Ausgabe 5/2008 - Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
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BILDUNGSPOLITIK<br />
Gesamtschuloberstufe<br />
der beste Weg zum Abitur für Jugendliche<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
von Anne Ratzki<br />
Die Zahlen sind brisant: Nur<br />
5 % der Jugendlichen mit ausländischer<br />
Staatsangehörigkeit<br />
ereichen das Abitur über das<br />
Gymnasium. In der Gesamtschule<br />
sind es 14 % . Hierbei<br />
sind noch nicht die Jugendlichen<br />
mit deutschem Pass,<br />
aber mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
erfasst, weil es darüber<br />
keine Statistiken gibt.<br />
Zur Schullaufbahn der GesamtschülerInnen<br />
insgesamt in<br />
der Oberstufe ist zu sagen:<br />
In der 11. Klasse nehmen die<br />
Gesamtschulen 7% Schüler<br />
aus Hauptschulen auf, meist<br />
Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong>;<br />
22% kommen von<br />
Realschulen, 66% haben vorher<br />
eine Gesamtschule besucht.<br />
71% der Schüler, die in die 11.<br />
Klasse aufgenommen wurden,<br />
erreichen das Vollabitur,<br />
19% machen das Fachabitur.<br />
Nur 10% erreichen keinen der<br />
beiden Abschlüsse, oft weil sie<br />
in der 11. Klasse „geparkt“ haben,<br />
bis sie eine gute Lehrstelle<br />
fanden.<br />
Das Abitur ist völlig gleichwertig,<br />
weil Gymnasien <strong>und</strong><br />
Gesamtschulen dasselbe Zentralabitur<br />
abnehmen. Obwohl<br />
an Gesamtschulen sehr viele<br />
Kinder aus Familien, die selbst<br />
keine höhere Schulbildung<br />
haben, das Abitur machen, ist<br />
die Durchschnittsnote aller Abiturienten<br />
nur um eine drittel<br />
Note (0,28 Punkte) geringer<br />
als am Gymnasium. Fast genau<br />
so viele Abiturienten an der<br />
Gesamtschule wie am Gymnasium<br />
erreichen Bestnoten.<br />
Sehr unterschiedlich sind dagegen<br />
die Bedingungen in der<br />
Sek<strong>und</strong>arstufe I. Die Gesamtschule<br />
nimmt im 5. Jahrgang<br />
eine heterogene Schülerschaft<br />
auf, die alle verschiedenen<br />
Schulformempfehlungen der<br />
Gr<strong>und</strong>schule mitbringt. Darunter<br />
ist ein hoher Migrantenanteil,<br />
zwischen 20 <strong>und</strong> 40%,<br />
bei einem Drittel der Schulen<br />
über 40%. Davon erreichen<br />
wesentlich mehr SchülerInnen<br />
die Oberstufe, als nach den<br />
Gr<strong>und</strong>schulempfehlungen zu<br />
erwarten war.<br />
In das Gymnasium wird nur<br />
aufgenommen, wer die Empfehlung<br />
geeignet oder vielleicht<br />
geeignet erhalten hat. Der Migrantenanteil<br />
ist verschwindend<br />
gering, 78% der Gymnasien<br />
haben eine Migrantenanteil<br />
unterhalb von 15%. Trotzdem<br />
erreichen am Gymnasium 20%<br />
der SchülerInnen nicht die<br />
Klasse 11, <strong>und</strong> in der Oberstufe<br />
scheitern noch einmal 19,3%.<br />
SEITE<br />
Die Regierungsparteien FDP<br />
<strong>und</strong> CDU wollen die Gesamtschuloberstufen<br />
abschaffen.<br />
Was ist der Gr<strong>und</strong>?<br />
Seit Jahren werden erheblich<br />
mehr Kinder an Gesamtschulen<br />
angemeldet als aufgenommen<br />
werden können. Die<br />
Gesamtschulen sind wegen<br />
des gemeinsamen Lernens<br />
<strong>und</strong> der offenen Bildungswege<br />
attraktiv. Initativen für weitere<br />
Gesamtschulen üben Druck<br />
aus. Ohne Oberstufe würden<br />
Gesamtschulen einen großen<br />
Teil ihrer Attraktion verlieren<br />
<strong>und</strong> könnten, wie die CDU seit<br />
langem plant, mit Hauptschulen<br />
zusammengelegt werden.<br />
Die beiden Parteien wollen<br />
auf jeden Fall das gegliederte<br />
Schulsystem erhalten, ohne<br />
Rücksicht auf Chancengleichheit,<br />
ohne Rücksicht auf Integration.<br />
Was wären die Folgen? Für<br />
viele Kinder, die nicht aus<br />
wohlsituierten Familien stammen,<br />
vor allem für Kinder aus<br />
zugewanderten Familien, gibt<br />
es nur noch geringe Chancen<br />
auf eine höhere Bildung, auf<br />
Abitur <strong>und</strong> Studium. Diese<br />
Kinder sollen dumm bleiben<br />
– das scheint die Absicht zu<br />
sein.<br />
Quelle: GGG (Hrsg.): Gesamtschule in<br />
NRW III/<strong>2008</strong>, S. 5-18