Reset!Ausgabe, September 2003 als pdf - Mushroom online
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54 TRANCE PHILOSOPHIE<br />
Von Claus Baldauf<br />
Als Jugendbewegung lässt sich<br />
das PsyTrance-Treiben nicht ohne<br />
Weiteres beschreiben. Viele<br />
Partygäste und Aktivposten der<br />
Szene waren bereits deutlich aus<br />
der Pubertät heraus, <strong>als</strong> der Virus<br />
sich in Deutschland zu verbreiten<br />
begann. Etwas<br />
typisch Jugendliches<br />
lässt sich<br />
ihnen aber doch<br />
nachsagen: das<br />
Suchende, das<br />
Streben nach<br />
Entwicklung.<br />
Zu diesen Seelen<br />
zählt Alan Frostick,<br />
den viele durch<br />
sein Kernel Goa<br />
Projekt kennen.<br />
„Mein Ziel ist es,<br />
mich selbst wirklich<br />
zu entdecken<br />
in diesem Leben“,<br />
sagt der 50-<br />
Jährige. Und zwar<br />
auch und gerade<br />
auf Partys: ”Ich<br />
versuche, Tanz <strong>als</strong><br />
Meditationsinstrument<br />
zu<br />
benutzen.“<br />
Schon Ende der<br />
Achtziger hatte Alan sich in<br />
England nicht aufs Mittanzen<br />
beschränkt, sondern das Booking<br />
für Outdoor-Technopartys<br />
gemacht. Diese M25-Raves (nach<br />
dem Autobahnring um London<br />
benannt) wurden ohne Genehmigung<br />
veranstaltet und nur unter<br />
der Hand promotet, immer in<br />
Gefahr, von der Polizei weggeräumt<br />
zu werden. Dam<strong>als</strong> war<br />
Alan frisch geschieden und bereits<br />
Vater von drei Kindern. In den<br />
Siebzigern hatte er <strong>als</strong> Informatiker<br />
in London und Hannover<br />
an Unis die neue Welt der Computertechnik<br />
erforscht, später<br />
seine eigene Firma gegründet –<br />
nun eröffnete sich ihm ein weiteres<br />
Universum.<br />
Alans Vorliebe zu Deutschland<br />
und eine Frau zogen ihn 1993<br />
nach Hamburg, schnurstracks in<br />
die aufkeimende Goaszene.<br />
Szene-Engagement wie das<br />
Booking war immer<br />
ein Hobby Alans.<br />
Wie die<br />
Ahnenforschung<br />
und das Schreiben.<br />
Gerade brütet der<br />
begeisterte Sänger<br />
übrigens über<br />
einem Konzept,<br />
gemeinsam mit<br />
einem PsyTrance-<br />
Act musikalisch<br />
eine richtige Geschichte<br />
zu erzählen<br />
– in Voc<strong>als</strong>.<br />
Aber das ist noch<br />
nicht spruchreif.<br />
Alan ist ein lebendiger<br />
Geist. Kreativität,<br />
sprudelt es<br />
aus ihm heraus,<br />
setze er durch Yoga<br />
und Meditation<br />
frei, für alle<br />
Bereiche des<br />
Lebens. Beide Techniken<br />
fließen auch<br />
in Alans Art zu tanzen ein. Zackigkontrolliert<br />
und für manche wie<br />
ein Kampfsport sieht es aus, wenn<br />
der Engländer auf dem Dancefloor<br />
in sich versinkt und gleichzeitig<br />
voll da ist. Manchmal sogar auf<br />
der Box, wie dieses Jahr auf der<br />
Fusion. ”Das ist keine Show, ich<br />
mache das für mich“, betont Alan.<br />
”Tanzen ist mein Hauptding.“<br />
Eine Therapie, die jeder brauche,<br />
und eine pure Feier des Lebens,<br />
hat er auf seiner Homepage formuliert.<br />
1997 gründete Alan einen DJ-Tape-<br />
Versand und bot die Mixes vor<br />
allem unbekannter norddeutscher<br />
ANDRÉ WAGNER<br />
Nachwuchsartists auch auf Partys<br />
an. ”Viele haben dadurch mehr<br />
Bookings bekommen und einige<br />
sind inzwischen berühmt geworden.“<br />
Kernel Goa wurde Alans<br />
Markenzeichen, bald auch <strong>als</strong><br />
unkommerzielle Website, die bis<br />
heute einen Haufen Infos und<br />
Kontakte enthält, aber nicht mehr<br />
von Hand gepflegt wird – dazu ist<br />
zu wenig Zeit. ”Die Site ist ein<br />
Roboter, sie funktioniert von<br />
selbst.“ Aber ab und zu stellt Party<br />
Guru Alan noch immer Kolumnen<br />
<strong>online</strong>, inspiriert von den schönen<br />
Dancevibes auf der Fusion, von<br />
der Location und Deko der Shiva<br />
Moon oder von der lieben<br />
Partycrowd auf der Excalibur.<br />
Auch Flyer und mushroom magazines<br />
verschickte Alan dam<strong>als</strong>. Da<br />
die Flyer nie reichten, entstand in<br />
Schwarzweiß-Kopien das Kernel<br />
Goa Infoblatt mit Szenedaten ohne<br />
Ende – niemand sollte das Beste<br />
versäumen ...<br />
Alans Partysommer <strong>2003</strong> war<br />
rege. Die Lust, Freunde zu treffen<br />
und zu tanzen, treibt ihn raus. Für<br />
ihn, der intensive Indienreisen<br />
hinter sich hat, geht es dabei aber<br />
nicht nur um den reinen Spaß.<br />
Seit 30 Jahren setzt sich Alan mit<br />
hinduistischer Philosophie auseinander.<br />
Die Upanishads, eine<br />
Sammlung alter Weisheiten, sieht<br />
er seitdem <strong>als</strong> seinen Leitfaden<br />
des Lebens an, seine Partyerfahrungen<br />
<strong>als</strong> Teil des Strebens, diesen<br />
Guide individuell umzusetzen.<br />
Individuell hält Alan es auch mit<br />
der Mode. Obwohl kein Schotte,<br />
hat er den Kilt für sich entdeckt<br />
und darin einen interessanten<br />
Sommer verlebt – und viele fragende<br />
Blicke. ”Ich trage den<br />
Schottenrock, weil ich es kann“,<br />
sagt er verschmitzt. ”Ich bin eben<br />
Manns genug ...“<br />
www.kernelgoa.com