SPEISEPLAN September/ Oktober 2010 - Studentenwerk Berlin
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Der Stadtteil St. Pauli steht vielleicht stellvertretend<br />
für das, was Hamburg ausmacht:<br />
Weltgewandtheit, eine Prise lässige Arroganz<br />
und nicht zuletzt derbe, aber ehrliche<br />
Lebensart. Hier gilt der Satz: „Mach dein<br />
Ding – Alter, wir mögen dich so, wie du bist.“<br />
Kein Wunder, dass sich eine Band, die auf St.<br />
Pauli gegründet wird, keinen Konventionen<br />
beugt. Le Fly nennen ihren Stil „Tanzmusik“.<br />
Genau genommen ein Konglomerat<br />
aus Rock, Hip-Hop, Pop und schlageresken<br />
Elementen. Die Mucke ist einprägsam und<br />
das Tanzbein zappelt wie von selbst, wenn<br />
die sechs Hamburger Musiker Olli (Gesang),<br />
Schmiddlfinga (Rap), Robsie (Drums), Bastus<br />
(Bass), Hendrixyz (Gitarre) und Benni<br />
Barfuss (DJ) live spielen. Mit im Gepäck das<br />
aktuelle Album „St. Pauli Tanzmusik“. Wir<br />
sprachen mit Drummer Robsie über Hamburger<br />
Attitüden und überflüssige Prominenz.<br />
Wie sind Le Fly entstanden?<br />
Robsie: „Ich hatte zusammen mit unserem<br />
Sänger bereits drei Jahre Rock‘n‘Roll<br />
gemacht. Auf einem Konzert hatten uns<br />
unser heutiger DJ Benni und unser Rapper<br />
Schmiddlfinga gesehen. Die fanden uns gut<br />
und haben uns angeschnackt. Wir haben uns<br />
dann wahnsinnig betrunken und festgestellt,<br />
dass wir etwas zusammen machen wollen.<br />
So war das.“<br />
Warum nennt ihr euren Stil „Tanzmusik“?<br />
Das Wort klingt nach Tanzschule und alten<br />
Dorfgasthöfen.<br />
Robsie: (lacht) „Wir versuchen natürlich<br />
schon, das Publikum zu initiieren. Damit<br />
sich die Leute bewegen und so kann man<br />
das schon als Tanzmusik beschreiben. Wir<br />
haben damit klar gesagt, was veranstaltet<br />
wird. Glücklicherweise wird ja auch zu uns<br />
getanzt.“<br />
Seid ihr alle „Hamburger Jungs“?<br />
Robsie: „Ja, abgesehen vom Gitarristen, der<br />
neu zugezogen ist, wohnen wir schon alle<br />
seit Dekaden in Hamburg. Ich stamme allerdings<br />
ursprünglich aus Kolumbien, lebe aber<br />
auch schon ewig hier.“<br />
Woher kommt der starke Bezug zu St. Pauli?<br />
Robsie: „Das kommt daher, weil wir alle hier<br />
wohnen. Außerdem pilgern wir seit Jahren<br />
ins Stadion und brennen für den Verein. Und<br />
sind oft genug heulend aus dem Stadion gerannt.<br />
Wir haben dann auch ein Aufstiegslied<br />
geschrieben. Das hatten wir fertig gemacht,<br />
als gerade das vorletzte Saisonspiel gewonnen<br />
war und feststand, dass Pauli tatsächlich<br />
mal wieder aufsteigen wird. Wir sind jetzt<br />
aber keine Stadionband. Wir haben eine<br />
kleine Kooperation mit dem Verein. Aber das<br />
alles läuft eher auf der persönlichen Ebene,<br />
wir kennen da halt ein paar Leute.“<br />
Kannst du in drei Sätzen euren Stil beschreiben?<br />
Robsie: „Hm, Konfetti passt da gut zu und<br />
ein bisschen Schnaps und laute Bässe, damit<br />
man sich im Kreis dreht. Unsere Musik<br />
DAS MUSIK-INTERVIEW<br />
ist dazu da, damit man sich gegenseitig in<br />
den Arm nimmt. Das ist uns auch wichtig.<br />
Man nimmt sich in den Arm und tanzt ein<br />
bisschen.“<br />
Wie entsteht ein Le-Fly-Song?<br />
Robsie: „Olli, unser Sänger, ist sehr spontan.<br />
Der haut zum gejammten Lied in der Probe<br />
Texte raus. Schmuddelfinga kommt hingegen<br />
aus der Schule der klassischen Hip-Hopper.<br />
Die haben immer ihr kleines Songbook<br />
dabei und schreiben dort Texte hinein, wann<br />
immer Einfälle da sind. Dann wird auch oft<br />
aus diesem Buch was Passendes rausgezogen.<br />
Das sind natürlich zwei völlig verschiedene<br />
Herangehensweisen. Die eine ist die<br />
Rocker-Herangehensweise und die andere ist<br />
die, wie es der Hip-Hopper zu tun pflegt.“<br />
Knallen die Philosophien nicht aufeinander?<br />
Robsie: „Nein, zum Glück gar nicht. Es ist<br />
eher so, dass es sich gegenseitig befruchtet.<br />
Da das alles auf so einer netten und persönlichen<br />
Ebene geschieht. Da sagt man:<br />
‚Das hätte ich nie so gemacht. Das ist aber<br />
cool, das mal so zu sehen.‘ Man nimmt dann<br />
von der anderen Musikrichtung einiges an<br />
Vorgehensweisen und Denkweisen mit. Es<br />
ist eine entspannte Weise, so mit Musik umzugehen.“<br />
Eure Texte sind nicht grad drogenfrei. Sind<br />
Musiker grundsätzlich gern zu?<br />
Robsie: „Das kann man nicht pauschalisieren.<br />
Im Grund tut es nicht dringend not. Aber das<br />
ist ein breites Feld. Denn wir sitzen natürlich<br />
auch mal gerne an der Bar und nehmen ein<br />
paar Drinks. Es ist aber nicht so, dass wir auf<br />
harten Drogen herumvegetieren, im Gegenteil.“<br />
Teils geht’s in den Texten derbe zur Sachen.<br />
Gibt es da Diskussionen über Geschmacksgrenzen?<br />
Robsie: „Natürlich wird auch diskutiert, was<br />
jetzt in welcher Form gesagt wird. Bislang ist<br />
es noch nicht passiert, dass einem irgendwas<br />
unangenehm war. Das wäre so ein Punkt.<br />
Wenn ich das Gefühl hätte, nicht komplett<br />
dahinterzustehen, dann würde ich intervenieren.<br />
Es ist halt eine klare Ausdrucksweise,<br />
die nichts beschönigt. Die im Grunde aber<br />
auch sehr ehrlich ist. Dazu kann jeder noch<br />
guten Gewissens abtanzen.“<br />
Bei wem würdest du gerne mal als Protestgast<br />
die Gartenparty sprengen bzw. als<br />
Überraschungsband das Fest versüßen?<br />
Robsie: „Eine schöne Frage. Ich finde das mit<br />
dem Protest ja gut. Da hätte ich schon gerne<br />
für ‚Double-U-Bush‘ gespielt. Das wäre gut<br />
gewesen, im Weißen Haus die Gartenparty<br />
auseinander zunehmen. Da wir aber eigentlich<br />
versuchen mit unserer Musik Freude<br />
anzurichten, würde ich gerne mal mit den<br />
Jungs von ‚Studio Braun‘ etwas zusammen<br />
machen. Mit Rocko Schamoni, Heinz Strunk<br />
und Jaques Palminger auf der Gartenparty,<br />
das wäre schon etwas. Aber das ist meine<br />
rein persönliche Meinung. Da hat sicher jeder<br />
seinen Favoriten. Zumindest müssten wir da<br />
nicht weit fahren.“<br />
Warum bringt Hamburg so viele coole Projekte<br />
hervor?<br />
Robsie: „Wie alle Städte, aus denen viel<br />
kommt, ist Hamburg eine Stadt mit Anschluss<br />
an die große weite Welt. Durch den<br />
Hafen ist die Stadt mit Leuten aus allen Ecken<br />
der Welt gesegnet, die es an die Reeperbahn<br />
gespült hat. Hamburg ist ein Schutzraum, so<br />
wie z. B. <strong>Berlin</strong> und sehr kreativ.“<br />
Wenn du bei einem unliebsamen Promi mal<br />
den Stecker ziehen dürftest …<br />
Robsie: „In Hamburg wäre Schill so ein Kandidat<br />
gewesen, aber der hat den Stecker ja<br />
selbst gezogen. Das war schon eine blamable<br />
Geschichte für die Stadt. Der gute Mann wäre<br />
da schon meine Nr. 1 gewesen.“<br />
Euer Album ist 2009 erschienen, <strong>2010</strong> seid<br />
ihr viel getourt. Was sind die Ziele für 2011?<br />
Robsie: „Für das nächste Jahr wäre es sehr,<br />
sehr großartig, wenn wir eines der großen<br />
Festivals wie ‚Rock am Ring‘ oder bei ‚Rock in<br />
Rio‘ spielen könnten. Aber das sind natürlich<br />
hochgesteckte Ziele. Grundsätzlich hätten<br />
wir an größeren Festivals auf jeden Fall<br />
Spaß.“<br />
Interview: Dirk M. Oberländer<br />
Aktuelles Album: „St. Pauli Tanzmusik“<br />
� � www.lefly.de<br />
Hm,<br />
Konfetti passt<br />
da gut zu<br />
und ein<br />
bisschen<br />
Schnaps und<br />
laute Bässe ...<br />
Le Fly im Interview 25<br />
Foto: Golterman/Wulf