Gutachten Rassegefährlichkeit - VDH-Sachverständiger Gerald Groos
Gutachten Rassegefährlichkeit - VDH-Sachverständiger Gerald Groos
Gutachten Rassegefährlichkeit - VDH-Sachverständiger Gerald Groos
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Um die Bedeutung der Unfallsituation für Beißvorfälle abschätzen zu können, muss die Frage<br />
nach der Motivation des Hundes zu aggressivem Verhalten gestellt werden. Wie bereits<br />
angeführt, unterliegt aggressives Verhalten aus der Sicht des Hundes einer Kosten-Nutzen-<br />
Rechnung (ZIMEN, 1992). Das bedeutet, dass der tatsächliche Angriff sich aus einer<br />
Kombination von Motivation einerseits und Hemmung andererseits ergibt. Motivationen zum<br />
Angriff ergeben sich aus vier ethologischen Funktionskreisen (IMMELMANN, 1983):<br />
1) intraspezifische Aggression<br />
a) Aggression auf der Basis von Dominanzverhalten<br />
b) Aggression auf der Basis von Territorialverhalten<br />
2) interspezifische Aggression<br />
a) Beutefang<br />
b) Verteidigung<br />
Bei Hunden, die de facto die domestizierte Form des Wolfes darstellen, kann es als<br />
Domestikationsfolge zur Überlagerung verschiedener Antriebssysteme kommen (ZIMEN,<br />
1992). So kann z.B. aus intraspezifischem Spielverhalten (Hund spielt mit dem Kind des<br />
Besitzers, das er als Rudelmitglied akzeptiert) durch Überlagerung interspezifisches<br />
Beutefangverhalten werden (Kind fällt hin oder läuft davon). Normalerweise gehört der<br />
Mensch nicht zum Beuterepertoire des Hundes. Bestimmte Elemente des menschlichen<br />
Verhaltens können aber sehr stark jagdtriebauslösende Schlüsselreize sein wie z.B. schnelles<br />
Vorbei- oder Weglaufen, unkontrollierte Bewegungen, Stolpern oder Hinfallen (Kinder,<br />
Betrunkene, Behinderte). Sind zwei Hunde beteiligt, kann durch Dominanzverhalten die<br />
Situation verschärft werden (die beiden Hunde streiten sich um die Beute).<br />
Unter Berücksichtigung der genannten vier ethologischen Funktionskreise ergeben sich<br />
typische Unfallsituationen:<br />
- Opfer betritt Territorium des Hundes (Territorialverteidigung)<br />
- Opfer läuft vor dem Hund davon (Beutefang)<br />
- Opfer fährt mit dem Fahrrad am Hund vorbei (Beutefang)<br />
- Opfer unterschreitet die kritische Distanz des Hundes<br />
- Hund fühlt sich bedroht (Verteidigung)<br />
- Opfer fügt dem Hund Schmerzen zu (Verteidigung)<br />
- Opfer nimmt dem Hund sein Futter weg<br />
(Dominanzverhalten)<br />
- Opfer verdrängt den Hund von einem Vorzugsplatz z.B.<br />
Sofa oder Bett (Dominanzverhalten)<br />
Eine relativ häufige Unfallursache ist das Eingreifen des Opfers in einen Kampf zwischen<br />
zwei Hunden (SZPAKOWSKI, 1989; TERNON, 1992;). Bißverletzungen des Menschen sind<br />
in diesem Fall als Zufall anzusehen, denn die Aggression des beißenden Hundes, die primär