AA Tivoli Echo #09-1213 - Alemannia Aachen
AA Tivoli Echo #09-1213 - Alemannia Aachen
AA Tivoli Echo #09-1213 - Alemannia Aachen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
„Man sollte der Mannschaft Zeit geben“<br />
Michael Melka hat schon viel erlebt in seiner Karriere. <strong>Alemannia</strong>s Torhüter, der sich inzwischen im Kampf um die Nummer eins<br />
durchgesetzt hat, weiß, wie schwer ein Abstieg in die Dritte Liga eine Mannschaft treffen kann. Im Interview liefert Melka eine<br />
sachliche Analyse der Gesamtsituation.<br />
Ihr habt mal wieder viel Lob für den Auftritt<br />
in Heidenheim bekommen, die volle Punktzahl<br />
sprang am Ende nicht heraus. Ist man es leid,<br />
immer nur gelobt zu werden?<br />
Um ehrlich zu sein, wäre es mir lieber, wir spielen<br />
schlecht und gehen dafür aber als Sieger vom<br />
Platz. Im Fußball zählen nur Ergebnisse und nicht<br />
die Art und Weise, wie du diese erreichst. Ich bin<br />
daher auch der Meinung, dass es zu Beginn der<br />
Saison ein Fehler war, nach dem Sieg in Saarbrücken<br />
darüber zu diskutieren, wie schlecht wir<br />
doch gespielt haben.<br />
Was genau meinst du damit?<br />
Wir haben 2:1 in Saarbrücken gewonnen, stellen<br />
uns nach Spielende hin und kritisieren unsere<br />
eigene Leistung. Jeder Sieg hätte uns mehr<br />
Selbstvertrauen gegeben, da kann man das nicht<br />
schlecht reden. Das war nicht richtig. Haben wir<br />
derzeit mehr davon, gut zu spielen aber in der<br />
Tabelle nicht voran zu kommen? Zu Beginn der<br />
Saison ist hier um Umfeld eine Atmosphäre aufgekommen,<br />
die gefährlich war.<br />
Warum gefährlich?<br />
Alle sprachen von Euphorie. Im Nachhinein<br />
betrachtet war das eine künstliche Stimmungsblase,<br />
die jetzt zerplatzt ist. Man braucht nicht<br />
viel Phantasie, um zu realisieren, dass man nach<br />
einem Abstieg in die Dritte Liga nicht einfach mal<br />
eben so aufsteigt. Das funktioniert nicht – besonders<br />
nicht, wenn man 18 Neuzugänge holt. Das<br />
gelingt keinem Verein der Welt. Das hat aber niemand<br />
im Umfeld wahrnehmen wollen. Alle waren<br />
der Meinung, dass man in dieser Dritten Liga aufläuft<br />
und gleich den Sprung nach oben schafft.<br />
Natürlich sehnen sich die Fans danach, möglichst<br />
schnell wieder aufzusteigen. Das dürfen sie auch.<br />
Aber das ist nun mal nicht so leicht.<br />
Deine Erfahrungswerte zeigen also, dass es<br />
einige Zeit braucht, wieder oben anzugreifen…<br />
Genau so ist es. Was hat denn Bielefeld letztes<br />
Jahr für eine Saison gespielt? Die standen unten<br />
drin, genau so wie Osnabrück und Preußen Münster.<br />
Diese Teams stehen derzeit über uns, aber<br />
auch sie haben dafür einige Zeit benötigt. Ich weiß,<br />
wovon ich rede. Schließlich bin ich mit Rot-Weiß<br />
Oberhausen leider nach dem Abstieg in die Zweite<br />
Liga durchgereicht worden. Man sollte der Mannschaft<br />
ein bisschen Zeit geben, auch wenn ich<br />
weiß, dass man im Fußball keine Zeit hat. Aber mit<br />
der nötigen Gelassenheit und Zeit wird hier etwas<br />
entstehen, da bin ich mir sicher.<br />
Wie schwierig ist es, wenn man in so einer<br />
Entwicklung die Ruhe, die man eigentlich<br />
benötigt, nicht hat?<br />
Das ist schon nicht so leicht, wir erleben hier<br />
gerade im Verein sowieso aufgrund der finanziellen<br />
Diskussion eine Ausnahmesituation. Andererseits<br />
bin ich auch der Meinung, dass in einem<br />
Traditionsverein nie komplett Ruhe existiert. Traditionsvereine<br />
leben davon, dass immer etwas<br />
los ist. Die ganze Stadt interessiert sich für den<br />
Verein, egal ob nun etwas Positives oder Negatives<br />
zu berichten ist. Wenn ich damit als Spieler<br />
nicht klar komme, muss ich mir einen Verein in<br />
der Provinz suchen. Da habe ich wahrscheinlich<br />
mehr Ruhe.<br />
Kommen wir zu dir persönlich: Du warst in<br />
den ersten Spielen meist noch nicht einmal<br />
im Kader. Woran lag es aus deiner Sicht?<br />
Ein wesentlicher Aspekt war natürlich meine Verletzung<br />
in der Vorbereitung. Da bist du automatisch<br />
auf einmal hinten dran. Ich habe dann ein<br />
bisschen gebraucht, um in Tritt zu kommen. Jetzt<br />
stehe ich zwischen den Pfosten und versuche, der<br />
Mannschaft so gut wie es geht zu helfen.<br />
Die Strafraumbeherrschung ist mit Sicherheit<br />
eine große Stärke von dir. Du strahlst viel Ruhe<br />
aus. Wie frustrierend ist es, in einem Spiel wie<br />
gegen Darmstadt oder Wehen Wiesbaden<br />
fast beschäftigungslos zu sein und trotzdem<br />
nicht mit weißer Weste das Feld verlassen zu<br />
können?<br />
Ich bin ein Torhüter, der sehr viel Wert darauf<br />
legt, organisiert aufzutreten. Es gibt Keeper, die<br />
fallen durch unzählige Glanzparaden auf. Ich bin<br />
der Meinung, dass man durch eine gute Organisation<br />
und guter Kommunikation mit den Vorderleuten<br />
schon sehr viel dafür tun kann, möglichst<br />
wenige Chancen zuzulassen. Das ist uns in den<br />
letzten Spielen auch immer ganz gut gelungen.<br />
Allerdings rutscht dann trotzdem hin und wieder<br />
einer durch und so gehst du nach einer völligen<br />
Dominanz wie gegen Darmstadt nur mit einem<br />
„Traditionsvereine leben davon, dass immer<br />
etwas los ist. Die ganze Stadt interessiert sich<br />
für den Verein, egal ob nun etwas Positives oder<br />
Negatives zu berichten ist. Wenn ich damit als<br />
Spieler nicht klar komme, muss ich mir einen<br />
Verein in der Provinz suchen.“<br />
Zähler vom Platz. Aber das passiert im Fußball.<br />
Du musst immer wieder daran arbeiten, es noch<br />
ein Stück besser zu machen.<br />
Du hast von hinten eine spezielle Sicht auf das<br />
Spielgeschehen. Was fehlt dem Team derzeit,<br />
um wieder in die Erfolgsspur zu kommen?<br />
Ein alter Trainer hat mal zu mir gesagt: „Jungs,<br />
ihr seid noch nicht braun genug.“ Er meinte<br />
damit, dass wir in vielen Bereichen noch nicht<br />
abgezockt genug sind. Wir sind ab und zu nicht<br />
brutal genug in den Zweikämpfen. Das heißt<br />
nicht, dass ich meinen Gegenspieler umtreten<br />
muss. Aber ich muss diese 50/50-Situationen<br />
für mich entscheiden. Wir hatten in dieser Saison<br />
noch nicht einen Elfmeter, das ist auch eine interessante<br />
Statistik.<br />
Interview<br />
9