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SEITE 1 - Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

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von Heiner Frey<br />

Auf dem <strong>Gewerkschaft</strong>stag 2010<br />

hatte die Antragskommission<br />

einen entsprechenden Antrag<br />

Bielefelds, der u. a. von Köln unterstützt<br />

wurde, ohne Kommentar<br />

abgelehnt. Zur Antragsberatung<br />

kam es schließlich aus „Zeitgründen“<br />

nicht mehr.<br />

Dem Landesvorstand gegenüber<br />

übte ich harte Kritik an der Ablehnung<br />

von tariflichen „Bonuszahlungen“<br />

für <strong>Gewerkschaft</strong>ler<br />

<strong>und</strong> fügte die Gr<strong>und</strong>lagen meines<br />

Beitrags an:<br />

In meinem geplanten Diskussionsbeitrag<br />

ich hätte ein Zitat an<br />

den Anfang gestellt <strong>und</strong> „rhetorisch“<br />

gefragt, von wem es wohl<br />

stamme:<br />

„Die Anwendung moderater tarifvertraglicherDifferenzierungsklauseln<br />

dient zur Stärkung der<br />

Tarifautonomie!“<br />

Dieses Zitat stammt weder von<br />

Michael Sommer, noch von Frank<br />

Bsirske, auch nicht von Olaf<br />

Scholz oder Guntram Schneider,<br />

nein es stammt von der CDU-<br />

Landtagsfraktion NRW (Petersberger<br />

Erklärung 2008).<br />

Drei Argumentationslinien möchte<br />

ich anreißen:<br />

1. der Gr<strong>und</strong>gesetz-Auftrag<br />

Art. 9 Abs.3 garantiert die Koalitionsfreiheit,<br />

diese wiederum<br />

sichert die Tarifautonomie.<br />

Durch die Tarifautonomie kommen<br />

Tarifverträge zustande, die<br />

originär nur für <strong>Gewerkschaft</strong>smitglieder<br />

gelten. Voraussetzungen<br />

für „gute“ Tarifverträge<br />

TARIFPOLITIK<br />

Bonuszahlungen für <strong>Gewerkschaft</strong>smitglieder?<br />

sind starke, d. h. mitgliederstarke<br />

<strong>Gewerkschaft</strong>en - <strong>und</strong> Bonuszahlungen<br />

erhöhen den Organisationsgrad.<br />

Infofern „verifizieren“<br />

Bonuszahlungen den GG-Auftrag<br />

der Koalitionsfreiheit.<br />

(Quasi im Umkehrschluss hat<br />

das BAG diese Haltung bestätigt,<br />

indem es dem Christlichen <strong>Gewerkschaft</strong>sb<strong>und</strong>,<br />

der für Arbeitgeberverbände<br />

insbesondere der<br />

Leiharbeitsunternehmen „Gefälligkeitstarifverträge“abzuschließen<br />

bereit war, die Tariffähigkeit<br />

wegen ›fehlender Mächtigkeit‹<br />

abgesprochen hat!)<br />

2. individueller Aspekt<br />

<strong>Gewerkschaft</strong>smitglieder tragen<br />

durch ihre Beitragszahlung <strong>und</strong><br />

ehrenamtliche Mitarbeit materiell<br />

<strong>und</strong> ideell zur Erhaltung der<br />

Tarifautonomie <strong>und</strong> zu Tarifverträgen<br />

bei.<br />

Ca. 80 % meiner Kollegen nehmen<br />

die Leistungen unseres Tarifvertrages<br />

in Anspruch ohne eine<br />

Gegenleistung zu erbringen. Unter<br />

diesem Aspekt liegt es nahe, hochgeschätzte<br />

Kollegen, mit denen ich<br />

mich arbeitsbezogen eng verb<strong>und</strong>en<br />

fühle, als „Trittbrettfahrer“ zu<br />

betrachten.<br />

Auch das BAG hat in einem Urteil<br />

festgestellt, dass Bonuszahlungen,<br />

soweit sie sich unterhalb des Mitgliedbeitrags<br />

befinden <strong>und</strong> nicht<br />

die tatsächliche Ertragsverteilung<br />

im Betrieb verschieben, keinen<br />

Verstoß gegen die Gleichbehandlung<br />

darstellen.<br />

<strong>Gewerkschaft</strong>smitglieder sind mit<br />

ihrer Verantwortlichkeit für die<br />

Tarifautonomie nicht mit Außenstehenden<br />

gleichzusetzen. Sehr<br />

<strong>SEITE</strong> 22<br />

treffend hat Ilse Schaad Bonuszahlungen<br />

als „Nachteilsausgleich“<br />

bezeichnet!<br />

3. arbeitsrechtlicher Aspekt<br />

Noch 1967 untersagt das BAG<br />

ein 60 DM höheres Urlaubsgeld<br />

für <strong>Gewerkschaft</strong>ler mit dem<br />

Argument der „negativen Koalitionsfreiheit“,<br />

dies widerspreche<br />

dem Gerechtigkeitsgefühl Außenstehender.<br />

Schon in den 80ern<br />

ändert sich der Tenor der Urteile<br />

<strong>und</strong> 2006 stellt das BAG fest, Art.<br />

9 GG schütze Außenstehende<br />

nur vor dem Zwang zum Beitritt.<br />

Zwang liege aber nur vor, wenn<br />

die Alternative zum Beitritt in<br />

„erheblichen wirtschaftlichen<br />

Nachteilen“ bestehe.Der Anreiz<br />

zum Beitritt stelle hingegen keinen<br />

Zwang dar. Die Frage tarifvertraglicherDifferenzierungsklauseln<br />

mag in den Verhandlungen<br />

im ÖD, etwa um LEGO, eine<br />

nachgeordnete Bedeutung haben.<br />

In Bildungsunternehmen mit<br />

geringem Organisationsgrad <strong>und</strong><br />

entsprechend schwachen, schlechten<br />

Tarifverträgen erhöhen sie<br />

den Organisationsgrad!<br />

Zwei Beispiele möchte ich anführen:<br />

Ver.di hat in einer Niederlassung<br />

der IB-GmbH, dem Arbeitsprojekt<br />

mit eigenem Tarifvertrag im Rahmen<br />

von „KölnArbeit“, im März<br />

2010 tariflich eine Bonuszahlung<br />

von 200 Euro abgeschlossen. Die<br />

Auswirkungen auf den Organisationsgrad<br />

sind spürbar.<br />

Beim IB e.V. haben ver.di <strong>und</strong><br />

GEW eine Bonuszahlung von ca.<br />

250 Euro vereinbart!<br />

von Jürgen Amendt,<br />

›Neues Deutschland‹<br />

Zeitverträge, schlecht bezahlte<br />

Jobs auf Honorarbasis, Löhne<br />

aufHartz IV-Niveau: Prekäre<br />

Beschäftigungsverhältnisse<br />

sind bei den freien Trägern der<br />

Jugend-, Sozial- <strong>und</strong> Bildungsarbeit<br />

keine Ausnahme. Das<br />

ist nicht unbedingt nur Schuld<br />

der privaten Arbeitgeber, denn<br />

die Tätigkeit der Sozialarbeiter,<br />

Lehrkräfte <strong>und</strong> Erzieherinnen<br />

wird vom Staat ungenügend<br />

finanziert.<br />

Wie viel sind der Gesellschaft<br />

Sozialarbeit, Bildung, die<br />

Betreuung von Kindern <strong>und</strong><br />

Jugendlichen, die Integration<br />

von Zuwanderern wert? Oder<br />

anders gefragt: Wie viel ist<br />

dem Staat gute Arbeit für gute<br />

Bildung wert? ›Wenig‹, lautet<br />

die ernüchternde Antwort<br />

von Dörte Wihan aus Berlin.<br />

Vor einigen Jahren hat sie<br />

für einen kleinen Träger eine<br />

Kindertagesstätte im Stadtteil<br />

Friedrichshain aufgebaut. Das<br />

Angebot an Kita-Plätzen kann<br />

dort seit Jahren nicht mehr mit<br />

dem stetig steigenden Bedarf<br />

Schritt halten. Bei jungen Familien<br />

ist der Stadtteil beliebt.<br />

Der Bezirk müsste also alles für<br />

eine qualifizierte frühkindliche<br />

Bildung tun.<br />

Sollte man jedenfalls meinen,<br />

doch die Realität sieht anders<br />

aus. »Schon die Anschubfi-<br />

JUGENDHILFE / WEITERBILDUNG<br />

... <strong>und</strong> am Wochenende wird gekellnert<br />

Skandalös: prekäre Beschäftigungsverhältnisse bei freien Trägern<br />

nanzierung für die Kita war<br />

schwierig«, erzählt Wihan.<br />

»Ohne private Kredite wäre<br />

die Gründung der Kita gar<br />

nicht möglich gewesen«<br />

Das, was man an staatlichen<br />

Geldern erhalte, reiche auch<br />

heute nicht aus, um den<br />

Erzieherinnen gute Gehälter<br />

zahlen zu können, sagt<br />

die Kita-Leiterin. »Große<br />

Träger können sich z. B.<br />

über F<strong>und</strong>raising alternative<br />

Geldquellen erschließen, dafür<br />

fehlen uns aber die Zeit <strong>und</strong><br />

das Personal.«<br />

Berufseinsteiger trifft es<br />

Doch auch bei den großen<br />

Trägern wie den Wohlfahrtsverbänden<br />

oder den Kirchen<br />

wird gerechnet, weiß Bernhard<br />

Eibeck, Referent für<br />

Jugendhilfe <strong>und</strong> Sozialarbeit<br />

beim GEW-Hauptvorstand.<br />

Vor allem Berufseinsteiger<br />

im Kita-Bereich <strong>und</strong> Beschäftigte<br />

in Ostdeutschland seien<br />

von prekären Jobs betroffen.<br />

»Sie sind mehrheitlich befristet<br />

beschäftigt«, heißt es in<br />

einer Studie der Universität<br />

Dortm<strong>und</strong>, die unter Federführung<br />

der <strong>Erziehung</strong>s- <strong>und</strong><br />

Sozialwissenschaftlerin Kirsten<br />

Fuchs-Rechlin entstand. Gegen<br />

das Abrutschen in Hartz IV<br />

gibt es nach Fuchs-Rechlin<br />

nur zwei »Versicherungen:<br />

die Anstellung in einem Normalarbeitsverhältnis<br />

(in Vollzeit<br />

<strong>und</strong> unbefristet) oder das<br />

<strong>SEITE</strong> 23<br />

Zusammenleben in einer Partnerschaft«.<br />

Im Klartext: »Mit<br />

einer Teilzeitbeschäftigung<br />

kann kein existenzsicherndes<br />

Einkommen erzielt werden.«<br />

Der Kreis der Betroffenen ist<br />

groß, da jede zweite Fachkraft<br />

in einer kommunalen wie in<br />

einer Einrichtung in freier<br />

Trägerschaft weniger als 32,5<br />

Wochenst<strong>und</strong>en arbeitet.<br />

Bei den freien Trägern kommt<br />

hinzu, dass viele nicht oder<br />

nur angelehnt an den Tarifvertrag<br />

für den öffentlichen<br />

Dienst (TVöD) zahlen. B<strong>und</strong>esweit<br />

schneiden die privaten<br />

Arbeitgeber in Mecklenburg-<br />

Vorpommern dabei besonders<br />

schlecht ab. Nahezu 80 Prozent<br />

der Kitas (B<strong>und</strong>esschnitt: 66<br />

Prozent) befinden sich im<br />

Nordosten der Republik in<br />

freier Trägerschaft - das Gros<br />

stellen wiederum die großen<br />

Wohlfahrtsverbände wie<br />

Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt<br />

(AWO) oder die im<br />

Paritätischen Wohlfahrtsverband<br />

zusammengeschlossenen

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