syltimpuls 1/2012 - SYLTIMPULS | Das Nachrichtenmagazin für Sylt
syltimpuls 1/2012 - SYLTIMPULS | Das Nachrichtenmagazin für Sylt
syltimpuls 1/2012 - SYLTIMPULS | Das Nachrichtenmagazin für Sylt
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ab ins Reservat<br />
<strong>Sylt</strong> als Standort ungetrübter Ferienfreuden wird<br />
immer mehr von den „Kriterien“ mo derner<br />
Technologien und Energien einge holt. Nach dem<br />
geplanten Ausbau von Wind krafträdern in der<br />
Nordsee erlebt die Insel nun eine verstärkte Verdichtung<br />
an Strah lungsintensität durch den Bau<br />
von BOS-Funkmasten in List und Hörnum.<br />
Der BOS-Funk ist ein nichtöff entli cher mobiler<br />
-Landfunkdienst in Deutsch land,UKW der<br />
von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben<br />
(BOS) verwendet wird. Er ist durch<br />
die BOS-Funkrichtlinie regle mentiert, deren Neufassung<br />
am 2. Mai 2006 durch das Bundesministerium<br />
des Innern er lassen wurde.<br />
Aber in unserer allergielastigen Zeit warten<br />
auch in diesem Fall Gefahren auf elek tro sensible<br />
Menschen. Der Streit über diese mö g lichen Bedrohungen,<br />
die von der elek tro magnetischen Strahlung<br />
der Mobil funk netze ausgehen, ist ein Dauerbrenner.<br />
Er glimmt seit vielen Jahren mal stärker,<br />
mal schwächer. So haben Schlag zeilen die Angst<br />
geschürt, Handys könnten Krebs her vorrufen.<br />
Dabei hatte die wissen schaftliche Studie, auf die<br />
man sich berief, da<strong>für</strong> kei nerlei Beweis erbracht.<br />
Es fand sich zwar ein zaghafter Hinweis auf einen<br />
Zu sam menhang. Dieser war aber so schwach,<br />
Funkturm in Hörnum<br />
dass die Forscher hervorhoben, <strong>für</strong> klare Schlüs se<br />
bedürfe es weiterer Un tersuchungen.<br />
Es liegt in der Natur solcher Studien, dass<br />
irgend welche Einfl üsse des Alltags, die das Ergebnis<br />
verfälschen, übersehen werden. Und auch bei<br />
Untersuchungen im Labor lauern ungezählte<br />
Fallstri cke. <strong>Das</strong> hängt mit den physikali schen Eigenschaften<br />
der Strah lung zusammen. Im Grunde<br />
8<br />
Elektrosmog auf <strong>Sylt</strong><br />
Titel<br />
sind die se Unzu länglichkeiten ein Le bens elix ier<br />
der Wis senschaft, denn sie erfordern immer neue<br />
Forschungen.<br />
Der Mensch bekommt zum Glück nicht viel<br />
mit von seiner elektromagnetischen Um welt, auch<br />
wenn immer höhere Fre quen zen genutzt werden.<br />
Die Ohren wür den ihm klingen, Licht blitze in<br />
sei nen Augen zucken und ungezählt e Nadel stiche<br />
die Haut malträtieren. Von dem riesigen Spektrum<br />
an elektromagnetisc h en Wellen natür lichen<br />
und tech nischen Ur sprungs ist es eigent lich nur<br />
der schmale Be reich des sicht baren Lichts, den<br />
wir wahr neh men. Blind, taub und gefühll os ist<br />
der Mensch nicht nur <strong>für</strong> die ultraviolette Strahlung<br />
etwa der Sonne, sondern auch <strong>für</strong> die vergleichsweise<br />
energiearme Strah lung, die etwa von<br />
Radio- und Fern seh sendern, Mi kro wel lenöfen,<br />
Fern be die nungen zum Auf schlie ßen des Autos,<br />
vom hei mischen Schnurlos telefon und vom Mobilfunknetz<br />
aus geht. Vie len ist das un heim lich.<br />
Dem „Wellen bad“ kann man jedenfalls nicht entrinnen.<br />
Aber muss man sich des halb ängsti gen?<br />
Ralph Herbal (Name geändert) sagt zu die ser<br />
Frage ja. Er ist mittlerweile so empfi ndl ich, dass er<br />
in Momenten, in denen er sich nicht wohl fühlt,<br />
seine Nach barn beschuld igt, ihm Schaden zufügen<br />
zu wol len, in dem sie ihren WLAN-Sender<br />
ein schalten und nicht mehr ausschalten.<br />
Herbal ist elektrosensibel. <strong>Das</strong> hat seine Ärztin<br />
diagnostiziert. Sie glaubt, dass sein Körper von<br />
elektromagnetischer Strahlung krank wird. Berner<br />
hat Panikattacken, er schwitzt grundlos, ihn<br />
schwindelt, er schläft trotz totaler Erschöpfung<br />
nächte lang nicht, manchmal hat er Formulierungslücken.<br />
Er hat kalten Schweiß an den Beinen,<br />
heftiges Herzklopfen, Kopf schmer zen und<br />
ständigen Durst, er ist ner vös, seine Arme und<br />
Beine kribbeln oft, und die Augen kneift er unbewusst<br />
zu klei nen Schlitzen zusammen, als müsse<br />
er sich vor grellem Licht schützen. Als er noch<br />
nicht wusste, was ihm fehlte, behalf er sich auf Rat<br />
seines Arztes mit zwei bis drei Va liumtabletten<br />
am Tag, mit der Erweite rung der Nasennebenhöhlen,<br />
der Entfer nung von Gallensteinen, Hypnose<br />
und ei ner Psychotherapie. Dann kündigte er<br />
sei nen Job. Nichts half. Erst als er in eine Wohnung<br />
ohne Elektrosmog zog, als er sich fernhielt<br />
von WLAN-Strahlen, von Handys, schnurlosen<br />
Telefonen und Mobilfunksen demasten, ging es<br />
ihm plötz lich besser. So lange, bis er neue Nachbarn<br />
bekam, die einen WLAN-Sender in ihrer<br />
Wohnung in stallierten.<br />
Er ist nicht allein mit seiner Elektrosensibilität.<br />
<strong>Das</strong> Bundesamt <strong>für</strong> Strahlenschutz (BfS)<br />
schätzt, dass sechs bis neun Prozent der Deutschen<br />
das gleiche Problem haben. Es nimmt die<br />
Beschwerden dieser Men schen ernst, doch glaubt<br />
Wellenmeer durch Funk<br />
man dort nicht, dass es wirklich die Strahlen sind,<br />
die krank machen. Vielmehr haben Studien des<br />
BfS ergeben, dass „bisher kein ursächlicher Zusammenhang<br />
zwischen dem Vorhandensein elektromagnetischer<br />
Felder und den ge sundheitlichen<br />
Beschwerden festgestellt wer den konnte“.<br />
In anderen Ländern ist das anders. In Schweden<br />
gelten Elektrosensible als „kör perlich beeinträchtigt“,<br />
sie haben ein Recht auf einen elektrosmogfreien<br />
Arbeitsplatz, <strong>für</strong> die Kosten zur<br />
Umrüstung muss der Ar beitgeber aufkommen.<br />
Einige Krankenhäu ser stellen strahlungsfreie<br />
Krankenzimmer zur Verfügung, und in Stockholm<br />
bezahlt die Stadtverwaltung den Betroff enen<br />
die Abschirmung ihrer Wohnung, indem sie<br />
zum Beispiel <strong>für</strong> spezielle Wandfarbe oder spezielle<br />
Stromkabel aufkommt. Eine fran zösische<br />
Kleinstadt hat 2009 als erste Ge meinde der Welt<br />
ihre Schulen WLAN-frei gemacht, einige britische<br />
Privatschulen ver zichten ebenfalls darauf.<br />
Ein wissenschaftlicher Nachweis über die<br />
Schädlichkeit elektromagnetischer Strah lung<br />
wurde bislang nicht erbracht. <strong>Das</strong> Ein zige, was unzweifelhaft<br />
bewiesen ist, ist eine Erwärmung des<br />
menschlichen Körpers durch die Strahlung. Kritiker<br />
bemängeln al lerdings, dass Forschungsergebnisse<br />
einsei tig interpretiert und von Wissenschaftlern<br />
formulierte Risiken kleingeredet würden.<br />
Den Umgang mit den Ergebnissen der jüngsten<br />
internationalen Untersuchnung der „Weltgesundheitsorganisation“<br />
(WHO) zum Th ema<br />
Handy, der Interphone-Studie, hal ten Mobilfunkkritiker<br />
jedenfalls <strong>für</strong> falsch. Da<strong>für</strong> wurden in<br />
den vergangenen zehn Jah ren mehr als 5000 Personen<br />
mit Hirntumor befragt. Ergebnis: Häufi ges<br />
Telefonieren mit dem Handy führt nicht nachweisbar<br />
zu Krebs. Aber die Studie bekennt auch,<br />
dass grund sätzlich eine Erhöhung des Risikos <strong>für</strong><br />
Hirntumore durch intensi ve Handynutzung nicht<br />
auszuschließen ist. Denn über Lang zeitwirkungen<br />
des Vieltelefonie rens oder die Risiken <strong>für</strong> Kinder<br />
und Ju gendliche macht sie keine Aussagen.<br />
Viele große Ver sicherungsgesellschaften ver-