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Jahresbericht 2011_12 - Gymnasium Liestal

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tung<br />

und Vertrauen<br />

nicht ebenso gern die Verantwortung für eine<br />

missratene Stunde ablehnen und könnte eine<br />

solche Liste über seine eigenen Entschuldigungen<br />

erstellen? Das Problem, das hier jedoch<br />

lauert, wird wiederum bei Saint-Exupéry<br />

klar formuliert: «Wenn du dich weigerst, die<br />

Verantwortung für deine Niederlagen zu übernehmen,<br />

wirst du auch nicht für deine Siege<br />

verantwortlich sein». Und für die Erfolge –<br />

die gute Note, die gelungene Schulstunde<br />

– möchten wir doch alle gern verantwortlich<br />

sein und Anerkennung bekommen.<br />

Welche Arten von Verantwortung gibt es<br />

aber ausser der für mich selbst noch? Ganz<br />

allgemein können verschiedene Arten der<br />

Verantwortung nach den einzelnen Rollen, die<br />

man als Mensch hat, nach den verschiedenen<br />

Sphären, denen man als Mensch angehört,<br />

unterschieden werden. So haben wir alle eine<br />

juristische Verantwortung, die im Strafrecht<br />

festgelegt ist, und die wir qua Bürger und Bewohner<br />

eines Landes haben. Wir haben alle<br />

auch Verantwortungen, die sich aus unserem<br />

beruflichen Kontext ergeben, die uns zu einem<br />

Berufskodex verpflichten können. In der Familie<br />

haben wir Verantwortungen als Familienmitglied.<br />

Als Freund habe ich Verantwortung<br />

gegenüber dem Freund in Bezug auf Hilfe<br />

und Austausch. Als Schülerin und als Lehrerin<br />

haben wir gemeinsam Verantwortungen gegenüber<br />

dem Unterricht. Ganz allgemein hilft<br />

diese Gebundenheit der Verantwortung an<br />

einzelne Rollen, Verantwortung zu tragen und<br />

auch deren Grenzen zu erkennen. Nicht für alles<br />

bin ich verantwortlich, nicht alles steht in<br />

meiner Macht. Nicht bei allem muss ich mich<br />

zuständig fühlen, sondern ich kann mich darauf<br />

verlassen, dass andere in ihrer Rolle die<br />

jeweilige Verantwortung wahrnehmen.<br />

Auf diese Weise bauen sich komplexe Netzwerke<br />

von Verantwortungen auf, die als kooperative<br />

Verantwortung ein grösseres Ganzes<br />

ermöglichen, das sich allein nicht bewerkstelligen<br />

lässt. Eine solche kooperative Verantwortung,<br />

welche einem gemeinsamen Ziel,<br />

dem Bewältigen einer gemeinsamen Aufgabe,<br />

dient, findet sich in der Schule. Hier kommen<br />

alle die Verantwortungen zusammen, die<br />

jeder hat, der dort ein und aus geht, arbeitet<br />

und lernt, Freunde trifft oder unterrichtet, und<br />

aus allen gemeinsam ergibt sich die Möglichkeit,<br />

Schule zu machen. Angefangen vom<br />

Rektor über jeden einzelnen Lehrer hin zu den<br />

Schülern, den Sekretärinnen, dem Hauswart,<br />

den Reinigungsfrauen – alle tragen ihren Teil<br />

der Verantwortung und es entsteht so ein<br />

buntes Muster der Verantwortungen, in dem<br />

jeder dazu beiträgt, dass Tag für Tag Unterricht<br />

stattfinden kann, dass Menschen lehren<br />

und lernen und sich im Schulhaus wohlfühlen.<br />

Diese verschiedenen Verantwortungen<br />

in einer Schule sind zum Teil an die freiwillige<br />

Übernahme eines Amtes gebunden: Wenn ich<br />

in einer Schule als technischer Leiter arbeite,<br />

liegt die Wartung der Kopiergeräte in meiner<br />

Verantwortung. Wenn ich mich entscheide,<br />

ein <strong>Gymnasium</strong> zu besuchen, wird es zu meiner<br />

Verantwortung, am Unterricht teilzunehmen.<br />

Nicht alle unsere Verantwortungen sind<br />

aber dieser Art der freiwilligen Übernahme.<br />

Wichtige Arten der Verantwortung haben wir<br />

allein dadurch, dass wir zusammen handeln,<br />

dass wir gemeinsam mit anderen leben und<br />

arbeiten: Arten des Sich-zueinander-Verhaltens,<br />

des Respekts, der Umsicht, der Hilfe.<br />

Diese wählen wir nicht, sondern sie sind die<br />

Grundlage unseres Zusammenlebens, die es<br />

letztlich ermöglichen, dass wir überhaupt han-<br />

deln können. Diese moralischen Verantwortungen<br />

bilden das Fundament<br />

der speziellen Verantwortungen.<br />

Mit diesen hängt noch eine weitere<br />

Art der Verantwortung zusammen,<br />

die für die Schule besonders wichtig<br />

ist. An sie können wir erinnert werden,<br />

wenn wir von Saint-Exupéry die<br />

Geschichte «Der kleine Prinz» lesen.<br />

Dort kommt in einer Episode ein<br />

Fuchs zum kleinen Prinz und erklärt<br />

diesem, was es heisst, jemanden<br />

zu zähmen. Es bedeute, so sagt der<br />

Fuchs, «sich etwas vertraut machen».<br />

Und dann fährt er fort: «Für das, was<br />

du dir vertraut gemacht hast, bist<br />

du verantwortlich». Verantwortung<br />

erwächst auch aus Vertrauen. Sie<br />

erwächst aus einer Beziehung zum<br />

anderen, dort, wo Menschen vertrauensvoll<br />

miteinander umgehen, dort,<br />

wo sie einander gegenüber nicht<br />

gleichgültig sind. Der Gegensatz zur<br />

Verantwortung ist darum auch nicht<br />

nur die Verantwortungslosigkeit, sondern<br />

vielmehr die Gleichgültigkeit. «Was<br />

ich am meisten verabscheue, ist die traurige<br />

Rolle des Zuschauers, der unbeteiligt<br />

tut oder ist. Man soll Zeuge sein, mittun<br />

und Verantwortung tragen», heisst es wiederum<br />

bei Saint-Exupéry. Unbeteiligt ist<br />

man meistens weniger, als man denkt. Und<br />

mittun kann man viel öfter, als es zunächst<br />

scheint. Mittun, indem man Verantwortung<br />

teilt und anderen hilft, ihre zu tragen. Und<br />

letztlich kann man Verantwortung nicht nur<br />

teilen, indem man sich an einer Handlung<br />

beteiligt und einem anderen bei den Hausaufgaben,<br />

bei der Vorbereitung der Schul-<br />

stunde hilft, sondern auch, indem man die<br />

Verantwortung mitfühlt bei den anderen:<br />

bei den Erfolgen und bei den Niederlagen.<br />

Ein letztes Zitat von Saint-Exupéry bringt<br />

dies auf den Punkt: «Mensch sein heisst<br />

Verantwortung fühlen: sich schämen beim<br />

Anblick einer Not, auch wenn man keine<br />

Mitschuld hat, stolz sein über den Erfolg<br />

der Kameraden, seinen Stein beitragen<br />

im Bewusstsein, mitzuwirken am Bau der<br />

Welt». Dieses Mitwirken an der Welt durch<br />

die eigene Verantwortung – das ist es, was<br />

uns als Menschen in unserem Handeln so<br />

wichtig macht.<br />

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