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Jahresbericht 2011_12 - Gymnasium Liestal

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ortung<br />

Klassenlehrperson oder Absenzenpolizist/-in?<br />

Caviola: Ich glaube auch nicht, dass Verantwortung<br />

etwas mit der Fachrichtung zu tun hat. Ethische<br />

Orientierung erwächst ausserhalb der Fächer. Sie<br />

kann vielleicht von fachlichen Fragen ausgehen,<br />

nimmt aber nicht die Fachperson, sondern den<br />

ganzen Menschen in Anspruch.<br />

Erfährt die Arbeit des Fachvorstandes genügend<br />

Wertschätzung?<br />

Caviola: Ja, im Allgemeinen ist die Wertschätzung<br />

sicher da. Manchmal mag es eine Herausforderung<br />

sein, gleichzeitig als Kollege und als Vorsteher<br />

zu wirken (lacht). Für kritische Fälle wäre es<br />

vielleicht gut, der Kanton würde uns in schnittige<br />

Uniformen einkleiden. Ich denke an ein elegantes<br />

Königsblau mit Mütze und weissem Bauchriemen,<br />

so wie wir es bei den italienischen Zöllnern sehen.<br />

Zwygart: (lacht ebenfalls) ... Genau, an so etwas<br />

hab ich auch gedacht! Spass beiseite: Ich spüre<br />

die Wertschätzung seitens des Fachkollegiums<br />

manchmal und seitens der Schulleitung oft. Aber<br />

in Anbetracht der grossen Arbeit und der mitunter<br />

gewichtigen Verantwortung finde ich es unverständlich,<br />

dass diese Arbeit nicht entlöhnt wird.<br />

von Hansueli Müller, Lehrer für Deutsch und Englisch<br />

Jeweils an einem Frühlingstag versammeln<br />

sich auf Einladung (bzw. Aufgebot)<br />

der Schulleitung die Klassenlehrpersonen<br />

der ersten Klassen des<br />

kommenden Schuljahrs im Tagungszentrum<br />

Leuenberg. Die Schulleitung<br />

führt die Veranstaltung, die sowohl für<br />

Frischlinge als auch alte Hasen im Klassenlehreramt<br />

obligatorisch ist, durch,<br />

damit eine gewisse Gleichbehandlung<br />

der einzelnen Klassen gewährleistet<br />

ist. Ich schreibe bewusst «eine gewisse<br />

Gleichbehandlung», denn bei<br />

den Diskussionen auf dem Leuenberg<br />

zeigt sich immer wieder, wie unterschiedlich<br />

die einzelnen Lehrpersonen<br />

an diese Aufgabe herangehen, wie<br />

unterschiedlich sie ihre Verantwortung<br />

als Klassenlehrpersonen sehen. Dies<br />

wird am deutlichsten beim leidigen<br />

Hauptthema «Absenzenwesen». Und<br />

wen erstaunt es, dass dies das meistdiskutierte<br />

Thema auf dem Leuenberg<br />

ist?<br />

Wir haben alle hehre pädagogische<br />

Vorstellungen davon, wie wir unsere<br />

Klasse führen wollen, wie wir sie auf<br />

dem Weg zur Hochschul- oder Fachhochschulreife<br />

begleiten und unterstützen<br />

wollen.<br />

Ich war in den letzten Jahren zweimal<br />

an einer solchen Weiterbildungsveranstaltung,<br />

und jedes Mal fand ich die<br />

Diskussion über das Absenzenwesen<br />

einerseits spannend, anderseits ziemlich<br />

ernüchternd. Natürlich will uns<br />

die Schulleitung beliebt machen, dass<br />

wir das Reglement «Absenzenwesen»<br />

umsetzen sollen, aber es zeigt<br />

sich bei den Gesprächen auf<br />

dem Leuenberg, dass jedes<br />

Reglement einen Interpreta-<br />

tionsspielraum hat. Da gibt es<br />

diejenigen, die sich möglichst<br />

genau an den Buchstaben des<br />

Gesetzes halten wollen; andere<br />

wiederum stellen sich eine<br />

situationsbezogene Flexibilität<br />

vor; und wiederum andere zeigen ziemlich<br />

offen, dass sie das Reglement höchstens<br />

der Spur nach anwenden wollen.<br />

Der Verdacht ist berechtigt, dass die Interpretation<br />

des Absenzenreglements deshalb<br />

so unterschiedlich ist, weil vor allem etwa<br />

ab Mitte 2. Klasse das Konfliktpotenzial mit<br />

Schülern/-innen (weil diese 18 und damit<br />

volljährig werden) in solchen Fragen explosiv<br />

ansteigt. Je nach Klasse wird das Klassenlehreramt<br />

zu einer sehr mühsamen Belastung<br />

und alle hehren Idealvorstellungen lösen<br />

sich in Luft auf, obwohl auch in sogenannt<br />

«schlimmen» Klassen nur ein kleiner Teil<br />

wirklich Schwierigkeiten im Zusammenhang<br />

mit Absenzen macht. Aber die Verantwortung<br />

als Klassenlehrperson unter solchen<br />

Umständen wahrzunehmen, wird zu einer<br />

manchmal schier unlösbaren Aufgabe. Denn<br />

diese Verantwortung steht in einem äusserst<br />

komplexen Spannungsfeld zwischen Loyalität<br />

gegenüber der Schule und ihrem Reglement,<br />

gegenüber den Eltern, gegenüber den<br />

Schülern/-innen, die regelmässig zur Schule<br />

kommen und sich an die Regeln halten,<br />

gegenüber den Kollegen/-innen im Klassenteam<br />

– und letztlich auch gegenüber den<br />

Schülern/-innen, die den Unterricht nur noch<br />

als freiwillig ansehen und deshalb oft aus lediglich<br />

vorgegaukelten Gründen fehlen. Der<br />

Esther Kaufmann (> S.14) und Hansueli Müller 13<br />

Klassenlehrperson bleibt nichts anderes übrig,<br />

als sich unbeliebt zu machen. Da das Absenzenwesen<br />

bei einer solchen Entwicklung<br />

eine Wichtigkeit annimmt, die alles andere<br />

überdeckt, ist es verständlich, dass Klassen<br />

ihre Klassenlehrperson im dümmsten Fall<br />

nur als Absenzenpolizisten (oder -polizistin)<br />

wahrnehmen. Und wenn die Atmosphäre<br />

einmal vergiftet ist, hilft auch die schönste<br />

Studienreise nicht mehr viel.<br />

Ich begreife, dass unter diesen Umständen<br />

einige meiner Kolleginnen und Kollegen das<br />

Klassenlehreramt und die damit verbundene<br />

Verantwortung als Belastung empfinden.<br />

Anderseits habe ich selber die Erfahrung gemacht,<br />

dass man mit dem Absenzenwesen<br />

ganz gut fahren kann, wenn man es zwar<br />

konsequent, aber nicht pingelig anwendet.<br />

In der Verantwortung der Klassenlehrperson<br />

steht ja auch, dass sie sich offen gegenüber<br />

den Schülern/-innen zeigt. Offenheit heisst<br />

nicht grenzenloses Verständnis für alles<br />

und sogar Billigung jeglichen Verhaltens,<br />

sondern Interesse für das, was hinter auffälligem<br />

Verhalten steckt (und Schwänzen<br />

ist auffälliges Verhalten). Und deshalb muss<br />

man als Klassenlehrperson in solchen Fällen<br />

immer das Gespräch suchen. Oft führt das<br />

zu besseren Resultaten als das Durchsetzen<br />

des Gesetzesbuchstabens.

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