22.01.2013 Aufrufe

November 2012 - Zerb

November 2012 - Zerb

November 2012 - Zerb

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Erbrechtspraxis<br />

Teilweise wird daher eine Ergänzungspfl egschaft in Erwägung<br />

gezogen. Jedoch ist der Erblasserwillen vorrangig und dieser<br />

wird die Möglichkeit einer Interessenkollision mit Anordnung<br />

der Personalunion in Kauf genommen haben. 89 Solange<br />

Pfl ichtverletzungen oder Anhaltspunkte dafür nicht vorlägen,<br />

sei die Doppelstellung nicht aufzulösen. 90 Tatsächliche Kollisionen<br />

zulasten der Stiftung würden durch die Stiftungsaufsicht<br />

verhindert bzw. geahndet. Dies werde durch die Rechnungslegungspfl<br />

icht des Stiftungsvorstands gegenüber der Stiftungsaufsicht<br />

sowie durch die Auskunfts- und Informationsrechte<br />

der Stiftungsaufsicht gewährleistet. 91<br />

Tatsächlich kann in einem großen Teil der Fälle die Interessenkollision<br />

sogar ausgeschlossen werden: So vertritt der Stiftungsvorstand<br />

mit dem Stifterwillen und dem Stiftungsinteresse<br />

zwar nominell andere Interessen als der Testamentsvollstrecker,<br />

der sich an den Interessen der Erben und dem Erblasserwillen<br />

zu orientieren hat. Liegt aber der Fall vor, dass Stifter und Erblasser<br />

identisch sind und die Stiftung Alleinerbin ist, kann ohne<br />

Weiteres von einer Identität der Interessen ausgegangen werden.<br />

Der Stifterwille geht im Erblasserwillen auf und die Interessen<br />

der Stiftung müssen sowohl vom Stiftungsvorstand als<br />

auch vom Testamentsvollstrecker beachtet werden. In diesem<br />

Fall führt die Personalunion also keine gesteigerte Risikolage<br />

hinsichtlich etwaiger Interessenkonfl ikte herbei.<br />

Besteht der Vorstand neben dem Testamentsvollstrecker aus<br />

mehreren Personen, erfolgt nach § 28 BGB die Beschlussfassung<br />

nach den §§ 32 und 34 BGB. 92 Gemäß § 34 BGB ist<br />

dann der Testamentsvollstrecker bei Beschlussfassungen über<br />

die Vornahme eines Rechtsgeschäfts der Stiftung mit ihm oder<br />

Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und<br />

der Stiftung nicht stimmberechtigt. Die Rechtsfolge einer ungeachtet<br />

des Verbots erfolgten Stimmabgabe ist die Nichtigkeit<br />

der Stimme. 93 Der Beschluss bleibt nur dann gültig, wenn die<br />

Stimme nachweisbar keine Auswirkung auf das Ergebnis hatte. 94<br />

In den übrigen Fällen sind mögliche Interessenwidersprüche<br />

durch Auslegung des Erblasserwillens dahingehend zu lösen, dass<br />

die Einhaltung der stiftungs- und ggf. steuerrechtlichen Vorgaben<br />

als (stillschweigend geäußerter) Wille des Erblassers Vorrang<br />

vor allen anderen möglicherweise kollidierenden Anordnungen<br />

des Erblassers genießt. Eine derartige Auslegung verstößt auch<br />

nicht gegen die Andeutungstheorie, 95 da sie schon durch die Einsetzung<br />

der Stiftung hinreichend Rückhalt im Testament erfährt.<br />

Der Erblasser macht sich den Stifterwillen zu eigen, indem er die<br />

Stiftung in Kenntnis ihres Zwecks bedenkt.<br />

Der darüber hinaus grundsätzlich bestehenden Gefahr der Verfolgung<br />

stiftungsfremder Interessen oder von Missbrauch trägt<br />

der Gesetzgeber durch das Institut der staatlichen Aufsicht<br />

Rechnung, das als Regulativ den Umstand kompensiert, dass<br />

mangels Mitgliedern bei Stiftungen eine Kontrolle „von unten“<br />

bzw. „von innen“ nicht existiert. 96<br />

Vor diesem Hintergrund ist die Personalunion von Testamentsvollstrecker<br />

und Stiftungsvorstand (oder einem anderen Stiftungsorgan)<br />

zulässig.<br />

Anzumerken bleibt, dass mit der Übernahme des Vorstandspostens<br />

keinesfalls das Amt des Testamentsvollstreckers endet.<br />

288<br />

ZErb 11/<strong>2012</strong><br />

Nach wohl überwiegender Ansicht entfällt im Falle der Personalunion<br />

sogar die in § 2210 BGB vorgesehene Frist der<br />

Dauervollstreckung. Die Ausübung des Vorstandspostens stelle<br />

keine Testamentsvollstreckung mehr dar. 97 Da in der Regel der<br />

Vorstandsposten aber letztwillig dem Testamentsvollstrecker<br />

übertragen wurde, ist nach anderer Ansicht die Übernahme<br />

dennoch als Ausführung der letztwilligen Anordnungen,<br />

mithin als Testamentsvollstreckung zu qualifi zieren. Folglich<br />

scheide die Befristung aus, weil das Amt des Stiftungsvorstands<br />

zeitlich unbegrenzt und nicht von der es ausübenden Person<br />

abhängig sei. 98<br />

Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Frist des § 2210 BGB nicht<br />

auch das Amt des Stiftungsvorstandes zeitlich begrenzt. Für das<br />

Amt des Testamentsvollstreckers muss § 2210 BGB aber fortgelten.<br />

Richtigerweise sind auch bei einer Personalunion beide<br />

Ämter strikt voneinander zu trennen und können daher unterschiedlichen<br />

Schicksalen folgen. 99 Ein Grund, warum § 2210<br />

BGB für das Amt des Testamentsvollstreckers nicht mehr<br />

anwendbar sein sollte, ist daher nicht ersichtlich. Nach Ablauf<br />

der Frist endet also das Testamentsvollstreckeramt; das Amt des<br />

Stiftungsvorstands bleibt hiervon aber unberührt. 100<br />

IX. Sinn der Dauerverwaltung bei Stiftungen<br />

Nachdem sich also gezeigt hat, dass die Dauerverwaltungsvollstreckung<br />

auch bei der Stiftung von Todes wegen nicht an<br />

grundlegenden, strukturellen Hindernissen scheitert, stellt sich<br />

die Frage nach ihrem Nutzen.<br />

1. Funktionen eines Testamentsvollstreckers (bei Stiftungserrichtung<br />

auf den Todesfall)<br />

Eine Testamentsvollstreckung ist sicher zu empfehlen, um bei<br />

einer letztwillig entstehenden Stiftung die erfolgreiche Durchführung<br />

des Anerkennungsverfahrens zu gewährleisten. 101<br />

Nach Strickrodt kann Testamentsvollstreckung aber auch nach<br />

erfolgreicher Gründung der Stiftung noch sinnvoll sein, etwa<br />

zur Klärung akuter Sach- und Rechtsfragen der inneren Stiftungsorganisation<br />

– auch wenn dies im Aufgabenbereich der<br />

Stiftungsaufsicht liegen sollte. 102 Zudem ist die Dauervollstreckung<br />

in einer überwachenden, kontrollierenden Funktion –<br />

89) Vgl. Arnhold, S. 185 ff , insbes. S. 189, 190.<br />

90) Vergleichend kann der Fall des LG Stuttgarts, ZEV 2009, 396, herangezogen<br />

werden, in dem das Bedürfnis für die Anordnung einer Nachlasspfl egschaft abgelehnt<br />

wird, weil davon ausgegangen werden kann, dass der Erblasser eine Interessenkollision<br />

nicht befürchtet, wenn er die Testamentsvollstrecker zugleich auch als<br />

Stiftungsvorstand einsetzt. Solange eine konkrete Gefährdung der Interessen der<br />

Stiftung nicht im Raum stehe, müsse der Wille des Erblassers Vorrang haben.<br />

91) Arnhold, S. 187 ff .<br />

92) Vgl. Otto in jurisPK-BGB, 5. Aufl . 2010, § 34 Rn 2.<br />

93) Otto in jurisPK-BGB, 5. Aufl . 2010, § 34 Rn 7.<br />

94) Ellenberger in Palandt, 71. Aufl . <strong>2012</strong>, § 34 Rn 2.<br />

95) Da nur der formgültig erklärte Erblasserwille Rechtswirkung entfaltet, muss nach<br />

der Andeutungstheorie der durch Auslegung ermittelte Wille des Erblassers im<br />

Testament hinreichend Rückhalt fi nden, vgl. Leipold, MüKo, § 2084 Rn 14 ff .<br />

96) Vgl. insoweit auch Risch in ZSt 2006, 162, 163 f.<br />

97) Hof in Seifart/v. Campenhausen, § 6 Rn 108; Fischer, BWNotZ 2005, 97, 106;<br />

Wochner, MittRhNotK 1994, 89, 98.<br />

98) O. Schmidt, ZEV 2000, 438.<br />

99) Vgl. Schewe, S. 248.<br />

100) Schaub in Bengel/Reimann, Kap. 5 Rn 302.<br />

101) Vgl. nur Hof, Seifart/v. Campenhausen, § 6 Rn 106; Schlüter/Stolte, Kap. 2 Rn<br />

118.<br />

102) NJW 1964, 1316, 1319.<br />

ZErb_11_<strong>2012</strong>.indd 288 14.11.12 13:01

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!