine exemplarische Gegenüberstellung der Versorgungssituation im Jahr<br />
1992 und im Jahr 2004 ist dem Anhang zu entnehmen.<br />
1.22 Stationärer Bereich: Allgemeinkrankenhäuser mit und ohne psychiatrische<br />
Fachabteilungen und psychiatrische Fachklinik<br />
1.22.1 Einleitung<br />
Luxemburg besitzt nach dem Verzeichnis des Gesundheitsministeriums (Carte Sanitaire<br />
2000) insgesamt 15 Krankenhäuser der medizinischen Versorgung. Zu diesen zählen neben<br />
dem CHNP, als nationale Einrichtung für psychiatrische Rehabilitation, noch drei weitere Re-<br />
habilitationseinrichtungen und drei Fachkliniken. Von den verbleibenden acht Allgemeinkran-<br />
kenhäusern verfügen vier Kliniken über ausgewiesene psychiatrische Abteilungen: das Cent-<br />
re Hospitalier (CHL) und das Hôpital Kirchberg (HK) in Luxemburg, die Clinique St. Louis in<br />
Ettelbrück (HSLE), das Centre Hospitalier Emil Mayrisch in Esch/Alzette (CHEM).<br />
Durch die Implementierung des Plan Hospitaliers haben alle Allgemeinkrankenhäuser in den<br />
letzten Jahren mehr oder weniger rigorose strukturelle oder organisatorische Veränderungen<br />
erfahren. Mehrere Klinken wurden fusioniert, Abteilungen wurden neu gebildet oder reorgani-<br />
siert, bestehende Bauten renoviert und neue Einrichtungen gebaut. Genauere Details betref-<br />
fend Restrukturierung und geplante Modernisierungsprojekte finden sich in den Dokumenta-<br />
tionen des Gesundheitsministeriums.<br />
Zur Identifikation jeglicher stationär-psychiatrischer Behandlungsmöglichkeiten wurden alle<br />
acht Allgemeinspitäler und das CHNP angeschrieben. Bei diesen Einrichtungen handelt es<br />
sich um die/das:<br />
• Clinique Ste. Therèse, Luxemburg (ZITHA, CST)<br />
• Clinique Ste. Marie, Esch<br />
• Clinique St. Joseph, Wiltz (CSJW, )<br />
• Hôpital Princesse Marie - Astrid, Differdingen<br />
• Centre Hospitalier, Luxemburg (CHL)
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 68<br />
• Centre Hospitalier Emil Mayrisch, Esch (CHEM, HVEA)<br />
• Hôpital St. Louis, Ettelbrück (HSLE)<br />
• Hôpital Kirchberg, Luxemburg (HK)<br />
• Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique (CHNP)<br />
Die psychiatrischen Fachabteilungen und das Fachkrankenhaus wurden dabei separat er-<br />
fasst und werden im Folgenden vom psychiatrischen Vorfeld getrennt ausgewiesen.<br />
1.22.2 Psychiatrisches Vorfeld: Krankenhäuser ohne psychiatrische Abteilungen<br />
Nur zwei der vier Krankenhäuser ohne psychiatrische Fachabteilungen (Clinique St. Elisa-<br />
beth und das Hôpital Princesse Marie-Astrid) sandten den Fragebogen (teil-)ausgefüllt zu-<br />
rück. Die Clinique St. Joseph teilte mit, dass sie keine psychiatrische Aufnahmen tätigen. Die<br />
Clinique St. Marie hat trotz Erinnerungsschreiben und telefonischer Nachfrage nicht geant-<br />
wortet.<br />
Die folgende Darstellung bezieht sich auf Angaben aus den Fragebögen. Diese wurden zum<br />
Teil durch Daten aus anderen Quellen ergänzt. Die von den Fragebögen abweichenden<br />
Quellen sind im Einzelfall kenntlich gemacht.<br />
Nachfolgend werden Struktur, Personalausstattung und Angebotsspektrum der vier Allge-<br />
meinklinken beschrieben und Angaben zu Patienten im Jahr 2004 gemacht.<br />
1.22.2.1 Struktur und Personal<br />
Verwaltungstechnisch sind die Krankenhäuser nach Gliederung und Einzugsgebiet in allge-<br />
meine, lokale und nationale Kliniken eingeteilt. Die Einzugsgebiete sind unterteilt in die Régi-<br />
on du Centre, du Sud und du Nord (Quelle: Carte Sanitaire, 2000). Die Trägerschaften liegen<br />
entweder bei öffentlich-rechtlichen, freigemeinnützigen (kirchlichen) oder privatrechtlichen<br />
Trägern.<br />
Die psychiatrisch-fachärztliche Versorgung in Allgemeinkrankenhäusern wird durch Beleg-<br />
ärzte geleistet, festangestellte Psychiater gibt es keine. Die zwei Allgemeinkliniken gaben in<br />
diesem Zusammenhang an, mit einem resp. zwei Belegärzten zusammenzuarbeiten, die ü-<br />
ber je 12 Belegbetten verfügen. Im Hôpital St. Therèse sind zudem eine psychiatrische<br />
Fachkraft, zwei Psychologen und je ein Ergotherapeut und Sozialarbeiter angestellt. Im Hôpi-<br />
tal Princesse Marie-Astrid decken ein halbtags arbeitender Psychologe und ein Sozialarbei-<br />
ter die psychiatrische Versorgung ab. Die Carte Sanitaire aus dem Jahre 2000 zeigt auf,<br />
dass die anderen Allgemeinkliniken über keine psychiatrischen Fachkräfte verfügen. Das<br />
Pflegepersonal in der Clinique St. Therèse erhält einmal im Monat betriebsinterne psychiatri-<br />
sche Fortbildung.<br />
Gemäss den Erhebungsbögen nahmen die beiden Kliniken Hôpital Princesse Marie-Astrid<br />
und die Clinique St. Therèse 806 psychiatrische Patienten auf. Nimmt man die Aufnahmen
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 69<br />
(Quelle: Carte Sanitaire, 2000) der beiden anderen Krankenhäuser aus dem Jahre 2000 als<br />
Richtwerte, ist von rund 1 150 Hospitalisationen in Allgemeinkrankenhäuser ohne psychiatri-<br />
sche Abteilungen im Jahr 2004 auszugehen. Im Jahr 2000 wurden dagegen 1 299 Hospitali-<br />
sationen gezählt. Die durchschnittliche Dauer der Aufenthalte variieren dabei zwischen sechs<br />
und 15 Tagen.<br />
Tabelle 10: Angaben zu Kliniken ohne psychiatrische Abteilungen in Luxemburg<br />
Angaben zu Anzahl Betten, Aufnahmen, Aufenthaltsdauer (Jahr 2004)<br />
Krankenhaus Betten<br />
Hôpital Princesse Ma-<br />
rie-Astrid<br />
Clinique Ste. Therèse<br />
12<br />
(kein offizielle psych. Abt.)<br />
12<br />
(kein offizielle psych. Abt.)<br />
Aufnahmen<br />
2004<br />
Aufnahmen<br />
2000*<br />
223 526<br />
583 432<br />
Clinique St. Joseph k.A. k.A. 98<br />
Clinique Ste. Marie k.A. k.A. 243<br />
Total 24 606 1 299<br />
* Quelle: Carte sanitaire des Jahres 2000<br />
1.22.2.2 Angebot<br />
Durchschnittliche<br />
Aufenthaltsdauer<br />
15.14<br />
(2004)<br />
13.43<br />
(2000)<br />
6.87<br />
(2000)<br />
12.41<br />
(2000)<br />
Die vier Allgemeinklinken beschränken sich bei der Behandlung psychiatrischer Patienten<br />
vornehmlich auf psychopharmakologische Interventionen und Desintoxikationen. Einzig die<br />
Klinik St. Therèse gibt an, ein diversifiziertes Angebot, welches von psychotherapeutischen<br />
Massnahmen, spezifischen Trainings- und Gruppenangeboten bis hin zu psychosozialer<br />
Vernetzung und Beratung reicht, anzubieten. Dieses unterscheidet sich demnach wenig von<br />
den Angeboten der psychiatrischen Fachabteilungen.<br />
1.22.2.3 Angaben zu Patienten<br />
Die patientenspezifischen Fragen wurden in den Erhebungsbögen nur zum Teil beantwortet.<br />
Die Allgemeinkliniken geben in diesem Zusammenhang an, über keine standardisierte Do-<br />
kumentation oder keine Diagnosestatistiken zu verfügen, was sich nicht mit den Aussagen<br />
des UCM deckt.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 70<br />
Einzig die Klinik St. Therèse konnte die Zahl ihrer im Jahre 2004 behandelten Patienten nach<br />
psychiatrischen Diagnosegruppen, Alter und Nationalität aufschlüsseln. Dabei waren 3% der<br />
Patienten unter 18 Jahren, 19% über 65 Jahren und 78% zwischen 18 und 65 Jahren. Insge-<br />
samt waren rund 2% der Patienten Ausländer.<br />
An erster Stelle standen mit 44% Alkoholerkrankungen, gefolgt von affektiven Störungen mit<br />
21,3%. Niedrigere Häufigkeiten fanden sich mit je 8% bei organischen Störungen, Neuroti-<br />
schen, Belastungs- und somatoformen Erkrankungen und Störungen aus dem schizophre-<br />
nen Formenkreis. Eine ähnliche Verteilung findet sich gemäss der Carte Sanitaire aus dem<br />
Jahre 2003 auch in den anderen drei Allgemeinkrankenhäusern. Auch dort kommt den<br />
Suchterkrankungen aller Art und den affektiven Störungen die grösste Bedeutung zu.<br />
1.22.2.4 Zusammenarbeit/Vernetzung<br />
Die beiden Kliniken Princesse Marie-Astrid und St. Therèse arbeiten vornehmlich mit ambu-<br />
lanten Diensten, aber auch mit Wohneinrichtungen aller Art (u.a. Alters- und Pflegeheimen),<br />
Tages- und Werkstätten, Beratungsstellen und Sozialdiensten zusammen. Häufig werden<br />
Patienten nach dem stationären Aufenthalt auch in rehabilitative Einrichtungen entlassen.<br />
1.22.3 Stationäres Kernfeld: Psychiatrische Fachklinik und Fachabteilungen<br />
Zu den stationären psychiatrischen Einrichtungen werden psychiatrische Fachkliniken, psy-<br />
chiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern sowie auf die Behandlung bestimmter<br />
psychiatrischer Krankheitsbilder spezialisierte Kliniken gezählt. Dazu gehören in Luxemburg:<br />
• das Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique in Ettelbrück (CHNP),<br />
die psychiatrischen Fachabteilungen<br />
• des Centre Hospitalier in Luxemburg-Stadt (CHL),<br />
• des Centre Hospitalier Emil Mayrisch (CHEM),<br />
• der Clinique St. Louis (CStL),<br />
• der Clinique Kirchberg (HK)<br />
und die zum CHNP gehörende und auf bestimmte Krankheitsbilder spezialisierte Einrichtun-<br />
gen<br />
• des Centre Thérapeutique d’Useldange<br />
• des Centre Thérapeutique „Syrdallschlass“ in Manternach<br />
Alle genannten Einrichtungen nahmen an der Bestandesaufnahme der psychiatrischen Ver-<br />
sorgung teil und sandten den Dokumentationsbogen (teil-)ausgefüllt zurück. Die folgenden<br />
Ausführungen stützen sich deshalb weitgehend auf die Angaben aus den Dokumentations-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 71<br />
bögen. Wurden Aspekte durch andere Quellen (Dokumentationen, Jahresberichte, persönli-<br />
che Gespräche und Besuche) ergänzt, so wurde dies spezifisch ausgewiesen.<br />
1.22.3.1 Beschreibung der stationären Einrichtungen (Struktur)<br />
Das Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique (CHNP) ist das zentrale nationale, seit 1998 pri-<br />
vat-rechtlich geführte Fachkrankenhaus zur Behandlung psychiatrischer Erkrankungen. Die<br />
Clinique St. Louis in Ettelbrück, das Centre Hospitalier in Luxemburg-Stadt, das Centre<br />
Hospitalier Emil Mayrisch und das Hôpital Kirchberg sind kommunale Krankenhäuser. Das<br />
Centre Thérapeutique in Useldange (CTU) ist eine Fachklinik zur Therapie von Alkohol-<br />
krankheiten, während es sich beim Centre Thérapeutique „Syrdallschlass“ in Manternach<br />
(CTM) um eine Einrichtung zur Behandlung Drogenabhängiger handelt. Die beiden letzteren<br />
Einrichtungen sowie das CHNP besitzen keine regional begrenzte Zuständigkeit. Zwar füh-<br />
ren auch die weiteren vier Kliniken keine offiziellen Pflichtaufnahmegebiete, es haben sich<br />
jedoch gewisse regionale Zuständigkeiten aus den Örtlichkeiten der Bauten ergeben. Das<br />
Centre Hospitalier Emil Mayrisch gibt an, v.a. Patienten aus dem Süden aufzunehmen, wäh-<br />
rend die Clinique St. Louis eher dem Norden vorsteht. Das Centre Hospitalier und die Klinik<br />
Kirchberg sind dagegen hauptsächlich für Patienten aus dem Stadtgebiet und den umliegen-<br />
den Gebieten zuständig.<br />
Organisatorisch und rechtlich handelt es sich bei den Centres Thérapeutiques in Useldange<br />
und Manternach um dezentralisierte Aussenstellen des CHNP. Das CHNP besteht bereits<br />
seit dem Jahre 1855, während die Gründungen aller anderen stationären Einrichtungen ma-<br />
ximal fünfzehn Jahre zurückliegen. Aus der über mehr als einem Jahrhundert währenden al-<br />
leinigen Zuständigkeit erwuchs dem CHNP die, trotz vielen Änderungsversuchen fortbeste-<br />
hende, zentrale Bedeutung für die Behandlung psychisch Kranker in Luxemburg.<br />
Aufnahmekriterien und Zugangsbeschränkungen<br />
(Quellen: Fragebögen, Carte Sanitaire, Dokumentationen, Persönliche Gespräche und Besuche)<br />
1) Zwangseinweisungen<br />
Aufnahmebeschränkungen liegen hauptsächlich im Bereich der Zwangseinweisungen vor.<br />
Bisher führten nur das CHNP und die Klinik Kirchberg unfreiwillige Aufnahmen durch. Seit<br />
Beginn des Jahres <strong>2005</strong> sollten gemäss dem Plan Hospitalier alle vier psychiatrischen Fach-<br />
abteilungen unfreiwillige Aufnahmen übernehmen und das CHNP sich auf Aufgaben der Re-<br />
habilitation beschränken. Die gewünschte Aufgabenteilung ist zurzeit nicht möglich aufgrund<br />
• des sich aktuell in Überarbeitung befindlichen Gesetzes über Platzierungen, welches<br />
verschiedene Mängel aufweist (siehe Kap. 4.8);<br />
• der ungenügenden baulichen Standards (z.B. Fehlen von geschlossenen Abteilun-<br />
gen) in den drei Allgemeinkliniken St. Louis, CHL und CHEM. Die baulichen Voraus-<br />
setzungen sollten gemäss Angaben des Gesundheitsministeriums jedoch ab Juli<br />
<strong>2005</strong> vorhanden sein.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 72<br />
2) Schwer kranke Straftäter / fremdgefährdende Patienten<br />
Geschlossene Abteilungen bestehen zurzeit allein im CHNP und z.T. in der psychiatrischen<br />
Krankenhausabteilung der Strafvollzugsanstalt in Luxemburg. Aus Sicherheitsgründen kön-<br />
nen die Allgemeinkliniken keine gefährlichen bzw. fremdgefährdenden Patienten aufnehmen.<br />
Diese werden in begrenztem Umfang vom CHNP übernommen. Gemäss Angaben des Ge-<br />
sundheitsministeriums scheint die Anzahl schwer kranker und gefährlicher Straftäter bisher<br />
jedoch relativ gering zu sein.<br />
3) Substanzerkrankungen<br />
Aktuell nehmen die psychiatrischen Fachabteilungen zwar Patienten mit Substanzerkran-<br />
kungen auf, beschränken sich aber vornehmlich auf Entgiftungsmassnahmen und auf die<br />
damit einhergehende somatische Abklärung. Im Anschluss daran werden die Patienten ent-<br />
weder entlassen oder in das CHNP überwiesen.<br />
Gemäss der fachlichen Spezialisierung behandelt das CTU nur alkohol- oder medikamen-<br />
tenabhängige Patienten und das CTM ausschliesslich Drogenabhängige.<br />
Räumlichkeiten<br />
(Quellen: Carte Sanitaire 2000, Dokumentationen, Persönliche Gespräche und Besuche)<br />
Die Gebäude der Clinique St. Louis, des Hôpital Kirchberg und des Centre Hospitalier Emil<br />
Mayrisch befinden sich in einem ausgezeichneten baulichen Zustand. Das Hôpital St. Louis<br />
führt dabei eine besonders moderne Betten- und Intensivabteilung. Das Allgemeinkranken-<br />
haus Kirchberg ist nicht nur baulich gut ausgestattet, sondern entspricht auch sonst den ver-<br />
sorgungspolitischen Idealen im Psychiatriebereich am deutlichsten. Alle Stationen werden of-<br />
fen geführt, weshalb auch kein Isolierzimmer besteht. Die Tagesklinik ist in die psychiatrische<br />
Station integriert, die Therapieräume befinden sich hingegen ausserhalb der Stationen.<br />
Das Allgemeinkrankenhaus CHL führt mit Zwei- und Dreibettzimmern ohne Duschen die Ab-<br />
teilung im schlechtesten baulichen Zustand, die mit der Ausstattung der anderen psychiatri-<br />
schen Fachabteilungen nicht vergleichbar ist. Von den 45 psychiatrischen Betten können ak-<br />
tuell nur zwölf als Intensivbetten genutzt werden. Die Station ist zudem oft geschlossen. Die<br />
Eröffnung eines Neubaus mit 16 Betten ist jedoch auf den 1. Juli <strong>2005</strong> geplant. Der Altbau<br />
soll zu einem späteren Zeitpunkt renoviert werden.<br />
Ausser dem CHNP verfügt keine der psychiatrischen Abteilungen über eine definitorisch ge-<br />
schlossene Station. Die Klinik Kirchberg nimmt zwar Zwangseinweisungen vor, verfolgt je-<br />
doch ein offenes Konzept. Im CHL und in der Clinique St. Louis sind geschlossene Stationen<br />
jedoch auf Mitte resp. Ende <strong>2005</strong> geplant.<br />
Das CHNP wurde in den letzten Jahren zunehmend renoviert und umgebaut. Die Gruppe<br />
von geistig behinderten Menschen und ein Grossteil der gerontopsychiatrischen Patienten<br />
wurden ausgegliedert und fallen neu in den Zuständigkeitsbereich des Familienministeriums.<br />
Im CHNP ist das Spektrum an Funktionsräumen zur Nutzung für die Patienten am breitesten.<br />
Es stehen neben Tages-, Gruppen-, Essräumen und Patientenküchen eine Cafeteria, ein<br />
Friseursalon, ein Festsaal, eine Kapelle, Gymnastik-, Beschäftigungs- und Arbeitstherapie-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 73<br />
räume sowie Werkstätten, ein Hallenbad und ein Sportsplatz zur Verfügung. Dennoch ent-<br />
spricht das CHNP in vielen Bereichen nicht den notwendigen baulichen Standards für eine<br />
psychiatrische Fachklinik. Insbesondere der internistische Bereich der Allgemeinmedizin ist<br />
ungenügend ausgestattet um eine adäquate somatische Versorgung zu gewährleisten.<br />
Anzahl Betten, Hospitalisationen und Aufenthaltsdauer<br />
Nachfolgende Tabelle ermöglicht eine Übersicht über alle stationären Aufnahmen im Jahre<br />
2004. Diese Zahlen wurden durch Daten der Carte Sanitaire aus dem Jahr 2000 und mit den<br />
Angaben der Krankenhäuser ohne Psychiatrische Abteilungen ergänzt. Dadurch ist die ins-<br />
gesamt vorhandene Anzahl Betten in Luxemburg auf einen Blick erkennbar und zudem ein<br />
Vergleich über die Zeit hinweg möglich.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 74<br />
Tabelle 11: Angaben zu Kliniken in Luxemburg im Jahre 2004<br />
Angaben zu Anzahl Betten, Aufnahmen (2004/2000), durchschnittliche Aufenthaltsdauer<br />
Krankenhaus Betten<br />
Hôpital Princesse Marie-<br />
Astrid<br />
Clinique Ste. Therèse<br />
12<br />
(keine psych. Abt.)<br />
12<br />
(keine psych. Abt.)<br />
Aufnahmen<br />
2004<br />
Aufnahmen<br />
2000*<br />
223 526<br />
583 432<br />
Clinique St. Joseph k.A. k.A. 98<br />
Clinique Ste. Marie k.A. k.A. 243<br />
Hôpital Kirchberg<br />
45<br />
(3 Stationen)<br />
1220 669<br />
Clinique St. Louis 46 1200 612<br />
Centre Hospitalier Emil<br />
Mayrisch<br />
33 1180 1200<br />
Centre Hospitalier 46 967 k.A.<br />
CHNP<br />
Total<br />
276<br />
(davon 36 Akutbetten)<br />
470 (davon 446 offi-<br />
zielle Betten)<br />
1084<br />
(426 Zwangsauf-<br />
nahmen)<br />
6457<br />
*Quelle: Carte Sanitaire (Alle Aufnahmen ohne psychiatrische Ambulanz! )<br />
Durchschnittliche<br />
Aufenthaltsdauer<br />
15.14<br />
(2004)<br />
13.43<br />
(2000*)<br />
6.87<br />
(2000*)<br />
12.41<br />
(2000*)<br />
12<br />
(2000*)<br />
15.73<br />
(2000*)<br />
15.1<br />
(2000*)<br />
15.1<br />
(2000*)<br />
k.A. unterschiedlich<br />
4820<br />
(ohne CHNP)<br />
Median<br />
Inoffiziell standen in Luxemburg im Jahre 2004 470 Betten zur Behandlung psychisch kran-<br />
ker Erwachsener zur Verfügung. Davon entfielen 170 Betten (36.2%) auf kurz- und mittelfris-<br />
tige Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern mit psychiatrischen Fachabteilungen und 24<br />
Betten (5%) auf Behandlungen in Krankenhäusern ohne psychiatrische Abteilungen. Hinzu<br />
kamen 36 Akutbetten (7.7%) und 240 Betten (51.1%) zur langfristigen Behandlung chronisch<br />
psychisch Kranker durch die psychiatrische Fachklinik CHNP. Werden die offiziellen Betten<br />
13.2
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 75<br />
in Akut- und Rehabetten unterteilt, so ergibt sich für die Akutbetten eine Bettenquote von<br />
0.37 und für den Rehabilitationsbereich eine Quote von 0.53 pro 1 000 Einwohner.<br />
Es wurden insgesamt 6 457 Menschen hospitalisiert. Davon entfielen 5 373 (83.2%) auf all-<br />
gemeinpsychiatrische Behandlungen in den Allgemeinkrankenhäusern, wovon 12.5% in Kli-<br />
niken ohne psychiatrische Fachabteilungen durchgeführt wurden. 1 084, d.h. 17% der Be-<br />
handlungen bzw. Konsultationen erfolgten in der psychiatrischen Fachklinik CHNP Die An-<br />
zahl Zwangseinweisungen lag gemäss Angaben des CHNP im Jahre 2004 bei 426 Aufnah-<br />
men.<br />
Die Aufenthaltsdauer lag in den Allgemeinkrankenhäusern mit psychiatrischen Fachabteilun-<br />
gen im Durchschnitt bei 15 Tagen. Eine Berechnung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer<br />
des CHNP machte keinen Sinn, da die Aufenthaltsdauern je nach Diagnose sehr unter-<br />
schiedlich sind und von wenigen Tagen bis zu 30 Jahren reichen. Eine detaillierte Auflistung<br />
der Aufenthaltsdauern sind im Kap. 5.2.4 zu finden.<br />
Bei der Bestimmung des Bettenkontingents traten Diskrepanzen zwischen verschiedenen<br />
Datenquellen auf. Insbesondere die Ermittlung der exakten Kapazitäten des CHNP bereitete<br />
Schwierigkeiten. Es wurde deshalb grundsätzlich von den angegebenen Daten in den Erhe-<br />
bungsbögen ausgegangen (276 Betten/2004). Unstimmigkeiten sind jedoch nicht auszu-<br />
schliessen.<br />
Die Bettenanzahl und -verteilung wird sich zudem nach der endgültigen Umsetzung des Plan<br />
Hospitaliers im Verlaufe des Jahres <strong>2005</strong> nochmals ändern. Diesem Umstand wird in den<br />
Ausführungen im Kap. 5.2.6 Rechnung getragen.<br />
Die 65 Betten und 235 suchtspezifischen Interventionen der beiden therapeutischen Zentren<br />
CTU und CTM wurden nicht in die Berechnungen miteinbezogen. Einerseits, weil diese Bet-<br />
ten auch im europäischen Vergleich nicht als psychiatrische Betten, sondern als Plätze defi-<br />
niert werden, und andererseits gehörte die explizite Erfassung des Suchtbereichs nicht in<br />
den Auftragsrahmen. Die beiden Einrichtungen werden jedoch im Rahmen des Exkurses ü-<br />
ber die psychiatrische Fachklinik CHNP in Kap. 1.2.4 detaillierter beschrieben.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 76<br />
1.22.3.2 Angebot<br />
Tabelle 12: Angebotsspektrum der Kliniken<br />
Dichotomy label Name Count Responses Cases<br />
Medizinisch-psychiatrische A-<br />
namnese<br />
PSYCHAMN 5 9.8 100<br />
Psychosoziale Beratung BERATUNG 5 9.8 100<br />
Gutachten GUTACHTE 4 7.8 80<br />
Training persönlicher Fähigkei-<br />
ten<br />
TRAINING 4 7.8 80<br />
Psychopharmakologie PHARMA 5 9.8 100<br />
Psychotherapie THERAPIE 5 9.8 100<br />
Psychosoziale Anamnese SOZANAM 5 9.8 100<br />
Psychosoziale Vernetzung VERNETZU 5 9.8 100<br />
Gruppenangebote GRUPPE 5 9.8 100<br />
Entzug ENTZUG 5 9.8 100<br />
Rehabilitation REHA 3 5.9 60<br />
Total responses Total responses 51 100 1 020<br />
SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1)<br />
Alle Kliniken bieten neben diagnostischer Abklärung psychotherapeutische und psychophar-<br />
makologische Interventionen, Massnahmen zur Desintoxikation sowie psychosoziale Bera-<br />
tung und Vernetzung als Angebotsschwerpunkte an. Die vier Fachabteilungen erstellen zu-<br />
dem Gutachten und führen Trainings persönlicher Fähigkeiten durch. Über das CHNP hinaus<br />
gaben zwei weitere Allgemeinspitäler an, rehabilitative Massnahmen zu veranlassen.<br />
1.22.3.3 Personal<br />
Lediglich im CHNP und im Centre Hospitalier ist ärztliches Fachpersonal fest angestellt. Bei<br />
den psychiatrischen Betten der restlichen Allgemeinkliniken handelt es sich um reine Beleg-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 77<br />
betten. Insgesamt wurde die stationäre psychiatrische Versorgung im Jahre 2004 durch 33.5<br />
Psychiater, 26.5 Psychologen, 142 psychiatrisch ausgebildetes Pflegepersonal, 21.25 Sozi-<br />
alarbeiter, 19.5 Ergotherapeuten und 25.75 Physiotherapeuten abgedeckt. Fachspezifische<br />
Lücken werden mittels konsiliarärztlicher Betreuung sichergestellt. Die Angaben der Kran-<br />
kenhäuser decken sich aus unbekannten Gründen (mglw. unterschiedliche Berechnungs-<br />
und Verteilungsarten) nicht mit den Angaben der Krankenkassenunion UCM. Demzufolge<br />
wurde nachfolgende detaillierte Übersicht über die Personalausstattung der jeweiligen Kran-<br />
kenhäuser mit Zahlen der Krankenkassen ergänzt und in blauer Farbe kenntlich gemacht.<br />
Tabelle 13: Personal im Jahre 2004 (ohne Tagesklinik, Kinder- und Jugendpsychiatrie)<br />
Berufsgruppen CHNP<br />
Psychiater<br />
Ärzte anderer Fach-<br />
richtungen<br />
10<br />
(2 Assi-<br />
stenzärzte)<br />
Hôpital<br />
Kirchberg<br />
6 Belegärzte<br />
Centre<br />
Hospitalier<br />
7.5<br />
(4 Assi-<br />
stenzärzte)<br />
Centre<br />
Hospitalier<br />
Emil<br />
Mayrisch<br />
Clinique<br />
St. Louis<br />
Total<br />
4 Belegärzte 4 Belegärzte 33.5<br />
1 k.A. 118 60 k.A.<br />
Psychologen 9.75 4 (3) 8.75 (0.5) 3 (1) 1 (0.5) 26.5<br />
Psychiatrisches Pfle-<br />
gepersonal<br />
Sonstiges Pflegeper-<br />
sonal<br />
Pflegepersonal ins-<br />
gesamt für Psychiat-<br />
riebereich (UCM)<br />
62.25 12 19.75 28 20 142<br />
106.25<br />
(37.25 Hilfspfle-<br />
ger)<br />
55 604.2 k.A. 5.25<br />
Angaben<br />
nicht möglich<br />
Angaben<br />
nicht möglich<br />
200.66 (28.53) (24.94) (26.42) (34.76) 315.25<br />
Sozialarbeiter 8.5 (9) 4 (2.75) 3.75 (1) 3 (0.5) 2 (1) 21.25<br />
Ergotherapeuten 9.5 (9) 5 (4.25) 0 3 2 19.5<br />
Physiotherapeuten<br />
8.5 (7)<br />
(3 Kunsttherapeu-<br />
ten)<br />
2 (1) 14.25 0 1 25.75<br />
*Quelle: Fragebögen und Angaben UCM (Angaben zu Personalstellen gemäss ihres Anstellungsgrades)<br />
Angaben der UCM:<br />
Die Anzahl der im Jahr 2004 budgetierten Stellen in den Allgemeinkrankenhäusern ist deut-<br />
lich niedriger als die für das Jahr <strong>2005</strong> bewilligten Personaldotationen, da die Zwangseinwei-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 78<br />
sungen (--> plan hospitalier) noch nicht stattfanden. So wird die Personalbemessungsziffer in<br />
der Pflege im Jahr <strong>2005</strong> von durchschnittlich 0.8 auf 1.0 Vollzeitbeschäftigte pro belegtem<br />
Bett steigen. Im CHNP wird die Personalbemessungsziffer dagegen infolge der PRN-<br />
Messungen zwischen 2004 und <strong>2005</strong> von 0.72 auf 0.59 Vollzeitbeschäftigte pro belegtem<br />
Bett sinken.<br />
1.22.3.4 Angaben zu Patienten (Störungsbilder, Alter und Nationalität)<br />
Die Kliniken gaben unterschiedlich differenziert Auskunft über behandelte Diagnosegruppen<br />
und soziodemographischen Variablen der Patienten.<br />
Störungsbilder<br />
Einzig das Centre Hospitalier und das Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique lieferten ge-<br />
naue Zahlen zu den jeweiligen Diagnosegruppen, während die Klinik Kirchberg und die Klinik<br />
St. Louis ungefähre Prozentangaben machten. Das Centre Hospitalier Emil Mayrisch lieferte<br />
hingegen keinerlei Daten zum behandelten Diagnosenspektrum. Den unterschiedlichen Da-<br />
tenangaben entsprechend wurden Rangreihen-Meridiane gebildet, um eine Übersicht über<br />
die Häufigkeitsverteilungen psychiatrischer Diagnosen in Luxemburg zu ermöglichen. Diese<br />
sind in nachfolgender Tabelle abgebildet.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 79<br />
Tabelle 14: Störungsbilder gemäss ICD-10<br />
Rangreihen-Meridiane der Störungsbilder aller psychiatrischen Fachabteilungen und Fachkliniken<br />
(aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht gemäss ICD-10-Reihenfolge sondern gemäss aufsteigenden Ranghäufigkeiten geordnet)<br />
Krankheitsbilder gemäss ICD-10<br />
Rangreihen-<br />
Meridiane<br />
Störungen aufgrund Alkohol- und Medikamentenmissbrauchs 1.5 4<br />
Psychotische Störungen 2.5 4<br />
Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen 3.5 4<br />
Störungen aufgrund psychotroper Substanzen 3.5 4<br />
Affektive Störungen 2.25* 4<br />
Organische Störungen 4.5 3<br />
Persönlichkeitsstörungen 7 3<br />
Verhaltensauffälligkeiten aufgrund körperlicher Störungen<br />
(z.B. Essstörungen)<br />
8 3<br />
Intelligenzminderung 7.5 2<br />
Entwicklungsstörungen 8.5 2<br />
* in drei Allgemeinklinken Rang Nr. 1<br />
Nennungen<br />
Werden nur die drei Allgemeinkliniken zusammengerechnet, so steht die Behandlung von af-<br />
fektiven Störungen an der Spitze, gefolgt von alkoholbedingten Erkrankungen und psychoti-<br />
schen Störungen. Eher häufig werden zudem neurotische, Belastungsstörungen, psychoge-<br />
riatrische Erkrankungen wie auch Störungen durch illegalen Drogenkonsum diagnostiziert.<br />
Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen sowie Entwicklungsstörungen sind eher selten.<br />
Das Diagnosespektrum sieht im CHNP etwas anders aus. An erster Stelle stehen mit 29%<br />
Verhaltensstörungen durch Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, gefolgt von Psychoti-<br />
schen Störungen (27,5%) und Störungen durch psychotrope Substanzen (24.5%). Deutlich<br />
seltener sind psychogeriatrische Erkrankungen (5.3%), Neurotische Störungen (4.7%), Affek-<br />
tive Störungen (4%), Persönlichkeitsstörungen (2%) sowie kinder- und jugendpsychiatrische<br />
Störungen (2%).<br />
Ausser dem CHNP (siehe Kap. 5.1.4) machte keine Klinik genaue Angaben zu den soziode-<br />
mographischen Angaben (Alter, Nationalität, Geschlecht) der Patienten. Alle Krankenhäuser<br />
gaben jedoch an, hauptsächlich Patienten zwischen 18 und 65 Jahren zu behandeln.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 80<br />
1.22.3.5 Zusammenarbeit/Vernetzung<br />
Am häufigsten wurden mit 100% die Zuweisung von Patienten durch Alters-, sonstige Wohn-<br />
heime, Beratungsstellen und Sozialdienste genannt. Bei den Allgemeinkrankenhäusern steht<br />
im Gegensatz zum CHNP jedoch v.a. die Einweisung durch ambulant tätige Psychiater resp.<br />
die eigenen Belegärzte im Zentrum. Eher selten werden Patienten durch Tages- und Werk-<br />
stätten oder andere stationäre Dienste den psychiatrischen Abteilungen zugeführt. Das Hôpi-<br />
tal St. Louis arbeitet zudem eng mit dem ambulanten Hauspflegedienst des CHNP zusam-<br />
men. Auch die Klinik Kirchberg und das Centre Hospitalier streben in Zukunft eine Zusam-<br />
menarbeit mit diesem Dienst an.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 81<br />
Tabelle 15: Zusammenarbeit der Kliniken mit zuweisenden Institutionen<br />
Tabelle nach Häufigkeit der Nennungen geordnet<br />
Krankheitsbilder gemäss ICD-10 Krite-<br />
rien<br />
Rangreihen-<br />
Meridiane<br />
Anzahl<br />
Nennungen %<br />
Zuweisung Altersheime ZUWALTER 5 13.9 100<br />
Zuweisung sonstige Wohneinrichtungen ZUWWOHN 5 13.9 100<br />
Zuweisung Beratungsstellen ZUWBERAT 5 13.9 100<br />
Zuweisung Sozialdienste ZUWSOZ 5 13.9 100<br />
Zuweisung ambulante Dienste ZUWAMB 4 11.1 80<br />
Zuweisung stationäre Dienste ZUWSTAT 3 8.3 60<br />
Zuweisung Werkstätten ZUWWERK 3 8.3 60<br />
Zuweisung rehabilitative Dienste ZUWREHA 2 5.6 40<br />
Zuweisung Ämter ZUWAEMT 2 5.6 40<br />
Zuweisung Tagesstätte ZUWSTAETT 1 2.8 20<br />
Zuweisung Justizämter ZUWJUSTI 1 2.8 20<br />
SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1)<br />
Pct of<br />
Cases<br />
Was die Nachbehandlung und oder komplementäre Behandlung der Patienten anbelangt, so<br />
steht an erster Stelle der Kontakt mit Beratungs- und Sozialstellen im Sinne psychosozialer<br />
Vernetzungsarbeit und Triagefunktion. Zur Nachbehandlung werden Patienten dagegen ent-<br />
weder an ambulant tätige Psychiater oder an andere stationäre oder rehabilitative Einrich-<br />
tungen weitergeleitet. Dabei sind keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Allge-<br />
meinkliniken und dem CHNP zu verzeichnen. Eine Abbildung der statistischen Auswertung<br />
ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 82<br />
Tabelle 16: Zusammenarbeit der Kliniken mit Nachsorgestrukturen und weiterbehandeln-<br />
den Institutionen<br />
Tabelle nach Häufigkeit der Nennungen geordnet<br />
Krankheitsbilder gemäss ICD-10 Krite-<br />
rien<br />
Rangreihen-<br />
Meridiane<br />
Anzahl<br />
Nennungen %<br />
Weiterweisung Altersheime WEITALTE 5 12.5 100<br />
Weiterweisung Wohneinrichtungen WEITWOHN 5 12.5 100<br />
Weiterweisung Beratungsstellen WEITBERA 5 12.5 100<br />
Weiterweisung Sozialdienste WEITSOZI 5 12.5 100<br />
Weiterweisung ambulant WEITAMB 4 10 80<br />
Weiterweisung Rehabilitation WEITREHA 4 10 80<br />
Weiterweisung stationär WEITSTAT 4 10 80<br />
Weiterweisung Werkstätte WEITWERK 4 10 80<br />
Weiterweisung Tagesstätte, Freizeit WEITSTAET 3 7.5 60<br />
Weiterweisung Ämter WEITAMT 1 2.5 20<br />
Total 40 100.0 800<br />
SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1)<br />
1.22.4 Exkurs: Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique<br />
Pct of<br />
Cases<br />
Im Zentrum der weiteren Reformbemühungen steht vornehmlich die Umstrukturierung der<br />
psychiatrischen Fachklinik. Aus diesem Grund wird im Folgenden detaillierter auf Struktur,<br />
Personal und Angebot des CHNP eingegangen. In diesem Rahmen werden auch die beiden<br />
therapeutischen Zentren Manternach und Useldange näher erläutert. All diese Informationen<br />
wurden aus Gesprächen mit den Verantwortlichen sowie anhand von Jahresberichten und<br />
hausinternen Dokumentationen gewonnen.<br />
1.22.4.1 Allgemeine Struktur des CHNP<br />
Das CHNP besteht aus acht verschiedenen Abteilungen bzw. abgestuften Netzwerken (Filiè-<br />
res). Dazu gehören einerseits eine Aufnahmestation, eine allgemeinpsychiatrische Abteilung
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 83<br />
sowie vier diagnose- bzw. klientenspezifische Abteilungen (Psychosen, Alkohol, Drogen,<br />
Psychogeriatrie). Des Weiteren betreibt das CHNP einen ambulanten Heimpflegedienst<br />
(SPAD) und eine Art forensischen Dienst („Filière socio-judiciaire“). Letzterer wird separat im<br />
Kapitel 5.7.3 ausgewiesen. Eine Übersicht über die verschiedenen Angebote ist unten ste-<br />
hender Abbildung zu entnehmen:<br />
Aufnahmestation Allgemeinpsychiatrie / BU4<br />
�<br />
Filière<br />
Psychose<br />
6 Abteilungen<br />
(inkl. stationäre<br />
Wohneinrichtung für<br />
Langzeitpatienten)<br />
Anzahl Plätze: 118<br />
�<br />
SPAD<br />
Filière<br />
Alcoologie<br />
Bu5: 14 Plätze<br />
(Maison Gillet):<br />
3 Plätze<br />
CTU Useldange: 40<br />
(Integra): 3<br />
Filière<br />
Toxicologie<br />
BU5:14 Plätze<br />
CTManternach:<br />
23 Plätze<br />
Foyer Rosport: 11<br />
Filière<br />
Psychogériatrie<br />
Bu2: 20<br />
Villa Nordstär:<br />
6 Plätze<br />
Filière<br />
Socio-judiciaire<br />
Stationäre Abteilung<br />
in Centre Pénitenti-<br />
aire in Luxemburg:<br />
15 Plätze<br />
1.22.4.2 Angaben zu Aufnahmen, Aufenthaltsdauer und Angaben zu Patienten<br />
Anzahl Aufnahmen im Jahr 2003<br />
(Siehe Kap. 5.7.3)<br />
Im Jahr 2003 wurden 1 045 Patienten hospitalisiert (Frequenz: 87/Monat). Davon waren 27%<br />
Neuaufnahmen, die restlichen waren Wiederaufnahmen.<br />
Regionale Verteilung<br />
Die Mehrheit der Patienten (34%) kamen aus dem Zentrum, 29% aus dem Süden gefolgt von<br />
24% aus dem Norden und 10% aus dem Osten. Bezogen auf die regionale Verteilung der<br />
Population ist der Norden überrepräsentiert, was auf die regionale Ansiedlung vieler psychi-<br />
atrischer Langzeitpatienten im Norden zurückgeführt wird.<br />
Störungsbilder und soziodemographische Angaben der Patienten<br />
Was die Verteilung der Störungsbilder anbelangt, so stehen – wie im Kap. X bereits erwähnt<br />
– mit 29% Alkoholerkrankungen an erster Stelle, gefolgt von psychotischen Störungen
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 84<br />
(27.5%) und Störungen durch psychotrope Substanzen (24.5%). Deutlich seltener sind psy-<br />
chogeriatrische Erkrankungen (5.3%), Neurotische Störungen (4.7%), Affektive Störungen<br />
(4%), Persönlichkeitsstörungen (2%) sowie kinder- und jugendpsychiatrische Störungen<br />
(2%).<br />
Von den Patienten waren 62% männlichen und 38% weiblichen Geschlechts. 20% waren<br />
über 60 Jahre alt, 1% unter 18 Jahren und 79% zwischen 19 und 59 Jahre alt. Die Hauptal-<br />
tersgruppe lag zwischen 40 und 50 Jahren. Eine Übersicht über die Verteilung der Störungs-<br />
bilder und soziodemographischen Variablen ist den nachfolgenden Tabellen zu entnehmen.<br />
Tabelle 17: Angaben zu Patienten im CHNP (Ende 2003)<br />
Verteilung gemäss Geschlecht und Häufigkeit der Diagnosen (ICD-10)<br />
Geschlecht<br />
Weiblich Männlich<br />
F0 3 8 11<br />
F1 32 58 90<br />
F2 44 58 102<br />
F3 7 8 15<br />
F4 9 6 15<br />
F6 1 13 14<br />
F7 2 9 11<br />
F8 1 1<br />
Total 98 161 259<br />
Häufigkeit
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 85<br />
Tabelle 18: Altersverteilung der Patienten im CHNP (Ende 2003)<br />
Alter Anzahl<br />
Unter 18 Jahre 2<br />
20-30 Jahre 37<br />
30-40 Jahre 53<br />
40-50 Jahre 65<br />
50-60 Jahre 54<br />
60-70 Jahre 34<br />
> 70 14<br />
Aufenthaltsdauer<br />
Die grosse Varianz in der Aufenthaltsdauer (siehe nachfolgende Tabelle) entspricht den un-<br />
terschiedlichen Angeboten und Diagnosespektren des CHNP. Die Aufenthalte variieren dabei<br />
von Kurzzeitaufenthalten von zwei Wochen bis zu Langzeitaufenthalten von über 15 Jahren.<br />
33% der Klienten des CHNP sind Langzeitpatienten, die zum Teil bereits 15 bis 30 Jahre im<br />
CHNP beherbergt sind. Gemäss Aussagen des CHNP sind über die Hälfte der Patienten im<br />
CHNP aufgrund mangelnder Nachsorgestrukturen fehlplatziert.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 86<br />
Tabelle 19: Durchschnittliche Aufenthaltsdauer (Stichtag 31.12.2004)<br />
Verteilung der Patienten im CHNP gemäss Aufenthaltsdauer<br />
Aufenthaltsdauer Häufigkeit<br />
0-2 Wochen 28<br />
2-4 Wochen 26<br />
1-2 Monate 40<br />
2-3 Monate 31<br />
3-6 Monate 33<br />
6-12 Monate 26<br />
1-2 Jahre 12<br />
2-6-Jahre 32<br />
1-2 Jahre 12<br />
2-6-Jahre 32<br />
6-15 Jahre 18<br />
>15 Jahre (Range15-30 Jahre) 23<br />
1.22.4.3 Angebot: Beschreibung der einzelnen Abteilungen (Filières)<br />
Filière Psychogeriatrie<br />
Diese Abteilung enthält Platz für 26 geriatrische Patienten, wovon 20 auf der Station BU2<br />
hospitalisiert sind und weitere sechs ausgegliedert in der Villa Norstär (24h-Betreuung, eine<br />
Art Foyer médicalisé) leben. Dabei handelt es sich um eine gut geführte, infrastrukturell erst-<br />
klassig renovierte Wohneinrichtung für Patienten mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen.<br />
Filière Psychose<br />
Die Filière Psychose verfügt über verschiedene Abteilungen und Zwischenstufen für psycho-<br />
tische Patienten:
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 87<br />
1. Stufe: Station BU6<br />
Die Station BU6 gilt mit 14 Plätzen als eigentliche Aufnahmestation für akut psychotisch er-<br />
krankte Patienten. Dort werden die Patienten diagnostisch abgeklärt, soweit als möglich sta-<br />
bilisiert und auf die Weiterweisung in die Abteilung Orangerie 1 vorbereitet.<br />
2. Stufe: Orangerie 1<br />
Bei der Orangerie 1 handelt es sich um eine offen geführte rehabilitative Einrichtung mit 18<br />
Betten, die auf chronisch erkrankte Psychoseklienten ausgerichtet ist. Der Fokus ist dabei<br />
auf die Befähigung zu einer weitgehend normalen Lebensführung ausserhalb des stationären<br />
Rahmens gerichtet. Dabei wird Folgendes angeboten:<br />
• verschiedene therapeutische Behandlungsmethoden;<br />
• psychoedukative Verfahren;<br />
• Freizeitangebote sowie<br />
• berufsorientierte Ansätze in Zusammenarbeit mit den therapeutischen Ateliers.<br />
3. Stufe: Abteilung BU3<br />
Im weiteren Behandlungsverlauf werden die Patienten in die Abteilung BU3 verlegt. Diese<br />
legt den Schwerpunkt v.a. auf die Rehabilitationsdiagnostik und auf verschiedene psychothe-<br />
rapeutische Verfahren zur konkreten Vorbereitung auf den ausserstationären Alltag.<br />
4. Spezialeinrichtung „Unité Lannenhaff“<br />
Bei der Unité Lannenhaff handelt es sich um eine stationäre und teilbetreute Wohneinrich-<br />
tung für chronische therapieresistente Langzeitpatienten mit einer Erkrankung aus dem schi-<br />
zophrenen Formenkreis. Die Einrichtung verfügt über 16 Plätze mit drei Untereinheiten<br />
(Wohn- und Schlafbereich). Die Bewohner sind im Durchschnitt um die 40 Jahre alt. Auf-<br />
grund des chronischen Erkrankungszustandes der Patienten sind wenige Enthospitalisie-<br />
rungsmöglichkeiten zu erwarten, weshalb die Patienten zum Teil bereits seit 15 Jahren dort<br />
leben.<br />
Filière Toxicologie<br />
Dieses Netz besteht aus einer Beratungsstelle „alternativ Beradungsstell“ in Luxemburg-<br />
Stadt (1), einer Entzugsabteilung BU5 (2), dem Therapiezentrum Syrdallschlass Manternach<br />
(3) und den Nachsorgehäusern in Rosport (4).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 88<br />
1. Beratungsstelle „Alternativ Beradungsstell“<br />
Die primäre Aufgabe der Beratungsstelle ist die Beratung von Drogenabhängigen in Hinblick<br />
auf Suchtproblematik und Therapiemöglichkeiten (z.B. Vermittlung auf die Entzugsstation<br />
BU5 oder CTM). Es werden zudem Einzel- und Familientherapeutische Interventionen<br />
durchgeführt. Weitere Angaben zur Beratungsstelle finden sich im Kap. 5.5.1.<br />
2. Entzugsabteilung BU5<br />
Bei der Entzugsabteilung handelt es sich um eine stationäre Abteilung mit 14 Plätzen. Im<br />
Jahr 2003 wurden ungefähr 250 Entzüge durchgeführt. Diese Abteilung soll ab Juli <strong>2005</strong> ge-<br />
schlossen werden und durch die Abteilung „Rehatox“ ersetzt werden, die auf folgendem 3-<br />
Phasenprinzip beruht:<br />
• Die Allgemeinspitäler nehmen in einer ersten Phase eine diagnostische Abklärung vor<br />
und führen einen medikamentös unterstützten Entzug durch.<br />
• In der zweiten Phase werden die Patienten für 1-4 Monate in die „Rehatox-Abteilung“<br />
überwiesen, deren Zielsetzung die Unterstützung und Realisierung einer totalen Abs-<br />
tinenz bzw. die Aufrechterhaltung einer Methadonsubstitution ist.<br />
• In der dritten und letzten Phase sollen die Patienten beruflich und sozial integriert,<br />
ambulant durch einen Psychiater betreut oder zu einer Langzeittherapie weiterverwie-<br />
sen werden.<br />
3. Therapiezentrum „Syrdallschlass“ Manternach<br />
Beim Syrdallschlass Manternach handelt es sich um ein ausgegliedertes Therapiezentrum<br />
mit 25 Plätzen für Abhängige illegaler Substanzen, u.a. mit Methadon-Substitution. Dieses<br />
wird organisatorisch und rechtlich vom CHNP getragen. Die therapeutische Wohngemein-<br />
schaft zielt dabei auf:<br />
• Unterstützung zur Abstinenz;<br />
• soziale und berufliche Wiedereingliederung.<br />
• Dazu werden verschiedene therapeutische Interventionen als auch Gruppen- und<br />
Freizeitmöglichkeiten angeboten.<br />
4. Nachsorgehäuser in Rosport<br />
Um den Übergang in das Leben ausserhalb der therapeutischen Wohngemeinschaft Syr-<br />
dallschlass schonender zu gestalten, haben die Klienten die Möglichkeit, nach ihrer Therapie<br />
während 12-18 Monaten in einem wenig betreuten Nachsorgehaus in der Nähe von Luxem-<br />
burg-Zentrum zu leben. Klienten, welche auf mehr Betreuung angewiesen sind, können auf<br />
teilbetreute Wohngruppen in der Umgebung von Manternach ausweichen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 89<br />
Voraussetzung für diese Nachsorge ist eine abgeschlossene Therapie und eine externe Ta-<br />
gesstruktur. Es stehen dabei insgesamt 11 Wohnplätze zur Verfügung.<br />
Filière Alcoologie<br />
Die „Filière Alcoologie“ beinhaltet (1) die Abteilung Unité Orangerie 2 für Suchtrehabilitation<br />
mit der dazugehörigen Wohneinrichtung Gillet (2) sowie das Therapiezentrum Useldange (3)<br />
mit einer dazugehörenden Wohneinrichtung Integra (4).<br />
1. Station für Suchtrehabilitation Orangerie 2<br />
Bei der „Orangerie 2“ handelt es sich um eine offen geführte Station mit 22 Betten, welche<br />
den Schwerpunkt auf die Behandlung von Alkoholabhängigkeiten mit chronischem Verlauf<br />
und Mehrfachschädigungen (u.a. Korsakow-Syndrom, psychiatrische Komorbidität, körperli-<br />
chen Folgeerkrankungen) legt. Sie dient aber auch als komplementäre Einrichtung zum The-<br />
rapiezentrum Useldange bei Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit mit weniger ausge-<br />
prägten Folgeerscheinungen oder bei Alkohol- und Medikamentenkonsum im Zusammen-<br />
hang mit neurotischen, Belastungs- und Anpassungsstörungen.<br />
Der Aufenthalt zielt der unterschiedlichen Klientel entsprechend auf die<br />
• Befähigung einer suchtmittelunabhängigen, selbständigen Lebensführung mit sozialer<br />
und beruflicher Reintegration und/oder<br />
• Wiederherstellung einer grösstmöglichen Lebensqualität unter Berücksichtigung an-<br />
haltender krankheitsbedingter Einschränkungen und/oder<br />
• Langzeitbehandlung bzw. -betreuung von Patienten mit unveränderlicher Residual-<br />
symptomatik, z.B. beim Korsakow-Syndrom.<br />
Zur Erreichung dieser Ziele wird vorwiegend mit rehabilitationsdiagnostischen Instrumenten<br />
sowie verschiedenen Therapieprogrammen gearbeitet.<br />
Die Behandlungsdauer ist dabei von der Zielgruppe und Indikationsstellung abhängig und<br />
dauert von 2-3 Monaten bei Entwöhnungsbehandlungen und psychosomatischer Rehabilita-<br />
tion ohne zusätzliche Suchtproblematik bis zu einem Jahr bei Patienten mit einer chroni-<br />
schen Mehrfachschädigung.<br />
2. Maison Gillet<br />
Hierbei handelt es sich um eine an die Station Or2 angegliederte therapeutische Wohngrup-<br />
pe, welche drei Plätze für Langzeitpatienten vorsieht.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 90<br />
3. Therapeutisches Zentrum Useldange<br />
Bei dem CTU handelt es sich um ein Rehabilitationszentrum mit 40 Plätzen zur therapeuti-<br />
schen Behandlung von Erkrankungen im Zusammenhang mit Alkohol- und Medikamenten-<br />
missbrauch.<br />
Es werden dabei zwei Arten von Klienten unterschieden:<br />
• Patienten mit Suchtbewusstsein und ohne Folgeschäden;<br />
• Patienten mit kognitiven Störungen, fehlender Krankheitseinsicht und z.T. komorbiden<br />
Störungen.<br />
Ein Team von zwei Psychologen, einem Psychiater, zwölf Pflegefachkräften sowie je einem<br />
Sozialarbeiter und Ergotherapeuten bietet dabei ein diversifiziertes Angebot therapeutischer<br />
und rehabilitativer Dienstleistungen an. Diese reichen von verschiedenen Therapieansätzen<br />
(Einzel- und Gruppentherapie, Ergo- und Kinesiotherapie) bis zu sozial-beruflichen Rehabili-<br />
tationsmassnahmen.<br />
Tagesklinik<br />
Die Aufnahme in die Tagesklinik des CHNP erfolgt anhand einer Überweisung durch den be-<br />
handelnden Arzt aus dem vollstationären Bereich des CHNP oder durch Zuweisung ambu-<br />
lant tätiger Ärzte, durch die Betroffenen selbst oder weiterer Einrichtungen aus dem psychiat-<br />
rischen Vorfeld.<br />
Die Tagesklinik zielt auf<br />
• eine weiterführende psychische Stabilisierung;<br />
• Integration ausserhalb der psychiatrischen Institutionen;<br />
• Verkürzung bzw. Verhinderung stationärer Wiederaufnahmen und<br />
• Verbesserung der Lebensqualität im Sinne der Förderung der Alltagsbewältigung und<br />
der sozialen und emotionalen Kompetenz wie auch eines adäquaten Umgangs mit<br />
Medikamenten.<br />
Weitere Angaben zur Tagesklinik siehe Kap. 5.4.<br />
SPAD (Soins Psychiatrique a Domicile)<br />
Beim SPAD handelt es sich um einen ambulanten, aufsuchenden Heimpflegedienst. Dieser<br />
wurde im Jahre 2001 gegründet und betreut derzeit 100 psychiatrisch erkrankte Personen in<br />
ihrem häuslichen Umfeld mit 6.5 Psychiatrieschwestern und -pflegern, die auf Anfrage von<br />
einem Psychologen und einem Sozialarbeiter assistiert werden. Zudem erhält der SPAD re-<br />
gelmässige konsiliarische Beratung durch einen Psychiater.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 91<br />
Der SPAD konzentriert sich v.a. auf den Norden des Landes, wobei er nicht nur mit dem<br />
CHNP sondern auch mit dem Hôpital St. Louis zusammenarbeitet. Auch seitens anderer<br />
Krankenhäuser wurde der Wunsch auf Zusammenarbeit mit dem SPAD geäussert. Der<br />
SPAD zieht deshalb seit längerem eine Ausdehnung des Angebots in Betracht.<br />
1.22.5 Krisen- und Notfalldienste<br />
Grundsätzlich sollen ab Mitte <strong>2005</strong> alle psychiatrischen Notfallaufnahmen von den vier psy-<br />
chiatrischen Fachabteilungen übernommen werden. Dies ist seit Mitte 2004 mit dem Beginn<br />
der Aufnahmen durch die Klinik Kirchberg phasenweise angelaufen und soll im Jahr <strong>2005</strong><br />
vollständig umgesetzt werden. In der aktuellen Übergangsphase nimmt das CHNP weiterhin<br />
einen Teil dieser Patienten auf.<br />
In Luxemburg-Stadt sind die drei Allgemeinkliniken Klinik St. Therèse, das Centre Hospitalier<br />
(CHL) und die Klinik Kirchberg (HK) für den regulären Notfalldienst zuständig. Sie lösen sich<br />
dabei in einem zeitlich festgelegten Turnus ab. Die Abdeckung des nördlichen Teils wird hin-<br />
gegen von der Klinik St. Louis übernommen, während der Süden dem Centre Hospitalier E-<br />
mil Mayrisch unterliegt. Die Krisen- und Notfalldienste sind in ganz Luxemburg allgemeinme-<br />
dizinisch orientiert, spezifische psychiatrische Krisen- und Notfalldienste gibt es nicht. Psy-<br />
chiatrische Kriseninterventionen werden normalerweise von den jeweiligen Behandlern<br />
durchgeführt. Falls Patienten in keiner Behandlung stehen, so werden sie im für den Notfall-<br />
dienst zuständige Krankenhaus empfangen und an den Dienst tuenden Psychiater zur Be-<br />
handlung weitergeleitet. Die jeweiligen Belegärzte wechseln sich dabei im Bereitschafts-<br />
dienst ab. Das CHNP führt im Bereich der Krisenintervention eine psychiatrische Ambulanz<br />
und den ambulanten Dienst SPAD. Beide werden von festangestellten Psychiatern und 7<br />
psychiatrischen Pflegepersonen betreut und begleitet.<br />
1.22.6 Fazit<br />
Bettenbedarf (Anzahl Hospitalisationen, Aufenthaltsdauer, Betten)<br />
Im Jahr 2004 teilten sich vier psychiatrische Fachabteilungen und eine psychiatrische Fach-<br />
klinik die Zuständigkeit für die Vollversorgung psychiatrischer Patienten. Dafür standen ins-<br />
gesamt 446 Betten, d.h. 0.98 Betten pro 1 000 Einwohner zur Verfügung. Von diesen entfie-<br />
len 170 Betten auf kurz- und mittelfristige Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern mit<br />
psychiatrischen Fachabteilungen. Hinzu kamen 36 Akutbetten (7.4%) und 240 Betten<br />
(49.5%) zur langfristigen Behandlung in der psychiatrischen Fachklinik CHNP. Wird die ge-<br />
samthafte Anzahl Betten in Akut- und Rehabetten unterteilt, so ergibt sich für die Akutbetten<br />
eine Bettenquote von 0.37 und für den Rehabilitationsbereich eine Quote von 0.53 pro 1 000<br />
Einwohner.<br />
Nach der vollständigen Umsetzung des Plan Hospitalier 2001 soll die Akutversorgung ab Mit-<br />
te <strong>2005</strong> nur noch von den vier Allgemeinkrankenhäusern mit Fachabteilungen (Centre Hospi-<br />
talier in Luxemburg-Stadt, l’Hôpital Kirchberg, Centre Hospitalier Emil Mayrisch, Clinique St.<br />
Louis) übernommen werden und die psychiatrische Fachklinik CHNP sich ausschliesslich auf
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 92<br />
rehabilitative Aufgaben beschränken. Für die Akutversorgung durch die Allgemeinkranken-<br />
häuser sind dabei 180 Betten vorgesehen, was einem Bettenschlüssel von 0.4 Betten auf 1<br />
000 Einwohner entspricht und damit unter dem von der WHO definierten Standard von 0.5-<br />
1.0 Bett / 1 000 Einwohner bzw. unter dem europäischen Durchschnitt von 0.87 Betten liegt.<br />
Dabei ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass die definitorische Unschärfe, welche Betten<br />
in die Berechnungen der verschiedenen Länder einbezogen werden, die Vergleichbarkeit er-<br />
schweren. Insgesamt ist aber in Luxemburg trotz eines gesamthaft hohen Bettenbestandes<br />
(0.98 / 1 000 Einwohner im Jahr 2004) bei der Akutversorgung ein Mangel an Betten zu<br />
konstatieren, der sich 2004 u.a. in einer grösseren Anzahl von Behandlungen (12.5%) in All-<br />
gemeinkrankenhäusern ohne psychiatrische Fachabteilungen widerspiegelt. Dies ist insofern<br />
von Bedeutung, als Luxemburg eine hohe Hospitalisationsrate von durchschnittlich 6 500<br />
Hospitalisationen / Jahr und eine hohe Zwangseinweisungsquote von rund 100 / 100 000<br />
Einwohnern verzeichnet. Dabei werden modernen Standards entsprechend bereits rund 80%<br />
der Behandlungen in Allgemeinkrankenhäusern durchgeführt, wobei die Aufenthaltsdauern in<br />
den psychiatrischen Fachabteilungen bei durchschnittlich 15 Tagen liegen und im europäi-<br />
schen Vergleich bereits beachtenswert kurz sind.<br />
Eine grosse Anzahl so genannter „Drehtür“- wie auch fehlplatzierter Patienten (z.B. Lang-<br />
zeitpatienten) ist aufgrund des niedrigen Bettenschlüssels im Akutbereich, den bereits kurzen<br />
Aufenthaltsdauern einerseits sowie dem Überschuss an Rehabilitationsbetten andererseits,<br />
nicht auszuschliessen.<br />
Verteilung der krankheits- und behandlungsrelevanten Daten<br />
Die psychiatrische Fachklinik und die Allgemeinkrankenhäuser unterschieden sich im Hin-<br />
blick auf krankheits- und behandlungsrelevante Daten erwartungsgemäss deutlich voneinan-<br />
der. Sichtbar wird dies insbesondere bei den Unterschieden in der durchschnittlichen Ver-<br />
weildauer und beim Vergleich der behandelten diagnostischen Gruppen. Im CHNP lag der<br />
Anteil von Patienten mit einem länger als zehn Jahre ununterbrochenen Aufenthalt bei 16%.<br />
Die Fachabteilungen dagegen beschränkten sich dem Plan Hospitalier entsprechend auf<br />
Aufgaben der Akutpsychiatrie. Dementsprechend lagen die durchschnittlichen Aufenthalts-<br />
dauern bei 15 Tagen. Die angestrebte Aufgabenteilung wird hiermit zwar deutlich, konnte je-<br />
doch bisher aus verschiedenen Gründen noch nicht konsequent umgesetzt werden. So wer-<br />
den z.B. chronisch Kranke häufig nur im Sinne einer Krisenintervention behandelt, Abhän-<br />
gigkeitskranke lediglich in der Entgiftungsphase versorgt und Zwangseinweisungen noch<br />
immer vornehmlich im CHNP durchgeführt. Das CHNP war dadurch zur Zeit der Bestandes-<br />
erhebung mit Aufgaben der Akut- wie auch der Rehabilitationspsychiatrie konfrontiert. Dieser<br />
Umstand soll sich gemäss Aussagen des Gesundheitsministeriums ab Mitte <strong>2005</strong> jedoch<br />
ändern.<br />
Die Zusammenarbeit zwischen den Allgemeinkrankenhäusern und dem CHNP beschränkt<br />
sich gemäss Aussagen der Leistungserbringer neben der Überweisung von Suchtpatienten<br />
und Zwangseinweisungen aktuell auf ein Minimum. Eine grundsätzlich gute Zusammenarbeit<br />
findet sich dagegen mit den ausserstationären Strukturen, sprich ambulanten und komple-<br />
mentären Einrichtungen. Schwierigkeiten bestehen vor allem in fehlenden Nachsorgestruktu-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 93<br />
ren, wodurch die Allgemeinkrankenhäuser mit Kapazitätsproblemen konfrontiert sind. Das<br />
CHNP weist dagegen eine grosse Anzahl von fehlplatzierten Langzeitpatienten auf, die auf-<br />
grund mangelnder Nachsorgestrukturen nicht ausgegliedert werden können.<br />
Infrastruktur (Personelles und bauliches Fazit)<br />
Es sind bauliche und personelle Unterschiede zwischen den einzelnen Allgemeinkranken-<br />
häusern, insbesondere im Vergleich zum CHNP, festzustellen. Die Allgemeinkrankenhäuser<br />
sind infrastrukturell in hervorragendem Zustand oder werden aktuell renoviert. Sie weisen<br />
dabei grundsätzlich genügend psychiatrisches Pflegepersonal auf (vgl. Psych-PV, Kap. 3.4).<br />
Eine Ausnahme bildet das Centre Hospitalier, welches im Jahre 2004 in Hinblick auf die per-<br />
sonellen und baulichen Standards die vergleichsweise schlechtesten infrastrukturellen Vor-<br />
aussetzungen bot. Während bspw. im Centre Hospitalier Emil Mayrisch für 33 Betten 28<br />
Psychiatriefachpflegepersonen zur Verfügung stehen, so sind das für 46 Betten im CHL<br />
knapp 20 Psychiatriefachpfleger. Personelle Unterschiede sind gemäss Aussagen des UCM<br />
v.a. auf das Personalbemessungsinstrument PRN zurückzuführen, welches auf den internen<br />
Erhebungen der einzelnen Krankenhäuser beruht.<br />
Das CHNP weist im Gegensatz zu den Allgemeinkrankenhäusern infrastrukturelle Defizite<br />
zur angemessenen Versorgung der Patienten auf. Aus unterschiedlichen Gründen verzeich-<br />
net das CHNP eine personelle Unterversorgung, die im Vergleich zur Psych-PV (Berech-<br />
nungsgrundlagen finden sich in Kunze et al., 2003) alle Berufsgruppen, jedoch insbesondere<br />
das psychiatrische Pflegepersonal und die ärztliche Versorgung betrifft. Dabei sind insbe-<br />
sondere die ungenügenden Bedingungen zur somatischen Behandlung der Patienten durch<br />
den Mangel an allgemeinmedizinischen Ressourcen (2 Allgemeinarzte (50%) für 257 Patien-<br />
ten, fehlende internistische Abteilung) bei bekannt hoher somatischer Komorbidität psychiat-<br />
rischer Patienten hervorzuheben.<br />
Baulich besteht das CHNP aus einer Reihe von Gebäudekomplexen aus verschiedenen E-<br />
pochen in unterschiedlichem Erhaltungszustand. Diverse Gebäude und Abteilungen wurden<br />
in den letzten Jahren renoviert. Dennoch weist das CHNP bauliche Defizite zur angemesse-<br />
nen Versorgung der Patienten auf.<br />
Es sind auch Unterschiede im Behandlungsspektrum zwischen den verschiedenen Kliniken<br />
festzustellen. Die Allgemeinkliniken konzentrieren sich eher auf so genannt „leichtere Stö-<br />
rungen“ wie neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen, affektive Störungen und<br />
zum Teil auf Persönlichkeits- oder Essstörungen. Der Schwerpunkt des CHNP liegt dagegen<br />
auf der Behandlung von psychotischen Störungen sowie Alkoholabhängigkeit und sonstigen<br />
Suchterkrankungen.<br />
In Luxemburg besteht keine explizite psychiatrische Krisen- und Notfallversorgung. Psychiat-<br />
rische Notfälle werden landesweit im Rahmen der regulären medizinischen Notfallversorgung<br />
bzw. durch die reguläre Akutversorgung der vier psychiatrischen Fachabteilungen abge-<br />
deckt. Quantität und Qualität der Notfallversorgung ist aufgrund des Belegarztsystems je-<br />
doch immer abhängig von der Anwesenheit eines psychiatrischen Belegarztes. Es ist sich
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 94<br />
deshalb zu fragen, inwiefern die psychiatrische Notfallversorgung in den verschiedenen Lan-<br />
desteilen Schwankungen unterliegt.<br />
1.23 Teilstationärer Bereich: Tageskliniken<br />
1.23.1 Bestand, Struktur, Angebot, Personal, Patienten, Zusammenarbeit<br />
Es wird gemäss den versorgungspolitischen Grundsätzen davon ausgegangen, dass eine an<br />
eine psychiatrische Krankenhauseinrichtung gekoppelte Tagesklinik dem Anspruch eines<br />
Bindeglieds zwischen ambulanter und stationärer Behandlung am ehesten gerecht wird. In<br />
Luxemburg werden vier so genannte verbundene Tageskliniken registriert:<br />
• Tagesklinik des Centre Hospitalier<br />
• Tagesklinik des Hôpital Kirchberg<br />
• Tagesklinik der Clinique St. Louis<br />
• Tagesklinik des CHNP<br />
Als Spezialfall kommt die Tagesklinik des Centre de <strong>Santé</strong> Mentale hinzu, die hier jedoch<br />
nicht genauer erwähnt wird, da diese erstens nicht an ein Krankenhaus gekoppelt ist und<br />
zweitens in Kombination mit dem Tageszentrum auftritt.<br />
Eine Tagesklinik ist des Weiteren im Centre Hospitalier Emil Mayrisch auf Anfang 2006 ge-<br />
plant.<br />
1.23.1.1 Struktur<br />
Die Tageskliniken bieten aktuell 54 tagesklinische Plätze für psychisch Kranke an. Dabei va-<br />
riiert die Anzahl zwischen zwölf und 15 Plätzen je nach Klinik. Während die durchschnittliche<br />
Auslastung in Kirchberg und im CHNP bei 75% liegt, so liegt sie bei den Kliniken St. Louis<br />
und Centre Hospitalier um die 90%. Die Wartezeiten liegen zwischen zwei und sechs Wo-<br />
chen.<br />
Fast alle Kliniken haben in den letzten Jahren Veränderungen im Aufgabenspektrum, im be-<br />
treuten Personenkreis oder in der Arbeitsweise realisiert. Während die Klinik Kirchberg die<br />
Tagesklinik in die stationäre Psychiatrie integriert hat, so fand in der Klinik St. Louis v.a. ein<br />
Umbau mit Neueröffnung der Tagesklinik in einem neuen Haus statt. Die Tagesklinik im<br />
CHNP ist dagegen nicht mehr nur auf psychotische Klienten ausgerichtet, sondern für alle<br />
Patienten zugänglich.<br />
Was das Personal anbelangt, sind Unterschiede zwischen den einzelnen Tageskliniken zu<br />
verzeichnen. Dies scheint einerseits auf das Personalbemessungsinstrument PRN und ande-<br />
rerseits auf personelle Doppelfunktionen zurückzuführen zu sein. Ausser dem psychiatri-<br />
schen Pflegepersonal scheinen die anderen Berufsgruppen (z.B. Belegärzte, Psychologen)
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 95<br />
für die Versorgung des teil- wie auch des vollstationären Bereichs verantwortlich zu sein. Ei-<br />
ne Übersicht über die Personalaufschlüsselung ist nachfolgender Tabelle zu entnehmen, die<br />
wiederum mit Zahlen der UCM – in blauer Farbe – ergänzt wurde.<br />
Tabelle 20: Aufschlüsselung des Personals nach Anstellungsgrad (Tageskliniken)<br />
Personalausstattung der 4 Tageskliniken im Jahre 2004<br />
Berufsgruppen CHNP<br />
Hôpital Kirch-<br />
berg<br />
Centre Hospita-<br />
lier Luxemburg<br />
Ärzte für Psychiatrie 0.25 6.00 1.00 4.00<br />
Psychologen/Psychotherapeuten 0.25 3.00 2.75 0.50<br />
Clinique<br />
St. Louis<br />
Psychiatrisches Pflegepersonal 4.00 (5.5) 4.00 (4) 2.00 (5) 3.00 (3.8)<br />
Sozialarbeiter 0.40 3.00 0.25 0.50<br />
Ergotherapeuten 1.00 3.00 - 0.50<br />
Physiotherapeuten 0.50 - - -<br />
Quelle: Erhebungsbögen und Daten der UCM (in blau)<br />
Alle Tageskliniken bieten interne psychiatrische Weiterbildung (40 Std./Jahr) an. Das Centre<br />
Hospitalier CHL gab zudem an, wöchentlich eine Stunde Supervision anzubieten. Die übri-<br />
gen Kliniken machten keine Angaben betreffend Supervision bzw. zusätzlichen Weiterbil-<br />
dungsmöglichkeiten.<br />
1.23.1.2 Angebote<br />
Nachfolgend ist ein Auszug aus dem SPSS-Programm ersichtlich, der eine Übersicht zu den<br />
Angeboten ermöglichen soll:
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 96<br />
Tabelle 21: Angebote der Tagesklinik<br />
Dichotomy label Name Count Responses Cases<br />
Medizinisch-psychiatrische Anamnese PSYCHAMN 4 11.4 100<br />
Psychosoziale Beratung BERATUNG 4 11.4 100<br />
Psychotherapie THERAPIE 4 11.4 100<br />
Training persönlicher Fähigkeiten TRAINING 4 11.4 100<br />
Ausbildungs- und berufsbezogene An-<br />
gebote<br />
BERUFANG<br />
1 2.9 25<br />
Einzelhilfen EINZELHI 3 8.6 75<br />
Psychosoziale Anamnese SOZANAM 4 11.4 100<br />
Psychosoziale Vernetzung VERNETZU 4 11.4 100<br />
Gutachten GUTACHTE<br />
1 2.9 25<br />
Freizeitangebote FREIZEIT 2 5.7 50<br />
Psychopharmakologie PHARMA 4 11.4 100<br />
Total respon-<br />
ses<br />
35 100 875<br />
SPSS-Auswertung (Mutlple Response / Value tabulated = 1) 0 missing cases; 4 valid cases<br />
Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass die Hauptangebote der Tageskliniken den vier Grund-<br />
pfeilern (Anamneseerhebung, Vernetzung, Therapie, Rehabilitation) einer funktionierenden<br />
Tagesklinik entsprechen. Alle Tagesklinken geben an, medizinisch-psychiatrische und psy-<br />
chosoziale Anamnesen und Psychotherapien (inklusive Psychopharmakologie) durchzufüh-<br />
ren, Vernetzungsarbeit und psychosoziale Beratung zu leisten und auch Trainings persönli-<br />
cher Fähigkeiten anzubieten. Zwei Tageskliniken gaben in diesem Zusammenhang zudem<br />
an, Einzelhilfen in bestimmten Problembereichen wie auch freizeit- und berufsbezogene An-<br />
gebote anzubieten. Zwischen den Kliniken sind jedoch beträchtliche qualitative Unterschiede<br />
im Angebotsspektrum festzustellen. Insbesondere die Tagesklinik des CHL entspricht nicht<br />
der eigentlichen Definition einer Tagesklinik. Das Angebot beschränkt sich auf ein- bis drei-<br />
mal wöchentlich stattfindende Gruppenangebote für Zwangs- und Panikstörungen, soziale<br />
Phobien und zum Teil auch Essstörungen. Ein breiteres Angebot wie auch mehr Betreuung<br />
ist aufgrund infrastruktureller und insbesondere personeller Defizite nicht möglich. Es besteht
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 97<br />
deshalb von Seiten der psychiatrischen Leitung der Tagesklinik seit längerem der Wunsch<br />
nach einem Ausbau der Tagesklinik in Anlehnung an die aktuellen Standards in diesem Be-<br />
reich.<br />
1.23.1.3 Angaben zu Patienten<br />
Die Klientel der Tageskliniken beschränkt sich vornehmlich auf nachfolgend abgebildete Di-<br />
agnosegruppen:<br />
Tabelle 22: Störungsbilder, Anzahl Patienten, Aufenthaltsdauer der Tagesklinik<br />
Diagnosegruppen gemäss Häufigkeit (Rangfolgen) verteilt auf die einzelnen Tageskliniken<br />
Diagnosegruppen CHNP St. Louis Kirchberg CHL<br />
Störungen durch Alkoholmissbrauch Rang 2 Rang 2<br />
Psychotische Störungen<br />
Rang 1<br />
(95%)<br />
Rang 4<br />
Affektive Störungen Rang 1 Rang 3 Rang 3<br />
Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störun-<br />
gen<br />
Rang 3 Rang 4 Rang 1 Rang 1<br />
Essstörungen Rang 3 Rang 2<br />
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen Rang 3 Rang 4 Rang 1 Rang 4<br />
Anzahl Patienten im Jahr 2004 65<br />
Durchschnittliche Aufenthaltsdauer in Wochen<br />
Monate bis<br />
Jahre<br />
350<br />
(3 500 Präsenzen)<br />
3 000 Präsenzen 192<br />
6-10 3-4 12 x 3 Std.<br />
SPSS-Auswertung (Mutlple Response / Value tabulated = 1) 0 missing cases; 4 valid cases<br />
Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass sich die Tageskliniken jeweils auf unterschiedliche Stö-<br />
rungen spezialisiert haben. Während das CHNP einen Schwerpunkt auf psychotische Stö-<br />
rungen legt, werden die Tageskliniken der Allgemeinspitäler v.a. von Menschen mit neuroti-<br />
schen, Belastungs- und somatoformen Störungen, Persönlichkeitsstörungen und affektiven<br />
Störungen frequentiert. Das CHNP sowie die Clinique St. Louis sind zudem zunehmend mit<br />
Alkoholerkrankungen konfrontiert. Dabei haben sich gemäss den Aussagen der jeweiligen<br />
Verantwortlichen die Clinique St. Louis auf affektive Störungen, das Centre Hospitalier auf<br />
neurotische und Anpassungsstörungen sowie Essstörungen und die Klinik Kirchberg auf<br />
neurotische und Persönlichkeitsstörungen spezialisiert.<br />
Es zeigt sich auch in Bezug auf die Anzahl Patienten und Aufenthaltsdauer ein Unterschied<br />
zwischen dem CHNP und den anderen drei Tageskliniken in den Allgemeinspitälern. Wäh-<br />
rend die Allgemeinspitäler relativ kurze Aufenthaltsdauer von eins bis zwei Monaten ver-<br />
zeichnen, so bleibt die Klientel im CHNP über mehrere Monate teilhospitalisiert. Dies ist u.a.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 98<br />
auch auf die unterschiedlichen Problemfelder und die daraus resultierenden Ansprüche der<br />
Patienten zurückzuführen.<br />
1.23.1.4 Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen<br />
Die Mehrheit der Tageskliniken arbeitet an erster Stelle mit der eigenen Klinik zusammen,<br />
welche die Patienten nach einem stationären Aufenthalt an die Tagesklinik weiter weist oder<br />
bei Verschlechterung des Zustandes auch wieder aufnimmt. An zweiter Stelle stehen meist<br />
die ambulanten Dienste, z.B. freischaffende Psychiater und Hausärzte. Das Hôpital Kirch-<br />
berg scheint diesbezüglich auch eng mit Beratungsstellen zusammenzuarbeiten.<br />
1.23.2 Fazit<br />
Es hat seit 2003 ein starker Ausbau an tagesklinischen Plätzen stattgefunden. Aktuell stehen<br />
dabei 54 Plätze zur Verfügung. Die Tageskliniken sind entsprechend den Empfehlungen von<br />
1992 organisatorisch und rechtlich an die jeweiligen Allgemeinspitäler angebunden. Ausser<br />
der Tagesklinik im CHL, entsprechen Angebot wie Infrastruktur der übrigen Tagesklinken<br />
grundsätzlich den europäischen Standards. Die Tagesklinik des CHL weist jedoch beträchtli-<br />
che Defizite in Infrastruktur, Angebot und Betreuungskapazität auf.<br />
Es zeigt sich grundsätzlich ein Unterschied bei den diagnostischen Gruppen zwischen dem<br />
CHNP und den anderen Kliniken. Obwohl sich die Kliniken tendenziell auf unterschiedliche<br />
Diagnosegruppen zu spezialisieren scheinen, verzeichnen sie doch insgesamt vornehmlich<br />
so genannt „leichtere Störungen“ wie neurotische, Belastungs-, affektive Störungen oder<br />
Essstörungen. Dementsprechend ist auch eine kurze Dauer der Aufenthalte von ein bis zwei<br />
Monaten üblich. Der Schwerpunkt des CHNP liegt dagegen auf der Behandlung von psycho-<br />
tischen Störungen und Alkoholerkrankungen und weist dementsprechend längere, mehrmo-<br />
natige Aufenthaltsdauern auf.<br />
1.24 Ambulanter Bereich<br />
1.24.1 Sozialpsychiatrische Beratungsstellen und Tageszentren<br />
1.24.1.1 Struktur<br />
Im sozialpsychiatrischen Bereich wurden insgesamt 14 Institutionen ermittelt. Dabei werden<br />
in den folgenden Abschnitten sechs Beratungsstellen, eine Koordinations- und Informations-<br />
stelle, zwei Tageszentren und ein Kontaktzentrum unterschiedlicher Grösse vorgestellt. Zwei<br />
davon (Centre des <strong>Santé</strong> Mentale und Centre d’Information et de Prévention) befinden sich<br />
in Luxemburg-Stadt sowie je eine in Esch („Oppen Dir“), in Grevenmacher, Echternach, eine<br />
in Useldange und in Manternach. Lediglich das Centre de <strong>Santé</strong> Mentale und das Centre<br />
Oppen Dir entsprechen dem Typus eines sozialpsychiatrischen Zentrums, da diese nebst<br />
Beratungsdienst über ein Tageszentrum (bzw. Kontaktzentrum) sowie ein betreutes Wohn-<br />
angebot für psychisch Kranke verfügen. Bei den Beratungsstellen CTU und der „Alternativ
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 99<br />
Beradungsstell“ handelt es sich um Dienste für eine spezifische, eng umgrenzte Klientel<br />
(Drogen, Alkohol).<br />
Zu diesen zehn Einrichtungen kommt noch das „Centre Accueil et Solidarité“ der Caritas hin-<br />
zu. Dabei handelt es sich um eine Beratungs- und Kontaktstelle mit integriertem Tageszent-<br />
rum und einem Nachtfoyer. Obwohl die Einrichtung auf Obdachlose ausgerichtet ist, wird sie<br />
dennoch von einer erheblichen Anzahl psychisch Kranker frequentiert. Da die ausgefüllten<br />
Dokumentationsbögen erst Mitte April eintrafen, konnten diese Angebote in den Erhebungen<br />
leider nicht mehr berücksichtigt werden.<br />
Es wurde zudem noch ein Dienst des ATP ermittelt. Bei diesem handelt es sich jedoch weni-<br />
ger um eine Beratungsstelle, sondern eher um eine Koordinations- und Informationsstelle im<br />
Bereich der therapeutischen Werkstätten. Diese Einrichtung wurde deshalb nicht in die wei-<br />
tere Auswertung miteinbezogen, wird aber im Kap. 4.7 erwähnt.<br />
Zudem wurden noch zwei Einrichtungen für Kinder und Jugendliche ermittelt. Einerseits eine<br />
Beratungsstelle der Médecins sans Frontières und andererseits ein vornehmlich sozialpäda-<br />
gogisch orientiertes Zentrum „Centre socio-éducatif“. Die Struktur der letzteren Einrichtung<br />
entspricht trotz sozialpädagogischer Orientierung dem Typus eines sozialpsychiatrischen<br />
Zentrums, insofern als es neben Beratung und Betreuung ausbildungs-, arbeits- und freizeit-<br />
bezogene Tagesangebote und ein betreutes Wohnangebot integriert. Die beiden Einrichtun-<br />
gen werden im Kap. 5.7.1 (Kinder- und jugendpsychiatrische Dienste) näher erläutert.<br />
Eine Übersicht über die Struktur der verschiedenen sozialpsychiatrischen Einrichtungen ist<br />
der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 100<br />
Tabelle 23: Übersicht über die sozialpsychiatrischen Einrichtungen<br />
Jahr der Entstehung, Art des Einrichtungstyps, Träger und Öffnungszeiten<br />
Name der Einrich-<br />
tung<br />
Alternativ Bera-<br />
dungsstelle<br />
seit<br />
1980<br />
Centre Oppen Dir 1987<br />
Beratungsstelle<br />
Grevenmacher<br />
Beratungsstelle<br />
des CTU<br />
Beratungsstelle<br />
des CSM<br />
Centre d'Informa-<br />
tion et de Préven-<br />
tion<br />
Tageszentrum des<br />
CSM<br />
Tageszentrum<br />
Kaspar Hauser<br />
Haus<br />
Tageszentrum Villa<br />
Reebou<br />
1991<br />
1978<br />
1960<br />
1992<br />
1973<br />
2002<br />
1987<br />
Art des Einrichtungstyps /<br />
Klientel<br />
Beratungsstelle für Abhängige il-<br />
legaler Drogen<br />
Beratungsstelle Allgemeinpsy-<br />
chiatrie<br />
Beratungsstelle Allgemeinpsy-<br />
chiatrie<br />
Telefonberatung bei Alkoholprob-<br />
lemen<br />
Therapie- und Beratungsstelle für<br />
psychisch Kranke<br />
Beratungs-, Kontakt- und Prä-<br />
ventionsstelle<br />
Tageszentrum für Menschen mit<br />
psychischen Störungen<br />
Tageszentrum für psychotische<br />
Patienten<br />
Tageszentrum mit Schwerpunkt<br />
Psychoseerkrankungen<br />
Träger / Rechtsnatur Öffnungszeiten<br />
CHNP / privatrechtlich<br />
Reseau Psy - Psychesch Hel-<br />
lef Dobussen<br />
Reseau Psychesch Hellef /<br />
privatrechtlich<br />
Mo, Mi, Fr<br />
halbtags<br />
Mo-Fr<br />
CHNP / privatrechtlich 24 h<br />
Ligue d'Hygiène Mentale asbl.<br />
/ freigemeinnützig<br />
Ligue d'Hygiène Mentale asbl.<br />
/ freigemeinnützig<br />
Ligue d'Hygiène Mentale asbl.<br />
/ freigemeinnützig<br />
Reseau Psy -Psychesch Hel-<br />
lef / privatrechtlich<br />
Psychesch Hellef /<br />
privatrechtlich<br />
ganztags<br />
Mo, Mi, ganz-, Di<br />
& Fr halbtags<br />
Mo-Fr ganztags /<br />
Sa halbtags<br />
Mo-Fr ganztags<br />
Mo, Di, Do ganz-<br />
tags<br />
Mo - Fr ganztags<br />
Vier der elf Institutionen gaben an, wesentliche Veränderungen im Aufgabenspektrum, im be-<br />
treuten Personenkreis oder in der Arbeitsweise innerhalb der letzten Jahre durchgemacht zu<br />
haben. Anpassungen waren einerseits im betreuten Personenkreis aufgrund der steigenden<br />
Anzahl Patienten mit Persönlichkeits- und psychotischen Störungen und Substanzabhängig-<br />
keiten, andererseits aber auch in konzeptioneller Hinsicht aufgrund neuer Therapieansätze,<br />
wie z.B. Methadonsubstitution, notwendig. Die zunehmende Anzahl therapeutischer Werk-<br />
stätten machten zudem eine Koordinationsstelle unumgänglich.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 101<br />
1.24.1.2 Angebot<br />
Allen Institutionen gemeinsam ist ihre Ausrichtung auf Einzelhilfen in bestimmten Lebensbe-<br />
reichen (Arbeit, Wohnen, Freizeit etc.) sowie auf psychosoziale Beratung und Vernetzung.<br />
Während die Schwerpunkte der Beratungsstellen stärker in der psychosozialen Beratung und<br />
Vernetzung mit mehr oder weniger starker Spezialisierung auf eine bestimmte Diagnose-<br />
gruppe liegen, so stehen in den Tageszentren verstärkt psychotherapeutische Interventionen<br />
(inkl. medizinisch-psychiatrischer / psychosozialer Abklärungen), Freizeit- und Berufsangebo-<br />
te sowie Familienarbeit im Vordergrund. Beim Centre d’Information et de Prévention (CIP)<br />
und der Beratungsstelle des ATP kommt zudem noch Öffentlichkeitsarbeit hinzu, wobei der<br />
Schwerpunkt im CIP mehr auf der Prävention liegt. Die genauen Häufigkeitsverteilungen sind<br />
der unten stehenden Tabelle zu entnehmen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 102<br />
Tabelle 24: Angebote im Bereich der Sozialpsychiatrie<br />
Dichotomy label Name Count Responses Cases<br />
Med-psychiatrische Anamnese PSYAMNE 5 6.8 41.7<br />
Psychosoziale Beratung SOZBERAT 9 12.2 75.0<br />
Psychotherapie THERAPIE 7 9.5 58.3<br />
Training persönlicher Fähigkeiten TRAINING 5 6.8 41.7<br />
Ausbildungs-/berufsbezogene An-<br />
gebote<br />
Einzelhilfe in bestimmten Lebensbe-<br />
reichen<br />
BERUFANG 2 2.7 16.7<br />
EINZHILF 10 13.5 83.3<br />
Psychosoziale Anamnese SOZANAM 5 6.8 41.7<br />
Psychosoziale Vernetzung PSOZVERN 9 12.2 75.0<br />
Bildungsangebote BILDUNG 2 2.7 16.7<br />
Gutachten GUTACHTE 6 8.1 50.0<br />
Freizeitangebote FREIZEIT 4 5.4 33.3<br />
Familienarbeit FAMILIE 5 6.8 41.7<br />
Anderes ANDERES 5 6.8 41.7<br />
Total responses 74 100 616.7<br />
SPSS Auswertung (Multibple Response / Value tabulated = 1) 10 valid cases<br />
1.24.1.3 Personal<br />
Nur in den drei Beratungsstellen der Vereinigung „Reseau Psy“ und im Sozialpsychiatrischen<br />
Zentrum „Centre de <strong>Santé</strong> Mentale“ ist ein Psychiater festangestellt. Die anderen Beratungs-<br />
und Kontaktstellen erhalten keine psychiatrische Betreuung. In den beiden Tageszentren<br />
„Villa Reebou“ und „Kaspar Haus“ sind zwar keine Psychiater festangestellt, es kann bei Be-<br />
darf aber auf einen der Psychiater der Vereinigung des Reseau Psy zurückgegriffen werden.<br />
Zur personellen Grundausstattung der Beratungsdienste gehören jedoch vornehmlich Psy-<br />
chologen und Sozialarbeiter.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 103<br />
Tabelle 25: Angaben zum Personal (Anstellungsgrad)<br />
Name der Einrichtung<br />
Alternativ Beradungsstelle<br />
Ergothe-<br />
rapeuten <br />
Psycho-<br />
logen <br />
Psychia-<br />
ter<br />
Pflege-<br />
personal<br />
Centre Oppen Dir 2 1.25 1.5<br />
Sozial-<br />
arbeiter<br />
Beratungsstelle Echternach 0.1 0.05<br />
Beratungsstelle Grevenmacher 0.5 0.25 0.75<br />
Beratungsstelle des CTU unbekannt<br />
Beratungsstelle des CSM Siehe Tageszentrum CSM<br />
Centre d’Information et de Pré-<br />
vention<br />
0.5 0.5<br />
Tageszentrum des CSM 1.5 3 0.75 1.5 0.25<br />
Tageszentrum Kaspar Haus 1.1 0.5<br />
Tageszentrum Villa Reebou 2.25<br />
Admini-<br />
stration<br />
Die Mehrheit der Einrichtungen (10 Nennungen) erhalten mehr oder weniger regelmässig<br />
Möglichkeiten zur psychiatrischen Weiterbildung. Die Mitarbeiter der fünf Einrichtungen des<br />
Reseau Psy werden dabei alle sechs Wochen supervisiert und unterhalten Kontakte zu ähn-<br />
lichen Einrichtungen im Ausland. Das CSM bietet zwar keine Supervision im eigentlichen<br />
Sinne, jedoch wöchentliche Teambesprechungen an. Die Mitarbeiter der Beratungsstelle des<br />
CTM erhalten wie alle Mitarbeiter des CHNP zwischen 30 und 40 Std. Weiterbildung pro Jahr<br />
offeriert, die sie jedoch selber organisieren müssen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 104<br />
1.24.1.4 Angaben zu den Klienten<br />
Tabelle 26: Angaben zu Anzahl Patienten, Nationalität, Alter<br />
Stand 2004<br />
Name der Einrichtung Anzahl Patienten Nationalität<br />
Ausländeranteil<br />
Alternativ Beradungsstelle Keine Angaben<br />
Alter / Geschlecht<br />
(Hauptgruppe)<br />
Centre Oppen Dir 311 Unbekannt 18 - 65 Jahre<br />
Beratungsstelle Echternach 25 Unbekannt 18 – 65 Jahre / > 65 Jahre<br />
Beratungsstelle Grevenmacher 101 Unbekannt 18 – 65 Jahre / > 65 Jahre<br />
Beratungsstelle des CTU Keine Angaben<br />
Beratungsstelle des CSM<br />
614<br />
Total 1051<br />
Centre d’Information et<br />
de Prévention<br />
(4966 Beratungen)<br />
Keine Angaben<br />
44% Ausländer<br />
Ca. 95% zwischen 18 und 64<br />
Jahren, 2/3 davon sind Frauen<br />
Tageszentrum des CSM 43 44% Ausländer Zwischen 20 und 30 Jahren<br />
Tageszentrum Kaspar Haus 102 Unbekannt 18 – 65 Jahre<br />
Tageszentrum Villa Reebou 79 Unbekannt 18 – 65 Jahre<br />
Total 224<br />
Insgesamt wurden in den Beratungsstellen im Jahr 2004 1 051 Patienten gezählt. Dabei<br />
wurden ein- bis mehrmalige Konsultationen durchgeführt. Die Tages- bzw. Kontaktzentren<br />
verzeichneten im Jahr 2004 224 Patienten. Ausser dem CSM wurden keine soziodemogra-<br />
phischen Angaben (Alter, Geschlecht, Nationalität) angegeben. Die Klientel des Centre de<br />
<strong>Santé</strong> Mentale war dabei zu 56% luxemburgischer Abstammung und zu zwei Dritteln weibli-<br />
chen Geschlechts. Während die Beratungsstelle des CSM zu 95% Menschen zwischen 18
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 105<br />
und 64 Jahren berieten, so waren die Patienten des Tageszentrums eher jünger, wobei der<br />
Durchschnitt zwischen 20 und 30 Jahren lag.<br />
Tabelle 27: Angaben zu den Klienten<br />
Angaben zu Anzahl Patienten, Nationalität, Alter im Jahr 2004 der 12 sozialpsychiatrischen Einrichtungen<br />
Name der Einrichtung Aufenthaltsdauer Wichtigste Problembereiche (Rangfolgen)<br />
Alternativ Beradungsstelle Drogenproblematik<br />
Centre Oppen Dir<br />
Beratungsstelle Echternach<br />
Beratungsstelle Grevenmacher<br />
1) Persönlichkeitsstörungen, Psychotische Erkrankungen<br />
2) Ängste, Depression<br />
3) Beziehungsproblematik<br />
4) Alkoholabhängigkeit<br />
1) Ängste, Depressionen<br />
2) Persönlichkeitsstörungen, Psychotische Erkrankungen<br />
3) Gerontopsychiatrische Probleme<br />
4) Suizidalität<br />
1) Ängste, Depressionen<br />
2) Persönlichkeitsstörungen, Psychotische Erkrankungen<br />
3) Gerontopsychiatrische Probleme<br />
4) Suizidalität<br />
Beratungsstelle des CTU Alkoholerkrankungen<br />
Beratungsstelle des CSM<br />
Centre d’Information et de Pré-<br />
vention<br />
Psychiatrische Konsul-<br />
tation: 3-4x<br />
Psychologische Kon-<br />
sultation: 5-6x<br />
Pflegedienste: 12x<br />
Keine Angaben<br />
Tageszentrum des CSM 5 Monate<br />
Tageszentrum Kaspar Haus<br />
Tageszentrum Villa Reebou<br />
Kurz- und Langzeit-<br />
aufenthalte<br />
Kurz- und Langzeit-<br />
aufenthalte<br />
1) Psychotischen Störungen, Persönlichkeitsstörungen, af-<br />
fektive Störungen, Substanzstörungen (ca. 42%)<br />
2) Angststörungen (ca. 35%)<br />
3) Psychosoziale Probleme (Beziehung, Familie, Beruf)<br />
(ca. 20%)<br />
1) Ängstlich-depressive Störungen<br />
2) Andere psychisch relevante Störungen<br />
3) Psychosoziale Probleme (Beruf, Familie, Beziehung)<br />
V.a. psychotische Erkrankungen, Persönlichkeitsstörun-<br />
gen und ängstlich-depressive Störungen<br />
Psychotische Störungen<br />
Psychotische Störungen<br />
Werden alle Ränge der Einrichtungen zusammengezählt und gemittelt, so stehen auf Rang 1<br />
„andere psychiatrische Erkrankungen“ (5 Nennungen) wie z.B. Persönlichkeitsstörungen und
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 106<br />
psychotische Störungen. An zweiter Stelle stehen mit 3 Nennungen Ängste und Depressio-<br />
nen. An dritter Stelle finden sich psychosoziale Probleme sowie Alkoholerkrankungen (2<br />
Nennungen). Während in den sozialpsychiatrischen Beratungsstellen der Schwerpunkt in der<br />
Betreuung von Patienten mit Angst-, Belastungs-, affektiven und Persönlichkeitsstörungen<br />
liegt, so sind die Tageszentren eher auf psychotische Erkrankungen ausgerichtet. Die auf<br />
Suchterkrankungen spezialisierten Beratungsstellen verzeichnen ihrem Konzept entspre-<br />
chend vornehmlich Suchterkrankungen. Bei der Mehrheit der Patienten treten die psychi-<br />
schen Störungen in Begleitung von psychosozialen Problemen auf.<br />
1.24.1.5 Zusammenarbeit/Vernetzung<br />
Patienten werden mehrheitlich durch ambulante Dienste, wie z.B. frei praktizierende Psychia-<br />
ter, andere Beratungsstellen (je 9 Nennungen) und Sozialdienste (8 Nennungen) zugewie-<br />
sen. An zweiter Stelle stehen Justizämter (7 Nennungen), Wohneinrichtungen und therapeu-<br />
tische Werkstätten (je 6 Nennungen). Erst an dritter Stelle stehen die stationären Dienste mit<br />
5 Nennungen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 107<br />
Tabelle 28: Angebote im Bereich der Sozialpsychiatrie<br />
Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />
Zuweisung ambulante Dienste ZUWAMB 9 13.4 90<br />
Zuweisung Tageskliniken ZUWTK 4 6 40<br />
Zuweisung stationäre Dienste ZUWSTAT 5 7.5 50<br />
Zuweisung sonstige Wohneinrichtungen ZUWWOHN 6 9 60<br />
Zuweisung Tagesstätten ZUWSTÄTT 4 6 40<br />
Zuweisung Berufsbildungswerke ZUWBERUF 3 4.5 30<br />
Zuweisung Werkstätten ZUWWERK 6 9 60<br />
Zuweisung sonstige Beratungsstellen ZUWBERAT 9 13.4 90<br />
Zuweisung Sozialdienste ZUWSOZ 8 11.9 80<br />
Zuweisung Ämter ZUWÄMT 2 3 20<br />
Zuweisung Justizämter ZUWJUSTI 7 10.4 70<br />
Zuweisung andere Institution ZUWAND 4 6 40<br />
Total responses 67 100 670<br />
SPSS- Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1) 10 valid cases<br />
Die intensivste Zusammenarbeit besteht auch hier mit den ambulanten Diensten, sei dies<br />
aufgrund einer Erstvernetzung oder aufgrund einer Rückweisung der Patienten an ihre bishe-<br />
rige Behandler (10 Nennungen). Im Sinne psychosozialer Vernetzungsarbeit werden auch<br />
häufig Kontakte mit Sozialdiensten (9 Nennungen), therapeutischen Werkstätten (7 Nennun-<br />
gen) sowie Wohneinrichtungen (6 Nennungen) hergestellt. Im Falle einer Verschlechterung<br />
des Zustandsbildes der Patienten gewinnen im Bereich der Weiterweisung die stationären<br />
Dienste an Bedeutung (8 Nennungen).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 108<br />
Tabelle 29: Auswertung zu weiterweisenden Institutionen und Ämter im Jahre 2004<br />
Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />
Weiterweisung ambulant WEITAMB 10 15.6 100<br />
Weiterweisung Tagesklinik WEITTK 4 6.3 40<br />
Weiterweisung stationär WEITSTAT 8 12.5 80<br />
Weiterweisung Wohneinrichtungen WEITWOHN 6 9.4 60<br />
Weiterweisung Tagesstätte, Freizeit WEITSTÄT 6 9.4 60<br />
Weiterweisung Berufsbildungswerke etc. WEITBERU 4 6.3 40<br />
Weiterweisung Werkstätten WEITWERK 7 10.9 70<br />
Weiterweisung Beratungsstellen WEITBERA 6 9.4 60<br />
Weiterweisung Sozialdienste WEITSOZI 9 14.1 90<br />
Weiterweisung Ämter WEITAMT 2 3.1 20<br />
Weiterweisung andere Institution WEITAND 2 3.1 20<br />
Total responses 64 100 640<br />
Multiple Response-SPSS Auswertung, Value tabulated = 1 10 valid cases<br />
Im Anhang finden sich detaillierte Übersichten über die genauen Tätigkeitsfelder und Klien-<br />
tenangaben der sozialpsychiatrischen Angebote des Reseau Psy wie auch des Centre des<br />
<strong>Santé</strong> Mentale.<br />
1.24.2 Psychiater in freier Praxis<br />
Insgesamt wurden 56 Psychiater in eigener Praxis, davon 5 Fachärzte für Kinder- und Ju-<br />
gendpsychiatrie, in die Bestandesaufnahme miteinbezogen. Unter Annahme der Erfassung<br />
aller psychiatrischen Praxen kommt ein Psychiater auf 8 064 Einwohner, was bei einer Be-<br />
völkerungsanzahl von rund 451 600 einer Rate von 0.12/1 000 entspricht. Von den 56 ver-<br />
sandten Fragebögen wurden 17 Fragebögen beantwortet, was einer Rücklaufquote von<br />
30.4% entspricht. Aufgrund des geringen Rücklaufs können deshalb nur allgemeine Struktu-<br />
ren des Versorgungsbereiches dokumentiert werden. Repräsentative Aussagen über Ver-<br />
sorgungskapazitäten, Diagnosen etc. sind nicht möglich.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 109<br />
1.24.2.1 Struktur<br />
Die Praxen wurden während der Jahre 1979 bis 2004 eröffnet, wovon fünf neue Praxen allein<br />
im Jahre 2003 entstanden. Sechs dieser Praxen werden rechtlich und/oder organisatorisch<br />
mit anderen geführt. Alle Psychiater arbeiten nach dem Bestellpraxensystem. Sieben Psy-<br />
chiater gaben an, in den letzten Jahren wesentliche Änderungen im Aufgabenspektrum, im<br />
behandelten Personenkreis oder in der Arbeitsweise durchgeführt zu haben. Die meisten be-<br />
trafen die Zusammenarbeit mit psychiatrischen Abteilungen in Allgemeinkrankenhäusern,<br />
wobei entweder die Arbeit als Belegarzt neu aufgenommen, ausgebaut oder beendet wurde.<br />
In diesem Zusammenhang erfolgte auch die Aufnahme von Zwangseinweisungen als ein<br />
neuer Aufgabenbereich. Ein Psychiater gab an, in seiner Praxis eine starke Zunahme von<br />
Patienten mit Mobbingproblemen zu verzeichnen.<br />
Vierzehn Psychiater gaben an, Wartefristen von einem Monat (7 Nennungen), 1-6 Monaten<br />
(4 Nennungen) und sogar zwischen 6 und 12 Monaten (1 Nennung) zu haben. Ein Psychia-<br />
ter nimmt aufgrund von Kapazitätsproblemen aktuell gar keine neuen Patienten mehr auf.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 110<br />
1.24.2.2 Angebot<br />
Tabelle 30: Die Angebote ambulant tätiger Psychiater<br />
Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />
Medizinisch-psychiatrische Anamnese PSYCHAMN 14 15.4 100<br />
Psychosoziale Beratung BERATUNG 10 11 71.4<br />
Gutachten GUTACHTE 8 8.8 57.1<br />
Training persönlicher Fähigkeiten TRAINING 4 4.4 28.6<br />
Psychopharmakologie PHARMA 13 14.3 92.9<br />
Bildungsangebote BILDUNG 3 3.3 21.4<br />
Psychotherapie THERAPIE 13 14.3 92.9<br />
Psychosoziale Anamnese SOZANAM 11 12.1 78.6<br />
Psychosoziale Vernetzung VERNETZU 7 7.7 50<br />
Gruppenangebote GRUPPE 1 1.1 7.1<br />
Hausbesuche HAUSBES 1 1.1 7.1<br />
Angehörigenarbeit FAMILIE 6 6.6 42.9<br />
Total 91 100.0 650.0<br />
SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1) 3 missing cases, 14 valid cases<br />
Über 60% (10) der praktizierenden Psychiater gaben an, mehrheitlich in Allgemeinkranken-<br />
häusern (CHNP, Clinique St. Therèse, Esch/Alzette, St. Louis und Kirchberg) konsiliarisch tä-<br />
tig zu sein. Je ein Psychiater berät zudem niedergelassene Hausärzte und das Therapiezent-<br />
rum Pfaffental. Drei Psychiater sind dabei täglich konsiliarisch tätig. Elf Psychiater beteiligen<br />
sich an einem turnusgemäss wechselnden Bereitschaftsdienst, wobei hinsichtlich des Um-<br />
fangs dennoch Unterschiede zu verzeichnen sind. Zwei stehen täglich, einer mehrmals wö-<br />
chentlich, vier einmal pro Woche und einer alle zwei Wochen zur Verfügung. Drei haben dar-<br />
auf nicht geantwortet. Diese elf Psychiater führen auch Belegbetten in den Kliniken CHNP,<br />
St. Therèse, Esch/Alzette, Kirchberg und St. Louis. Die Anzahl der Belegbetten variiert von 6<br />
bis 60 Betten, wobei vier keine Angaben dazu gemacht haben.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 111<br />
1.24.2.3 Angaben zu Patienten<br />
Die Angaben über die Gesamtzahl der 2004 betreuten Klienten waren sehr heterogen. Sie<br />
reichten von 50 Klienten pro Praxis bis zu 1 200 bei Praxen in den Allgemeinspitälern. Die<br />
Angabe einer durchschnittlichen Klientenzahl pro Praxis ist aus diesem Grunde nicht sehr<br />
aussagekräftig. Die grosse Spannweite ist erfahrungsgemäss bedingt durch die jeweils do-<br />
minierenden Behandlungsarten, wobei psychotherapeutisch tätige Psychiater grundsätzlich<br />
geringere Aufnahmekapazitäten haben. Sechs Psychiater machten keine Angaben zu Pati-<br />
entenzahlen.<br />
Die drei Kinder- und Jugendpsychiater behandelten sinngemäss v.a. Patienten unter 18 Jah-<br />
ren. Fünf weitere Psychiater gaben an, zum Teil auch Patienten unter 18 Jahren zu behan-<br />
deln, die Prozentsätze variierten dabei zwischen 2 und 20%. Elf Psychiater gaben an, haupt-<br />
sächlich Klienten zwischen 18 und 64 Jahren und an zweiter Stelle Klienten über 65 Jahren<br />
(~20%) zu behandeln. Drei machten keine Angaben zum Alter der Klienten. In zwei der Pra-<br />
xen werden mehrheitlich ausländische Klienten und in acht vornehmlich einheimische be-<br />
handelt. Zwei Psychiater geben an, eine ausgeglichene Anzahl ausländischer sowie einhei-<br />
mischer Klienten zu verzeichnen. Vier Fachärzte machten hierzu keine Angaben.<br />
Exakte Angaben über Diagnoseverteilungen machten lediglich zwei Praxen. Dreizehn gaben<br />
jedoch Häufigkeits-Rangreihen der behandelten Krankheitsbilder an, so dass auf diese Wei-<br />
se das in der nachfolgenden Tabelle ersichtliche Bild des Behandlungsspektrums entsteht.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 112<br />
Tabelle 31: Krankheitsbilder (Behandlungsspektrum)<br />
Diagnosen „psychischer Störungen“ gemäss ICD-10-Kriterien<br />
Krankheitsbilder Rangreihen-Meridiane Anzahl Nennungen<br />
Organische Störungen 5.5 7<br />
Störungen aufgrund von Alkohol- und Medi-<br />
kamentenmissbrauch<br />
2.5 10<br />
Störungen aufgrund psychotroper Substanzen 5 10<br />
Psychotische Störungen 4 11<br />
Affektive Störungen 2 11<br />
Neurotische, Belastungs- und somatoforme<br />
Störungen<br />
Verhaltensauffälligkeiten aufgrund körperlicher<br />
Störungen (z.B. Essstörungen)<br />
3 12<br />
4.5 10<br />
Persönlichkeitsstörungen 2 10<br />
Intelligenzminderung 6.5 5<br />
Entwicklungsstörungen 3.5 4<br />
Unklare psychiatrische Diagnose 8 2<br />
Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass affektive Störungen, Persönlichkeitsstörungen, Be-<br />
lastungs- und somatoforme Störungen wie auch Erkrankungen aufgrund von Alkoholmiss-<br />
brauch in den Praxen am häufigsten behandelt werden.<br />
Was die durchschnittliche Behandlungsdauer anbelangt, so sind beträchtliche Unterschiede<br />
zwischen den einzelnen Praxen zu erkennen. Von den neun Praxen, die diese Frage beant-<br />
wortet haben, liegt bei sieben die durchschnittliche Behandlungsdauer unter drei Monaten,<br />
bei zwei Psychiatern zwischen sechs und zwölf Monaten und bei einem Psychiater zwischen<br />
ein und zwei Jahren.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 113<br />
1.24.2.4 Zusammenarbeit/Vernetzung<br />
Die Klienten werden hauptsächlich durch andere ambulante Dienste (10), Beratungsstellen<br />
(8), Sozialdienste (7) und komplementäre Wohneinrichtungen (7) den Praxen zugewiesen.<br />
Eine genaue Übersicht findet sich in der nachfolgenden Tabelle.<br />
Tabelle 32: Zusammenarbeit mit zuweisenden Institutionen<br />
Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />
Zuweisung ambulante Dienste ZUWAMB 1 17.9 90.9<br />
Zuweisung rehabilitative Dienste ZUWREHA 2 3.6 18.2<br />
Zuweisung stationäre Dienste ZUWSTAT 5 8.9 45.5<br />
Zuweisung Altersheime ZUWALTER 5 8.9 45.5<br />
Zuweisung sonstige Wohneinrichtungen ZUWWOHN 7 12.5 63.6<br />
Zuweisung Tagesstätte ZUWSTÄTT 3 5.4 27.3<br />
Zuweisung Werkstätten ZUWWERK 3 5.4 27.3<br />
Zuweisung Beratungsstellen ZUWBERAT 8 14.3 72.7<br />
Zuweisung Sozialdienste ZUWSOZ 7 12.5 63.6<br />
Zuweisung Ämter ZUWÄMT 3 5.4 27.3<br />
Zuweisung Justizämter ZUWJUSTI 1 1.8 9.1<br />
Zuweisung andere Institution ZUWAND 2 3.6 18.2<br />
Total 56 100.0 509.1<br />
SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1)<br />
Die Klienten werden im Falle einer Zustandsbildverschlechterung häufig an stationäre Diens-<br />
te (9) weitergeleitet, weshalb der Zusammenarbeit mit psychiatrischen Kerneinrichtungen ei-<br />
ne herausragende Bedeutung zukommt. Kooperation, v.a. im Sinne psychosozialer Vernet-<br />
zung, besteht zudem mit anderen ambulanten Einrichtungen (9), Beratungsstellen (7) und<br />
Wohneinrichtungen (6).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 114<br />
Tabelle 33: Zusammenarbeit mit weiterweisenden Institutionen<br />
Dichotomy Label Name Count<br />
Re-<br />
sponses<br />
Weiterweisung ambulant WEITAMB 9 16.7 81.8<br />
Weiterweisung Rehabilitation WEITREHA 4 7.4 36.4<br />
Weiterweisung stationär WEITSTAT 9 16.7 81.8<br />
Weiterweisung Altersheime WEITALTE 5 9.3 45.5<br />
Weiterweisung Wohneinrichtungen WEITWOHN 6 11.1 54.5<br />
Weiterweisung Tagesstätte, Freizeit WEITSTÄT 5 9.3 45.5<br />
Weiterweisung Werkstätte WEITWERK 5 9.3 45.5<br />
Weiterweisung Beratungsstellen WEITBERA 7 13 63.6<br />
Weiterweisung Sozialdienste WEITSOZI 4 7.4 36.4<br />
Total 54 100.0 490.9<br />
SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1) 6 missing cases, 11 valid cases<br />
1.24.3 Fazit<br />
Cases<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die sozialpsychiatrischen Angebote sich vor<br />
allem in den Ballungsräumen Luxemburg-Stadt und Esch konzentrieren. Durch die Bera-<br />
tungsstellen Grevenmacher und Echternach wird zudem neu der Osten abgedeckt. Einzig die<br />
fachspezifischen Beratungsstellen stehen dem Zentrum Luxemburgs vor. Grundsätzlich ist<br />
v.a. im Hinblick auf das Prinzip der Gemeindenähe eine Unterversorgung des nördlichen<br />
Landesteils zu konstatieren. Dessen ambulante Versorgung wird wahrscheinlich durch die<br />
verkehrstechnisch nächstgelegene Einrichtung, die Ambulanz des CHNP, mitgetragen.<br />
Für die ambulante Versorgung chronisch psychisch Kranker mit erhöhtem Betreuungsbedarf<br />
stehen über die frei praktizierenden Psychiater hinaus nur die Belegärzte der psychiatrischen<br />
Fachabteilungen und die psychiatrische Ambulanz des CHNP zur Verfügung. Die Kapazität<br />
der sozialpsychiatrischen Beratungsstellen ist v.a. durch die Inanspruchnahme von so ge-<br />
nannten leichteren Störungen eingeschränkt, welche in der Regel weniger Beeinträchtigun-<br />
gen aufweisen als z.B. Psychosekranke. Die verbleibenden ambulanten Dienste beschrän-<br />
ken sich dagegen vom Konzept her auf einen spezifischen Teil des psychiatrischen Diagno-<br />
sespektrums (Suchterkrankungen). Die Obdachlosenhilfe Caritas weist in diesem Zusam-<br />
menhang auf den grossen Anteil psychisch Kranker in ihren Einrichtungen hin. Diese häufige<br />
Inanspruchnahme von Einrichtungen der Nichtsesshaftenhilfe muss dabei als Hinweis auf
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 115<br />
quantitative und qualitative Mängel in der Versorgung chronisch psychisch Kranker interpre-<br />
tiert werden. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen bzw. eingeschränkten Betreu-<br />
ungskapazitäten der Einrichtungen besteht deshalb vermutlich ein beträchtliches Versor-<br />
gungsdefizit, vornehmlich für chronisch psychisch Kranke aus dem Norden des Landes.<br />
Der ambulante Bereich wird durch 56 Psychiater (5 davon Kinder- und Jugendpsychiater)<br />
abgedeckt, was einer Rate von 0.124 Psychiatern pro 1 000 Einwohner entspricht. Luxem-<br />
burg weist in Bezug auf die ambulante Versorgung eine hohe Dichte an Psychiatern auf, die<br />
über dem internationalen Durchschnitt und sogar über der hohen Dichte der Schweiz liegt<br />
(0.023 / 1 000, siehe Kap. 3.4.2). Es ist jedoch hervorzuheben, dass ein Teil davon in Dop-<br />
pelfunktionen auch als Belegärzte in den Allgemeinkliniken tätig ist.<br />
Was die Geschlechts- und Altersverteilung betrifft, so entspricht die Klientel der psychiatri-<br />
schen Praxen recht genau der luxemburgischen Gesamtbevölkerung (davon je 20% Kinder-<br />
und Jugendliche und über 65-jährige). Die verfügbaren Informationen lassen erkennen, dass<br />
affektive Störungen, Neurosen und Persönlichkeitsstörungen neben den Erkrankungen durch<br />
Alkohol die am häufigsten behandelten Krankheitsbilder sind. Erfahrungsgemäss stehen die<br />
rein psychotherapeutisch tätigen Psychiater nur einem nach Zahl und Behandlungsbedarf<br />
sehr begrenzten Patientenkreis zur Verfügung. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auf-<br />
grund fehlender ausserstationärer Strukturen und diagnosespezifischer Angebote ein<br />
Grossteil der unterversorgten Klienten die Dienste der Psychiater in Anspruch nimmt. Dies<br />
könnte auch die langen Wartefristen trotz hoher Dichte an psychiatrischen Praxen erklären.<br />
Auf der anderen Seite wird durch die bevorzugte Behandlung psychoreaktiver Störungen<br />
deutlich, dass auch hier eine gewisse Anzahl schwer chronisch Kranker mit umfassenderen<br />
Versorgungsbedürfnissen von den Angeboten der Psychiater vermutlich nicht erreicht wer-<br />
den. Dies wird durch die ungleiche regionale Verteilung mit der Konzentration fast aller Psy-<br />
chiater auf die urbanen Räume noch verstärkt.<br />
1.25 Komplementärer und rehabilitativer Bereich<br />
1.25.1 Bereich Wohnen<br />
Von den 17 angeschriebenen Einrichtungen wurden acht Einrichtungen für psychisch Kranke<br />
der folgenden Trägerinstitutionen in die Erhebung miteinbezogen:<br />
• Wohnangebote des CHNP (betreutes Einzelwohnen, Übergangsheim, Wohnheim)<br />
• Liewen Dobaussen (1 Wohnheim)<br />
• Centre de <strong>Santé</strong> Mentale (betreutes Einzelwohnen und Übergangsheim)<br />
• C.E.R.R.M. (betreutes Wohnen und Übergangsheim)<br />
• Reseau Psy Hellef Dobaussen asbl. (betreutes Einzelwohnen)<br />
Fünf weitere Einrichtungen (in Kap. 2 unter „diverse Einrichtungen“ vermerkt) gehören zur Li-<br />
gue HCM und sind auf Menschen mit einer geistigen Behinderung ausgerichtet. Aufgrund ih-<br />
rer Spezifität wurden diese nicht in die weiteren Erhebungen miteinbezogen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 116<br />
Die Caritas unterhält darüber hinaus vier Einrichtungen mit Wohnplätzen für Obdachlose und<br />
sozial Benachteiligte, die in Ansätzen ein therapeutisches und resozialisierendes Konzept<br />
verfolgen. Die Daten konnten in den vorliegenden Erhebungen aufgrund des verspäteten<br />
Rücklaufs leider nicht mehr berücksichtigt werden.<br />
1.25.1.1 Struktur<br />
Gegenwärtig stehen im Rahmen des geschützten Wohnens 138 Wohnplätze zur Verfügung.<br />
Davon entfallen 27 Plätze auf ausgegliederte Wohnangebote des CHNP, die sich auf 24<br />
Plätze für Patienten mit Substanzerkrankungen und drei Einzelwohnplätze mit Betreuung<br />
durch den Heimpflegedienst SPAD aufteilen. Neben diesen finden sich 111 Wohnplätze für<br />
allgemeinpsychiatrische Patienten, die den Trägerschaften C.E.R.R.M., Ligue Luxemburgoi-<br />
se d’Hygiène Mentale, Reseau Psy und Liewen Dobaussen unterstehen. Die drei Letztge-<br />
nannten sind dabei durch Konventionsverträge mit dem Gesundheitsministerium verbunden.<br />
Eine genaue Übersicht über die verschiedenen Wohneinrichtungen bietet nachfolgende Ta-<br />
belle:
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 117<br />
Tabelle 34: Angaben zu den Wohneinrichtungen im ausserstationären Bereich<br />
Stand 2004 (Jahr der Entstehung, Art des Einrichtungstyps, Träger und Anzahl Plätze)<br />
Name der Einrichtung Seit Art des Einrichtungstyps Träger<br />
Appartements thérapeutiques du<br />
Centre de <strong>Santé</strong> mentale<br />
SPAD-Begleitung<br />
1987<br />
Übergangswohnheim und betreutes<br />
Wohnen in Einzelwohnungen und in<br />
Wohngemeinschaften<br />
Betreutes Einzelwohnen<br />
(Begleitung durch SPAD)<br />
Ligue Luxembur-<br />
goise<br />
d’Hygiène Mentale<br />
CHNP 3<br />
Foyer Reckendall 1990 Betreutes Wohnen C.E.R.R.M. 22<br />
Foyer Reckendall / Réhabilitation 1986 Übergangsheim C.E.R.R.M. 9<br />
Foyer Thérapeutiques (2)<br />
(Foyer Integra und Haus beim<br />
Schlass)<br />
1983/<br />
1990<br />
Foyer de vie für Alkoholkranke<br />
(Langzeitwohnheim)<br />
Liewen Dobaussen 1987 Wohnheim (Langzeitbereich)<br />
Logement Supervisé 2001 Betreutes Einzelwohnen<br />
Nachsorgehäuser Rosport (Syr-<br />
dallschlass Manternach)<br />
Total<br />
(mit Einrichtungen des CHNP)<br />
Total<br />
(ohne Einrichtungen des CHNP)<br />
2003<br />
Übergangsheim für Suchtabhängige<br />
nach Therapie im CTM<br />
Anzahl<br />
Plätze<br />
31<br />
CHNP und CTU 13<br />
Liewen Dobaussen<br />
asbl.<br />
Reseau Psychesch<br />
Hellef Dobaussen<br />
asbl.<br />
CHNP und Ge-<br />
sundheitsministeri<br />
Bei den Wohneinrichtungen handelt es sich um drei Übergangsheime, drei Angebote im Be-<br />
reich „betreutes Wohnen“ mit unterschiedlicher Betreuungszeit und zwei Wohnheime für<br />
langfristige Aufenthalte. Zwei Einrichtungen werden öffentlich-rechtlich und sechs freige-<br />
meinnützig geführt. Letztere sind dabei durch Kooperationsverträge dem Gesundheitsminis-<br />
terium unterstellt. Nahezu alle Einrichtungen sind voll ausgelastet. Die Wartezeiten liegen<br />
dabei zwischen sechs und zwölf Wochen.<br />
um<br />
35<br />
14<br />
11<br />
138<br />
111
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 118<br />
Veränderungen in den letzten Jahren<br />
Nur zwei der Einrichtungen gaben an, in den letzten Jahren wesentliche Veränderungen im<br />
Aufgabenbereich, Klientenprofil oder in der Infrastruktur erfahren zu haben. Im Centre de<br />
<strong>Santé</strong> Mentale hat sich das Angebot an Wohnplätzen verdoppelt und es gab – neben einer<br />
Zunahme von Akutpatienten – eine Verschiebung des Patientenprofils in Richtung Dualdiag-<br />
nosen. Im Wohnheim von Liewen Dobaussen ergaben sich aufgrund zunehmend jüngerer<br />
Psychosepatienten Veränderungen des Klientenprofils v.a. in Bezug auf das Alter, die Ver-<br />
weildauer und bisherige Hospitalisationserfahrung.<br />
1.25.1.2 Personal<br />
Nur in einer Einrichtung ist ein Psychiater festangestellt. Alle weiteren – ausser dem Wohn-<br />
heim Liewen Dobaussen – werden bei Bedarf konsiliarisch durch einen psychiatrischen<br />
Facharzt mitversorgt. Während das Foyer Reckendall wöchentlich vier Stunden konsiliarärzt-<br />
liche Betreuung erhält, so finden diese in den anderen Institutionen erst auf Anfrage des<br />
Klienten statt. Patienten der Asbl. Liewen Dobaussen werden demgegenüber durch ihren<br />
ambulanten Psychiater betreut.<br />
Grundsätzlich wird ein beträchtlicher Mangel in der Personalausstattung der verschiedenen<br />
Institutionen konstatiert. Einzig das Centre de <strong>Santé</strong> Mentale und die Einrichtungen des<br />
C.E.R.R.M. verfügen über eine grössere Anzahl Personal. Die anderen Einrichtungen wer-<br />
den häufig nur von einem Pädagogen oder einen Sozialarbeiter betreut und auch dies in<br />
deutlich beschränktem Umfang.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 119<br />
Tabelle 35: Angaben zum Personal (Anstellungsgrad)<br />
Name der Einrichtung<br />
Pädagogen /<br />
Erzieher<br />
Psychologen Psychiater<br />
Psychiatrisches<br />
Pflegepersonal<br />
Centre de <strong>Santé</strong> Mentale 0.5 0.5 0.25 2.25 0.25<br />
SPAD-Begleitung keine genauen Angaben (wird durch Pflegefachkräfte des SPAD versorgt)<br />
Foyer Reckendall 1 -<br />
Foyer Reckendall / Réha-<br />
bilitation<br />
1.5 0.25<br />
Konsiliarisch,<br />
4 Std./Woche<br />
Konsiliarisch, 4<br />
Std./Woche<br />
Sozial-<br />
arbeiter<br />
1 0.25<br />
2 0.5<br />
Liewen Dobaussen 3.5 - - 2.5 -<br />
Logement Supervisé<br />
Nachsorgehäuser<br />
Rosport<br />
1<br />
Konsiliarisch<br />
bei Bedarf<br />
Konsiliarisch<br />
auf Anfrage der<br />
Klienten<br />
Total 7.5 0.75 0.25 8.75 2<br />
Weiterbildung / Supervision<br />
Sechs Einrichtungen geben an, Supervision oder psychiatrische Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
zu erhalten. Wiederum sind grosse Unterschiede in Bezug auf Umfang und Art der Weiterbil-<br />
dung zu verzeichnen. Während das Centre des <strong>Santé</strong> Mentale regelmässig drei Stun-<br />
den/Woche Supervision anbietet, so findet für die Mitarbeiter des Resau Psy – Psychesch<br />
Hellef Dobaussen alle sechs Wochen Supervision statt. Diese unterhalten zudem Kontakte<br />
zu ähnlichen Institutionen im Ausland. Die beiden Einrichtungen des C.E.R.M.M. (Foyer Re-<br />
ckendall) geben an, einmal jährlich eine berufsorientierte Weiterbildung anbieten zu können.<br />
Die Weiterbildungsangebote sind allen Mitarbeitergruppen zugänglich.<br />
0.5
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 120<br />
1.25.1.3 Angebot und Konzept<br />
Tabelle 36: Angebote der Wohneinrichtungen<br />
Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />
Med-psychiatrische Anamnese PSYAMNE 1 2.3 14.3<br />
Psychosoziale Beratung SOZBERAT 6 13.6 85.7<br />
Psychotherapie THERAPIE 2 4.5 28.6<br />
Training persönlicher Fähigkeiten TRAINING 7 15.9 100<br />
Ausbildungs-/berufsbezogene Angebote BERUFANG 4 9.1 57.1<br />
Einzelhilfe in bestimmten Lebensbereiche EINZHILF 7 15.9 100<br />
Psychosoziale Anamnese SOZANAM 4 9.1 57.1<br />
Psychosoziale Vernetzung PSOZVERN 6 13.6 85.7<br />
Freizeitangebote FREIZEIT 6 13.6 85.7<br />
Anderes ANDERES 1 2.3 14.3<br />
Total 44 100.0 628.6<br />
SPSS-Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1) 4 missing cases, 7 valid cases<br />
Neben dem Hauptschwerpunkt des betreuten Wohnens verfügen manche der Institutionen<br />
noch über eine Reihe weiterer Angebote, wie z.B. psychosoziale Beratung und Vernetzung<br />
(75%), Training persönlicher Fähigkeiten (88%), Einzelhilfe bei bestimmten Problemlagen<br />
(88%) und vereinzelt auch Psychotherapie (25%). Unterschiede hinsichtlich möglicher Offer-<br />
ten hängen dabei v.a. von den finanziellen Möglichkeiten und dem Personalschlüssel ab.<br />
1.25.1.4 Angaben zu den Klienten<br />
Insgesamt wurden im Jahre 2004 durch sieben Wohneinrichtungen (4 missing values) 145<br />
Patienten (Range = 8-42) betreut. Soziodemographische Angaben zu Alter, Nationalität und<br />
Geschlecht waren nur beschränkt erhältlich.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 121<br />
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer ging von weniger als einem Jahr (2) bis zu Patienten,<br />
welche bereits über zwei Jahre in einem Wohnheim wohnen (1). Die genaue Verteilung ist<br />
der untenstehenden Tabelle zu entnehmen.<br />
Tabelle 37: Durchschnittliche Aufenthaltsdauer<br />
Durchschnittliche Aufenthaltsdauer Häufigkeit<br />
< 1 Jahr 2<br />
1 bis 2 Jahre 2<br />
2 bis 5 Jahre 1<br />
Total Antworten 7<br />
Missing Values 4<br />
Keine der Einrichtungen gab detaillierte Zahlen, sondern höchstens Richtwerte (Rangreihen)<br />
zur Verteilung von Störungsbildern an. Nähere Angaben waren zum Teil aus Jahresberichten<br />
erhältlich. Die drei häufigsten Klientengruppen sind Menschen mit psychotischen Erkrankun-<br />
gen oder mit Störungen infolge Alkohol- oder Drogenmissbrauchs. Bei zwei Institutionen<br />
(CSM, Psychesch Hellef) rangierten Persönlichkeitsstörungen und bei den Nachsorgehäu-<br />
sern Rosport verschiedene psychosoziale Probleme (z.B. Arbeit, Beziehung) an zweiter Stel-<br />
le. Als dritthäufigster Problembereich wurden Ängste und Depressionen (CSM, Foyers<br />
Thérapeutiques CHNP) genannt.<br />
Bei den Beratungsstellen des Reseau Psy sah die Verteilung folgendermassen aus:<br />
38% affektive Erkrankungen, 23% psychotische Störungen, 16% psychosoziale Probleme<br />
(v.a. Beziehungsprobleme), 11% „andere“ psychische Störungen, 5% Abhängigkeitserkran-<br />
kungen und 2% Angsterkrankungen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 122<br />
Tabelle 38: Übersicht über Art der Klientengruppe<br />
Stand 2004<br />
Klientengruppe Häufigkeit<br />
Alkoholabhängige 2<br />
Personen mit psychotischen Störungen 3<br />
Persönlichkeitsstörungen und affektive Störungen 2<br />
Störungen durch psychotrope Substanzen 1<br />
1.25.1.5 Zusammenarbeit/Vernetzung<br />
Am häufigsten werden Patienten von Seiten rehabilitativer Dienste den Wohneinrichtungen<br />
zugewiesen (86%). An zweiter Stelle stehen mit 57% die stationären Dienste, gefolgt von<br />
ambulanten Diensten, anderen Wohneinrichtungen, Beratungsstellen und Sozialdiensten mit<br />
je 43%.<br />
Tabelle 39: Häufigkeit der zuweisenden Stellen<br />
Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />
Zuweisung ambulante Dienste ZUWAMB 3 10.7 42.9<br />
Zuweisung rehabilitative Dienste ZUWREHA 6 21.4 85.7<br />
Zuweisung stationäre Dienste ZUWSTAT 4 14.3 57.1<br />
Zuweisung sonstige Wohneinrichtungen ZUWWOHN 3 10.7 42.9<br />
Zuweisung Tagesstätten ZUWSTÄTT 2 7.1 28.6<br />
Zuweisung Werkstätten ZUWWERK 1 3.6 14.3<br />
Zuweisung Beratungsstellen ZUWBERAT 3 10.7 42.9<br />
Zuweisung Sozialdienste ZUWSOZ 3 10.7 42.9<br />
Zuweisung Ämter ZUWÄMT 1 3.6 14.3<br />
Zuweisung andere Institution ZUWAND 2 7.1 28.6<br />
Total 28 100.0 400<br />
SPSS-Output (Multiple Response / Value tabulated = 1) 4 missing cases, 7 valid cases
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 123<br />
Was die Zusammenarbeit mit Nachsorgestrukturen anbelangt, so haben nur sechs Einrich-<br />
tungen geantwortet. Diese arbeiten mit je 100% Antworthäufigkeit eng mit therapeutische<br />
Werkstätten und Beratungsstellen (6) zusammen. An zweiter Stelle stehen mit je 84% die<br />
Sozialdienste und ambulant tätigen Psychiater (5). Des Weiteren sind Tagesstätten (84%)<br />
und andere Wohneinrichtungen (67%) von Bedeutung.<br />
Tabelle 40: Häufigkeit der Weiterweisung an Nachsorgestrukturen<br />
Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />
Weiterweisung ambulant WEITAMB 5 12.8 83.3<br />
Weiterweisung Rehabilitation WEITREHA 2 5.1 33.3<br />
Weiterweisung stationär WEITSTAT 2 5.1 33.3<br />
Weiterweisung Altersheime WEITALTE 2 5.1 33.3<br />
Weiterweisung Wohneinrichtungen WEITWOHN 4 10.3 66.7<br />
Weiterweisung Tagesstätte, Freizeit WEITST€T 5 12.8 83.3<br />
Weiterweisung Werkstätte WEITWERK 6 15.4 100<br />
Weiterweisung Beratungsstellen WEITBERA 6 15.4 100<br />
Weiterweisung Sozialdienste WEITSOZI 5 12.8 83.3<br />
Weiterweisung Ämter WEITAMT 1 2.6 16.7<br />
Weiterweisung andere Institution WEITAND 1 2.6 16.7<br />
Total 39 100.0 650.0<br />
SPSS-Output (Multiple Response / value tabulated = 1) 5 missing cases, 6 valid cases<br />
1.25.2 Bereich Arbeit (Therapeutische Werkstätten)<br />
Es gibt in Luxemburg derzeit acht Einrichtungen, die im geschützten Rahmen ein therapeuti-<br />
sches Angebot bieten und die speziell auf die Bedürfnisse psychisch Kranker ausgerichtet<br />
sind. Von den acht angeschriebenen Ateliers haben sieben geantwortet, die der unten ste-<br />
henden Tabelle zu entnehmen sind. Darunter fällt eine auf autistische Erwachsene speziali-<br />
sierte Werkstatt, welche jedoch explizit einen Platz für psychisch Kranke ausweist. Einzig der<br />
„Reiterhof Matthellef“, welcher Arbeit offiziell erst zu Beginn des Jahres 2006 aufnimmt, hat<br />
nicht geantwortet.<br />
1.25.2.1 Struktur
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 124<br />
Tabelle 41: Struktur der 7 therapeutischen Ateliers<br />
Angaben zu Jahr der Entstehung, Trägerschaft, Rechtsnatur und Anzahl Plätze im Jahr 2004<br />
Name der Einrichtung<br />
Jahr der<br />
Entstehung<br />
Träger Rechtsnatur Anzahl Plätze<br />
Eilinger Konschtwerk 2004 ATP privatrechtlich 50<br />
Haff Ditgesbaach 2004 ATP privatrechtlich 50<br />
Schierener Atelier 2000 ATP privatrechtlich 35<br />
Walfer Atelier 1990 ATP privatrechtlich 50<br />
Keramikfabrik 2000 Ministerium für Arbeit privatrechtlich 1<br />
Eilerenger Wäschbur 1993<br />
Atelier Valeriushaff 1987<br />
Caritas Accueil et Solidari-<br />
té<br />
Caritas Accueil et Solidari-<br />
té<br />
privatrechtlich 35<br />
privatrechlich 15<br />
Total 236<br />
Insgesamt werden in therapeutischen Werkstätten aktuell 236 Arbeitsplätze für psychisch<br />
Kranke und sozial Benachteiligte bereitgestellt. Davon entfallen 186 Plätze auf die vier privat-<br />
rechtlich geführten Werkstätten der Trägervereinigung ATP und die Keramikfabrik und 50 auf<br />
die zwei Werkstätten der Caritas. Beim Träger ATP (Association d’Aide par le Travail pour<br />
Personnes Psychotiques) handelt es sich um eine gemeinsame Gründung von C.E.R.R.M.,<br />
Ligue Hygiène Mentale und Psychesch Hellef Dobaussen. Ausser der Keramikfabrik, welche<br />
dem Arbeitsministerium untersteht, werden alle anderen therapeutischen Werkstätten im<br />
Rahmen von Konventionsverträgen vom Familienministerium finanziert. Dabei gibt es zum<br />
Teil Überschneidungen. So wird zwar das Atelier selbst vom Familienministerium bezahlt,<br />
das Personal der Werkstätte Eilinger Konschtwerk jedoch vom Arbeitsministerium und die<br />
Weiterbildung vom Familienministerium.<br />
Die therapeutischen Ateliers sind zurzeit voll ausgelastet, wobei die vier Einrichtungen des<br />
ATP Wartezeiten von vier bis sechs Wochen aufweisen.<br />
1.25.2.2 Personal<br />
Angaben zu Personal der vier therapeutischen Ateliers anhand ihres Anstellungsgrads im<br />
Jahre 2004:
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 125<br />
Tabelle 42: Personalangaben<br />
Name der Einrich-<br />
tung<br />
Pädagogen Handwerks-<br />
fachkräfte<br />
Psychologen Sozialarbeiter<br />
Eilinger Konschtwerk 3.5 1 1<br />
Haff Ditgesbaach 5 1 0.5<br />
Keramikfabrik 1 2<br />
Schierener Atelier 3 1 0.5<br />
Walfer Atelier 5 1 0.5<br />
Eilerenger Wäschbur 1 5.75 2.5<br />
Atelier Valeriushaff 2<br />
Total 2 26.25 4 5<br />
Die Mehrheit des Personals besteht aus Handwerksfachkräften (insgesamt 26.25 Stellen).<br />
An zweiter Stelle stehen Sozialarbeiter (insgesamt 5 Stellen), gefolgt von Psychologen (ins-<br />
gesamt 4 Stellen). Keines der Ateliers erhält konsiliarische Beratung durch einen Facharzt.<br />
Gemäss dem Schierener Atelier wird jeder Klient durch seinen eigenen ambulant praktizie-<br />
renden Psychiater betreut. Je nach Atelier erhalten die Mitarbeiter ein- bis dreimal jährlich die<br />
Möglichkeit einer psychiatrischen Fortbildung. Es gibt jedoch keine Möglichkeiten zur Super-<br />
vision.<br />
1.25.2.3 Angebot und Konzept<br />
Das Konzept der Werkstätten besteht grundsätzlich darin, psychisch kranken Menschen<br />
bzw. sozial Benachteiligten je nach ihrer Verfassung:<br />
• Dauerarbeitsplätze mit Zusatzverdienstmöglichkeiten zu schaffen;<br />
• ein vorberufliches Arbeitstraining anzubieten;<br />
• arbeitsplatz- und berufsbezogene Kenntnisse zu vermitteln und<br />
• Reintegration auf dem primären Arbeitsmarkt.<br />
Die Schwerpunkte liegen dabei in der beruflichen Abklärung und im Training persönlicher<br />
Fähigkeiten (je 100%). An zweiter Stelle stehen mit je 85% der Antworten Einzelhilfen in be-<br />
stimmten Lebensbereichen und ausbildungs- und berufsbezogene Angebote (z.B. Gesellen-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 126<br />
prüfung, Meisterbrief, Sprachkurse). An dritter Stelle stehen mit 70% psychosoziale Bera-<br />
tungsaufgaben (z.T. auch psychosoziale Anamnese). Ein Atelier der Caritas bietet zudem<br />
noch Freizeitangebote an.<br />
Die Ateliers haben sich auf unterschiedliche Tätigkeitsfelder spezialisiert. Dazu gehören u.a.<br />
eine Wäscherei, Schneiderei, Schlosserei, Druckerei und ein Cateringservice (Küche).<br />
Daneben werden Montage- und Produktionsarbeiten, wie z.B. Kerzenherstellung etc., durch-<br />
geführt. Dabei bieten alle Ateliers erstklassige und einwandfrei ausgearbeitete Produkte zum<br />
Verkauf an. Der Hof Ditgesbaach führt neben Landwirtschaft und Landschaftspflege neu<br />
auch noch eine Schaf- und Ziegenhaltung. Zudem werden Möglichkeiten zur Reittherapie<br />
angeboten.<br />
1.25.2.4 Angaben zu Klienten<br />
Ausser der Keramikfabrik, die sich auf autistisch behinderte Erwachsene spezialisiert hat,<br />
sind alle anderen therapeutischen Werkstätten auf Menschen mit schweren psychischen Be-<br />
einträchtigungen und/oder psychosozialen Schwierigkeiten ausgerichtet.<br />
Die vier auf psychiatrische Patienten ausgerichteten Werkstätten beschäftigten im Jahr 2004<br />
196 Klienten. Dazu kommen 66 Klienten der Caritas. Eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer<br />
können die Werkstätten nicht nennen. Diese sind grundsätzlich sehr variabel, wobei jedoch<br />
von mehrjährigen und zu einem Teil lebenslänglichen Aufenthalten ausgegangen werden<br />
muss.<br />
Rund die Hälfte der Klienten der vier Werkstätten der ATP-Vereinigung (inkl. Patienten Ke-<br />
ramikfabrik) sind Menschen mit psychotischen Erkrankungen (93 Klienten), die meist von<br />
weiteren psychosozialen Schwierigkeiten betroffen sind. An zweiter Stelle stehen affektive<br />
Erkrankungen und Angststörungen mit rund 21%. Meist treten diese Erkrankungen in Ko-<br />
morbidität mit Drogen- und Alkoholmissbrauch auf (9%). Bei den Einrichtungen der Caritas<br />
stehen bei 100% der Klienten vornehmlich psychosoziale Probleme im Vordergrund. Dazu<br />
kommen mit je rund 30% Angsterkrankungen, affektive Störungen und Substanzstörungen<br />
(Alkhol- und/oder Drogenmissbrauch) hinzu. Letztere gewinnen insbesondere im Atelier Va-<br />
leriushaff zunehmend an Bedeutung.<br />
1.25.2.5 Zusammenarbeit/Vernetzung<br />
Der unten stehenden Abbildung ist die umfangreiche Zusammenarbeit mit unterschiedlichs-<br />
ten Institutionen und Ämtern zu entnehmen. Die Klienten werden aus sehr unterschiedlichen<br />
Bereichen, mit je 100% vornehmlich von ausserstationären Wohneinrichtungen, Beratungs-<br />
stellen und Sozialdiensten den therapeutischen Werkstätten zugewiesen. An zweiter Stelle<br />
stehen mit 80% andere Werkstätten, ambulante Dienste (z.B. frei praktizierende Psychiater),<br />
Tagesstätten und Ämter.<br />
Ein ähnliches Bild zeichnet sich hinsichtlich der Weiterweisung bzw. komplementärer Vernet-<br />
zung der Klienten an andere Institutionen ab. Eine enge Zusammenarbeit findet sich wieder-<br />
um mit dem stationären Bereich. Diese wird dann von Bedeutung, wenn aufgrund zuneh-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 127<br />
mender psychischer Dekompensation ein stationärer Aufenthalt unerlässlich ist. Die Arbeit<br />
mit Beratungs- und Sozialdiensten ist dagegen vor allem in Bezug auf die Lösung psychoso-<br />
zialer Probleme im Bereich Vernetzung zentral. Daneben werden Klienten aber auch an an-<br />
dere Werkstätten, ambulante Dienste, Tagesstätten, Ämter etc. weiterverwiesen. Weitere<br />
Angaben zur Zusammenarbeit sind den unten stehenden Tabellen zu entnehmen.<br />
Tabelle 43: Zuweisende Institutionen<br />
Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />
Zuweisung Werkstätten ZUWWERK 4 10 80<br />
Zuweisung ambulante Dienste ZUWAMB 4 10 80<br />
Zuweisung rehabilitative Dienste ZUWREHA 3 7.5 60<br />
Zuweisung stationäre Dienste ZUWSTAT 3 7.5 60<br />
Zuweisung sonstige Wohneinrichtungen ZUWWOHN 5 12.5 100<br />
Zuweisung Tagesstätten ZUWSTÄTT 4 10 80<br />
Zuweisung Beratungsstellen ZUWBERAT 5 12.5 100<br />
Zuweisung Sozialdienste ZUWSOZ 5 12.5 100<br />
Zuweisung Ämter ZUWÄMT 4 10 80<br />
Zuweisung andere Institution ZUWAND 3 7.5 60<br />
Total responses 40 100.0 800<br />
SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1) 2 missing cases; 5 valid cases
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 128<br />
Tabelle 44: Weiterweisende Institutionen<br />
Dichotomy Label Name Count Responses Cases<br />
Weiterweisung Werkstätte WEITWERK 4 9.8 80<br />
Weiterweisung ambulant WEITAMB 5 12.2 100<br />
Weiterweisung Rehabilitation WEITREHA 3 7.3 60<br />
Weiterweisung stationär WEITSTAT 4 9.8 80<br />
Weiterweisung Wohneinrichtungen WEITWOHN 5 12.2 100<br />
Weiterweisung Tagesstätte, Freizeit WEITSTÄT 4 9.8 80<br />
Weiterweisung Beratungsstellen WEITBERA 5 12.2 100<br />
Weiterweisung Sozialdienste WEITSOZI 5 12.2 100<br />
Weiterweisung Ämter WEITAMT 4 9.8 80<br />
Weiterweisung andere Institution WEITAND 2 4.9 40<br />
Total responses 41 100.0 820<br />
SPSS Auswertung (Multiple Response / Value tabulated = 1) 2 missing cases; 5 valid cases<br />
1.25.3 Fazit<br />
Seit dem Jahr 1990 wurde insbesondere der Bereich der therapeutischen Werkstätten stark<br />
ausgebaut. Damals wurden knapp 25 Plätze bereit gestellt, während zum jetzigen Zeitpunkt<br />
für 236 Klienten Arbeitsmöglichkeiten angeboten werden. Für das Jahr 2006 sind noch 40<br />
zusätzliche Plätze in einem Reiterhof geplant.<br />
Die Werkstätten bieten dabei ein diversifiziertes Angebot an Berufs- und Weiterbildungsmög-<br />
lichkeiten und vielseitige Tätigkeitsfelder an. Die erstellten Produkte sind dabei von ausge-<br />
zeichneter Qualität. Die Werkstätten werden des Weiteren einwandfrei geführt und decken in<br />
ihrer regionalen Verteilung ganz Luxemburg (Lux, Schieren, Ettelbrück, Ehlange, Selz) ab.<br />
Die Werkstätten des ATP betreuen vornehmlich Klienten mit Erkrankungen aus dem schizo-<br />
phrenen Formenkreis, gefolgt von affektiven Erkrankungen und Angststörungen. Meist treten<br />
diese Erkrankungen in Komorbidität mit Drogen- und Alkoholmissbrauch auf. Bei den Einrich-<br />
tungen der Caritas stehen dagegen vornehmlich psychosoziale Probleme im Vordergrund,<br />
wobei diese zum Teil von Angsterkrankungen, affektiven Störungen und Substanzstörungen
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 129<br />
(Alkhol- und/oder Drogenmissbrauch) begleitet werden. Die konsiliarpsychiatrische Betreu-<br />
ung ist indessen bei allen Werkstätten nur beschränkt sichergestellt.<br />
Abgesehen von der Bereitstellung von Arbeits- und Weiterbildungsmöglichkeiten erfüllen die<br />
Werkstätten die Kriterien einer beruflichen Rehabilitation nur begrenzt. Es fehlen z.B. bei al-<br />
len Einrichtungen konkrete Ansätze zur Integration auf dem freien Arbeitsmarkt, wie z.B.<br />
konkrete Arbeitstrainingscenters oder Angebote des „Supported Employment“. Die Werkstät-<br />
ten müssten eher als parallele Angebote zum primären Arbeitsmarkt betrachtet werden, die<br />
den unterschiedlichen Behandlungsphasen bzw. Krankheitsspektren der Patienten nur be-<br />
dingt gerecht werden.<br />
Obwohl seit 1992 grosse Bemühungen zum Ausbau der Wohneinrichtungen getätigt wurden<br />
(Ausbau um 19%), stehen mit insgesamt 138 Plätzen noch immer zuwenig begleitete<br />
Wohnmöglichkeiten zur Verfügung. Davon entfallen 27 Plätze auf die Klienten mit suchtspe-<br />
zifischen Erkrankungen. Die verbleibenden 111 Plätze entsprechen dabei einer Rate von<br />
0.25 Betten pro 1 000 Einwohner. Dies ist in Anlehnung an die Richtlinien der WHO (siehe<br />
Kap. 3), die von einer Minimalausstattung von 0.3 bis 0.5 Wohnplätzen pro 1 000 Einwohner<br />
allein für die langfristige Pflege chronisch Kranker ausgeht, ungenügend. Bereits die Häfner-<br />
Studie im Jahre 1992 wies auf die Notwendigkeit von rund 300 Wohnplätzen hin. Im Rahmen<br />
dieser Studie wurde auch die Bedeutung abgestufter, den verschiedenen Schweregraden der<br />
Krankheit angepasster Wohnformen formuliert. Es bestehen zwar bereits eine Reihe unter-<br />
schiedlicher Wohnstrukturen, sprich Übergangs- und Wohnheime wie auch Angebote im be-<br />
treuten Wohnen. Dabei fehlen jedoch durchgehend vollzeitbetreute Angebote für psychisch<br />
Kranke, z.B. Foyers médicalisés. Gerade was die Betreuung bzw. Anwesenheitszeit von<br />
Fachpersonal anbelangt, sind die schwerwiegendsten Mängel im ausserstationären Wohnbe-<br />
reich auszumachen. Gemäss international üblichen Richtlinien ist bei der Personalausstat-<br />
tung je nach Schweregrad der Krankheit von einem Durchschnitt von einem Betreuer auf 2-4<br />
Patienten (siehe Kap. 3) auszugehen. Dies immer in Anpassung an die Art der Wohneinrich-<br />
tung. So steht z.B. für die Betreuung der 14 Plätze des Reseau Psy nur eine 50%-Stelle ei-<br />
nes Sozialarbeiters zur Verfügung. Die (Teil-)Betreuung beschränkt sich dabei vornehmlich<br />
auf wenige Stunden bzw. bestimmte Tageszeiten. Dies ist für eine bestimmte Patientengrup-<br />
pe mit mehr Autonomie und einem gewissen Krankheitsbild gut geeignet, schwer chronisch<br />
Kranke verlangen dagegen nach 24-h-betreuten Einrichtungen, wenigstens für eine gewisse<br />
Übergangsphase nach dem stationären Aufenthalt. Was die regionale Verteilung anbelangt,<br />
so ist v.a. der Norden unterrepräsentiert. Auch befinden sich die Wohneinrichtungen mehr-<br />
heitlich in ländlichen Gebieten.<br />
Der Mangel an Nachsorgestrukturen und an Betreuung hat dabei verschiedene Auswirkun-<br />
gen:<br />
• Stetige Zunahme von psychisch Kranken in Einrichtungen der Obdachlosenhilfe (Ca-<br />
ritas). Dabei scheinen chronisch psychisch Kranke unterdessen den Grossteil der<br />
langfristigen Klientel auszumachen.<br />
• Ca. 50% fehlplatzierte Patienten im CHNP.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 130<br />
• Rasante Zunahme und grosse Anzahl von Familienpensionen im Norden. Diese deu-<br />
ten nicht nur auf fehlende Nachsorgestrukturen, sondern auch auf die ungleiche regi-<br />
onale Verteilung der Wohneinrichtungen hin.<br />
Zusammenfassend lassen sich für den komplementären/rehabilitativen Versorgungsbereich<br />
trotz vieler Fortschritte in den letzten Jahren noch immer erhebliche Defizite feststellen. Der<br />
ungedeckte Bedarf an diversifizierten, zeitlich verschieden betreuten Wohnplätzen ist ge-<br />
messen an den Standards anderer Ländern beträchtlich. Die überproportionale und nicht<br />
wünschenswerte Betreuung chronisch Kranker in Einrichtungen der Obdachlosenhilfe und in<br />
Familienpensionen spiegelt diesen Sachverhalt wider. Die therapeutischen Werkstätten sind<br />
zwar in tadellosem Zustand, befinden sich jedoch selten in unmittelbarer Nähe zu betreuten<br />
Wohneinrichtungen. Zudem werden sie ihrer Aufgabe der beruflichen Rehabilitation nur be-<br />
dingt gerecht. Der komplementäre Bereich entspricht deshalb nur bedingt den neusten ver-<br />
sorgungspolitischen Standards.<br />
1.26 Klientenspezifische Angebote<br />
Da dieser Bereich nur indirekt mit dem Auftrag des Gesundheitsministeriums im Zusammen-<br />
hang steht, wurde nur der stationäre Bereich des kinder- und jugendpsychiatrischen Systems<br />
mittels Erhebungsbögen statistisch erfasst. Die Angaben wurden jedoch anhand verschiede-<br />
ner Dokumentationsmaterialien (u.a. Jahresberichte, Konzepte, Internetrecherchen) und An-<br />
gaben von Verantwortlichen ergänzt.<br />
1.26.1 Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste<br />
1.26.1.1 Stationärer und teilstationärer Bereich<br />
Im Bereich der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung Luxemburgs ist nur eine sta-<br />
tionäre Einrichtung für Jugendliche vorhanden. Dabei handelt es sich um eine Abteilung im<br />
Krankenhaus Kirchberg mit 15 Betten. Diese legt den Fokus auf Kriseninterventionen, die<br />
Aufenthaltsdauer beträgt dabei höchstens zwei Wochen.<br />
Das Centre Hospitalier verfügt darüber hinaus über eine angegliederte pädopsychiatrische<br />
Tagesklinik mit sechs Plätzen. Im Jahr 2004 wurden dort 50 Kinder zwischen drei und zwölf<br />
Jahren behandelt. Dieser Tagesklinik stehen ein psychiatrischer Fach- und Assistenzarzt zu<br />
je 25%, ein Psychologe zu 50% und sieben Pflegefachkräfte (5 davon psychiatrisches Pfle-<br />
gepersonal) zu insgesamt 470% vor. Diese führen vornehmlich medizinisch-psychiatrische<br />
Abklärungen, psychotherapeutische Interventionen wie auch psychosoziale Beratung und<br />
Vernetzungsaufgaben durch. Dabei stehen u.a. auch ausbildungsbezogene und gruppenthe-<br />
rapeutische Angebote (z.B. Mutter-Kind-Therapie) im Zentrum der tagesklinischen Behand-<br />
lung.<br />
An erster Stelle des Behandlungsspektrums stehen Persönlichkeits- und Verhaltensstörun-<br />
gen. Diesen folgen affektive Störungen und Entwicklungsstörungen. An letzter Stelle finden
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 131<br />
sich neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen. Die Aufenthalte variieren zwi-<br />
schen zwei Wochen bis zu einem Jahr beträchtlich.<br />
Die engste Art der Zusammenarbeit besteht mit den Schulen und Kinderkrippen. Darüber<br />
hinaus ist die Kooperation mit der eigenen Klinik (CHL) wie mit den ambulanten Diensten von<br />
zentraler Bedeutung (siehe ambulanter Bereich).<br />
Aus den Gesundheitsstatistiken sowie den Angaben der Fachkliniken und Allgemeinspitäler<br />
ist ersichtlich, dass ausser in der Klinik Kirchberg Kinder und Jugendliche stationär eher sel-<br />
ten behandelt werden. Da sonst keine stationären kinder- und jugendpsychiatrischen Dienste<br />
existieren, gibt es Anlass zur Vermutung, dass ein Grossteil der stationären psychiatrischen<br />
Versorgung kranker luxemburgischer Kinder und Jugendlicher im Ausland durchgeführt wird.<br />
1.26.1.2 Ambulanter Bereich<br />
Im ambulanten Bereich sind gemäss einer Adressliste des Gesundheitsministeriums fünf<br />
FachärztInnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie in freier Praxis tätig. Von diesen haben drei<br />
den Fragebogen zurückgesandt. Einer davon arbeitet mit zwei Kinderärzten zusammen in<br />
einer Praxisgemeinschaft und betreut dabei um die 100 Familien. Bei allen drei steht v.a. die<br />
Behandlung von Persönlichkeits- und Entwicklungsstörungen im Vordergrund. Daneben sind<br />
aber auch alle anderen psychiatrischen Diagnosen vertreten.<br />
Die psychiatrischen und psychotherapeutischen Ambulanzen des Centre Hospitalier haben<br />
sich aufgrund der angeschlossenen pädopsychiatrischen Tagesklinik zunehmend auf Kinder<br />
und Jugendliche konzentriert. Die psychiatrische Ambulanz zählte im Jahr 2004 über 250<br />
neue Aufnahmen, die ambulanten psychotherapeutischen Dienste insgesamt über 6 357 Fäl-<br />
le. 66 Notfälle der Klinik wurden dabei durch „Liaison-Psychiater“ behandelt. In den psychiat-<br />
rischen Ambulanzen der anderen Kliniken werden Kinder und Jugendliche dagegen nur in<br />
Ausnahmefällen versorgt.<br />
Was die sozialpsychiatrischen Beratungsstellen und Tageszentren anbelangt, so finden sich<br />
folgende zwei bedeutenden Institutionen:<br />
• Beratungsstelle Alupse, welche auf von Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt<br />
betroffene Kinder und Jugendliche ausgerichtet ist. Die Führung wird von einer Sozi-<br />
alarbeiterin und zwei Psychologen übernommen. Im Jahre 2002 wurden 205 Fälle<br />
aufgezeichnet. Die Anfragen erfolgten bei 51% aus Verdacht auf sexuellen Miss-<br />
brauch, zu je 18% wegen physischer Gewalt und familiärer Konflikte, bei 6% wegen<br />
psychologischer Gewalt und bei 5% wegen Vernachlässigung.<br />
• Beratungsstelle (MSF-Solidarité Jeunes) für Kinder und Jugendliche, die unter der<br />
Trägerschaft der „Médecins sans Frontières“ steht. Diese wird von drei Psychologen<br />
geführt und hat sich auf minderjährige Drogenkonsumenten spezialisiert. Im Rahmen<br />
dieses Dienstes wird neben Drogenhilfe grossen Wert auf psychosoziale Beratung<br />
und Vernetzung wie auch auf Familienarbeit gelegt. Dabei wurden im Jahr 2004 265<br />
Klienten betreut, wovon rund 40% Ausländer waren. An der Spitze des Problemspekt-<br />
rums standen Substanzstörungen, gefolgt von psychosozialen Problemen, wie z.B.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 132<br />
familiäre Probleme oder Probleme mit der Justiz. Diese wurden zudem von Angst-<br />
und affektiven Störungen begleitet.<br />
Neben diesen spezialisierten Beratungsstellen verbleiben als Anlaufstellen für Kinder und<br />
Jugendliche mit allgemeinen psychischen Problemen somit lediglich die pädagogisch-<br />
psychologisch ausgerichteten Erziehungsberatungsstellen und schulpsychologischen Diens-<br />
te. Hier bestehen in Luxemburg zwei Netze, die Dienststellen des Service de Guidance und<br />
die schulpsychologischen Dienste (Quelle: Resolux, 2003).<br />
1.26.1.3 Komplementärer und Rehabilitativer Bereich (Wohnen, Arbeit)<br />
Da dieser Bereich vornehmlich in die Zuständigkeit des Familienministeriums fällt, wurde<br />
hierzu keine explizite Bestandeserhebung durchgeführt. Die Abgrenzung ist vor allem in die-<br />
sem Bereich äusserst schwierig, da hier auch die Ausbildungsstätten miteinbezogen werden<br />
müssten, die wiederum unter der Leitung eines anderen Ministeriums stehen. Die Recher-<br />
chen beschränkten sich deshalb oberflächlich auf den Heimbereich und zeigten folgende<br />
Einrichtungen für Kinder und Jugendliche auf:<br />
• Institut pour Enfants Autistiques et Psychotiques, das unter psychologischer Leitung<br />
steht und mit Erziehern sowie Krankenpflegepersonal arbeitet (keine genaueren An-<br />
gaben verfügbar).<br />
• Foyer Thérèse, ein von der Caritas geführtes und seit 1973 bestehendes Wohnheim,<br />
das sozial und emotional geschädigte Mädchen betreut (keine genaueren Angaben<br />
verfügbar).<br />
• Centre socio-éducatif de l’Etat de Luxembourg, eine vornehmlich soziotherapeutisch<br />
orientierte, vollbetreute Einrichtung für Minderjährige, die dem Familienministerium<br />
untersteht. Diese Institution bietet dabei ein breit gefächertes Angebot an psychoso-<br />
zialer Beratung und Vernetzung, psychotherapeutischen Interventionen, ausbildungs-<br />
und berufsbezogenen Massnahmen bis hin zu Gutachten, Bildungs- und Freizeitan-<br />
geboten sowie Familienarbeit an. Zudem bietet die Institution auch Wohnmöglichkei-<br />
ten für Jugendliche über 18 Jahre an. Die Einrichtung wird von einem Pädagogen,<br />
drei Psychologen, einem Psychotherapeuten und 50 Pflegefachkräften geführt und<br />
bietet Platz für 188 Minderjährige.<br />
An erster Stelle der behandelten Problembereiche stehen Auseinandersetzungen mit der<br />
Justiz, gefolgt von psychosozialen Problemen, v.a. in den Bereichen Beziehung und Familie.<br />
Als Weiteres sind Drogenprobleme und andere kinder- und jugendpsychiatrische Probleme<br />
zu verzeichnen. Trotz dieses breiten und psychiatrisch relevanten Problemspektrums besteht<br />
weder eine Zusammenarbeit mit einem Psychiater noch verfügt das Zentrum über psychiat-<br />
risch geschultes Fachpersonal.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 133<br />
1.26.1.4 Fazit<br />
Das Spektrum kinder- und jugendpsychiatrischer Störungen ist sehr breit und der Versor-<br />
gungsumfang demnach sehr unterschiedlich. Um diesem Umstand gerecht zu werden,<br />
braucht es kleinstrukturierte, gemeindenahe kinder- und jugendpsychiatrische Versorgungs-<br />
angebote. Diesen Anforderungen entsprechen die Schulpsychologischen Dienste und Servi-<br />
ces de Guidance jedoch nur beschränkt.<br />
Zusätzlich ist für die kleine Gruppe schwerst (z.B. psychotisch) gestörter Kinder und Jugend-<br />
licher eine überregional organisierte stationäre Behandlungseinrichtung notwendig. Diese<br />
stationäre Versorgung kann durch die stationären und teilstationären Angebote des Hôpital<br />
Kirchberg und des Centre Hospitalier nur zu einem gewissen Grad abgedeckt werden.<br />
Einen Teil der ambulanten Versorgung kann durch die frei praktizierenden Kinder- und Ju-<br />
gendpsychiater übernommen werden. Für ganz Luxemburg stehen dabei nur fünf Psychiater<br />
zur Verfügung. Diese ungenügende ambulant-psychiatrische Abdeckung wird durch den be-<br />
klagten Kapazitätsmangel seitens der Ärzte und durch die daraus resultierenden langen War-<br />
tefristen widerspiegelt. Es ist aber davon auszugehen, dass die weitere ambulante Behand-<br />
lung durch schulpsychologische Dienste und „Services de Guidance“ abgedeckt ist.<br />
Im komplementären und rehabilitativen Bereich ist darüber hinaus ein Mangel an angeglie-<br />
derten Rehabilitationseinrichtungen wie Werkstätten, Wohnheime bzw. Heime, die nicht nur<br />
sozialpädagogisch ausgerichtet sind, zu verzeichnen.<br />
Besonders im kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgungssystem ist dabei auf eine enge<br />
institutionelle Verzahnung des psychiatrischen Versorgungssystems mit den Bildungs- und<br />
Ausbildungsinstitutionen sowie eine Anpassung der Angebote an die familiären Bedingungen<br />
zu achten. Dies konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht abgeschätzt werden.<br />
1.26.2 Forensische Psychiatrie<br />
Das Grossherzogtum Luxemburg unterhält zwei Justizvollzugsanstalten. Die grössere der<br />
beiden (Centre Pénitentiaire de Luxembourg) ist zentral gelegen, die andere (Centre Péniten-<br />
tiaire de Givenich) in ländlicher Gegend angesiedelt. Im Jahre 2004 kann von einer Vollbele-<br />
gung der beiden Häuser gesprochen werden. Luxemburg verfügt über keine offizielle forensi-<br />
sche Psychiatrie. Das CHNP unterhält jedoch eine Art forensischen Dienst mit Hauptsitz in<br />
der Justizvollzugsklinik „Centre Pénitentiaire de Luxembourg“ (C.P.L.), der im Folgenden de-<br />
taillierter umschrieben wird.<br />
1.26.2.1 Struktur (inkl. Personal)<br />
Als Folge einer Konvention zwischen dem Justizminister und dem Centre Hospitalier Neuro-<br />
Psychiatrique im Jahre 2002 entstand der Service Médico-Psychologique Pénitentiaire. Da-<br />
bei handelt es sich um einen bio-psychosozialen Dienst zur Behandlung von psychisch kran-<br />
ken Straftätern. Dessen Betreuungsteam besteht aus einem Psychiater, einem Psychologen<br />
und acht psychiatrischen Pflegefachkräften. Diese ermöglichen sowohl eine tägliche Präsenz
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 134<br />
in der Justizvollzugsanstalt C.P.L (08.00 bis 18.00 Uhr) mit eigener stationärer Abteilung von<br />
15 Betten als auch Visiten des C.P.G. alle 15 Tage oder bei Bedarf und wöchentlich einen<br />
halben Tag in der Poliklinik des CHNP.<br />
1.26.2.2 Angebot<br />
Das Aufgabenspektrum wird in drei Bereiche (Prävention, Pflege und Administration) aufge-<br />
teilt:<br />
a) Prävention<br />
Hier geht es vornehmlich um die frühzeitige Erkennung von psychischen Störungen. In die-<br />
sen Bereich fallen die psychiatrische Abklärung aller Neueintritte (70 bis 100/Monat), Krisen-<br />
interventionen und Konsultationen auf Anfrage.<br />
b) Pflege<br />
Dazu gehören Hospitalisationen in der eigenen psychiatrischen Abteilung im Umfang von 15<br />
Betten mit Aktivitäts- und Freizeitangeboten, Nachbetreuung mit pharmakologischer und<br />
psychotherapeutischer Behandlung, ambulanten Konsultationen und Familiengesprächen.<br />
c) Administration<br />
Zu diesem Bereich gehört die Zusammenarbeit mit dem Justizdepartement, dem „Service<br />
psycho-sozio-educatif“ (S.P.S.E.) und dem „Service central d’assistance sociale“ (S.C.A.S.).<br />
In diesem Rahmen wird auch wissenschaftliche Forschung betrieben.<br />
1.26.2.3 Angaben zu Patienten<br />
Es wurden insgesamt 5 149 Konsultationen durchgeführt. Dazu kamen 939 stationäre Hospi-<br />
talisationen. Die Patienten litten dabei zu ca. 45% unter Substanzstörungen (Alkohol-, Medi-<br />
kamenten- und Drogenmissbrauch), zu ca. 30% unter neurotischen Störungen, Angststörun-<br />
gen und affektiven Störungen, zu je 10% unter psychotischen Störungen und schwerwiegen-<br />
den Persönlichkeitsstörungen. Der Rest entfiel zu ca. 5% auf „sexuelle Aggressionen“.<br />
1.26.2.4 Fazit<br />
Die psychiatrische Versorgung innerhalb des luxemburgischen Systems wird durch den<br />
„Service socio-judicaire“ des CHNP vorgenommen. Die psychiatrischen Behandlungsmög-<br />
lichkeiten in der Justizvollzugsanstalt richten sich dabei nach den räumlich-technischen Ge-<br />
gebenheiten und der Schwere der Erkrankung. Strafvollzugsbegleitend, d.h. in der Anstalt<br />
durchführbar, sind ambulante psychotherapeutische und psychopharmakologische Behand-<br />
lungen. Stationäre Behandlungen sind in beschränktem Umfang in der Krankenhausabtei-<br />
lung des „Centre Pénitentiaire de Luxembourg“ (C.P.L.) möglich; diese zählt 15 Betten für
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 135<br />
psychisch Kranke. Da diese Abteilung nur teilzeitbetreut ist und zudem personelle Defizite<br />
aufweist, ist bei entsprechender Indikation eine Überweisung ins CHNP notwendig. Diese<br />
bietet noch immer als einzige Klinik die Möglichkeit einer geschlossenen Unterbringung. Dem<br />
CHNP sind bei der psychiatrischen Behandlung von Straftätern jedoch sicherheitstechnische<br />
Grenzen gesetzt, so dass keine generelle Aufnahmegarantie für psychiatrische Straftäter be-<br />
steht. Es muss davon ausgegangen werden, dass schwer psychisch kranke und gefährliche<br />
Straftäter nicht entsprechend versorgt werden.<br />
1.26.3 Gerontopsychiatrie und Bereich Substanzstörungen<br />
Wie einleitend erwähnt, zählte die Analyse der Bereiche „Gerontopsychiatrie“ und „Sub-<br />
stanzerkrankungen“ nicht zum Auftrag der Bestandeserhebung. Dies macht Sinn, wurde<br />
doch erst kürzlich durch das SASS des CRP-<strong>Santé</strong> eine Analyse und Evaluation der Spital-<br />
politik im Bereich Geriatrische Wiedereingliederung und Suchtprävention durchgeführt (Quel-<br />
le: Resolux, 2004). Da diese zwei Bereiche jedoch unverzichtbare Bestandteile des psychiat-<br />
rischen Versorgungssystems darstellen, werden die Empfehlungen in Kap. 8 zum Teil auch<br />
diese Bereiche miteinbeziehen. Ein Überblick über Einrichtungen in diesen Bereichen sind<br />
der Website www.resolux.lu zu entnehmen. Zudem wurde im Rahmen der Beschreibung des<br />
CHNP und der komplementären und ambulanten Einrichtungen (Kap. 5) bereits auf einige<br />
substanz- oder gerontopsychiatrisch orientierte Institutionen eingegangen.<br />
1.26.4 Ausländerspezifische Angebote<br />
Ausländische Mitbürger stellen mit einem Anteil von über einem Viertel einen beachtlichen<br />
Teil der Gesamtbevölkerung Luxemburgs. Unter Berücksichtigung des prognostizierten<br />
Wachstums durch Bevölkerungsstudien der Statec (siehe Kap. 4) ist mit einer deutlichen Zu-<br />
nahme zu rechnen. Über Art und Umfang psychischer Erkrankungen bei ausländischen Mit-<br />
bürgern liegen jedoch wenige verlässliche Daten vor. Verschiedene Studien weisen aber auf<br />
einen signifikant inversen Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Indikatoren und<br />
psychischen Störungen (siehe Kap. 3.2) hin. Dabei sind ausländische Mitbürger gegenüber<br />
der übrigen Bevölkerung überproportional häufig mit schwierigeren Lebens- und Arbeitsbe-<br />
dingungen konfrontiert. Zugleich sind sie bei den Inanspruchnahmedaten medizinischer Ein-<br />
richtungen jedoch unterrepräsentiert. Dies geht auch aus den Angaben der Bestandeserhe-<br />
bung hervor, in denen ausländische Mitbürger in allen Einrichtungen untervertreten sind. Die<br />
schwerwiegendsten Barrieren bei der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Einrich-<br />
tungen stellen dabei Sprachprobleme dar. In diesem Zusammenhang ist auf Aussagen der<br />
ambulant tätigen Psychiater und der sozialpsychiatrischen Zentren hinzuweisen, die einen<br />
deutlichen Mangel an Dolmetschern bzw. an fremdsprachigem Fachpersonal konstatieren.<br />
Die Mehrheit des Fachpersonals ist trotz der Dreisprachigkeit Luxemburgs nur der französi-<br />
schen Sprache mächtig.<br />
Zu den Grenzgängern und Einwanderern kommt die weltweite Zunahme von Asylsuchenden<br />
hinzu. Diese sind dabei neben migrationsspezifischen Schwierigkeiten häufig mit schwerwie-<br />
genden psychischen Störungen (z.B. posttraumatische Belastungsstörungen) konfrontiert.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 136<br />
Der Anstieg dieser Klientel schlägt sich gemäss Angaben der Erhebungsbögen v.a. im<br />
CHNP nieder.<br />
Nach Einschätzungen der Weltgesundheitsorganisation bedarf deshalb die Gesundheitsver-<br />
sorgung ausländischer Mitbürger, insbesondere die Versorgung psychisch kranker Mitbürger,<br />
erhöhter Aufmerksamkeit. Es wurden diesbezüglich aber keine spezifischen Angebote für<br />
Ausländer gefunden.<br />
1.27 Koordinationsstellen<br />
Es wurden zwei Koordinationsstellen gefunden, die Aufgaben im Bereich des „Case Mana-<br />
gements“ übernehmen könnten. Die Koordinationsstelle „Le Service d’Action Thérapeutique“<br />
und die Koordinationsstelle ATP asbl. Administration (Quelle: Reseau Social Luxemburg 9,<br />
November 2004 / www.resolux.lu).<br />
• Die Koordinationsstelle „Service d’Action Thérapeutique“ wurde im Jahr 1985 gegrün-<br />
det und 1998 mit dem Ziel der Applikation des ASFT-Gesetzes vom 8. September<br />
1998 in den Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsministeriums integriert. Die Kern-<br />
aufgabe des Dienstes bezieht sich auf die Regelung und Koordination der Beziehun-<br />
gen zwischen den sozialen, familiären und therapeutischen Strukturen und dem<br />
Staat, insbesondere des Bereichs der<br />
• ausserstationären Einrichtungen im Bereich der psychischen Gesundheit;<br />
• Substanzstörungen.<br />
• Im Rahmen der therapeutischen Werkstätten besteht des Weiteren eine Koordinati-<br />
onsstelle „ATP asbl. Administration“, welche die Aktivitäten der therapeutischen Ein-<br />
richtungen koordiniert und zudem Öffentlichkeitsarbeit betreibt.<br />
1.28 Schlussfolgerungen<br />
Grundsätzlich wurden beachtliche Unterschiede in den Datengrundlagen innerhalb des sta-<br />
tionären wie auch des ausserstationären Bereichs festgestellt. Während für die psychiatri-<br />
sche Versorgung im stationären und teilstationären Bereich durch die Carte Sanitaire 2000<br />
(medizinische Statistik) und durch Daten der Krankenkassenunion UCM zum Teil relativ gute<br />
Datengrundlagen vorliegen, so konnte doch die Mehrheit der Krankenhäuser keine nach Al-<br />
ter, Nationalität, Diagnosen etc. aufgeschlüsselten Angaben zu den Patienten machen. Es ist<br />
in diesem Zusammenhang hervorzuheben, dass ein Grossteil der Einrichtungen im ausser-<br />
stationären Bereich über Dokumentationen in Form von Jahresberichten verfügen, die detail-<br />
lierte Angaben über Tätigkeitsfelder, Personal sowie Angaben zu Klienten erlauben. Die Da-<br />
tenverfügbarkeit schwindet jedoch mit zunehmender Distanz zur staatlichen Planung. Na-<br />
mentlich sind insbesondere Lücken im Bereich der ambulanten Versorgung durch privat<br />
praktizierende Ärzte zu verzeichnen. Ebenso liegen ungenügende Daten vor, um das Ge-<br />
flecht von Versorgungsinstitutionen medizinischer und sozialer Art abzubilden. Es fehlt dies-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 137<br />
bezüglich an Übersichtlichkeit und z.B. an einem detaillierten und übersichtlichen Verzeichnis<br />
aller Leistungserbringer in der Psychiatrie („Psychiatrie-Führer“).<br />
Zusammenfassend kann die Versorgungslandschaft am Ende des Jahres 2004 folgender-<br />
massen skizziert werden:<br />
Süden (Esch-Alzette, Remich) (Bevölkerungszahl: 52 205*)<br />
• Stationärer Bereich: Centre Hospitalier Emil Mayrisch (CHEM) (Plätze: 33 ) (Esch)<br />
• Teilstationärer Bereich: Tagesklinik im CHEM auf Ende <strong>2005</strong> geplant<br />
• Psychiatrische Klinikambulanzen: Keine<br />
• Ambulanter Bereich:<br />
- Sozialpsychiatrische Beratungsstelle: Beratungsstelle Oppen Dir (Esch)<br />
- Tagesstätten: Villa Reebou, Kaspar Haus (Dudelange / Esch)<br />
- Ambulant tätige Psychiater: 4 (Esch)<br />
• Komplementärer / rehabilitativer Bereich:<br />
- Wohneinrichtungen: Wohnungen des Reseau Psy (Plätze: 14)<br />
- Geschützte Werkstätten: Eilinger Konschtwerk (Ehlange)<br />
Zentrum (Luxemburg-Stadt, Redange, Mesch, Grevenmacher, Echternach, Capellen)<br />
(Bevölkerungszahl: 223 262*)<br />
• Stationärer Bereich: Centre Hospitalier Luxemburg (Plätze: 46) / Hôpital Kirchberg<br />
(Plätze: 45) inkl. Abteilung für Jugendliche (Plätze: 15) (Luxemburg-Stadt)<br />
• Teilstationärer Bereich: Tagesklinik des Centre Hospitalier (Plätze: 12) inkl. Tageskli-<br />
nik für Kinder (Plätze: 6) und Tagesklinik des Hôpital Kirchberg (Plätze: 15)<br />
• Psychiatrische Klinikambulanzen: Psychiatrische Klinikambulanzen im Centre Hospi-<br />
talier und Psychiatrische Praxen innerhalb des Hôpital Kirchberg<br />
• Ambulanter Bereich im ausserstationären Setting:<br />
-Ambulant tätige Psychiater: Luxemburg-Stadt: 27 / Schrassig: 2 (im CPL) / Capellen:<br />
1 / Grevenmacher: 2 / Echternach: 2<br />
- Sozialpsychiatrisches Zentrum: Centre de <strong>Santé</strong> Mentale, Zentrum Oppen Dir<br />
-Therapeutische Zentren Useldange und Manternach (inkl. Beratungsstellen)<br />
- Sozialpsychiatrische Beratungsstellen in Echternach und Grevenmacher<br />
• Komplementärer Bereich:<br />
- Wohneinrichtungen: Wohneinrichtungen des C.E.R.R.M. (Plätze: 31); Wohneinrich-<br />
tungen des Centre de <strong>Santé</strong> Mentale (31 Plätze) (Luxemburg-Stadt)
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 138<br />
- Geschützte Werkstätten: Therapeutische Werkstätte Walferdange (Luxemburg-<br />
Stadt), Valeriushof (Selz)<br />
Norden (Diekirch, Vianden, Wiltz, Clervaux) (Bevölkerungszahl: 56 283*)<br />
(Die psychiatrischen Einrichtungen befinden sich vornehmlich in Ettelbrück (Diekirch), der ei-<br />
gentliche Norden (Clervaux, Wiltz, Vianden) ist jedoch unterrepräsentiert.)<br />
• Stationärer Bereich: Hôpital St. Louis (Betten: 46) und das CHNP (Betten 276) (Et-<br />
telbrück)<br />
• Teilstationärer Bereich: Tagesklinik St. Louis und CHNP (Ettelbrück)<br />
• Psychiatrische Klinikambulanzen: Klinikambulanz des CHNP (Ettelbrück)<br />
• Ambulanter Bereich:<br />
- Ambulant tätige Psychiater: 11 (davon 7 im CHNP fest angestellt) (Ettelbrück)<br />
- Komplementärer / rehabilitativer Bereich:<br />
- Wohneinrichtungen: Einrichtungen des Liewen Dobaussen (Plätze: 35) (Ettelbrück),<br />
Familienpensionen (Norden) (Anzahl: unbekannt)<br />
- Geschützte Werkstätten: Werkstatt Schieren (Schieren), Hof Ditgesbaach (Et-<br />
telbrück)<br />
* Quelle: Recueil de statistiques par commune, 2003 (B. 101)
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 139<br />
Eine detaillierte Karte der Versorgungslandschaft ist der nachfolgenden Abbildung zu ent-<br />
nehmen:
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 140<br />
Abbildung 11: Karte der psychiatrischen Versorgungslandschaft<br />
In Luxemburg wurden seit 1992 viele Schritte in Richtung einer modernen Psychiatrie ge-<br />
macht, was zu einem bemerkenswerten Ausbau der psychiatrischen Versorgungslandschaft<br />
geführt hat. Dennoch sind noch immer verschiedene Defizite zu konstatieren. Diese sollen<br />
nachfolgend kurz zusammengefasst werden:<br />
• In Anlehnung an die Richtlinien der WHO verfügt Luxemburg mit einer Quote von 0.37<br />
Betten / 1 000 (ab Juli <strong>2005</strong>: 0.4 / 1 000) Einwohner über eine ungenügende Anzahl<br />
Betten zur stationären Akutversorgung.<br />
• Die psychiatrische Fachklinik CHNP bietet mit 240 Rehabilitationsbetten (0.53 / 1 000<br />
Einwohner) indessen ein Überangebot an stationärer rehabilitativer Versorgung.<br />
• Ein bemerkenswerter Mangel an adäquaten Versorgungsstrukturen ist vor allem im<br />
komplementären Wohnbereich zu konstatieren. Dabei entsprechen weder die Perso-<br />
nalausstattung und -ausbildung noch die Anzahl Plätze sowie die Art der Angebote<br />
den internationalen Standards.<br />
• Bei den therapeutischen Werksstätten fehlen konkrete Angebote bzw. Interventionen<br />
zur Integration auf dem freien Arbeitsmarkt (z.B. Supported Employment).<br />
• Da die Dichte von Psychiatern in eigener Praxis überdurchschnittlich hoch ist, können<br />
Wartezeiten und Kapazitätsprobleme der ambulanten Praxen auf ein ungenügendes<br />
sozialpsychiatrisches Angebot, insbesondere in Form von Tageszentren, hinweisen.<br />
• Ein Mangel ist auch im sozialpsychiatrischen Bereich zu konstatieren. Im Jahre 2004<br />
gab es nur zwei Angebote, die der eigentlichen Definition eines Sozialpsychiatrischen<br />
Zentrums entsprechen.<br />
• Es wurde ein Defizit an klientenspezifischen Einrichtungen festgestellt. Dies betrifft<br />
insbesondere besonders vulnerable Gruppen, wie z.B. Ausländer, Kinder und Ju-<br />
gendliche, ältere Menschen und schwer psychisch kranke Straftäter.<br />
• Trotz des Ausbaus von zwei Beratungsstellen im Osten des Landes, muss noch im-<br />
mer von einer ungleichen regionalen Versorgung mit einer grundsätzlichen Unterver-<br />
sorgung des Nordens trotz einer ansehnlichen Bevölkerungszahl ausgegangen wer-<br />
den.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 141<br />
Darstellung der Ergebnisse der qualitativen Untersuchung<br />
1.29 Einleitung<br />
Mit den wichtigsten Interessengruppen des Psychiatriesektors (Verwaltungsrat, Ärzte, Pfle-<br />
gepersonal CHNP, Vertreter der Einrichtungen im ausserstationären Bereich, Leiter der psy-<br />
chiatrischen Fachabteilungen) wurden Fokusinterviews zu fünf verschiedenen Themenberei-<br />
chen durchgeführt. Die Ergebnisse widerspiegeln dabei die subjektive Meinung der befragten<br />
Gruppen. Angaben zur Methodik sind dem Kapitel 2.2 zu entnehmen. Die Zusammenfassung<br />
und Analyse der Fokusinterviews erfolgt im weiteren Verlauf in einem allgemeinen Teil sowie<br />
in spezifischen Abschnitten, die auf die jeweiligen Interessegruppen fokussieren. Gelegent-<br />
lich wurden die jeweiligen Kapitel mit Angaben zu den offenen Fragen in den Fragebögen<br />
ergänzt. Eine diesbezügliche Auswertung ist dem Anhang II zu entnehmen.<br />
1.30 Beurteilung der aktuellen Versorgung aus Sicht der Leistungsanbieter<br />
In diesem Abschnitt geht es vornehmlich um die Beurteilung der aktuellen psychiatrischen<br />
Versorgung psychisch kranker Menschen in Luxemburg. Dazu gehört insbesondere die Be-<br />
nennung der über- bzw. unterversorgten Patientengruppen (Bedarfs- und Nutzungsseite),<br />
aber auch die qualitative Beurteilung der Angebotsseite. Die am häufigsten genannten Aus-<br />
sagen werden stichwortartig aufgezählt und gelegentlich mit exemplarischen Zitaten aus den<br />
Interviews illustriert.<br />
Fehlversorgung von Patienten<br />
Die Experten waren sich einig, dass ein Grossteil der Patienten fehlplatziert, unterversorgt<br />
oder gar nicht betreut ist. Dazu gehören insbesondere:<br />
• ca. 50% der Patienten im CHNP (Langzeitpatienten);<br />
• ca. 30% der Patienten auf Akutstationen („könnten zwar entlassen werden, aber niemand weiss<br />
wohin“);<br />
• ca. 70-80% von Patienten in Obdachlosenheimen („Ich würde den Crash von den sozialen<br />
Betreuungsstrukturen hinzufügen. Diese werden überrannt von Leuten, die in eine psychiatrische<br />
Betreuung gehören. Wir (Caritas Obdachlosenheim) schätzen, dass ca. 70-80% (500-600 Leute/Jahr)<br />
der Leute, die zu uns kommen, eigentlich in die Psychiatrie gehören und keine geeignete Betreuung er-<br />
halten.“);<br />
• eine unklare Anzahl Patienten, die in Familienpensionen ohne adäquate Betreuung<br />
wohnen („Manche gehen dann in solche Pensionen und zahlen dann ¾ von ihrem Sozialgeld dafür,<br />
aber erhalten nicht, was sie brauchen. Haben dann noch ca. 200 Euro zum Leben / Monat. Ist aber fast<br />
unmöglich.“);<br />
• eine unklare Anzahl Patienten im CTM und CTU („Aufenthalte werden monatelang verlängert,<br />
da Anschlusslösungen fehlen“).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 142<br />
Die Mehrheit der Befragten sind der Ansicht, dass aufgrund der nur ansatzweise vollzogenen<br />
Reform aktuell viele Patienten schlechter versorgt werden als früher. Dies wird v.a. allem auf<br />
Folgendes zurückgeführt:<br />
• Beachtlicher Mangel an diversifizierten und abgestuften Nachsorgestrukturen<br />
„Es braucht unbedingt mehr differenzierte Strukturen, die den unterschiedlichen Anforderungen gerecht<br />
werden.“ / „Es muss von einer 2-4h-Betreuung bis zum Einzelwohnen gehen. Dabei muss es z.B. nie-<br />
derschwellige Angebote geben, die nicht überfordern und Freiraum lassen.“ / „Im Moment ist es eine Art<br />
Notversorgung, was Lux bietet, und nicht ein diversifiziertes Wohnprogramm. Es gibt zwar einzelne<br />
Wohngruppen, Heimstrukturen, einzelbetreutes Wohnen. Aber es fehlen Foyers médicalisés (24-h-<br />
Betreuung) und Zwischenstufen.“<br />
• Unzureichende diagnosespezifische Angebote<br />
„Viele Diagnosen werden nicht spezialisiert bzw. überhaupt nicht behandelt.“<br />
• Kliniken und Sozialpsychiatrische Zentren sind nur bedingt auf die ehemalige Klientel<br />
des CHNP ausgerichtet.<br />
• Demographische Veränderungen wurden in der Versorgungsplanung bisher nicht be-<br />
rücksichtigt<br />
„Starkes Bevölkerungswachstum… u.a. Zunahme von alten Menschen, Ausländern etc… für die keine<br />
geeigneten Strukturen bestehen.“<br />
• Ungenügende Anzahl stationärer Betten<br />
• Ungenügende Betreuung (Personalmangel)<br />
„Oft ist in den Einrichtungen niemand während der Nacht oder am Wochenende anwesend. Diese Pati-<br />
enten können aber nicht ganz auf sich alleine gestellt leben" / Ein Problem, sehe ich v.a. darin, wenn<br />
keine genügende Betreuung vorhanden ist. Ist Gefahr für die Mitpatienten, aber es werden trotz unseren<br />
Bemühungen und Bitten, keine Posten finanziert“ / „Wir hatten etwas aufgebaut, aber mussten zuma-<br />
chen, aufgrund Personalmangel“)<br />
Der Mangel an Nachsorgestrukturen und stationären Betten hat gemäss den Befragten .u.a.<br />
folgende Folgen:<br />
• grosse Anzahl von so genannten „Drehtür-Patienten“;<br />
• viele Auslandbehandlungen;<br />
• Überlastung der Krankenhäuser;<br />
• Überlastung der bestehenden ausserstationären Angebote (inkl. ambulant tätigen<br />
Psychiatern)<br />
Da die Krankenhäuser zudem nicht für längere Aufenthalte ausgestattet sind und ihrem Auf-<br />
trag der Not- und Vollversorgung gerecht werden müssen, sind sie gezwungen, Patienten in<br />
zum Teil ungenügendem Genesungszustand ohne geeignete Anschlusslösung wieder zu<br />
entlassen, weshalb u.a. auch die Betreuungskontinuität nicht gewährleistet werden kann. Der<br />
Hauptgrund für den ungenügenden Ausbau der Versorgungslandschaft wird nicht im fehlen-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 143<br />
den Willen der Interessegruppen, sondern in der restringenten Finanzierungspolitik, einer-<br />
seits der Krankenkassen und andererseits des Gesundheitsministeriums, gesehen.<br />
Unter-/fehlversorgte Patientengruppen<br />
(„Es gibt eine Reihe von Nischen, die ab <strong>2005</strong> aufgrund der Aufgabenteilung, von nieman-<br />
dem mehr abgedeckt werden, und wo auch, wenn diese Patienten verteilt sind, niemand<br />
mehr die Kompetenz erreichen wird, sich mit diesen Patienten korrekt zu beschäftigen.. dazu<br />
gehören z.B. Dualdiagnosen, spezifische Formen von Persönlichkeitsstörungen, die sehr<br />
schwierig integrierbar sind“)<br />
Am häufigsten wurden folgende unterversorgten Patientengruppen genannt:<br />
• Patienten mit psychotischen Störungen (Chronische Erkrankungen vs. Erstmanifesta-<br />
tionen) („junge Patienten brauchen andere Angebote, v.a. im rehabilitativen Bereich als langjährige<br />
chronische Patienten, mit einer Lebensgeschichte im CHNP.. braucht Angebote für beide Subgruppen“);<br />
• abgebaute Korsakow-Patienten und chronisch mehrfach geschädigte Patienten;<br />
• schwer psychisch kranke Kinder und Jugendliche („braucht Angebote für Junge Menschen,<br />
die eine mittel- bis langfristige psychiatrische Behandlung brauchen.. bisher nur pädagogisch orientierte<br />
Einrichtungen“);<br />
• fremdgefährdende Patienten („’Gefährliche’ Patienten, die nicht straffällig wurden, sind nirgendwo<br />
untergebracht“. CHNP hat nicht die notwendigen Sicherheitsbedingungen dafür“ );<br />
• schwer kranke forensische Patienten („für schwer kranke Inhaftierte, gibt es nichts.. “);<br />
• ältere „Toxikomanen“ („gibt nur Einrichtungen für junge Drogenabhängige“);<br />
• gerontopsychiatrische Patienten (“Es gibt nur noch 24 Plätze für gerontopsychiatrische Patienten<br />
im CHNP, wobei die Versorgung im CHNP Heimcharakter hat. Viele sind Pflegefälle. Für Demenzkranke<br />
gibt es Möglichkeiten. Hingegen für psychisch Kranke, die nicht dement sind, gibt es ungenügend Ange-<br />
bote. Diese sind jedoch schwierig in Altersheimen unterzubringen, da diese eine andere Alltagsregulie-<br />
rung haben. Wenn sie sich nicht an die Hausordnung halten, sind sie sofort wieder im CHNP“);<br />
• Patienten mit komorbiden Störungen (Dualdiagnosen);<br />
• Patienten mit Persönlichkeitsstörungen (z.B. Borderline-Störungen) („Persönlichkeitsstö-<br />
rungen. werden ja immer wichtiger.. und fallen immer mehr auf.. Es muss einfach irgendwo eine Stelle<br />
geben, wo dies angeboten wird.. das ist „State of the art“, die muss man nicht ins Ausland schicken,<br />
sondern die gehören hierher.. müssen hier behandelt werden“);<br />
• Alkoholerkrankte („Useldange steckt nicht das ganze Spektrum des Alkoholbereiches ab. ..Ist nur für<br />
sehr abgebaute Patientengruppe gut geeignet.. viele Leute wollen nicht dorthin“);<br />
• Langzeitpatienten des CHNP („Gibt im CHNP viele Patienten, die schon seit Jahrzehnten im<br />
CHNP sind, die schon alle Betreuungsformen ausprobiert haben und die keinen Platz haben, wo sie hin-<br />
können" )<br />
• Grenzarbeiter und Migranten („dazu kommen noch die vielen Grenzarbeiter und Immigranten, für<br />
die kein Angebot besteht. Gibt auch viele die keine Wohnungen, keinen Job mehr finden. Die dekom-<br />
pensieren dann immer wieder. Es gibt keinen sozialpsychiatrischen Bereich bzw. der diese auffangen<br />
würde.. in den Kliniken gibt es zudem häufig Sprachprobleme“)
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 144<br />
Allgemeine Defizite der versorgungspolitischen Aufgaben<br />
Zudem wurden Mängel bezüglich der folgenden drei Bereiche konstatiert:<br />
• Prävention:<br />
„Im Bereich Prävention wird bisher nichts gemacht. Nicht nur im Bereich ausserhalb betreffend Psychi-<br />
schen Krankheiten, sondern auch innerhalb was den Bereich „Burnout“ betrifft. Wir haben eine grosse<br />
Zahl von Krankmeldungen, die nicht ersetzt werden können was die Situation und Personalverknappung<br />
noch verstärkt. Aber diesbezüglich wird in Lux. gar nichts gemacht"<br />
„Nicht nur der ambulante Bereich im Bereich Alkohol muss ausgebaut werden, sondern es muss auch<br />
viel mehr präventiv gearbeitet werden. Prävention in den Arbeitsstellen etc<br />
• Antistigmatisierungskampagnen:<br />
"Extrem wichtig, wären auch verstärkte Antistigmakampagnen. Die Öffentlichkeit reagiert immer noch<br />
stark abwehrend, will nichts mit Psychisch Kranken zu tun haben" / "Auch die in vielen europäischen<br />
Ländern durchgeführten Antistigmakampagnen, die sich weniger darin erschöpfen in den Medien aufzu-<br />
treten, sondern gezielt Zielgruppen suchen, z.B. Schulen etc. bewusst aufsuchen. Das sind diese Dinge,<br />
die hier einfach etwas fehlen“<br />
• Fehlende Regionalisierung (Zufallsprinzip):<br />
„Bis jetzt läuft ja alles über den Zufall, niemand fühlt sich für ein bestimmtes Gebiet zuständig“<br />
Die Analyse der „offenen Fragen“ hat grundsätzlich zu ähnlichen Ergebnissen geführt, wes-<br />
halb diese hier nicht näher ausgeführt wurden. Die ausgewerteten Antworten sind dem An-<br />
hang II zu entnehmen.<br />
1.30.1 Fazit<br />
Das erste Fazit zur Versorgung psychisch Kranker zeigt das Bestehen grosser Disparitäten<br />
zwischen den einzelnen Versorgungsbereichen bei gleichzeitig starkem Veränderungsdruck<br />
(struktureller Wandel, veränderte Versorgungs- und Behandlungsparadigmen, knappe öko-<br />
nomische Ressourcen etc.). Nebenher besteht insgesamt eine gute, infrastrukturell zum Teil<br />
hervorragende, aber historisch überholte Dominanz stationärer Versorgung und eine offen-<br />
sichtlich ungenügende ausserstationäre bzw. ambulante Versorgung. Diese kann nebst der<br />
grundlegenden Deckung des Basisbedarfes v.a. infolge Ressourcenmangels nicht mit den<br />
wachsenden Bedürfnissen, sprich Nutzungsverschiebungen Schritt halten.<br />
Aus Perspektive der Nutzung und des Bedarfs sticht die Diskrepanz zwischen schweren Stö-<br />
rungen, wie Schizophrenie und anderen – meist leichteren – Störungen heraus. Eine be-<br />
stimmte Kerngruppe von vornehmlich schwer chronisch Erkrankten ist häufig fehlplatziert<br />
und fällt im Rahmen des Umstrukturierungsprozesses zunehmend durch die Maschen des<br />
Systems. Diese Diskrepanz hat gewisse Ähnlichkeiten mit der Gegenüberstellung von Sub-<br />
stanzstörungen durch so genannt harte Drogen und andererseits Alkohohlstörungen. Dabei<br />
beschäftigen letztere das stationäre Versorgungssystem zwar weniger, betreffen und invali-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 145<br />
disieren aber weitaus mehr Menschen und verursachen grösseren sozioökonomischen<br />
Schaden für die ganze Gesellschaft als die erstgenannten schweren Substanzstörungen.<br />
Diese Diskrepanz besteht bei psychischen Störungen über die Substanzstörungen hinaus<br />
und verdeutlicht nicht nur die notwendige Verbesserung der Aufgabenteilung zwischen dem<br />
stationären und dem ambulanten Versorgungssystem, sondern auch die ausserordentliche<br />
Bedeutung des quantitativen und qualitativen Ausbaus von ausserstationären und von dia-<br />
gnosespezifischen Angeboten.<br />
1.31 Schwierigkeiten des Transformationsprozesses der letzten Jahre aus der<br />
Sicht der Leistungsanbieter<br />
1.31.1 Generelle Schwierigkeiten in der Umsetzung der Psychiatriereform (Hidden Agenda)<br />
Die Grundstimmung bei allen Fokusgruppen war geprägt von Resignation, Verärgerung und<br />
Desillusioniertheit bezüglich der Entwicklung der letzten Jahre. Alle Parteien scheinen in der<br />
Vergangenheit Enttäuschungen, Kritik und Schuldzuweisungen ausgesetzt gewesen zu sein.<br />
Das „Gefühl viel versucht, aber wenig erreicht zu haben“ sowie „wenn doch nur die anderen<br />
wollten“ stand im Vordergrund.<br />
Die Gründe für die träge Umsetzung der Psychiatriereform scheinen vielfältig, betreffen ge-<br />
mäss den Befragten aber mehrheitlich die drei Ebenen Politik, Struktur des Gesundheitssys-<br />
tems und Interessengruppen:<br />
• Politische Ebene: In der Befragung kommt die marginale Rolle der Psychiatrie in der<br />
politischen Agenda der letzten Jahre zum Ausdruck. Der Politik wird dabei ein Mangel<br />
an Interesse, Umsetzungswille und Beharrlichkeit hinsichtlich des Transformations-<br />
prozesses vorgeworfen. Dies wirkte sich auch auf die Planung und Steuerung des<br />
Plan Hospitalier aus, die fragmentarisch blieb.<br />
• Struktur des Gesundheitssystems: In diesem Zusammenhang wurde v.a. auf struktu-<br />
relle, organisationelle und finanzierungstechnische Hindernisse hingewiesen, insbe-<br />
sondere:<br />
- dualistisches Finanzierungssystem (Krankenkassen und Gesundheitsministerien).<br />
Dadurch können Einsparungen auf der einen Seite (z.B. stationärer Bereich) nicht<br />
durch Ausgaben (z.B. im ausserstationären Bereich) kompensiert werden;<br />
- die psychiatrischen Leistungsanbieter sind verschiedenen Ministerien zugeordnet. Die<br />
Abgrenzungen sind zum Teil auch innerhalb der Ministerien nicht eindeutig, die Ver-<br />
antwortlichkeiten daher diffus. Die Antragsteller sind so administrativen Hürden aus-<br />
gesetzt und mit einer gewissen Intransparenz konfrontiert;<br />
- mangelnde Vertretung der Psychiatrie in Beratungsgremien (z.B. Commission per-<br />
manente Hospitalier) bzw. Dominanz des stationären allgemeinmedizinischen Sys-<br />
tems;
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 146<br />
- Belegarztsystem;<br />
- Gesetz über Zwangseinweisungen: Das aktuelle Gesetz erschwert die Übernahme<br />
der Vollversorgung durch die Allgemeinkrankenhäuser;<br />
- Personalbemessungsinstrument PRN.<br />
• Ebene der Interessegruppen: In der Befragung stand insbesondere die Uneinigkeit<br />
betreffend des Aufgaben- und Kompetenzbereichs der verschiedenen Leistungserb-<br />
ringer im Vordergrund. Schwierigkeiten im Transformationsprozess wurden dabei<br />
vornehmlich auf eine ausgeprägte Interessenpolitik, einen Mangel an Zusammenar-<br />
beit und ein daraus resultierendes Kommunikationsdefizit zurückgeführt. Die ver-<br />
schiedenen Parteien sind in Konfrontationsstellung zueinander gegangen, anstatt sich<br />
in einer politischen Bewegung zusammen zu schliessen.<br />
Alle Befragten versicherten nachdrücklich, den Reformprozess grundsätzlich mitzutragen.<br />
Auch stehen alle Parteien einheitlich hinter den versorgungspolitischen Grundsätzen. Der als<br />
unsystematisch, mangelhaft koordiniert und als zögerlich angesehene Transformationspro-<br />
zess scheint dabei zu Frustrationen, Ratlosigkeit und Transformationsmüdigkeit bei allen Ak-<br />
teuren geführt zu haben. Diese sehen die Gründe der bisherigen Reformschwierigkeiten in<br />
nachfolgenden Aspekten.<br />
Steuerung<br />
• Fehlende politische Führung und Leitung<br />
• Fehlende Planung des Überganges<br />
• Fehlende Ansprechperson / wissenschaftlicher Beirat mit Experten- und Beratungs-<br />
funktion<br />
• Divergierende Interessen und Uneinigkeit betreffend der Aufgaben(-verteilung), was<br />
zu einer Konfrontationsstellung zwischen den einzelnen Interessengruppen mit ge-<br />
genseitigen Schuldzuweisungen geführt hat<br />
• Verunsicherung über die fehlende Marschrichtung<br />
Rahmenbedingungen<br />
• Strukturelle Schwierigkeiten, wie z.B. Gesetz über Zwangseinweisungen: Aktuelles<br />
Gesetz weist grosse Mängel auf und erschwert die Aufnahme von Zwangseinweisun-<br />
gen in die Klinik<br />
• Mangelnde Unterstützung, bzw. administrative Hindernisse, z.B. zum Aufbau von<br />
notwendigen Einrichtungsstrukturen wie Foyers médicalisés
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 147<br />
• Administrative und politische Hindernisse, die eine Umsetzung von Projekten verun-<br />
Vernetzung<br />
möglichen<br />
• Mangelnde Zusammenarbeit und Vernetzung<br />
• Fehlende Interessenvertretung und Lobby im stationären wie auch im ausserstationä-<br />
ren Bereich<br />
• Fehlende Diskussionsplattform<br />
Angebote<br />
• Fehlende infrastrukturelle und personelle Ausstattung der einzelnen Institutionen zur<br />
adäquaten Ausführung der Aufgaben<br />
• Fehlende ausserstationäre Angebote für psychisch Kranke<br />
1.31.2 Spezifische Schwierigkeiten der Leistungserbringer<br />
Nachfolgend werden die spezifischen Schwierigkeiten nach den einzelnen Gruppen geglie-<br />
dert dargestellt. Eine vollständige Übersicht findet sich im Anhang.<br />
1.31.2.1 Spezifische Schwierigkeiten des Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique<br />
CHNP generell<br />
Im CHNP zeichnete sich die allgemeine Stimmungslage besonders stark durch Resignation,<br />
Ratlosigkeit und Verärgerung aus. Dies wird v.a. auf folgende interne Konfliktpunkte zurück-<br />
geführt:<br />
• Strukturelle Schwierigkeiten einer grossen und dadurch trägen Institution (z.B.<br />
schwerfälligere Umsetzung von Massnahmen, Fehlinformationen durch lange Kom-<br />
munikationswege, Missverständnisse etc.)<br />
• Fehlende Marschrichtung in den letzten Jahren: Der Verwaltungsrat zog in den letz-<br />
ten Jahren diverse Berater zur Planung der zukünftigen Aufgaben des CHNP bei, die<br />
unterschiedliche Pläne und Projekte ausgearbeitet haben. Dem Personal wurden in<br />
den letzten Jahren deshalb wiederholt neue Entwicklungsmöglichkeiten und Richtli-<br />
nien präsentiert, was zunehmend Verunsicherung über die Zukunft des CHNP ausge-<br />
löst hat. („Es ist wie ein Schiff, nicht nur ohne Steuermann sondern auch ohne Seekarte und dann sind<br />
auf einmal zu viele Steuermänner auf einmal und die Reederei hat die Idee, dass man zudem Kreuz-<br />
fahrtangebote bereitstellen müsste“)<br />
• Fehlende Kommunikation innerhalb des CHNP
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 148<br />
• Vermischung von Fachpersonal mit unterschiedlichen Nationalitäten und Ausbildun-<br />
gen, häufig ohne Kenntnisse der versorgungspolitischen Grundsätze und der Emp-<br />
fehlungen der Häfner-Studie.<br />
• „Hidden Agendas“ von Seiten eines Teils des Personals (z.B. Wunsch, an der Akut-<br />
versorgung festzuhalten)<br />
• Gefühl der fehlenden Unterstützung durch Gesundheitsministerium, durch Finanzie-<br />
rungsträger („alle Bemühungen, ausgearbeiteten Konzepte, Ideen wurden abgelehnt“)<br />
• Fehlende Lobby, bzw. Interessenvertretung im allgemeinmedizinischen System (z.B.<br />
CHNP hat keine Interessenvertretung. Ist im CPH nicht vertreten“ / „Gefühl sich alles vorschreiben las-<br />
sen zu müssen“)<br />
• Personalmangel bei gleichzeitig starker Arbeitsbelastung. Dieser ist auf folgende Fak-<br />
toren zurückzuführen:<br />
- Anweisungen des Plan Hospitaliers zu Bettenreduktion;<br />
- Personalberechnungsinstrument PRN: Dies ist ein für die Psychiatrie ungeeignetes<br />
Bemessungsinstrument, das auf alle Krankenhäuser das gleiche Berechnungsverfah-<br />
ren anwendet. Diese Bemessungsgrundlage wird der Betreuungszeit in der Psychiat-<br />
rie jedoch nicht gerecht und errechnet dadurch zuwenig Personalstellen. Dazu kommt<br />
ein enormer Administrations- und Dokumentationsaufwand, der zu einer zusätzlichen<br />
Arbeitsbelastung führt.<br />
- Zweigleisigkeit des Aufgabengebietes des CHNP: Führt neben Rehabiliationsaufga-<br />
ben noch immer Akutaufnahmen durch, d.h. muss mit weniger Personal gleich viele<br />
Stationen aufrechterhalten. („Akutversorgung muss weiterhin gewährleistet werden, solange Kran-<br />
kenhäuser noch nicht die Vollversorgung übernehmen können, wodurch Umstellung auf Rehabilitative<br />
Aufgaben nicht möglich ist…“ „fahren noch immer doppelspurig“).<br />
Der Personalmangel führte zu:<br />
- Sicherheitsproblemen;<br />
- inadäquater Betreuung der Patienten;<br />
- Frustration, Überarbeitung, Ärger, Verstärkung interner Konflikte.<br />
Spezifische Schwierigkeiten Verwaltungsrat CHNP<br />
Im CHNP wird viel Kritik an der Führung und der Leitung des Spitals geübt. Die Aussagen<br />
des Verwaltungsrates machten dabei aber auch die eigene Unzufriedenheit mit dem Resultat<br />
der letztjährigen Bemühungen deutlich. Dabei stand das Gefühl im Vordergrund, dass im po-<br />
litischen Raum kaum etwas Bestand gehabt hat und die politische Unterstützung im ge-<br />
wünschten Transformationsprozess unzureichend war. Es wurde ein Mangel an konkreten<br />
politischen Konzepten und Leitlinien sowie an einer notwendigen Führung durch das Ge-<br />
sundheitsministerium konstatiert. Der Verwaltungsrat gibt an, vor der Schwierigkeit zu ste-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 149<br />
hen, einen Transformationsprozess ohne klare Marschrichtung umzusetzen. Er skizziert sei-<br />
ne Position dabei folgendermassen:<br />
„Wir sind sozusagen der Puffer, einerseits zwischen den Mitarbeitern des CHNP und den Kranken-<br />
kassen insbesondere was das PRN anbelangt.. andererseits aber auch gegenüber dem Gesund-<br />
heitsministerium und den anderen Kliniken.. Wir sind eine Projektionsfläche für alle angestauten Ver-<br />
ärgerungen..“<br />
Fazit: Wunsch nach mehr „Leadership“ seitens des Ministeriums. Wunsch nach einem politi-<br />
schen Entscheid, der mit explizit formulierten Richtlinien mit eindeutiger Verteilung der Auf-<br />
gaben und expliziter Planung der notwendigen Massnahmen einhergeht.<br />
Spezifische Schwierigkeiten des Pflegefachpersonals<br />
Die Stimmung des Pflegepersonals ist von einer gewissen Verbitterung und Frustration ge-<br />
prägt. Dies ist auf interne Konflikte zurückzuführen, die durch vier Entwicklungen entstanden<br />
sind:<br />
• Abbau des Pflegepersonals: Seit der Privatisierung der psychiatrischen Klinik haben<br />
die Pflegemitarbeiter einen Abbau des Pflegepersonals bei gleich bleibendem Ar-<br />
beitsaufwand erlebt. Dies wird hauptsächlich auf das Personalbemessungsinstrument<br />
PRN zurückgeführt, welches neben der ungenügenden Berechnung des Pflegeperso-<br />
nals zu einer Zunahme des Dokumentationsaufwandes geführt hat. Personalredukti-<br />
onen wurden dabei im Nachhinein u.a. aufgrund von Mängeln in der Dokumentation<br />
gerechtfertigt. Dadurch entstand von Seiten des Personals der Eindruck; „für etwas ver-<br />
antwortlich gemacht zu werden, was nicht wirklich im Verantwortungsbereich der Pflege liegt, sondern<br />
durch unmögliche Vorgaben seitens der PRN entstanden ist“.<br />
Der Personalabbau führte gemäss Aussagen des Pflegepersonals zu verschiedenen Schwie-<br />
rigkeiten, wie z.B. zu grosser Arbeitsbelastung, zu Insuffizienzgefühlen, zu mangeln-<br />
der Gewährleistung der notwendigen Sicherheit bei fremdgefährdenden Patienten, zu<br />
qualitativen Einbussen bei der Erfüllung von Aufgaben und Pflichten.<br />
• Intransparenz über zukünftige Aufgabe des CHNP: Die Pflegefachkräfte betonen die<br />
fehlende Orientierung im Transformationsprozess, die durch widersprüchliche Infor-<br />
mationen betreffend der zukünftigen Entwicklung des CHNP entstanden ist. Dies<br />
wurde durch ein Kommunikationsdefizit innerhalb des CHNP verstärkt.<br />
• Mangelnde Zusammenarbeit: Zudem beklagen die Mitarbeiter eine mangelnde inter-<br />
ne und externe Zusammenarbeit, wodurch Konflikte verschärft wurden und zu einer<br />
angespannten Arbeitsatmosphäre geführt haben.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 150<br />
• Mangelnde Würdigung der Reformbemühungen: Was die Bestrebungen, sich zu de-<br />
zentralisieren anbelangt, herrscht bei den betreffenden Verantwortlichen das Gefühl<br />
vor, dass ihre Bemühungen nicht genügend gewürdigt wurden. Die Pflegemitarbeiter<br />
formulierten es folgendermassen: „ wir werden Opfer des übergeordneten Interesses des CHNP..<br />
unsere Bemühungen werden nicht erkannt, obwohl wir doch schon relativ eigenständig Richtung Rehabi-<br />
litation gearbeitet haben.. Es waren wir, die z.B. den SPAD aufgebaut haben“.<br />
Fazit: Wunsch nach einer klaren Marschrichtung und nach expliziten und vertrauenswürdigen<br />
Konzepten und Aussagen seitens des Verwaltungsrates. Wunsch nach ausreichendem Per-<br />
sonal und adäquaten Arbeitsbedingungen. Wunsch nach Wertschätzung des bisherigen Ar-<br />
beitsaufwandes.<br />
Spezifische Schwierigkeiten der Ärzte des CHNP<br />
Bei der Ärzteschaft liegt das Grundproblem wiederum in der Unsicherheit über die zukünftige<br />
Entwicklung des CHNP. Dazu kommt das Gefühl „seit Jahren für die Ausarbeitung von Konzepten<br />
missbraucht zu werden, die dann entweder gar nicht gelesen werden, in den Papieren von verschiedenen Con-<br />
sultants landen, in den Schubladen der Direktion oder des Gesundheitsministeriums verschwinden“. Die Ärzte<br />
geben in diesem Zusammenhang an, sehr viel in den Reformprozess investiert zu haben,<br />
ohne das „ein befriedigender Output“ daraus resultiert hätte.<br />
Schwierigkeiten bestehen des Weiteren in der Zusammenarbeit mit den Psychologen, was<br />
u.a. auf „Kompetenzstreitigkeiten“ zurückzuführen ist. Es fehlt zudem ein Gremium für Ärzte mit<br />
einem wissenschaftlichen Beirat und Fachexperten. Zudem beklagen die Ärzte die Einmi-<br />
schung des Verwaltungsrates als eine fachfremde Instanz in therapeutische Belange.<br />
Fazit: Wunsch nach klaren Leitlinien und Wertschätzung der bisherigen Bemühungen. Zu-<br />
dem Wunsch nach klarer interner wie externer Kompetenz- und Aufgabenverteilung als auch<br />
ein Ausbau an medizinischem Personal. Wunsch nach einem wissenschaftlichen Beirat mit<br />
Fachexperten zur Kontrolle und Begleitung des Transformationsprozesses.<br />
1.31.2.2 Spezifische Schwierigkeiten der psychiatrischen Abteilungen<br />
Die Stimmung dieser Fokusinterviews war von Spannungen zwischen den psychiatrischen<br />
Fachabteilungen und der psychiatrischen Fachklinik CHNP geprägt. Die Hauptschwierigkei-<br />
ten scheinen vor allem in den fehlenden Voraussetzungen zur Umsetzung des Plan Hospita-<br />
lier, d.h. zur umfassenden Übernahme der Akutversorgung psychiatrischer Patienten, zu lie-<br />
gen. Diese hätte zu Beginn des Jahres <strong>2005</strong> stattfinden müssen. Die Gründe sind vielfältig,<br />
werden aber vor allem auf folgende Aspekte zurückgeführt:<br />
• Bauliche Defizite (z.B. ist das Centre Hospitalier noch nicht fertig renoviert, u.a. weil in<br />
der Planungsphase „aus ungeklärten Motiven ein Baustop verhängt worden ist“).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 151<br />
• Ungeklärte personelle Situation (z.B. stehen die Krankenhäuser noch immer in Ver-<br />
handlungen mit den Krankenkassen betreffend Personaldotationen).<br />
• Unklare Aufgaben- und Kompetenzenverteilung zwischen CHNP und Allgemeinkran-<br />
kenhäusern (z.B. Welche Patienten werden ins CHNP weiterverwiesen?).<br />
• Gesetz über Zwangseinweisungen: Das Gesetz über Zwangseinweisungen ist aktuell<br />
noch in Überarbeitung, wobei den Belegärzten gemäss bestehendem Gesetz nicht er-<br />
laubt ist, Patienten in die eigene Klinik einzuweisen.<br />
• Mangelnde Sektorisierung: Die Einzugsgebiete der jeweiligen Kliniken sind nicht reg-<br />
lementiert, sondern nur annäherungsweise festgelegt.<br />
Die Kliniken Kirchberg und St. Louis sind gegenwärtig die einzigen, die eine Vollversorgung<br />
übernehmen können und nicht mit Widerständen seitens des eigenen Krankenhauses gegen<br />
die Integration psychisch Kranker in das allgemeinmedizinische Gesundheitssystem konfron-<br />
tiert sind. Die anderen Kliniken äussern dagegen u.a. Schwierigkeiten, die notwendige soma-<br />
tische Versorgung der psychiatrischen Patienten zu gewährleisten, da Widerstände gegen<br />
die Psychiatrie per se bestehen und die somatische Versorgung der psychiatrischen Patien-<br />
ten eine unbezahlte Mehrarbeit darstellt.<br />
Des Weiteren sind die Kliniken mit Problemen der Weiterweisung bzw. der Nachsorge (z.B.<br />
lange Wartefristen) konfrontiert. Für längere Aufenthalte sind die Kliniken nicht ausgestattet,<br />
Weiterweisungen ins CHNP sind umstritten bzw. dessen zukünftige Klientel undefiniert und<br />
Anschlusslösungen aufgrund mangelnder Nachbetreuungsstrukturen eingeschränkt. Da-<br />
durch sind die Kliniken oft genötigt, Patienten ohne Anschlusslösung zu entlassen.<br />
Fazit: Wunsch nach expliziter Kompetenz- und Aufgabenklärung mit dem CHNP. Wunsch<br />
nach Ausbau des ausserstationären Bereichs, insbesondere der komplementären und reha-<br />
bilitativen Einrichtungen. Wunsch nach Klärung der Personalsituation. Wunsch nach Koordi-<br />
nation und Steuerung des Übergangs zur Übernahme der Vollversorgung aller akut psychiat-<br />
risch erkrankten Patienten.<br />
1.31.2.3 Spezifische Schwierigkeiten des ausserstationären Sektors<br />
Im ausserstationären Bereich fehlen grundsätzlich teil- und vollbetreute Wohneinrichtungen<br />
und sozialpsychiatrische Zentren. Angesichts der grossen Nachfrage und der fehlenden<br />
Möglichkeit, entsprechende Hilfeleistungen anbieten zu können, hat sich zunehmend Resi-<br />
gnation und Desillusionierung ausgebreitet. Das Gefühl „nicht in die Reformen miteinbezogen zu<br />
werden, bzw. das Gefühl der Dominanz des stationären Sektors“ stand dabei im Vordergrund.<br />
In den letzten Jahren wurden verschiedene Bemühungen zum Aufbau von Projekten unter-<br />
nommen, die jeweils aufgrund administrativer Hürden, mangelnder finanzieller Unterstützung<br />
und dem daraus resultierenden Personalmangel nicht umgesetzt werden konnten. Dies wur-<br />
de zudem durch den knappen und teuren luxemburgischen Wohnungsmarkt erschwert. Auch<br />
werden viele Einrichtungen von fachfremdem Personal geführt. Spezifische Weiterbildungs-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 152<br />
möglichkeiten für das Betreuungspersonal waren wiederum aufgrund finanzieller Engpässe<br />
nicht möglich.<br />
Die Gründe für die internen wie auch generellen Schwierigkeiten im Transformationsprozess<br />
liegen gemäss den ausserstationären Vertretern:<br />
• im fehlenden politischen Willen;<br />
• in der fehlenden Zusammenarbeit / Interessevertretung (Lobbyarbeit): Die Zusam-<br />
menarbeit im ausserstationären Sektor ist von Uneinigkeit und Spannungen geprägt,<br />
was eine gemeinsame Lobbyarbeit bisher verunmöglicht hat. Die vorhandenen Mög-<br />
lichkeiten zu einem Zusammenschluss bestehen scheinbar nur auf dem Papier (z.B.<br />
E.G.S.P.). In diesem Zusammenhang wurde auf die erfolgreiche Umsetzung von<br />
Diskussions- und Vertretungsplattformen seitens der „geschützten Werkstätten“ und<br />
des Familienministeriums hingewiesen;<br />
• in einer fehlenden Positionierung (Marketing): Möglichkeiten zur Positionierung wur-<br />
den entweder unzureichend wahrgenommen oder aufgrund der bereits erwähnten in-<br />
ternen Konflikte nicht genutzt (z.B. Infoveranstaltungen des CIP);<br />
• in der Abhängigkeit vom Gesundheitsministerium: Durch die jährlich zu erneuernden<br />
Konventionsverträge stehen die ausserstationären Strukturen auf finanziell unsiche-<br />
ren Beinen und geben an, dadurch dem guten Willen des Ministeriums ausgesetzt zu<br />
sein. Interventionen und Kritik sind aus dieser Abhängigkeitsposition heraus kaum<br />
möglich („Dessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing“);<br />
• im Fehlen einer Koordinationsstelle / Fehlen von Fachexperten: Die Vertreter bekla-<br />
gen eine fehlende Fach- und Ansprechperson auf ministerieller Ebene, welche die<br />
ausserstationäre Versorgung koordiniert. In diesem Zusammenhang wird auch auf die<br />
fehlende Zusammenarbeit der Ministerien untereinander hingewiesen (z.B. „Fond de<br />
Logement“ gehört zum Bereich des Wohnungsministers, das „Betreute Wohnen“ in<br />
die Kompetenz der Familien- und des Gesundheitsministeriums). Dies erschwert die<br />
Umsetzung von Projekten deutlich;<br />
• in der Dominanz des stationären Bereichs: Im bisherigen Reformprozess wird eine<br />
einseitige Konzentration auf den stationären Bereich festgestellt. Die Vertreter bekla-<br />
gen in diesem Zusammenhang den notwendigen Miteinbezug der ausserstationären<br />
Strukturen bei der Planung der psychiatrischen Versorgungslandschaft und der Um-<br />
setzung der Psychiatriereform.<br />
Fazit: Wunsch nach konkreter Planung der psychiatrischen Versorgungslandschaft mit klarer<br />
Aufgabenverteilung und gleichwertigem Miteinbezug des ausserstationären Bereichs.<br />
Wunsch nach wissenschaftlicher Begleitung und Koordination der Reform durch einen wis-<br />
senschaftlichen Beirat. Wunsch nach einer Interessenvertretung und dem Aufbau einer Dis-<br />
kussionsplattform im ausserstationären Bereich.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 153<br />
1.32 Mögliche Entwicklungsszenarien aus Sicht der Leistungsanbieter (Zukunfts-<br />
workshop)<br />
Einer der Schwerpunkte der Fokusinterviews stellte die Diskussion von Zukunftsszenarien<br />
der psychiatrischen Versorgungslandschaft dar. Die Diskussionspunkte betrafen dabei die<br />
folgenden Fragestellungen:<br />
• Klärung der Aufgaben- und Kompetenzgebiete des CHNP und der psychiatrischen<br />
Fachabteilungen in der Grundversorgung psychiatrisch Erkrankter (mit konkreter Ver-<br />
antwortungszuweisung)<br />
• Fragen der Spezialisierung (Störungsgruppen, Diagnostik, Versorgungsbereiche)<br />
• Fragen der Regionalisierung und Sektorisierung<br />
• Trends in der psychiatrischen Versorgung (z.B. Paradigmenwechsel im Substanzbe-<br />
reich, klientenorientierte Einrichtungen)<br />
• Personalreform<br />
• Entwicklung von Diskussionsforen sowie Aufbau eines wissenschaftlichen Beirates<br />
• Change Management betreffs Umsetzung des Plan Hospitalier (Zeit- und Personal-<br />
planung, Definition von Übergangsbestimmungen)<br />
(1) Klärung der Aufgaben- und Kompetenzgebiete des CHNP und der psychiatrischen<br />
Fachabteilungen / Entwicklung möglicher Zukunftsvisionen / Fragen der Spezialisie-<br />
rung<br />
Mögliche Aufgaben für das CHNP:<br />
Einigkeit herrschte darüber, dass es in Luxemburg keinen Bedarf an 235 Betten zur stationä-<br />
ren Rehabilitation gibt. Die Zukunft des CHNP wird deshalb eher in einer Spezialisierung ge-<br />
sehen, z.B. im Bereich der Psychoserehabilitation, der Behandlung von Substanzabhängig-<br />
keiten und/oder Gerontopsychiatrie. Analog zum somatischen Bereich soll das CHNP an-<br />
spruchsvolle Diagnostik bewältigen können, zu welcher andere Akteure (z.B. Allgemeinkran-<br />
kenhäuser, liberal tätige Psychiater) nicht in der Lage sind. Weitere Angebote eines speziali-<br />
sierten Rehabilitationszentrums könnten z.B. Trainingsprogramme oder auch Früherken-<br />
nungszentren, u.a. zur Früherkennung von Psychosen, sein.<br />
Uneinigkeit bestand hinsichtlich der Frage, ob Rehabilitation zentral oder dezentral organi-<br />
siert und angeboten werden soll.<br />
Diese Zukunftsszenarien machen deutlich, dass das CHNP sich in Zukunft nicht mehr auf die<br />
Zuweisungen von Patienten wird verlassen können. Um sich auf dem Gesundheitsmarkt zu<br />
behaupten, werden u.a. Marketingbemühungen notwendig sein.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 154<br />
Mögliche Aufgabe der Allgemeinkliniken:<br />
In Anlehnung an den Plan Hospitalier ist unbestritten, dass die Allgemeinkrankenhäuser die<br />
Verantwortung für die Vollversorgung aller psychiatrischen Akutpatienten, inklusive<br />
Zwangseinweisungen, übernehmen müssen. Inwieweit und ab welchem Zeitpunkt eine Wei-<br />
terweisung in ausserstationäre Strukturen oder auch ins CHNP erfolgen soll, wurde kontro-<br />
vers diskutiert. Im Zentrum der Überlegungen stand der Wunsch der Allgemeinkliniken, sich<br />
als eigentliche Kompetenzzentren mit spezifischen Therapieangeboten zu profilieren. Es ist<br />
z.B. vorstellbar, auch Angebote für Persönlichkeitsstörungen (z.B. DBT-Therapie für Border-<br />
line-Patienten), Zwangs- und Ess-Störungen im Rahmen von Allgemeinkliniken zu etablieren.<br />
Im Spital Centre Hospitalier Emil Mayrisch besteht beispielsweise der Wunsch, sich als<br />
Kompetenzzentrum für Alkoholabhängigkeit zu etablieren, da Useldange nur auf eine be-<br />
stimmte Klientel von mehrheitlich „abgebauten“ Alkoholkranken spezialisiert ist. Zudem be-<br />
steht die Bereitschaft, auch körperliche Entzüge von Drogenabhängigen durchzuführen. Das<br />
Centre Hospitalier Luxemburg möchte sich andererseits – wenn möglich in Zusammenarbeit<br />
mit der Maternité und dem Kinderspital – auf die Betreuung von Mutter-Kind-Dyaden, v.a. im<br />
Rahmen der postnatalen Depression, spezialisieren.<br />
Der Aufbau von Kriseninterventionszentren sowie der Ausbau des tagesklinischen Settings<br />
wird als notwendig erachtet, wobei Uneinigkeit darüber herrschte, inwieweit auch ein aufsu-<br />
chender ambulanter Dienst zu einem Angebot der psychiatrischen Abteilungen gehören soll.<br />
Schliesslich war ein Bedürfnis nach Innovation und Anpassung an die europäischen Stan-<br />
dards zu spüren.<br />
Ein klares Defizit an Angeboten wird insbesondere im ausserstationären Bereich konstatiert.<br />
Im Bereich der Wohneinrichtungen wird dabei ein stufenartiges Konzept von „Betreutem Ein-<br />
zelwohnen“ bis hin zu vollzeitbetreuten Foyers médicalisés als notwendig erachtet. Dies wird<br />
als unabdingbare Voraussetzung für eine optimale Ausübung der Vollversorgung seitens der<br />
Krankenhäuser betrachtet. Da diese nicht für längere Aufenthalte ausgestattet sind, müssen<br />
die Patienten nach der Notfallversorgung weiter geleitet werden können, um die notwendige<br />
Behandlungskontinuität, aber auch die stationäre Aufnahmekapazität gewährleisten zu kön-<br />
nen.<br />
Bei der Diskussion möglicher Lösungsansätze wurde auf das dualistische Finanzierungssys-<br />
tem hingewiesen, welches die mögliche Umschichtung (Abbau von Betten im CHNP, Aufbau<br />
im ausserstationären Bereich) erschwert. Ein möglicher Lösungsansatz sah man in einem in-<br />
ternen Umtausch des CHNP von Krankenhausbetten gegen Wohnstrukturen, wodurch der<br />
Träger nicht gewechselt werden müsste. Dies wurde auch in den Allgemeinkliniken gemacht,<br />
als 10 Betten aus dem Akutbereich in die Tagesklinik transferiert wurden.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 155<br />
(2) Frage der Regionalisierung<br />
In der Diskussion wurde betont, dass eine Vollversorgung seitens der Krankenhäuser un-<br />
trennbar an klare Einzugsgebiete geknüpft ist, was nach einer Sektorisierung der psychiatri-<br />
schen Versorgung verlangt.<br />
(3) Trends in der psychiatrischen Versorgung (klientenorientierte Angebote)<br />
Es wurde von allen Seiten ein Mangel an stationären Betten konstatiert. Dazu kommt, dass<br />
Patienten häufig in unangemessenen Strukturen wie Obdachlosenheimen und Familienpen-<br />
sionen platziert werden. Gut ein Drittel der Patienten könnte jedoch tagesklinisch betreut<br />
werden. Des Weiteren sind individuell angepasste Betreuungszeiten notwendig, welche ge-<br />
mäss neusten Standards von Nachtkliniken oder Akuttageskliniken erbracht werden könnten.<br />
Über das ambulante Angebot der Psychiater hinaus gewinnen Tageskliniken an Bedeutung.<br />
Solche teilstationären Settings bieten intensivere Behandlungs- und Betreuungsmöglichkei-<br />
ten ohne negative Nebenwirkung stationärer Behandlungsformen, wie z.B. „Hospitalisati-<br />
onsspiralen“ und damit einhergehende Stigmatisierung.<br />
Zustimmung fand zudem die Forderung nach einem Paradigmenwechsel im Suchtbereich.<br />
Das klassische 3-Phasen-Konzept (Entzug – Entwöhnung – Wiedereingliederung) gilt nicht<br />
mehr als „state of the art“, da nicht nur ist das Mortalitätsrisiko nach einem Entzug sich um<br />
das Zehnfache erhöht, sondern auch die Rückfallquoten äusserst hoch sind. Die Zukunft liegt<br />
im ambulanten Entzug und in Substitutionsbehandlungen, z.B. auch in der Heroinsubstituti-<br />
on.<br />
(4) Personalreform<br />
Unbestritten blieb, dass die Hauptschwierigkeit sowohl im CHNP wie in den Allgemeinklini-<br />
ken in dem für die Psychiatrie ungeeigneten Personalbemessungsinstrument PRN liegt. Eine<br />
Revision dieses Instruments, z.B. in Anlehnung an die deutsche Psych-PV oder an die kana-<br />
dische Version des PRN, wird als unumgänglich betrachtet.<br />
(5) Entwicklung von Diskussionsforen / Aufbau eines wissenschaftlichen Beirats<br />
Im Rahmen der Fokusinterviews wurde unisono auf die Notwendigkeit von Diskussionsforen<br />
hingewiesen. Zudem wurde auf den Mangel an fachspezifischem Expertenwissen und einem<br />
institutionalisierten Zugang, im Sinne eines konstanten wissenschaftlichen Beirats, hingewie-<br />
sen.<br />
(6) Change Management betreffs Umsetzung des Plan Hospitalier (Zeit- und Personalpla-<br />
nung, Definition von Übergangsbestimmungen)<br />
Im Rahmen der Fokusinterviews wurde die Notwendigkeit einer Steuerungs- und Kontroll-<br />
gruppe zur Bewältigung des Change Managements deutlich. In erster Linie ging es aber dar-<br />
um, klare Übergangsbestimmungen zu definieren, die einen schrittweisen und geordneten
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 156<br />
Übergang zur Übernahme der Vollversorgung seitens der Krankenhäuser sichern. Problem-<br />
stelllungen sind dabei insbesondere:<br />
• Auslösung der Behandlung der Akutpatienten im CHNP<br />
• Transfer des entsprechenden Fachpersonals des CHNP in die Allgemeinkrankenhäu-<br />
ser<br />
• Anstehende Personalrestrukturierungsmassnahmen im CHNP<br />
• Ausformulierung eines Übergangsvertrags mit konkretem Zeitplan unter Berücksichti-<br />
gung einer so genannten „Trockenphase“ im Sinne eines Übungsfeldes für die Um-<br />
stellungsphase. Zur Diskussion stand auch ein progressives Personalrekrutierungs-<br />
modell, wobei als möglicher Überganszeitpunkt die Sommerferien in Betracht gezo-<br />
gen wurden.<br />
1.33 Schlussfolgerungen<br />
Die Fokusinterviews weisen auf eine fehlende politische Bewegung z.B. im Vergleich zu Ita-<br />
lien hin. Interessenpolitik und Uneinigkeit der verschiedenen Leistungserbringer scheinen ei-<br />
ne effektive Zusammenarbeit bzw. Lobbying bisher verunmöglicht zu haben. Auf staatlicher<br />
Ebene lassen sich zwar verschiedene Ansätze zur Reformierung der Psychiatrie (z.B. Plan<br />
Hospitalier) erkennen, die Umsetzung und Steuerung wird jedoch als fragmentarisch be-<br />
schrieben. Eine kontinuierliche Umsetzungs- und Kontrollinstanz wie bei der Psychiatrie-<br />
Enquète in Deutschland scheint in Luxemburg demnach gefehlt zu haben.<br />
Die qualitativen Analysen weisen zudem auf eine Fokussierung des stationären Bereichs hin,<br />
wodurch der ausserstationäre Sektor nur beschränkt in die Planungsüberlegungen miteinbe-<br />
zogen wurde. Dem entsprechend zeigt sich aktuell ein Mangel an adäquaten Nachsorge-<br />
strukturen. Bemühungen zum Auf- und Ausbau des ausserstationären Bereichs scheinen<br />
u.a. an der Struktur des Gesundheitssystems gescheitert zu sein. Eine besondere Heraus-<br />
forderung scheint diesbezüglich das Versorgungs- und Finanzierungssystem Luxemburgs<br />
darzustellen. Es sind dabei verschiedene Kostenträger (hauptsächlich Gesundheitsministeri-<br />
um und Krankenkassen) in die Finanzierung eingebunden, dadurch ist der Mitteltransfer<br />
durch eine Fragmentierung in unterschiedliche Finanzierungsströme charakterisiert. Eine<br />
Fragmentierung der Finanzierung bedeutet gleichzeitig aber immer auch eine Fragmentie-<br />
rung der Versorgung, die eine optimale Koordination und Versorgung erschwert. Zudem wird<br />
dadurch meistens eine angebotsorientierte Versorgung gefördert, bei der in erster Linie die<br />
Anbieter das Angebot bestimmen, anstatt einer personenzentrierten Versorgung, die sich<br />
nach den individuellen Bedürfnissen der psychisch Kranken richtet. Die Befragten wiesen in<br />
diesem Zusammenhang wiederholt auf eine Unterversorgung verschiedener Patientengrup-<br />
pen bzw. auf mangelnde patientenspezifische Angebote hin. Da die Finanzierung u.a. auch<br />
immer mit Anreizmechanismen verbunden ist (siehe Kap. 4.7), besteht die Gefahr, dass die<br />
psychiatrische Versorgung in Zukunft zwar gemeindenah, aber weiterhin primär spital-<br />
zentriert wie auch unkoordiniert und angebotsorientiert bleibt. Dadurch würde dem Kriterium<br />
der Bedürfnisorientierung jedoch nicht Rechnung getragen. Eine gemeindenahe Psychiatrie
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 157<br />
stellt somit immer auch neue Anforderungen an die Finanzierung der psychiatrischen Ver-<br />
sorgung. Diese sollte deshalb regelmässig überprüft und hinterfragt werden.<br />
Länderpsychiatriepläne werden zukünftig mehr die Form eines dynamischen Regelwerks von<br />
miteinander verknüpften, strategisch-steuernden und operativ-ausführenden Prozessen an-<br />
nehmen müssen. Diese müssen von kompetenten Gremien bei gleichzeitiger Partizipation al-<br />
ler relevanten Interessengruppen unter Einsatz gültiger und vergleichbarer Methoden getra-<br />
gen werden. Dabei werden sie sich kontinuierlich an den Bedarf anpassen müssen. Dazu<br />
müssen gemäss den Fokusinterviews folgende kritische Einflussfaktoren an Bedeutung ge-<br />
winnen:<br />
• Erstellung von standardisierten „Methoden- und Massnahmen-Katalogen“, die eine ef-<br />
fektive und effiziente Massnahmenumsetzung ermöglichen mit kontinuierlicher Aktua-<br />
lisierung;<br />
• klare Vorgaben von zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen, Schritten und<br />
Verantwortlichkeiten zur Sicherung der Umsetzung und kontinuierlichen Weiterent-<br />
wicklung;<br />
• klare Formulierung von eindeutigen Versorgungsaufträgen bis hin zu Vertragsab-<br />
schlüssen zwischen den verschiedenen Leistungserbringern, Versorgungsbereichen<br />
(inkl. regionalen Unterschieden) und Finanzierungsträgern;<br />
• Einsatz von Umsetzungsgremien, die nach der Implementierung der geplanten Pro-<br />
zesse auch die laufenden Evaluationen übernehmen und in aggregierter Form auf die<br />
steuernde Staats-Planungsebene rückmelden.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 158<br />
Empfehlungen zur Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung<br />
im Grossherzogtum Luxemburg<br />
1.34 Ausgangslage<br />
7.1.1<br />
Die in der <strong>Planungsstudie</strong> Luxemburg 1992 abgegebenen Empfehlungen zur Weiterentwick-<br />
lung der psychiatrischen Versorgung sind in ihren Grundzügen umgesetzt worden. Dies gilt<br />
speziell für den Neuaufbau dreier psychiatrischer Abteilungen an verschiedenen Allgemein-<br />
spitälern des Landes. Die neu eröffneten Abteilungen zeugen von einem öffentlichen Gesin-<br />
nungswandel gegenüber psychisch Kranken. Die neuen, sehr gut ausgestatteten Abteilun-<br />
gen verdeutlichen auch den politischen Willen, Psychiatrie als Teil der allgemeinen Gesund-<br />
heitsversorgung zu akzeptieren. Ein Gesamtplan zur Weiterentwicklung der psychiatrischen<br />
Versorgung ist jedoch nicht klar erkennbar (vgl. u.a. Kap. 5 und 6 / Tabelle Vergleich 1992<br />
und 2004 (Anhang)).<br />
7.1.2<br />
Es sind wesentliche Entwicklungsschritte nicht vollzogen worden. Dies betrifft im Speziellen<br />
das CHNP, dem trotz erheblichen Bettenabbaus der Übergang in die 1992 vorgeschlagenen<br />
Rehabilitationsstrukturen nicht gelungen ist und im Kern seine ursprünglichen Aufgaben, z.B.<br />
die Betreuung von Langzeitpatienten weiterführt. Die Gründe hierfür sind vielfältig, nicht zu-<br />
letzt lassen die 1992er Empfehlungen einen Mangel an konkreten Umsetzungsvorschlägen<br />
vermissen (vgl. u.a. Kap. 6).<br />
7.1.3<br />
Die noch bestehenden Mängel der stationären Versorgung sind nicht zuletzt daran zu be-<br />
messen, dass bis heute ein beträchtlicher Teil der akut psychisch Kranken in Allgemeinkran-<br />
kenhäusern ohne spezialisierte psychiatrische Abteilungen behandelt wird (vgl. u.a. Kap. 5<br />
und 6).<br />
7.1.4<br />
Der Ausbau des ausserstationären Bereichs ist nicht entsprechend den Erfordernissen vo-<br />
rangetrieben worden (siehe u.a. Kap. 5.5 / 5.6 und Kap. 6).<br />
7.1.5<br />
Das Sozialversicherungsrecht ist nicht optimal auf die Bedürfnisse psychisch Kranker und<br />
auf die psychiatrische Versorgung abgestimmt (siehe u.a. Kap. 4.6-4.8). Beispielsweise kön-<br />
nen ambulant behandelte, chronisch psychisch Kranke, die über Jahre hinweg auf Medika-<br />
mente angewiesen sind, in der Regel nicht den Selbstbehalt von 20% bei teuren psychiatri-<br />
schen Medikamenten aufbringen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 159<br />
7.1.6<br />
Der „Plan Hospitalier“ sollte zum 1.1.<strong>2005</strong> in Kraft treten. Die Umsetzung hat sich aus ver-<br />
schiedenen Gründen verzögert (Siehe u.a. Kap. 1 und Kap. 6.3).<br />
1.35 Versorgungsleitlinien<br />
7.2.1<br />
Das Grossherzogtum Luxemburg bietet günstige ökonomische Voraussetzungen für eine an-<br />
gemessene und den europäischen Standards angeglichene Versorgung psychisch Kranker<br />
(vgl. 4.4). Die jetzt vorgelegten Empfehlungen sind den neueren Entwicklungen auf dem Ge-<br />
biet der Versorgung psychisch Kranker angepasst. Die Empfehlungen dieses Berichts erfol-<br />
gen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen sozio-demographischen Rahmenbedingungen.<br />
Die Empfehlungen zur Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgungsstrukturen sind<br />
regelmässig den diesbezüglichen Veränderungen anzupassen. Diese ergeben sich zum Bei-<br />
spiel aus Veränderungen der Bevölkerungszahl oder Bevölkerungsstruktur (vgl. Kap. 4.2ff.),<br />
die wesentlich Einfluss nehmen auf das Ausmass und die Art der altersspezifischen psychi-<br />
atrischen Morbidität. Andere Einflussfaktoren sind detailliert in Kap. 4 dargelegt.<br />
7.2.2<br />
Heute wird der Individualität und der Entscheidungsfreiheit des einzelnen Patienten zuneh-<br />
mend mehr Beachtung geschenkt. Dies beinhaltet auch, dass jegliche Massnahmen mit den<br />
geringst möglichen Einschränkungen für die Betroffenen verbunden sein sollen. Auch soll ih-<br />
nen ein Leben so normal wie möglich, d.h. den Lebensbedingungen der Allgemeinbevölke-<br />
rung angepasst, ermöglicht werden.<br />
Die jetzigen Empfehlungen berücksichtigen auch, dass die medizinische Teildisziplin „Psy-<br />
chiatrie“ im letzten Jahrzehnt wesentliche Therapiefortschritte zu verzeichnen hat. Die „Psy-<br />
chiatrie“ hat sich dabei von einer pflegenden zu einer therapeutischen Disziplin entwickelt<br />
(vgl. Kap. 3.2).<br />
7.2.3<br />
Besondere Bedeutung wird in diesem Zusammenhang die <strong>2005</strong> von den Gesundheitsminis-<br />
tern der EU unterzeichneten „Deklaration von Helsinki“, die auf die psychische Gesundheit<br />
der Bevölkerung gerichtet ist, gewinnen (vgl. Kap. 3.2). Im Zentrum der Deklaration steht<br />
u.a.:<br />
• Die gezielte Unterstützung von Menschern in vulnerablen Lebensphasen.<br />
• Besondere Aufmerksamkeit für Menschen mit schweren psychischen Gesund-<br />
heitsproblemen und deren Bedürfnissen sowie ihre langfristige Betreuung in einer Pa-<br />
lette verschiedener Settings und sie vor Missbrauch und Vernachlässigung, schützen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 160<br />
• Präventive Massnahmen insbesondere auch für Personen mit besonderen Risiken,<br />
und<br />
• die Bekämpfung von Stigma und Diskriminierung.<br />
1.36 Reformumsetzung (vgl. Kap. 6)<br />
7.3.1<br />
Die jetzt nachfolgende Phase der Reformumsetzung sollte von einem wissenschaftlichen<br />
Beirat begleitet werden, der mindestens jährlich der Regierung über die erzielten Fortschritte<br />
bzw. über wesentliche Gründe, die die Umsetzung behindern, berichtet. Der Beirat sollte aus<br />
den verantwortlichen Ärzten der psychiatrischen Abteilungen, des (zu restrukturierenden)<br />
CHNPs, verantwortlichen Vertretern ausserstationärer Strukturen, insbesondere des Wohn-,<br />
Arbeits- und Freizeitbereiches, und Verantwortlichen der beteiligten Ministerien sowie der<br />
verschiedenen Sozialleistungsträger bestehen. Für die Moderation des Beirates sollte ein ex-<br />
terner Berater eingebunden werden.<br />
Insbesondere sollten:<br />
• klare Vorgaben der zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen erarbeitet,<br />
• Arbeitsgruppen zur Massnahmenumsetzung gebildet werden, die kontinuierlich dem-<br />
Beirat über die Umsetzungsschritte berichten, und<br />
• Versorgungsaufträge eindeutig formuliert und gegebenenfalls in Vertragsform zwi-<br />
7.3.2<br />
schen den Leistungserbringern gebracht werden.<br />
Dem Beirat sollte ein vollzeitlich beschäftigter „Reform-Manager“ zur Seite gestellt werden,<br />
der die einzelnen vom Beirat zu erarbeitenden Schritte vorplant, koordiniert und überwacht.<br />
Der Reform-Manager berichtet dem Beirat.<br />
7.3.3<br />
Es sollte eine Arbeitsgruppe (unter substanzieller Beteiligung der verschiedenen Ministerien)<br />
beauftragt werden, eine Stärken-Schwächen-Analyse des gegenwärtigen Sozialleistungs-<br />
rechts und Finanzierungssystems, soweit es psychisch Kranke betrifft, durchzuführen. Be-<br />
sondere Beachtung sollte in diesem Zusammenhang die Frage finden, ob nach dem CHNP<br />
auch die extrahospitalieren Einrichtungen und Dienste zukünftig aus dem Verantwortungsbe-<br />
reich des Staatsbudgets entlassen und in andere Finanzierungstrukturen (z.B. Pflegeversi-<br />
cherung) überführt werden sollen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 161<br />
7.3.4<br />
Psychiatrische Reformen sind kein Prozess, der verordnet werden kann. Es ist angeraten,<br />
Diskussionsforen durchzuführen, die es engagierten professionellen Helfern wie auch betrof-<br />
fenen Personen erlauben, ihre Ansichten und Meinungen in den Diskussionsprozess einzu-<br />
bringen. Der Reform-Manger sollte diese Prozesse initiieren, moderieren und über deren Er-<br />
gebnisse dem Beirat Bericht erstatten.<br />
7.3.5<br />
Die Voraussetzungen für Qualitätssicherungsmassnahmen der psychiatrischen Versorgung<br />
sind zu schaffen. Der Reformprozess bietet auch die Chance, auf allen psychiatrischen Ver-<br />
sorgungsebenen Behandlungs- und Betreuungsstandards einzuführen. Dabei steht nicht die<br />
Kontrolle der einzelnen Einrichtungen und Diernste im Vordergrund sondern die kontinuierli-<br />
che Verbesserung der Behandlungs- und Btereuungsprozesse der jeweiligen Institution.<br />
7.3.6<br />
In den Kliniken ist das Augenmerk besonders auf die kritischen Elemente des Behandlungs-<br />
prozesses zu richten, beginnend mit der Aufnahme über die Behandlungsvereinbarungen mit<br />
den Patienten bis zu deren Austritt. Der Umgang mit Risikosituationen, einschliesslich<br />
Zwangsmassnahmen, ist zu regeln und kontinuierlich zu dokumentieren. Die Behandlung soll<br />
so weit wie möglich auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgen. Dies beinhaltet die Einfüh-<br />
rung klinischer Leitlinien.<br />
7.3.7<br />
Sinngemäss sind diese Qualitätssicherungsmassnahmen auch auf die anderen an der psy-<br />
chiatrischen Versorgung beteiligten Institutionen anzuwenden. Dies betrifft damit alle ambu-<br />
lanten Institutionen wie auch den gesamten extrahospitalieren Wohn- und Arbeitsbereich.<br />
7.3.8<br />
Für die Qualitätsicherungsmassnahem sind ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung zu<br />
stellen. Grössere Institutionen benötigen in der Regel einen fest angestellten Qualitäts-<br />
beauftragten. Für grössere Institutionen ist auch das Instrument des Audit einzuführen, d.h.<br />
eine Qualitätsbeurteilung vor Ort durch externe Experten nach vorgegebenen Regeln.<br />
7.3.9<br />
Längerfristig sollte eine Akkreditierung der Institutionen stattfinden.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 162<br />
1.37 Spezielle Empfehlungen zum stationären Versorgungsbereich<br />
7.4.1 Gesetzliche Regelungen<br />
Die Zwangseinweisungsrate in Luxemburg ist im europäischen Vergleich hoch. Die anste-<br />
hende Überarbeitung des Unterbringungsgesetzes sollte sich an den europäischen Stan-<br />
dards orientieren. Insbesondere sollte die Einweisung auf einem (fach-)ärztlichen Urteil ba-<br />
sieren und die Überprüfung der Einweisung gegebenenfalls durch einen Richter erfolgen. Al-<br />
le psychiatrischen Abteilungen müssen in die Lage versetzt werden, zwangseingewiesene<br />
Patientinnen und Patienten aufzunehmen (vgl. u.a. Kap. 3.4 und 4.8).<br />
7.4.2 Ambulante Zwangsmassnahmen<br />
Ein geringer Teil vorwiegend krankheitsuneinsichtiger Patienten ist durch ein besonders ho-<br />
hes Rückfallrisiko gekennzeichnet. Diese Patientengruppe konsumiert bis zu 50% der statio-<br />
nären Kapazitäten. Es ist zu überlegen, ob für diese Patientengruppen unter streng definier-<br />
ten Rahmenbedingungen auch ambulante Zwangsmassnahmen vorzusehen sind, die den<br />
Betroffenen ein menschenwürdiges Leben ausserhalb des Krankenhauses ermöglichen sol-<br />
len.<br />
7.4.3 Personal<br />
Die Psychiatrie hat sich zu einer differenzierten Behandlungsdiziplin entwickelt. Neben der<br />
medizinisch-psychiatrischen Behandlungskompetenz braucht es verschiedenartige Beruf-<br />
gruppen, um das Spektrum erforderlicher Kompetenzen abzudecken. Dies betrifft neben<br />
Psychologen und psychiatrischen Pflegefachpersonen v.a. Ergo-, Arbeits-, Musik- und Phy-<br />
siotherapeuten. Das gegenwärtige in Luxemburg gebräuchliche Personalbemessungssystem<br />
„PRN“ ist v.a. im Hinblick auf die erforderliche Multidisziplinarität den Anforderungen nicht<br />
hinreichend angepasst. Es ist dringend zu empfehlen, dieses Personalbemessungssystem<br />
mit der in Deutschland gebräuchlichen Psych-PV oder der Kanadischen Version des PRN<br />
auf seine Funktionalität für die Personalaustattung in der Psychiatrie zu vergleichen (vgl.<br />
3.4.1.2 und Kap. 6).<br />
7.4.4 Fort- und Weiterbildung<br />
Der Fort- und Weiterbildungsbedarf in der Psychiatrie ist enorm hoch. Dies hat v.a. mit der<br />
dynamischen Entwicklung dieses Fachs zu tun. Die gesetzlichen Voraussetzungen für Fort-<br />
und Weiterbildung sind gegeben. Diese Gegebenheiten sollten mehr als gegenwärtig genutzt<br />
werden.<br />
Als beziehungsorientiertes Fach braucht es darüber hinaus auch kontinuierliche Supervisi-<br />
onsangebote für die Mitarbeiter. Den Verantwortlichen ist anzuraten, die entsprechenden fi-<br />
nanziellen Mittel hierfür einzuplanen (vgl. Kap. 5).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 163<br />
7.4.5 Ausländische Mitarbeiter<br />
Das psychiatrische Berufsfeld ist gegenwärtig durch eine grosse Zahl ausländischer Arbeit-<br />
nehmer geprägt. Wenn auch in einer Zeit, in der Europa zusammenwächst, die Nationalitä-<br />
tenfrage in den Hintergrund tritt, ist ein Stärkung des luxemburgischen Personals in der Psy-<br />
chiatrie als kommunikativer Disziplin grundsätzlich und langfristig unabdingbar (vgl. Kap. 6).<br />
1.38 Allgemeinkrankenhhäuser mit psychiatrische Abteilungen<br />
1.38.1 Allgemeinpsychiatrie<br />
7.5.1.1<br />
Die Krankenhaushäufigkeit, d.h. die Zahl der pro 1 000 Einwohner stationär behandelter Pa-<br />
tienten, ist hoch und die Verweildauer in stationärer Behandlung kurz. Dies hat vermutlich mit<br />
dem Belegarztsystem zu tun, das eine hohe Durchlässigkeit zwischen ambulanter und stati-<br />
onärer Behandlung ermöglicht. Da die Verweilzeiten in stationärer Behandlung mit durch-<br />
schnittlich 15 Tagen nicht wesentlich zu verkürzen sind, zeichnet sich ab, dass nach Schlies-<br />
sung der Akutbetten im CHNP die Zahl der in den Abteilungen vorgehaltenen Akutbetten –<br />
auch im europäischen Vergleich – knapp bemessen sind. In diesem Zusammenhang ist auch<br />
zu erwähnen, dass die <strong>Planungsstudie</strong> 1992 eine Abteilungsgrösse von 55 Betten vorgese-<br />
hen hatte anstelle der jetzt vorgehaltenen circa 45 Betten pro Abteilung (die Reduktion erfolg-<br />
te zugunsten des Aufbaus von Tageskliniken) (vgl. Kap. 3.4 und 5.2).<br />
7.5.1.2<br />
Es ist zu prüfen, ob gegebenenfalls eine weitere Abteilung an einem Allgemeinkrankenhaus<br />
zu eröffnen ist. Diese Empfehlung erfolgt vor dem Hintergrund, dass bereits jetzt eine grös-<br />
sere Zahl psychisch Kranker in Allgemeinkrankenhäusern ohne spezialisierte Abteilungen<br />
behandelt wird (vgl. 5.2). Den Krankenkassen sei dann im Hinblick angeraten, entsprechen-<br />
de leistungsrechtliche Massnahmen zu ergreifen, um nur noch Behandlungen in spezialisier-<br />
ten Abteilungen mit qualifiziertem Perssonal finanziell abzugelten.<br />
7.5.1.3<br />
Auslandbehandlungen sollten zukünftig so weit wie möglich verhindert werden, da das<br />
Grossherzogtum infrastrukturell und ökonomisch in der Lage ist, zukünftig eine qualitativ gute<br />
stationäre Vollversorgung im Lande selbst anzubieten (vgl. Kap. 4.4).<br />
7.5.1.4<br />
Die stationäre Vollversorgung aller Bürger als Teil der allgemeinen Gesundheitsversorgung<br />
bietet auch die Möglichkeit die Stigmatisierung psychisch Kranker weiter abzubauen (vgl.<br />
Kap. 3.2).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 164<br />
7.5.1.5<br />
Den Abteilungen ist ein definiertes Versorgungsgebiet verantwortlich zuzuweisen, das sie<br />
verpflichtet, alle stationär behandlungsbedürftigen Patienten dieses Gebietes zu behandeln.<br />
Den Patienten bleibt hingegen die freie Krankenhauswahl erhalten, sofern entsprechende<br />
Bettenkapazitäten in anderen Krankenhäusern bestehen.<br />
7.5.1.6<br />
Die Abteilungen sind gefordert, eine Vollversorgung im Bereich der Akutversorgung (mit<br />
Ausnahme extrem selbst- oder fremdgefährlicher Patienten) zu betreiben. Insbesondere ist<br />
nicht anzuraten, Patienten nur kurz anzubehandeln, um sie dann in den (neu zu schaffen-<br />
den) Rehabilitationsbereich des CHNP zu verlegen. Einzelne Behandlungsepisoden sind un-<br />
ter dem Aspekt der Kontinuität der Versorgung, die auch personale Kontinuität beinhaltet, an<br />
einer Behandlungsinstitution abzuschliessen.<br />
7.5.1.7<br />
Zwei psychiatrische Abteilungen sind inzwischen mit Tageskliniken ausgestattet, die vorwie-<br />
gend in der Nachsorge rehabilitativ tätig sind. Dies gilt nicht für die Tagesklinik am CHL. Die<br />
Tagesklinik am CHL führt vorwiegend ambulante Spezialbehandlungen ausgewählter Patien-<br />
tengruppen durch (vgl. u.a. Kap. 5.3). Für das CHL ist deshalb die Schaffung einer neuen<br />
Tagesklinik erforderlich, die die entsprechenden Nachsorgefunktionen orientiert an den ta-<br />
gesklinischen Standards übernimmt. Die vierte Tagesklinik steht vor der Eröffnung.<br />
7.5.1.8<br />
Um dem zu erwartenden Aufnahmedruck weiter zu reduzieren, sind akuttagesklinische An-<br />
gebote im Rahmen der bestehenden Strukturen zu schaffen. Nach neueren Untersuchungen<br />
ist es möglich, 20-30% der gegenwärtig stationär behandelten Patienten tagesklinisch zu be-<br />
handeln.<br />
7.5.1.9<br />
Die Spezialisierung in der Psychiatrie ist soweit fortgeschritten, dass zukünftig nicht alle Ab-<br />
teilungen alle Therapien werden anbieten können. Ohne dass ein Auftrag explizit formuliert<br />
worden wäre, hat sich in einigen Abteilungen bereits eine gewisse Spezialisierung entwickelt<br />
(vgl. u.a. Kap. 5.2 und 6.4):<br />
• Im Centre Hospitalier Emil Mayrisch hat sich so bereits ein Schwerpunkt für die Akut-<br />
behandlung im Bereich der Alkoholabhängigkeit entwickelt.<br />
• Im CHL ist die Behandlung von Frauen mit postpartalen Erkrankungen in Gang ge-<br />
kommen. Diese Entwicklung ist weiter zu fördern.<br />
• Das Hôpital Kirchberg Erwähnung hat sich zu einem Zentrum für Jugendpsychiatrie<br />
(s.u.) entwickelt.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 165<br />
Auch für die anderen Abteilungungen ist eine gewisse Spezialisierung zu empfehlen:<br />
• Beispielsweise sollte eine Abteilung (z.B. die Clinique St. Louis) ein nationales Kom-<br />
7.5.1.10<br />
petenzzentrum zur Durchführung von Elektrokrampftherapien entwickeln. Hierzu be-<br />
darf es einer engen Kooperation mit einer anästhesiologischen Abteilung.<br />
Die Grundversorgung hat Vorrang vor der spezialisierten Versorgung.<br />
1.38.2 Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
Gesondert kommentiert werden soll die jugendpsychiatrische Abteilung am Hôpital Kirch-<br />
berg, die angesichts der Grössenordnung kinder- und jugendpsychiatrischer Problems Aus-<br />
serordentliches leistet. Dies bezieht sich vorwiegend auf die im Vergleich mit anderen kinder-<br />
und jugendpsychiatrischen Abteilungen kurzen Verweildauern in stationärer Behandlung, die<br />
eher den Charakter von Kriseninterventionen haben (vgl. u.a. Kap. 5.6.1).<br />
7.5.2.1<br />
Die jugendpsychiatrische Abteilung leidet unter unzulänglichen Nachsorgestrukturen insbe-<br />
sondere im Heimbereich für schwer psychisch erkrankte Jugendliche, insbesondere mit Ver-<br />
haltensauffälligkeiten. Hier ist dringend Abhilfe zu schaffen, weil diese Art stationärer Krisen-<br />
hilfen nur funktionieren kann in einem dichten Netz mitbetreuender Institutionen.<br />
7.5.2.2<br />
An die jugendpsychiatrische Abteilung in Hôpital Kirchberg ist eine Tagesklinik für 2006 ge-<br />
plant.<br />
7.5.2.3<br />
Die an die pediatrische Abteilung des CHL angebundene Tagesklinik für psychisch kranke<br />
Kinder, ist mit 6 Plätzen noch ungenügend ausgestattet. Der weitere Ausbau ist geplant.<br />
1.39 Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique (CHNP)<br />
1.39.1 Umstrukturierung des CHNP<br />
Das einstmals institutionell dominierende psychiatrische Versorgungsangebot Luxemburgs,<br />
das CHNP, hat in den vergangenen Jahren eine schwierige Entwicklung durchgemacht. Ob-<br />
wohl die Ausrichtung des CHNP auf Rehabilitationspsychiatrie seit Jahren vorgegeben war,<br />
verblieben dem CHNP fortdauernd akutpsychiatrische Aufgaben, v.a. auch im Bereich der
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 166<br />
Zwangseinweisungen. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Restrukturierungsvorschläge<br />
für die geplante Rehabilitationspsychiatrie sich nicht dem in einem Umwälzungsprozess be-<br />
findlichen Fach als angepasst erwiesen haben. Insbesondere findet der Grundsatz des Vor-<br />
rangs der ambulanten vor der stationären Rehabilitation heutzutage deutlich mehr Beachtung<br />
als dies noch vor einem Jahrzehnt gegolten hat. In der Konsequenz bedeutet dies, dass heu-<br />
te deutlich weniger Betten als die gegenwärtig dafür eingeplanten 240 benötigt werden (vgl.<br />
u.a. Kap. 6).<br />
Das CHNP soll zukünftig in fünf nationale Fachzentren gegliedert werden, die je aus einem<br />
stationären Kern, einem tagesklinischen und einem ambulanten Angebot bestehen. Nachfol-<br />
gend werden nur die Rahmenbedingungen umrissen, wobei die Details in Arbeitsgruppen<br />
genauer festzulegen sind.<br />
1. Zentrum Früherkennung, Prävention, Frührehabilitation<br />
Während die Psychiatrie über lange Jahre sich auf die Versorgung chronisch psychisch<br />
Kranker konzentriert hat, gewinnen heute Früherkennung, Prävention und Frührehabilitation<br />
wesentlich mehr Beachtung. Dies entspricht auch dem Europäischen Aktionsplan für psychi-<br />
sche Gesundheit <strong>2005</strong> – 2010.<br />
• Das Zentrum soll im Rahmen der Prävention langfristige Aufklärungs- und Interventi-<br />
onsprogramme entwickeln z.B. im Hinblick auf psychische Gesundheitsprobleme in<br />
der Ausbildung und am Arbeitsplatz oder am Übergang von und in verschiedene Risi-<br />
ko behaftete Lebensphasen.<br />
• Im Hinblick auf Suizidprävention soll hier beispielhaft das so genannte „Nürnberger<br />
Bündnis“ genannt werden, das sich unter Einbezug verschiedener gesellschaftlicher<br />
Kräfte und Institutionen die Verringerung der Suizidhäufigkeit zum Ziel gesetzt hat. Im<br />
ärztlichen Bereich ist hier insbesondere auf eine enge Vernetzung der „Spezialisten“<br />
mit den Grundversorgern, also den Hausärzten zu achten. Dieses Programm wird<br />
gegenwärtig in verschiedenen Europäischen Ländern implementiert.<br />
• Psychisch Kranke, insbesondere Schizophreniekranke, sind im besonderen Mass<br />
von Ausgrenzung und Diskriminierung bedroht. Weltweit haben sich unter dem Patro-<br />
nat der Weltvereinigung der Psychiater Fachleute und Betroffene zusammenge-<br />
schlossen, um mit entsprechenden Projekten (z.B. Aufklärung in Schulen oder ver-<br />
besserung der Zusammenarbeit von Psychiatrie und Polizei) dieser Stigmatisierung<br />
entgegen zu wirken. Das Zentrum sollte ebenfalls in diesen Bereichen tätig werden.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 167<br />
• Im Hinblick auf Früherkennung und Frührehabilitation fokussiert das Zentrum auf die<br />
Identifikation von für bestimmte psychische Probleme anfällige Risikogruppen. Eine<br />
der viel versprechendsten Entwicklungen in diesem Bereich ist die Frühidentifikation<br />
Schizophreniekranker, bei denen zwischen drei und fünf Jahre zwischen Erkran-<br />
kungs- und Behandlungsbeginn liegen. Für diesen Bereich bedarf es hoch speziali-<br />
sierter Kenntnisse für die Diagnosestellung und Behandlung. Diagnostik und Behand-<br />
lung finden überwiegend ambulant statt. Ein solches Netz von Diensten wird gegen-<br />
wärtig in England flächendeckend aufgebaut.<br />
• Für einen Teil der Betroffenen sind jedoch intensive stationäre Massnahmen zur<br />
Frührehabilitation erforderlich in einem besonders ruhigen und akzeptierenden Klima<br />
(1 Rehabilitationsstation).<br />
• Darüber hinaus benötigen die betroffenen Personen oft jahrelange sorgfältige ambu-<br />
lante Begleitung bei der beruflichen und sozialen Wiedereingliederung.<br />
2. Zentrum für Sozial- und Gemeindepsychiatrie<br />
Für Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen bedarf es über die medizinisch-<br />
psychiatrische Behandlung hinaus Hilfen im Wohn-, Arbeits- und Freizeitbereich, die detail-<br />
liert im Abschnitt „ausserstationäre Strukturen“ behandelt werden. Das Zentrum für Sozial-<br />
und Gemeindepsychiatrie soll zu diesen „üblichen“ ausserstationären Strukturen ergänzende<br />
Angebote in verschiedenen neu zu errichtenden Diensten machen:<br />
(1) Das betrifft zum einen die Gruppe der besonders schwer psychisch Kranken, die auf 24-<br />
stündige Betreuung und Behandlung angewiesen sind. Eine beträchtliche Zahl dieser Patien-<br />
ten ist bis heute im CHNP fehlplaziert. Nach Schätzungen von Mitarbeitern betrifft dies bis zu<br />
50% der gegenwärtig im CHNP befindlichen Patienten (vgl. u.a. Kap. 5.2.4 und Kap. 6).<br />
• Für diese Patienten sind entsprechende Rehabilitationsstationen vorzusehen. Ziel der<br />
mittelfristigen stationären Rehabilitationsbehandlung ist die weitest mögliche Selbst-<br />
ständigkeit der Betroffenen.<br />
• Nach Abschluss der stationären Rehabilitationsbehandlung benötigen aber viele der<br />
Betroffenen weiterhin eine 24-stündige Betreuung. Diese Betreuung kann in dezentra-<br />
lisierten Foyers medicalisés sicher gestellt werden, die deshalb dringend und vorran-<br />
gig unter der Verantwortung des Zentrums für Sozial- und Gemeindepsychiatrie auf-<br />
zubauen sind.<br />
(2) Die andere zu betreuende Patientengruppe betrifft die psychisch Kranken, die zu einem<br />
selbstständigen Leben bei entsprechender ambulanter Unterstützung in der Lage sind. Ein<br />
solches ambulantes Angebot macht der SPAD (Soins Psychiatriques à Domicile). Betreutes
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 168<br />
Einzelwohnen hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen und bei den Betroffe-<br />
nen ausserordentlich beliebten Betreuungsinstrument entwickelt, dass den Betreuten ein<br />
grösstmögliches Mass an Autonomie erlaubt. Dieser Dienst ist deshalb nachhaltig auszu-<br />
bauen.<br />
(3) Über die therapeutischen Werkstätten hinaus (s.u.) bedarf es im beruflichen Bereich sol-<br />
cher Dienste, die die Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt fördern. International sind diese<br />
Angebote unter dem Begriff „Supported Employment“ bekannt geworden. Das vorrangige<br />
Ziel dieses neu aufzubauenden Dienstes als Teil des Zentrums für Sozial- und Gemeinde-<br />
psychiatrie ist die Integration in den Arbeitsmarkt ohne vorgängige Trainingsmassnahmen.<br />
Die betroffenen Personen werden direkt am Arbeitsplatz betreut und geschult. Aber auch die<br />
Arbeitgeber erhalten entsprechende Hilfe und Unterstützung. Darüber hinaus sollte die auf<br />
berufliche Integration gerichteten Dienste des Zentrums für Sozial- und Gemeindepsychiatrie<br />
eine enge Kooperation mit den Werkstätten für psychisch Behinderte suchen, um sie in ihren<br />
Bemühungen um Vermittlung ihrer Klienten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstüt-<br />
zen. Gesetzliche Anreize für die Arbeitgeber erleichtern den Integrationsprozess deutlich.<br />
(4) Zuletzt fällt einem ebenfalls neu aufzubauenden Dienst des Zentrums für Sozial- und<br />
Gemeindepsychiatrie die Aufgabe zu, für die integrationsschwachen ausländischen Mitbür-<br />
ger spezifische Angebote zu entwickeln. Da diese Gruppe von einer beträchtlichen Grösse<br />
ist (siehe Kap. 4) wird das Zentrum einen Gutteil der Aktivitäten in das Case Management,<br />
also in der Koordination der vorhandenen Angebote, legen. Art und Umfang dieses Problem-<br />
feldes sind noch näher zu bestimmen.<br />
3. Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen<br />
Für die Personen mit Abhängigkeitserkrankungen bestehen zahlreiche Angebote, die teilwei-<br />
se neu auszurichten und zu koordinieren sind (vgl. Kap. 5.2.4):<br />
(1) Die Neuausrichtung der Angebote betrifft v.a. die Schwerpunktsetzung im ambulanten<br />
und teilstationären Bereich.<br />
Die klassische Abfolge der primären Entgiftung im stationären Rahmen und die nachfolgende<br />
stationäre Entwöhnungsphase ist teilweise abgelöst worden durch ambulante oder tageskli-<br />
nische Entgiftung mit nachfolgender Integration in bestehende Lebensbezüge. Insbesondere<br />
im Bereich der illegalen Drogen hat sich anstelle der Abstinenzbehandlung die Substitutions-<br />
behandlung als Alternative etabliert. Vor diesem Hintergrund sind die bestehenden stationä-<br />
ren Angebote des CHNP zu restrukturieren:<br />
• Es sind entsprechende tagesklinische und ambulante Angebote aus den vorhande-<br />
nen Ressourcen zu bilden.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 169<br />
• Dort wo stationäre Entgiftung erforderlich ist, soll dies durch die psychiatrische Abtei-<br />
lung am Centre Hospitalier Emil Mayrisch erfolgen, wo sich bereits ein Schwerpunkt<br />
für die Akutbehandlung v.a. im Bereich der Alkoholabhängigkeit entwickelt hat.<br />
(2) Neben den schweren psychischen Erkrankungen wie die Schizophrenie sind es vorran-<br />
gig Abhängigkeitserkrankte, die stigmatisiert werden. Abhängigkeitserkrankte gelten als wil-<br />
lensschwach, ihre Erkrankung als selbstverschuldet. Viele der Betroffenen suchen deshalb<br />
Hilfe in der somatischen Medizin und nicht in den entsprechend spezialisierten Einrichtun-<br />
gen. Hierauf müssen sich die Spezialeinrichtungen einrichten.<br />
• Insbesondere muss der Kontakt und die Zusammenarbeit mit den Ärzten für Allge-<br />
meinmedizin und den praktischen Ärzten hergestellt werden.<br />
• Entsprechende ambulante Beratungsangebote sind an der Schnittstelle zur somati-<br />
schen Medizin sind aufzubauen.<br />
• Integration in Beruf und Gesellschaft sind auch für Abhängigkeitserkrankte vorrangige<br />
rehabilitative Ziele. Halbjährliche und längere Entwöhnungsbehandlungen ausserhalb<br />
des gewohnten Lebensfeldes sind nicht mehr zeitgemäss.<br />
4. Zentrum für Alterspsychiatrie<br />
Die Alterspsychiatrie hat sich vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung in den<br />
letzten Jahren zu einem der wichtigsten Teilgebiete der Psychiatrie entwickelt.<br />
(1) Diagnostik und Behandlung sind erheblich weiterentwickelt worden. Das heisst, dass<br />
sich die Alterspsychiatrie von einer pflegenden zu einer therapeutischen Disziplin weiterent-<br />
wickelt hat. An diese Entwicklung sind die institutionellen Strukturen anzupassen.<br />
(2) Ambulante Angebote ergänzt durch (teil-)stationäre Angebote zur Diagnostik und Be-<br />
handlungseinleitung sind zu schaffen, insbesondere nach Zuweisung durch niedergelassene<br />
Ärzte.<br />
5. Zentrum für Forensik<br />
Psychisch kranke Straftäter sind eine häufig vernachlässigte Gruppe im Rahmen psychiatri-<br />
scher Versorgungsreformen (vgl. u.a. Kap. 5.2.3 und Kap. 6.2.)<br />
Das CHNP verfügt bereits über einen forensischen Dienst, der ein Grundversorgungsange-<br />
bot für die Justiz machen kann (vgl. Kap. 5.6.2). Dieser Dienst ist weiter auszubauen. Insbe-<br />
sondere ist diesem Dienst eine Hochsicherheitsstation zur 24-stündigen Vollbetreuung an-<br />
zugliedern, die die Behandlung extrem gefährlicher psychisch Kranker, die die Versogungs-<br />
möglichkeiten der psychiatrischen Abteilungen im Allgemeinkrankenhaus oder der Gefäng-<br />
nisse übersteigen, erlaubt. Hierfür ist eine gesonderte Personalbemessung erforderlich.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 170<br />
1.39.2 Allgemeine Empfehlungen für das CHNP<br />
7.6.2.1<br />
Die unsichere Zukunft hat bei vielen Beteiligten im CHNP zu Verunsicherung und Resignati-<br />
on geführt (vgl. u.a. 6.3.2.1). Eine der wesentlichsten Aufgaben im Zusammenhang mit der<br />
Neuausrichtung des CHNP wird es sein, die Mitarbeiter für die zukünftigen Aufgaben zu mo-<br />
tivieren, um das grosse Potential an Humanressourcen zu nutzen. Es ist zu erwägen, ob in<br />
den Restrukturierungsprozess ein externer Berater eingebunden werden soll.<br />
7.6.2.2<br />
Darüber hinaus werden spezifische Weiter- und Fortbildungsmassnahmen für die Mitarbeiter<br />
des CHNP erforderlich, um sie auf ihre zukünftigen Aufgaben optimal vorzubereiten. Die ent-<br />
sprechenden finanziellen Mittel sind hierfür bereit zu stellen.<br />
7.6.2.3<br />
Da für viele der neu zu errichtenden Angebote kein entsprechendes Know-how in Luxemburg<br />
selbst vorhanden ist, müssen vorübergehend entsprechende Experten für Schulungszwecke<br />
verpflichtet werden.<br />
7.6.2.4<br />
Die Infrastrukturen des CHNP sind auf die zukünftigen Aufgaben auszurichten. Insbesondere<br />
wird das so genannte „Building“ diesen Aufgaben nicht mehr gerecht. Es ist auch zum Sinn-<br />
bild für die Vernachlässigung der Psychiatrie im Gesundheitswesen geworden. Der Abriss<br />
dieses Gebäudes ist zu empfehlen. Stattdessen sollten den zukünftigen dezentralen Aufga-<br />
ben besser angepasste Gebäude errichtet werden (vgl. u.a. Kap. 5.2.3.1, 5.2.6 und Kap. 6).<br />
1.40 Spezielle Empfehlungen zum ambulanten Versorgungsbereich<br />
7.7.1 Ambulante Versorgung durch Neuropsychiater<br />
Neuropsychiater erfüllen in der ambulanten Versorgung wesentliche Behandlungsaufgaben,<br />
wobei die Struktur der Praxen niedergelassener Neuropsychiater die Betreuung chronisch<br />
Kranker mit mutiplen, die psychiatrische Behandlung übersteigenden Bedürfnissen, nur be-<br />
schränkt erlaubt.<br />
Die grosse Zahl leichterer psychischer Störungen in der Allgemeinbevölkerung erlaubt nicht<br />
die Behandlung dieser Personen ausschliesslich in spezialisierten Einrichtungen. Erste An-<br />
laufstelle sind in aller Regel die Hausärzte. Niedergelassene Neuropsychiater sind gefordert,<br />
die Hausärzte in Diagnostik und Behandlung in erster Linie zu beraten und erst in zweiter Li-<br />
nie diese Behandlungen selbst durchzuführen.
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 171<br />
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Praxen der Neuropsychiater regional sehr ungleich,<br />
mit einer Konzentration auf städtische Gebiete, verteilt sind. Es sollten Anreize gesetzt wer-<br />
den, die Niederlassung von Neuropsychiater im ländlichen Raum, insbesondere im nördli-<br />
chen Landesteil zu fördern (vgl. u.a. Kap. 5.4.3/5.4.4, 5.8).<br />
7.7.2 Sozialpsychiatrische Zentren<br />
Die Gruppe chronisch psychisch Kranker wird gegenwärtig in sozialpsychiatrischen Zentren<br />
behandelt, die neben der ambulanten Betreuung zumeist auch entsprechend betreute<br />
Wohnmöglichkeiten und Angebote zur Tagestrukturierung vorhalten. Diese sozialpsychiatri-<br />
schen Zentren sind personell mangelhaft ausgestattet. Es bedarf ausserordentlicher An-<br />
strengungen, die über die Regelzuteilung von Personal, wie sie gegenwärtig erfolgt, hinaus-<br />
geht. Es ist zu empfehlen, dass mittels eines Kabinettsbeschlusses in einem ersten Schritt<br />
eine signifikante Zahl neuer Stellen ausserhalb der regulären Stellenzuteilung geschaffen<br />
wird. Der weitere Ausbau ist dem Bedarf kontinuierlich anzupassen (vgl. Kap. 5.4.2/5.4.4;<br />
Kap. 5.8 und Kap. 6).<br />
Ein entsprechendes Zentrum für die sozialpsychiatrische Versorgung des nördlichen Landes-<br />
teils fehlt. Nach Bedarfsprüfung ist ein solches sozialpsychiatrisches Zentrum dort vorrangig<br />
aufzubauen.<br />
Die sozialpsychiatrischen Zentren sind gefordert, sich insbesondere mit dem nationalen<br />
Fachzentrum für Sozial- und Gemeindepsychiatrie des CHNP abzustimmen.<br />
7.7.3 Psychiatrisches Behandlungszentrum für spezielle Patientengruppen<br />
Schizophreniekranke machen den überwiegenden Teil der schwerst und chronisch Kranken<br />
aus. Häufig vergessen werden in diesem Zusammenhang andere Patientengruppen, wie z.B.<br />
Zwangs- und Angstkranke, Patienten mit Borderlinestörungen oder auch Patienten mit Ess-<br />
störungen, die beträchtliche Behinderungen entwickeln können (vgl. u.a. Kap. 6.2 und 6.4).<br />
Ein Behandlungszentrum für diese Patienten mit einem differenzierten Behandlungsangebot<br />
existiert bereits am CHL (unter der Bezeichnung „Tagesklinik“). Dieses Zentrum ist personell<br />
weiter zu stärken, um zukünftig als nationales Fachzentrum zur Behandlung spezieller Pati-<br />
entengruppen wirken zu können. Die Bezeichnung dieses Zentrums sollte entsprechend sei-<br />
nen Aufgaben erfolgen.<br />
1.41 Ausserstationäre Strukturen<br />
7.8.1<br />
Der durch das CHNP eingeleitete Prozess der Enthospitalisierung war und ist auch durch ei-<br />
nen beträchtlichen Mangel an ausserstationäre Strukturen im Wohn-, Arbeits- und Freizeit-
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 172<br />
/Tagestrukturierungsbereich gekennzeichnet. Die Enthospitalisierung hat für einige der be-<br />
troffenen psychisch Kranken (z.B. die in Familienpensionen leben) eine deutliche Ver-<br />
schlechterung ihrer Lebenssituation mit sich gebracht (vgl. Kap. 6).<br />
Familienpensionen sind keine Alternative zu betreuten Wohnformen. Der betreute Wohnbe-<br />
reich für psychisch Kranke ist mit grossem Vorrang auszubauen. Wenn auch in den vergan-<br />
genen 10 Jahren ein wesentlicher Ausbau bereits in die Wege geleitet wurde, fehlt nach wie<br />
vor ein beträchtlicher Teil der erforderlichen Plätze des betreuten Wohnens. Eine Verdreifa-<br />
chung der betreuten Wohnplätze ist anzustreben. Die Zielgrösse liegt bei circa 350 Wohn-<br />
heimplätzen. Dabei ist darauf zu achten, dass eine entsprechende Differenzierung des An-<br />
gebots vom betreuten Einzelwohnen bis zum 24-stündig betreuten Wohnen vorhanden ist<br />
(vgl. u.a. Kap. 3.2., 5.5.3, 5.8 und Kap. 6)<br />
7.8.2<br />
Im beruflichen Rehabilitationsbereich stellen die Werkstätten fast das ausschliessliche Ange-<br />
bot dar. Der Standard der Werkstätten ist sehr gut. Gleichwohl gibt es wenig Fluktuation bei<br />
den dort Beschäftigten mit der Folge eines chronischen Mangels an Werkstattplätzen. Die<br />
Werkstätten sollten zukünftig ihre Aufmerksamkeit deutlich mehr auf die Vermittlung der von<br />
ihnen betreuten Personen in den allgemeinen Arbeitsmarkt richten (vgl. Kap. 5.5.3 und 5.8).<br />
7.8.2.1<br />
Die berufliche Integration ist für viele der Betroffenen ein zentrales Element. Neuere berufli-<br />
che Rehabilitationsangebote (wie das oben beschriebene „Supported Employement) sind<br />
deshalb nachdrücklich zu fördern.<br />
7.8.3<br />
Auch im Bereich des Personals ausserstationärer Einrichtungen besteht ein erheblicher<br />
Mangel an Fort- und Weiterbildung sowie an Supervision. Auch hier sind die entsprechenden<br />
finanziellen Mittel bereit zu stellen bzw. die vorhandenen Möglichkeiten vermehrt als bisher<br />
zu nutzen (Kap. 5.4.2.3, 5.5.1.2, 5.5.2.2 und Kap. 6).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 173<br />
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Sonstiges Quellenverzeichnis<br />
• Amtsblatt des Grossherzogtums Luxemburg. Recueil de Législation. A-N°82 vom 24.<br />
September 1998. Loi du 8 septembre 1998 réglant les relations entre l’Etat et les or-<br />
ganismes oeuvrant dans les domaines sociaux, familial et thérapeutiques. Luxem-<br />
burg.<br />
• Amtsblatt des Grossherzogtums Luxemburg. Recueil de Législation. A-N°106 vom 18.<br />
Dezember 1998. Règlement grand-ducal du 10 décembre 1998 conce4rnant<br />
l’agrément à accorder aux gestionnaires de services dans les domaines médico-<br />
social et thérapeutique. Luxemburg.<br />
• Amtsblatt des Grossherzogtums Luxemburg. Recueil de Législation. A-N°85 vom 30.<br />
Juni 1999. Sommaire. Luxemburg.<br />
• Amtsblatt des Grossherzogtums Luxemburg. Recueil de Législation. A-N°82 vom 24.<br />
September 1998. Loi du 8 septembre 1998 réglant les relations entre l’Etat et les or-<br />
ganismes oeuvrant dans les domaines sociaux, familial et thérapeutiques. Luxem-<br />
burg.<br />
Verschiedene Dokumentationsmaterialien des Gesundheitsministeriums Luxemburg<br />
• Anlagen zur Korrespondenz vom 3.12.2004:<br />
- Formaler Auftrag und Budget<br />
- Telefon-Verzeichnis der im Grossherzogtum niedergelassenen Psychiater<br />
- Verzeichnis der Krankenhäuser und Spezialkliniken<br />
- Verzeichnis der anderen Institutionen im direkten Bereich der Psychiatrie<br />
• Briefe Dr. Weicherding (u.a. Fax des 14.4.05; Antworten auf das Schreiben vom<br />
17.12.04)<br />
• Fax des 17.1.<strong>2005</strong>: Liste der in Luxemburg tätigen Psychiater.<br />
• Carte Sanitaire des Jahres 2000.<br />
(http://www.ms.etat.lu/MINSANT/indexes/Archive.htm)<br />
• 22.10.04: Bericht der Arbeitsgruppe „Nationales Konzept in Sachen Psychiatrie“ / Ro-<br />
ger Consbruck<br />
• 26.08.04: Bericht über den „Stand der Psychiatriereform und Perspektiven in Sache<br />
psychiatrische Nachbetreuung“ / Dr. Weicherding.<br />
• 24.06.04: Rapport und Dokumentation der „Grunddebatte zur Organisation der Psy-<br />
chiatrie in Luxemburg und Ansichten zur Errichtung von Tageskliniken“ / Commission<br />
permanente pour le Secteur hospitalier (CPH).
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 178<br />
• 15.03.04 Bericht: Zusammenfassung der Umsetzung der Psychiatriereform in Lu-<br />
xemburg: Treffen der Kommission „<strong>Santé</strong>“ der Abgeordnetenkammer / Dr. Consbruck<br />
& Dr. Weicherding<br />
• 15.04.00: Bericht an den Minister der Arbeitsgruppe „Strategie und Umsetzung der<br />
Psychiatriereform in Luxemburg“ con C. Damang, J.Mossong (CRESIS, CHP-<strong>Santé</strong>)<br />
• 27.04. 01: Studie über aktuellen Stand der Psychiatriereform 2000: Dr. C. Daman &<br />
J. Mossong (CRP-<strong>Santé</strong> (CRESIS) (= Centre de Ressources en Epidémiologie et<br />
Systèmes d’Informations Sanitaires) (Resources and Helathcare Information Sys-<br />
tems)<br />
• 2000: Auftrag des Gesundheitsministeriums an eine Arbeitsgruppe ad hoc zur Wiede-<br />
raufnahme des „verlorenen Fadens“ in der Psychiatriereform in Luxemburg.<br />
• 1994: „Commission ministérielle chargée de L’élaboration d’un programme plurian-<br />
nuel de concrétisation des réformes envisagées dans le secteurs de la Psychiatrie“,<br />
M. Reimen und A. Wagner<br />
Sonstige Dokumentationsmaterialien:<br />
• Neuberg, P. (2004). Les Services de la Réhabilitation Alcoologique du CHNP. Situa-<br />
tion actuelle et projets d’avenir englobant également le site de NIEDERCORN.<br />
• Jahresbericht des Reseau Psy, 2003<br />
• Jahreszeitung „Villa Express“ der Villa Reebou<br />
• Buch über Hôpital St. Louis, 2003<br />
• Konzept des Centre Thérapeutique pour Toxicomanes „Syrdall Schlass Manternach“<br />
• Dokumentationsmaterialien zur Tagesklinik „Villa Stoffel“ des Hôpital St. Louis, <strong>2005</strong><br />
• Dokumentationsmaterialien zur Tagesklinik im Centre Hospitalier Luxemburg, 2000<br />
• Statistiques Patients Présents au 31.12. 2004 des CHNP<br />
• Statistiques CHNP (Oktober, 2004). Distribution Régionale (Suivant l’Autorité Pla-<br />
çante) des Observations et Placements par Classe d’Age et Sexe.<br />
• Dokumentationsmaterialien der Krankenkassen (Herr Juchem). Système PRN. For-<br />
mule de mesure du niveau des soins infirmiers requis.<br />
• Dokumentationsmaterialien zur Struktur des CHNP<br />
• Briefliche Stellungnahme des „Conseil Médical“ vom 15. März <strong>2005</strong>
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 179<br />
Internetangaben:<br />
www.psychiatrienetz.de<br />
www.who.dk („Mental Health in Europe“ )<br />
www.obsan.ch<br />
www.gesundheitspolitik.ch<br />
www.euro.who.int/observatory<br />
http://www.statec.public.lu<br />
http://www.grossregion.lu<br />
http://www.resolux.lu<br />
http://legilux.public.lu/leg/a/achives/2001/0492704/20001A10341.html<br />
http://caritas.lu
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 180<br />
ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />
Abbildung 1: Abhängigkeit der Inanspruchnahme von der Reisezeit (Quelle: Rössler, 1998,<br />
S. 65) ...................................................................................................................................26<br />
Abbildung 2: Politische und verwaltungstechnische Gliederung Luxemburgs .......................48<br />
Abbildung 3: Veränderung der Wohnbevölkerung seit 1960 .................................................49<br />
Abbildung 4: Bevölkerungswachstum in ausgewählten Ländern (1970 = 100.0) (Quelle:<br />
Statec, 2004, S. 65)..............................................................................................................49<br />
Abbildung 5: Verteilung der luxemburgischen Wohnbevölkerung nach Altersgruppen und<br />
Geschlecht 1.1.2004 (Quelle: STATEC, Luxemburg in Zahlen, 2004) ..................................50<br />
Abbildung 6: Durchschnittlicher Wanderungssaldo 1990–2000 (Quelle: Statec, 2004) .........53<br />
Abbildung 7: Bevölkerungsprojektion (Quelle: Statistisches Jahresbuch Grossregion, 2004,<br />
S. 26) ...................................................................................................................................53<br />
Abbildung 8: Hypothesen über die Wanderungssalden in den nächsten 10 bis 50 Jahren<br />
(Quelle: Statec, 2004)...........................................................................................................54<br />
Abbildung 9: Bevölkerungsprojektion: 60 Jahre und älter (Quelle: Statistisches Jahrbuch<br />
Grossregion, 2004)...............................................................................................................55<br />
Abbildung 10: Ausgaben für die soziale Sicherung in den 15 EU Ländern (1999) ................57<br />
Abbildung 11: Karte der psychiatrischen Versorgungslandschaft .......................................140<br />
TABELLENVERZEICHNIS<br />
Tabelle 1: Übersicht über die versandten Fragebögen .........................................................18<br />
Tabelle 2: Fragebogen Rücklaufquoten ................................................................................19<br />
Tabelle 3: Übersicht über Spannweite der Raten psychischer Störungen in internationalen<br />
epidemiologischen Studien...................................................................................................25<br />
Tabelle 4: Anzahl psychiatrischer Betten pro 1 000 Einwohner ............................................37<br />
Tabelle 5: Anzahl betreute Wohnplätze ................................................................................39<br />
Tabelle 6: Zwangseinweisungen ..........................................................................................39<br />
Tabelle 7: Gegenüberstellung der psychiatrischen Einrichtungen in Italien...........................42<br />
Tabelle 8: Behandlungsbereiche und -gruppen nach Psych-PV ...........................................44<br />
Tabelle 9: Personalanpassung an Psych-PV........................................................................46<br />
Tabelle 10: Angaben zu Kliniken ohne psychiatrische Abteilungen in Luxemburg ................69<br />
Tabelle 11: Angaben zu Kliniken in Luxemburg im Jahre 2004.............................................74
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 181<br />
Tabelle 12: Angebotsspektrum der Kliniken..........................................................................76<br />
Tabelle 13: Personal im Jahre 2004 (ohne Tagesklinik, Kinder- und Jugendpsychiatrie)......77<br />
Tabelle 14: Störungsbilder gemäss ICD-10 ..........................................................................79<br />
Tabelle 15: Zusammenarbeit der Kliniken mit zuweisenden Institutionen .............................81<br />
Tabelle 16: Zusammenarbeit der Kliniken mit Nachsorgestrukturen und weiterbehandelnden<br />
Institutionen..........................................................................................................................82<br />
Tabelle 17: Angaben zu Patienten im CHNP (Ende 2003)....................................................84<br />
Tabelle 18: Altersverteilung der Patienten im CHNP (Ende 2003) ........................................85<br />
Tabelle 19: Durchschnittliche Aufenthaltsdauer (Stichtag 31.12.2004) .................................86<br />
Tabelle 20: Aufschlüsselung des Personals nach Anstellungsgrad (Tageskliniken)..............95<br />
Tabelle 21: Angebote der Tagesklinik...................................................................................96<br />
Tabelle 22: Störungsbilder, Anzahl Patienten, Aufenthaltsdauer der Tagesklinik..................97<br />
Tabelle 23: Übersicht über die sozialpsychiatrischen Einrichtungen ...................................100<br />
Tabelle 24: Angebote im Bereich der Sozialpsychiatrie ......................................................102<br />
Tabelle 25: Angaben zum Personal (Anstellungsgrad) .......................................................103<br />
Tabelle 26: Angaben zu Anzahl Patienten, Nationalität, Alter .............................................104<br />
Tabelle 27: Angaben zu den Klienten .................................................................................105<br />
Tabelle 28: Angebote im Bereich der Sozialpsychiatrie ......................................................107<br />
Tabelle 29: Auswertung zu weiterweisenden Institutionen und Ämter im Jahre 2004 .........108<br />
Tabelle 30: Die Angebote ambulant tätiger Psychiater .......................................................110<br />
Tabelle 31: Krankheitsbilder (Behandlungsspektrum).........................................................112<br />
Tabelle 32: Zusammenarbeit mit zuweisenden Institutionen...............................................113<br />
Tabelle 33: Zusammenarbeit mit weiterweisenden Institutionen .........................................114<br />
Tabelle 34: Angaben zu den Wohneinrichtungen im ausserstationären Bereich.................117<br />
Tabelle 35: Angaben zum Personal (Anstellungsgrad) .......................................................119<br />
Tabelle 36: Angebote der Wohneinrichtungen ....................................................................120<br />
Tabelle 37: Durchschnittliche Aufenthaltsdauer ..................................................................121<br />
Tabelle 38: Übersicht über Art der Klientengruppe .............................................................122<br />
Tabelle 39: Häufigkeit der zuweisenden Stellen .................................................................122<br />
Tabelle 40: Häufigkeit der Weiterweisung an Nachsorgestrukturen ....................................123<br />
Tabelle 41: Struktur der 7 therapeutischen Ateliers ............................................................124<br />
Tabelle 42: Personalangaben.............................................................................................125
Planung der psychiatrischen Versorgung des Grossherzogtums Luxemburg Seite 182<br />
Tabelle 43: Zuweisende Institutionen .................................................................................127<br />
Tabelle 44: Weiterweisende Institutionen ...........................................................................128