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November 2012 - Zerb

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Erbrechtspraxis<br />

des Entziehungsgrundes „Freiheitsstrafe von mindestens einem<br />

Jahr ohne Bewährung“ geben diesem Instrument schärfere und<br />

wohl auch rechtsstaatlichere Konturen.<br />

3. Gestaltungstestate der Rechtsprechung<br />

a) Ehegattenzuwendungen und Güterstandsvereinbarungen<br />

Bei den durch die Rechtsprechung erteilten Gestaltungstestaten<br />

erlaubt die Ehegattenzuwendung wegen der dadurch ausgelösten<br />

Pfl ichtteilsergänzung regelmäßig keine eff ektive Reduzierung,<br />

es sei denn, es handelt sich um entgeltliche Geschäfte. 7<br />

Eine häufi ge Praxisvariante ist die Zuwendung im Rahmen<br />

eines ehevertraglichen Güterstandswechsels. Die dadurch<br />

entstehenden Ausgleichsansprüche sollen nach herrschender<br />

Meinung – weil entgeltlich erfolgt – keine Pfl ichtteilsergänzung<br />

auslösen. Auch sieht der Bundesfi nanzhof solche nicht als<br />

freigiebige, der Schenkungsteuer unterliegenden Zuwendungen<br />

an. 8 Vieles ist bei dieser bloß am Entgeltlichkeitskriterium<br />

– nicht am Zuwendungsmotiv – zu messenden Pfl ichtteilsbeeinfl<br />

ussung noch nicht geklärt.<br />

b) Nachträgliche Entgeltfestlegung durch Vereinbarung oder<br />

tatsächliche Dienstleistungserbringung<br />

Der lebzeitigen Umwandlung einer zunächst unentgeltlich<br />

gemeinten Zuwendung in eine entgeltliche kommt bei der<br />

Pfl ichtteilsreduzierung eine besondere Bedeutung zu. 9 2007<br />

hat der Bundesgerichtshof seine noch 1995 insoweit geäußerte<br />

Skepsis aufgegeben und die nachträgliche Entgeltlichkeitsvereinbarung<br />

zugelassen. Grenze bildet nur ein grobes Missverhältnis<br />

zwischen Leistung und Gegenleistung. Die aktuellste<br />

Variante aus diesem Gestaltungskreis hat der Senat Ende letzten<br />

Jahres gebilligt, als er im Rahmen des § 2287 BGB ein lebzeitiges<br />

Eigeninteresse des Erblassers an einer Schenkung bestätigte,<br />

wenn der Beschenkte ohne rechtliche Bindung Leistungen zur<br />

Betreuung im weiteren Sinne übernimmt bzw. weiter übernehmen<br />

will. Hier kommt es für die Frage nach pfl ichtteilsverringernden<br />

Auswirkungen auf Werthaltigkeit bloß tatsächlich<br />

geleisteter Versorgungstätigen an.<br />

c) Pfl ichtteilsergänzung und widerrufl iche Bezugsrechtsbestimmung<br />

in Lebensversicherungen<br />

Das spektakulärste aus den Rechtssprechungsreduzierungstestaten<br />

ist sicherlich die Entscheidung zur Pfl ichtteilsergänzung<br />

bei widerrufl ichen Bezugsrechtsbestimmungen in der Lebensversicherung.<br />

10 Unsere Entscheidung, die Ergänzung an dem<br />

Rückkaufswert zu orientieren, bedeutet unfraglich eine Stärkung<br />

des Pfl ichtteilsberechtigten gegenüber dem Rechtszustand<br />

vorher, der sich am erbrachten Prämienvolumen ausrichtete.<br />

Dass manche mehr erwartet haben, ist aus Sicht der<br />

Enterbten verständlich. Unter Beachtung der erbrechtlichen,<br />

schenkungsrechtlichen und versicherungsrechtlichen durch die<br />

Rechtsprechung nicht zu verändernden Vorgaben zum Vermögenstransfer<br />

vom Erblasser zum Begünstigten und zu dessen<br />

originär mit dem Tod entstehenden Versicherungsanspruch 11<br />

war dies – unabhängig vom Zuwendungsmotiv – nicht durchsetzbar.<br />

4. Sonstige Gestaltungsvorschläge<br />

Die sonstigen, vor allem literarischen Gestaltungsvorschläge<br />

müssen sich mit einer bloßen Aufzählung mit ganz wenigen<br />

Erläuterungen begnügen. Das reicht aber, um die jeweiligen<br />

Testatkriterien für ihre Pfl ichtteilsreduzierungseignung off enzulegen.<br />

Dazu zählen die<br />

ZErb 11/<strong>2012</strong><br />

• Weitergabe von Gesellschaftsbeteiligungen aus „warmer“<br />

wie „kalter“ Hand 12 wegen ihrer damit einhergehenden<br />

Nachlasswertverringerung durch Aufnahme eines Dritten<br />

– wie Ehegatten oder Abkömmling – in eine Gesellschaft<br />

und die Frage eines Hinzuerwerbs eines Gesellschaftsanteils<br />

im Todesfalle ohne Abfi ndungsleistungen. Abfi ndungsausschlüsse<br />

sollen zudem nach herrschender Meinung keine<br />

pfl ichtteilsergänzungspfl ichtigen Zuwendungen darstellen.<br />

• Zuwendung von schlecht verwertbaren Gegenständen oder<br />

Gegenständen mit hohem Aff ektionsinteresse mit dem Ziel,<br />

Berechtigte von der Geltendmachung des Pfl ichtteils abzuhalten<br />

• Zuwendung unter aufl ösend bedingten Erbeinsetzungen der<br />

Nachfolgegeneration 13<br />

• Zuwendung mit erheblichen Beschwerungen – etwa Teilungs-<br />

oder Testamentsvollstreckeranordnungen<br />

• Zuwendung mit Nutzungsvorbehalten 14 wegen ihrer<br />

Pfl ichtteilsergänzungsrisiken<br />

• Zuwendung nach entgeltlichem Pfl ichtteilsverzicht<br />

• Zuwendung infolge familienrechtlicher Generierung von<br />

weiteren Pfl ichtteilsberechtigten (etwa Adoption, Vaterschaftsanerkennung,<br />

Eheschließung, Eintragung einer<br />

Lebenspartnerschaft)<br />

und schließlich<br />

• Zuwendung über ein sogenanntes Supervermächtnis, am<br />

besten noch in Kombination mit einem Herausgabevermächtnis,<br />

auch als „Pfl ichtteilsvermeidung durch Universalherausgabevermächtnis<br />

mit und ohne Zweckaufl age“<br />

beschrieben 15<br />

Dieses Gestaltungsmodell basiert unter anderem darauf, dass<br />

der überlebende Ehegatte zugleich als Bestimmungsberechtigter<br />

und als Beschwerter von Vermächtnissen eingesetzt wird.<br />

Dogmatisch handelt es sich regelmäßig um eine Kombination<br />

des § 2156 BGB – Zweckvermächtnis – mit Drittbestimmungsmöglichkeiten,<br />

wie z. B. derjenigen nach § 2151 BGB<br />

betreff end den Empfänger oder nach § 2153 BGB betreff end<br />

den Gegenstand. Primäres Ziel ist, dem Längerlebenden das<br />

Ausnutzen der erbschaftsteuerlichen Freibeträge zu ermöglichen.<br />

Kollisionsprobleme mit dem Drittbestimmungsverbot<br />

des § 2065 Abs. 2 BGB liegen ebenso auf der Hand, wie<br />

pfl ichtteilsbeeinfl ussende Wirkungen von Kombinationen<br />

aus pfl ichtteilsfester Vor- und Nacherbfolge und fl exibler<br />

Vermächtnisregelung. Angesichts der überaus komplizierten<br />

Rechtstechnik lässt sich für den Schluss von Kanzleiter vielleicht<br />

Verständnis aufbringen:<br />

7) BGHZ 116, 167 ff .<br />

8) BFH ZEV 2005, 490.<br />

9) BGH NJW-RR 1996, 705; BGH ZEV 2007, 326; BGH FamRZ <strong>2012</strong>, 28<br />

10) BGHZ 185, 252; RGZ 128, 187.<br />

11) Wendt, ErbR 2011, 196 ff ; ders. ZNotP 2011, 242; Rudy, VersR 2010, 1395;<br />

Herrler, ZEV 2010, 333; Röthel, LMK 2010, 304941.<br />

12) BGH NJW 1959, 1433; 1981, 1956; Müller, Notar 2011, 320 f; Wegmann,<br />

ZEV 1998, 135.<br />

13) OLG Hamm FamRZ 2005, 1928.<br />

14) BGH ZEV 2006, 265; BGHZ 118, 49; 125, 395; BGH NJW 1994, 1791.<br />

15) DNotI-Report 2010, 3; Schwarz, ZEV 2011, 292; Hölscher, ZEV 2009, 213;<br />

kritisch: Kanzleiter, Festschrift für Brambring 2011, 225.<br />

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