SEITE 1 - Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
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Elemente, die sowohl in der<br />
Gesamtschule als auch in der<br />
Gemeinschaftsschule stecken.«<br />
Mit dem Unterschied, dass sie<br />
erheblich kleiner ist, sie braucht<br />
nur drei Parallelklassen mit<br />
mindestens 23 <strong>und</strong> höchstens<br />
25 Schülern, es reichen also 69<br />
Schüler, statt 112 als Mindestgröße<br />
für einen Gesamtschuljahrgang.<br />
Die Gemeinschaftsschule<br />
ist die Antwort auf den<br />
Geburtenrückgang: Auch auf<br />
dem Lande sollen Gemeinden<br />
Schulen behalten, die alle<br />
Abschlüsse anbieten. Bis Klasse<br />
sechs wird in jedem Fall in<br />
heterogenen Lerngruppen<br />
gearbeitet, danach ist die<br />
Aufteilung nach Abschlussniveaus<br />
möglich. Von den 17<br />
genehmigten Gemeinschaftsschulen<br />
haben lediglich zwei<br />
diese Trennung ab Klasse<br />
sieben im Konzept vorgesehen.<br />
Werden die Kinder nach der<br />
Klasse sechs getrennt, so wäre<br />
der Unterschied zu der nun<br />
von der CDU favorisierten<br />
»Verb<strong>und</strong>schule« kaum noch<br />
auszumachen. Diese Schule<br />
wäre im Gr<strong>und</strong>e keine Gemeinschaftsschule<br />
mehr, so wie<br />
der Begriff durch Ernst Rösner<br />
für das schleswig-holsteinische<br />
Reformmodell geprägt wurde.<br />
Nur drei der Neugründungen<br />
entstehen in Großstädten, eine<br />
in Bochum <strong>und</strong> zwei in Köln,<br />
während andere Großstädte<br />
dieses Angebot ignorieren.<br />
Stattdessen werden dort neue<br />
BILDUNGSPOLITIK BILDUNGSPOLITIK<br />
Gesamtschulen gegründet.<br />
Während die alte Regierung<br />
Gesamtschulen zu verhindern<br />
suchte — so scheiterte eine<br />
Gründung in Sankt Augustin<br />
an zwei fehlenden Schülern -<br />
sind sie nun relativ problemlos<br />
möglich. In Köln mussten im<br />
letzten Jahr über 800 Kinder<br />
abgewiesen werden, die einen<br />
Gesamtschulplatz haben<br />
wollten. Das würde für die<br />
Gründung von sechs neuen<br />
Gesamtschulen reichen. Tatsächlich<br />
wurde nur eine neu<br />
eingerichtet. Doch drei Hauptschulen,<br />
deren Bestand bedroht<br />
ist, wie der der meisten städtischen<br />
Hauptschulen, wollen<br />
sich in Gemeinschaftsschulen<br />
umwandeln, um ihr Überleben<br />
zu sichern. Angeblich scheitert<br />
die Gründung neuer Gesamtschulen<br />
an den fehlenden<br />
Gebäuden. Auch in Bornheim<br />
setzt die neue Gemeinschaftsschule<br />
auf die 180 Eltern <strong>und</strong><br />
Kinder, die regelmäßig von der<br />
Gesamtschule abgewiesen<br />
werden. Doch realistisch<br />
rechnet der Schuldezernent<br />
Schnapka nur mit einer zusätzlichen<br />
dritten Klasse an der<br />
bisherigen Hauptschule. Denn<br />
ohne eigene gymnasiale Oberstufe<br />
bleibt sie eine »Mittelschule«,<br />
wenn auch mit integrierten<br />
Bildungsgängen, Im<br />
Unterschied zur Stadtteilschule<br />
in Hamburg, die regelmäßig<br />
eine eigene Oberstufe hat <strong>und</strong><br />
deshalb eher mit Gesamtschu-<br />
<strong>SEITE</strong> 6<br />
len <strong>und</strong> Gymnasien vergleichbar<br />
ist, oder gar zum Berliner<br />
Modell, das eine Schule von<br />
Klasse eins bis 13 vorsieht. Die<br />
Eltern der dritten <strong>und</strong> vierten<br />
Klassen werden befragt, ob sie<br />
denn ihr Kind an der geplanten<br />
Gemeinschaftsschule anmelden<br />
würden. Markus Schnapka, der<br />
Beigeordnete, der für die<br />
Schulen zuständig ist <strong>und</strong> die<br />
Sache vorangetrieben hat, zog<br />
mit der Leiterin der Franziskus-Hauptschule,<br />
dem Standort<br />
der geplanten Gemeinschaftsschule,<br />
durch die Gr<strong>und</strong>schulen<br />
des Ortes <strong>und</strong> warb für die<br />
Gemeinschaftsschule. Die<br />
Gr<strong>und</strong>schule in Bornheim-<br />
Walldorf. Auch hier ein schmucker<br />
Neubau, gut 40 Eltern sind<br />
auf den Stufen des Foyers<br />
versammelt. Henriette Heitmann,<br />
die Leiterin der Hauptschule<br />
in Bornheim-Merten<br />
stellt ihr Konzept vor. Während<br />
sie sonst für die Möglichkeiten<br />
des gemeinsamen Lernens<br />
werben muss, sehen es die<br />
Eltern der Walldorfer Gr<strong>und</strong>schule<br />
gerade als den Vorzug<br />
der neuen Schule an, dass die<br />
Kinder länger zusammen<br />
bleiben. An dieser Gr<strong>und</strong>schule<br />
sind es die Eltern gewohnt, dass<br />
Kinder in einer Klasse in<br />
unterschiedlichem Tempo<br />
lernen, denn hier sind Kinder<br />
vom ersten bis zum vierten<br />
Schuljahr in einer Klasse<br />
zusammen. Nach den Eckpunkten<br />
des Schulministeri-<br />
ums wäre es möglich, eine<br />
Gemeinschaftsschule unter<br />
Einschluss einer Gr<strong>und</strong>schule<br />
zu gründen, wie es in Berlin für<br />
die Gemeinschaftsschule<br />
verbindlich ist - im Unterschied<br />
zur dortigen »Integrierten<br />
Sek<strong>und</strong>ärschule «. Was in<br />
Berlin eher beruhigend wirkt,<br />
würde in Düsseldorf Menschen<br />
erschrecken. In NRW gab es<br />
dazu bisher keinen einzigen<br />
Antrag. Die Gr<strong>und</strong>schulen<br />
leiden noch nicht unter<br />
Existenznöten, da lassen sie<br />
sich nicht auf diesen Schulversuch<br />
ein. Dabei bestünde darin<br />
eine große Chance, dem Ziel<br />
des längeren gemeinsamen<br />
Lernens oder gar der einen<br />
Schule für alle näher zu kommen.<br />
Die Gr<strong>und</strong>schulen sind<br />
die einzigen wirklichen Gesamtschulen.<br />
Würde man sie<br />
bis zur zehnten Klasse verlängern,<br />
so blieben sicher viele<br />
Kinder in dieser Schule, die<br />
nun am Ende der Gr<strong>und</strong>schule<br />
ins Gymnasium wechseln. Die<br />
Gemeinschaftsschule NRW<br />
oszilliert zwischen einer<br />
Fast-Gesamtschule <strong>und</strong> einer<br />
Mittelschule, die bestenfalls<br />
Haupt- <strong>und</strong> Realschulen<br />
zusammenfasst <strong>und</strong> damit die<br />
neue Form der »Volksschule«<br />
wird, die das Gymnasium<br />
braucht, um seine Existenz als<br />
zwar längst nicht mehr Elite-,<br />
aber doch die bessere Schule zu<br />
sichern. Kein Zweifel: Mit der<br />
Gemeinschaftsschule ist eine<br />
»Denkst Du jetzt immer noch, dass ich nur Klausuren korrigierten kann?«<br />
neue Dynamik in die Schulformdiskussion<br />
gekommen.<br />
Die Gesamtschule hat ihre<br />
Bedeutung als Kampfbegriff<br />
eingebüßt. So hat die CDU<br />
NRW ein neues Schulkonzept<br />
vorgelegt, in dem zwar die<br />
Gemeinschaftsschule als neuer<br />
Versuch verteufelt wird, eine<br />
»Einheitsschule« ins Werk zu<br />
setzen, doch dagegen wird die<br />
Gesamtschule plötzlich als<br />
bewährte <strong>und</strong> etablierte Schulform<br />
explizit anerkannt. Bei<br />
der rot-grünen Minderheitsregierung<br />
wächst die Hoffnung<br />
auf einen »Schulkonsens« mit<br />
der CDU. Erstmals bewegt sie<br />
sich weg vom strikten Festhalten<br />
an der Hauptschule. Doch<br />
die Bedingungen, die von der<br />
konservativen Opposition an<br />
ein in ihren Augen konsensfähiges<br />
Schulkonzept gestellt<br />
werden, sind klar: Das Gymnasium<br />
muss erhalten bleiben.<br />
Und dem werden Sozialdemo-<br />
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kraten <strong>und</strong> Grüne auch nicht<br />
offen widersprechen. Nach dem<br />
Scheitern der im Prinzip<br />
halbherzigen Schulreform in<br />
Hamburg durch den Volksentscheid<br />
sehen sich die Grünen<br />
<strong>und</strong> ihre Frontfrau Sylvia<br />
Löhrmann in der Auffassung<br />
bestärkt, dass man Veränderungen<br />
nicht durch den offensiven<br />
Kampf um die Idee eines<br />
gemeinsamen Lernens für eine<br />
demokratische Gesellschaft<br />
erreichen kann, sondern nur<br />
»auf die sanfte Tour«. Nicht die<br />
Landesregierung führt die neue<br />
Schulform ein, sondern die<br />
Schulträger - eine Politik der<br />
Ermöglichung, sagt die Landesregierung.<br />
Sylvia Löhrmann<br />
freut sich über die CDU-Bürgermeister,<br />
die dieses Angebot<br />
annehmen, <strong>und</strong> sie hofft, dass<br />
das Thema dadurch an ideologischer<br />
Schärfe verliert. In<br />
Nordrhein- Westfalen wählen<br />
auch konservative Gemeinden