Reset!Ausgabe, September 2003 als pdf - Mushroom online
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48 TRANCE GESCHICHTE<br />
Von Pablo von Waldenfels<br />
So 1994 schlug ich <strong>als</strong> kleiner,<br />
unerfahrener sechzehnjähriger<br />
Burschi das erste Mal auf einer<br />
Trance-Party auf, eine von Papa<br />
Antaros legendären Sonntagnachmittag-Open-Air-Afterpartys<br />
in der Hamburger City. Dam<strong>als</strong><br />
war zwar nicht alles besser, sondern<br />
eben nur dam<strong>als</strong>, aber: Ich<br />
hatte das Gefühl, zu einer intakten<br />
Gemeinschaft von Leuten zu stoßen,<br />
die mich und meine Buddys<br />
dam<strong>als</strong> sehr gut aufnahm.<br />
Fast jedes Wochenende ging es<br />
fortan auf Partys im norddeutschen<br />
Raum, wo eigentlich nur in<br />
leicht wechselnder Besetzung die<br />
HÖRNCHEN<br />
gleichen vier- bis fünfhundert<br />
Leutchens ihren Spaß hatten. Man<br />
merkte richtig, dass die Szene seit<br />
Anfang der Neunziger (<strong>als</strong>o schon<br />
Jahre bevor ich je davon gehört<br />
habe) organisch gewachsen war.<br />
Den mushroom kannte ich zu der<br />
Zeit übrigens nur <strong>als</strong> Din-A4-<br />
Faltblatt, auf dem die wichtigsten<br />
Techno-Partys und Raves in Norddeutschland<br />
zusammengetragen<br />
wurden.<br />
Langsam hatte sich das aber herumgesprochen,<br />
dass es da eine<br />
bunte Gemeinschaft gibt, die sich<br />
jedes Wochenende ein Bein ausfeierte,<br />
und so wurden die Clubs<br />
immer voller.<br />
Der erste Schock kam dann im<br />
Falling in Trance<br />
die norddeutsche acid-szene<br />
party ist leben – leben ist party<br />
Sommer 95, die Voov Experience<br />
hatte plötzlich Ausmaße angenommen,<br />
mit denen von uns keiner<br />
gerechnet hatte. Gleich Tausende<br />
von Leuten aus aller Welt<br />
waren da und zum ersten Mal<br />
waren unsere Meinungen plötzlich<br />
gespalten. Die einen standen mit<br />
offenen Mündern auf dem Gelände<br />
und schüttelten ungläubig<br />
ihre Köpfe: „Das ist mir jetzt aber<br />
zu viel, Leute, was geht hier denn<br />
ab?!?“ Die anderen freuten sich<br />
einfach darüber, dass jetzt mehr<br />
und mehr Menschen in den<br />
Genuss eines solchen Events<br />
kamen. Einerseits war es klasse,<br />
die Soundsystems wurden größer,<br />
die Partys waren offiziell gemeldet<br />
und wurden nicht mehr regelmäßig<br />
von der Polizei gesprengt;<br />
andererseits stiegen zum Beispiel<br />
die Eintrittspreise drastisch und es<br />
wurde schwierig für viele, sich so<br />
ein Wochenende zu leisten.<br />
Und dann – etwas später – war es<br />
soweit, ich hielt das erste Mal<br />
einen mushroom in den Händen,<br />
in dem eine TIP Compilation die<br />
Platte des Monats war! Etwa zu<br />
Von Mat <strong>Mushroom</strong><br />
Sommernachts gegen 4 Uhr: Ein in strahlende UV-<br />
Farben gehülltes Lichtmeer, bemalte Tücher, leuchtende<br />
Figuren, hunderte oder gar tausende wild tanzende<br />
Hippies unter freiem Himmel; nur Mutter Erde unter<br />
den Füßen. Der vor wenigen Minuten noch aggressive<br />
Sound wechselt langsam zu melodiösen Hooklines.<br />
Wenig später: die ersten Sonnenstrahlen erhellen den<br />
Horizont und geben den Blick auf die energetisch agierende<br />
Menschenmenge frei, den die Nacht uns bisher<br />
geschickt verschloss …<br />
So könnte sich eine ganz normale Open Air Tranceparty<br />
des letzten Sommers abgespielt haben. Auf minimal<br />
und nur szeneintern beworbenen Partys drängelten sich<br />
im letzten Jahr plötzlich bis zu knapp 8000 Leute; alles<br />
vorher geübte Clubraverhouser-Schickimicki war plötzlich<br />
verschwunden und die alte zerrissene Jeans wurde<br />
wieder aus dem Schrank geholt. Alles ist erlaubt und<br />
doch gibt es viele Rituale, denn das Chillum sollte man<br />
beispielsweise schon richtig rauchen. Eine Szene, die es