November 2012 - Zerb
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Erbrechtspraxis<br />
Teilweise wird daher eine Ergänzungspfl egschaft in Erwägung<br />
gezogen. Jedoch ist der Erblasserwillen vorrangig und dieser<br />
wird die Möglichkeit einer Interessenkollision mit Anordnung<br />
der Personalunion in Kauf genommen haben. 89 Solange<br />
Pfl ichtverletzungen oder Anhaltspunkte dafür nicht vorlägen,<br />
sei die Doppelstellung nicht aufzulösen. 90 Tatsächliche Kollisionen<br />
zulasten der Stiftung würden durch die Stiftungsaufsicht<br />
verhindert bzw. geahndet. Dies werde durch die Rechnungslegungspfl<br />
icht des Stiftungsvorstands gegenüber der Stiftungsaufsicht<br />
sowie durch die Auskunfts- und Informationsrechte<br />
der Stiftungsaufsicht gewährleistet. 91<br />
Tatsächlich kann in einem großen Teil der Fälle die Interessenkollision<br />
sogar ausgeschlossen werden: So vertritt der Stiftungsvorstand<br />
mit dem Stifterwillen und dem Stiftungsinteresse<br />
zwar nominell andere Interessen als der Testamentsvollstrecker,<br />
der sich an den Interessen der Erben und dem Erblasserwillen<br />
zu orientieren hat. Liegt aber der Fall vor, dass Stifter und Erblasser<br />
identisch sind und die Stiftung Alleinerbin ist, kann ohne<br />
Weiteres von einer Identität der Interessen ausgegangen werden.<br />
Der Stifterwille geht im Erblasserwillen auf und die Interessen<br />
der Stiftung müssen sowohl vom Stiftungsvorstand als<br />
auch vom Testamentsvollstrecker beachtet werden. In diesem<br />
Fall führt die Personalunion also keine gesteigerte Risikolage<br />
hinsichtlich etwaiger Interessenkonfl ikte herbei.<br />
Besteht der Vorstand neben dem Testamentsvollstrecker aus<br />
mehreren Personen, erfolgt nach § 28 BGB die Beschlussfassung<br />
nach den §§ 32 und 34 BGB. 92 Gemäß § 34 BGB ist<br />
dann der Testamentsvollstrecker bei Beschlussfassungen über<br />
die Vornahme eines Rechtsgeschäfts der Stiftung mit ihm oder<br />
Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und<br />
der Stiftung nicht stimmberechtigt. Die Rechtsfolge einer ungeachtet<br />
des Verbots erfolgten Stimmabgabe ist die Nichtigkeit<br />
der Stimme. 93 Der Beschluss bleibt nur dann gültig, wenn die<br />
Stimme nachweisbar keine Auswirkung auf das Ergebnis hatte. 94<br />
In den übrigen Fällen sind mögliche Interessenwidersprüche<br />
durch Auslegung des Erblasserwillens dahingehend zu lösen, dass<br />
die Einhaltung der stiftungs- und ggf. steuerrechtlichen Vorgaben<br />
als (stillschweigend geäußerter) Wille des Erblassers Vorrang<br />
vor allen anderen möglicherweise kollidierenden Anordnungen<br />
des Erblassers genießt. Eine derartige Auslegung verstößt auch<br />
nicht gegen die Andeutungstheorie, 95 da sie schon durch die Einsetzung<br />
der Stiftung hinreichend Rückhalt im Testament erfährt.<br />
Der Erblasser macht sich den Stifterwillen zu eigen, indem er die<br />
Stiftung in Kenntnis ihres Zwecks bedenkt.<br />
Der darüber hinaus grundsätzlich bestehenden Gefahr der Verfolgung<br />
stiftungsfremder Interessen oder von Missbrauch trägt<br />
der Gesetzgeber durch das Institut der staatlichen Aufsicht<br />
Rechnung, das als Regulativ den Umstand kompensiert, dass<br />
mangels Mitgliedern bei Stiftungen eine Kontrolle „von unten“<br />
bzw. „von innen“ nicht existiert. 96<br />
Vor diesem Hintergrund ist die Personalunion von Testamentsvollstrecker<br />
und Stiftungsvorstand (oder einem anderen Stiftungsorgan)<br />
zulässig.<br />
Anzumerken bleibt, dass mit der Übernahme des Vorstandspostens<br />
keinesfalls das Amt des Testamentsvollstreckers endet.<br />
288<br />
ZErb 11/<strong>2012</strong><br />
Nach wohl überwiegender Ansicht entfällt im Falle der Personalunion<br />
sogar die in § 2210 BGB vorgesehene Frist der<br />
Dauervollstreckung. Die Ausübung des Vorstandspostens stelle<br />
keine Testamentsvollstreckung mehr dar. 97 Da in der Regel der<br />
Vorstandsposten aber letztwillig dem Testamentsvollstrecker<br />
übertragen wurde, ist nach anderer Ansicht die Übernahme<br />
dennoch als Ausführung der letztwilligen Anordnungen,<br />
mithin als Testamentsvollstreckung zu qualifi zieren. Folglich<br />
scheide die Befristung aus, weil das Amt des Stiftungsvorstands<br />
zeitlich unbegrenzt und nicht von der es ausübenden Person<br />
abhängig sei. 98<br />
Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Frist des § 2210 BGB nicht<br />
auch das Amt des Stiftungsvorstandes zeitlich begrenzt. Für das<br />
Amt des Testamentsvollstreckers muss § 2210 BGB aber fortgelten.<br />
Richtigerweise sind auch bei einer Personalunion beide<br />
Ämter strikt voneinander zu trennen und können daher unterschiedlichen<br />
Schicksalen folgen. 99 Ein Grund, warum § 2210<br />
BGB für das Amt des Testamentsvollstreckers nicht mehr<br />
anwendbar sein sollte, ist daher nicht ersichtlich. Nach Ablauf<br />
der Frist endet also das Testamentsvollstreckeramt; das Amt des<br />
Stiftungsvorstands bleibt hiervon aber unberührt. 100<br />
IX. Sinn der Dauerverwaltung bei Stiftungen<br />
Nachdem sich also gezeigt hat, dass die Dauerverwaltungsvollstreckung<br />
auch bei der Stiftung von Todes wegen nicht an<br />
grundlegenden, strukturellen Hindernissen scheitert, stellt sich<br />
die Frage nach ihrem Nutzen.<br />
1. Funktionen eines Testamentsvollstreckers (bei Stiftungserrichtung<br />
auf den Todesfall)<br />
Eine Testamentsvollstreckung ist sicher zu empfehlen, um bei<br />
einer letztwillig entstehenden Stiftung die erfolgreiche Durchführung<br />
des Anerkennungsverfahrens zu gewährleisten. 101<br />
Nach Strickrodt kann Testamentsvollstreckung aber auch nach<br />
erfolgreicher Gründung der Stiftung noch sinnvoll sein, etwa<br />
zur Klärung akuter Sach- und Rechtsfragen der inneren Stiftungsorganisation<br />
– auch wenn dies im Aufgabenbereich der<br />
Stiftungsaufsicht liegen sollte. 102 Zudem ist die Dauervollstreckung<br />
in einer überwachenden, kontrollierenden Funktion –<br />
89) Vgl. Arnhold, S. 185 ff , insbes. S. 189, 190.<br />
90) Vergleichend kann der Fall des LG Stuttgarts, ZEV 2009, 396, herangezogen<br />
werden, in dem das Bedürfnis für die Anordnung einer Nachlasspfl egschaft abgelehnt<br />
wird, weil davon ausgegangen werden kann, dass der Erblasser eine Interessenkollision<br />
nicht befürchtet, wenn er die Testamentsvollstrecker zugleich auch als<br />
Stiftungsvorstand einsetzt. Solange eine konkrete Gefährdung der Interessen der<br />
Stiftung nicht im Raum stehe, müsse der Wille des Erblassers Vorrang haben.<br />
91) Arnhold, S. 187 ff .<br />
92) Vgl. Otto in jurisPK-BGB, 5. Aufl . 2010, § 34 Rn 2.<br />
93) Otto in jurisPK-BGB, 5. Aufl . 2010, § 34 Rn 7.<br />
94) Ellenberger in Palandt, 71. Aufl . <strong>2012</strong>, § 34 Rn 2.<br />
95) Da nur der formgültig erklärte Erblasserwille Rechtswirkung entfaltet, muss nach<br />
der Andeutungstheorie der durch Auslegung ermittelte Wille des Erblassers im<br />
Testament hinreichend Rückhalt fi nden, vgl. Leipold, MüKo, § 2084 Rn 14 ff .<br />
96) Vgl. insoweit auch Risch in ZSt 2006, 162, 163 f.<br />
97) Hof in Seifart/v. Campenhausen, § 6 Rn 108; Fischer, BWNotZ 2005, 97, 106;<br />
Wochner, MittRhNotK 1994, 89, 98.<br />
98) O. Schmidt, ZEV 2000, 438.<br />
99) Vgl. Schewe, S. 248.<br />
100) Schaub in Bengel/Reimann, Kap. 5 Rn 302.<br />
101) Vgl. nur Hof, Seifart/v. Campenhausen, § 6 Rn 106; Schlüter/Stolte, Kap. 2 Rn<br />
118.<br />
102) NJW 1964, 1316, 1319.<br />
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