Reset!Ausgabe, September 2003 als pdf - Mushroom online
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KAI<br />
Andrea: ”Die Partys waren denen<br />
sowieso schon nicht geheuer. Und<br />
ob nun im Waldheim gekifft wurde<br />
oder Heroin gespritzt; da wurde<br />
dam<strong>als</strong> wenig differenziert.”<br />
Partys, die eigentlich immer bis 12<br />
Uhr mittags dauerten, waren eben<br />
suspekt.<br />
Antaro, Sangeet, Scotty und Axel<br />
legten meist bei den Waldheim-<br />
Partys auf – die VooV-Ur-Crew.<br />
Ernst: ”Wir haben<br />
von Anfang an die<br />
Partys in Sprötze<br />
zusammen gemacht.<br />
Antaro hat<br />
mir dabei geholfen,<br />
anfangs bei den<br />
Rock- und später<br />
SCOTTY<br />
bei den Technopartys.”<br />
Ernst<br />
erzählt fröhlich von<br />
dieser Zeit, wie von alten Streichen.<br />
Einmal hingen zu einer Party<br />
um die 100 Staubsauger vom<br />
Spermüll an der Decke und überall<br />
– eingeschaltet, <strong>als</strong> Extra-Soundkulisse.<br />
Vom familiären Geist, der<br />
herrschte, schwärmt Ernst: ”Wenn<br />
einer schräg drauf kam, hat man<br />
nicht das Rote Kreuz geholt, sondern<br />
sich um ihn gekümmert.”<br />
Zwei Open Airs gab es an der<br />
Sprötzer Kieskuhle. 1991 reichte<br />
<strong>als</strong> Miete für den Besitzer, einen<br />
Stammtischkumpel, noch<br />
ein Präsentkorb. Zur<br />
ersten auch so genannten<br />
VooV ein Jahr später<br />
kostete der Spaß schon<br />
1500 Mark. Und vor der<br />
VooV 93 verdoppelte<br />
der Vermieter den<br />
Preis: ”Ihr seid ja blöd,<br />
wenn ihr daran nichts<br />
verdienen wollt – ich<br />
will jedenfalls ...”, soll<br />
er gesagt haben.<br />
Antaro und die anderen<br />
fanden eine Location<br />
bei Zarrentin,<br />
Ernst stieg aus.<br />
<strong>2003</strong> hat er übrigens<br />
DIE BILD-ZEITUNG<br />
MALTE 1992 DIE VOOV<br />
NACH – FOTOGRAFIEREN<br />
WAR JA VERBOTEN ...<br />
TREFFPUNKT SPRÖTZE<br />
auf der VooV in Putlitz gefeiert.<br />
”Ich bin froh, dass ich da heute<br />
keine Verantwortung trage”, sagt<br />
er angesichts der Dimensionen<br />
des Festiv<strong>als</strong>. ”Aber für mich hat<br />
das auf eine Art etwas Heiliges, da<br />
würde ich jederzeit noch für unterschreiben.<br />
Das ist nicht von der<br />
Größe abhängig.”<br />
Andrea und Ernst waren auch an<br />
den ersten beiden Shiva Moons<br />
beteiligt. Auf der ersten im Jahr<br />
1995, die Jan Engel mit Scotty und<br />
Planet B.E.N. auf die Beine stellte,<br />
kümmerten sich die Waldheimer<br />
um die Bar. Im zweiten Jahr hießen<br />
die Organisator/inenn Jan und<br />
Bhavani, die das Festival bis heute<br />
gestalten, Andrea und Ernst. Die<br />
Pyramide, in der die Shiva-Moon-<br />
DJs spielen, hatte Jan ursprünglich<br />
für die VooV gebaut. Sie wurde<br />
nun sein Markenzeichen.<br />
Die drei schönen Waldheimjahre<br />
waren vorbei, aber nach einjähriger<br />
Pause ging es im Top Ten in Harburg<br />
weiter. Der Spirit kam mit.<br />
”Man schwebte fast auf der<br />
Tanzfläche”, sagt Andrea. ”Du<br />
konntest dich schon beinah’ drauflegen<br />
auf diese Energie ...” Danach<br />
gab es einen Winter lang<br />
jeden Freitag Waldheim-Partys im<br />
Powerhouse in Hamburg. Viele<br />
Gäste hatten Gratis-Clubkarten, es<br />
gab immer ein Frühstücksbuffet.<br />
Doch auch die Pioniere des Trance<br />
sahen sich<br />
mit der Zeit, wie seitdem viele<br />
Aktivist/innen, mit Kommerz-<br />
Vorwürfen konfrontiert.<br />
Das entlockt Andrea wie Ernst<br />
noch heute ein Lachen, allerdings<br />
ein nicht ganz so fröhliches. Das<br />
Waldheim, nicht zuletzt durch den<br />
Behördenstress, und auch die späteren<br />
Partys haben einen Berg von<br />
Schulden hinterlassen. 1997 gab es<br />
ein letztes von mehreren Waldheim<br />
Open Airs, auch <strong>als</strong> Anti-<br />
Schulden-Programm<br />
gedacht –<br />
”ein totales Fiasko”,<br />
sagt Ernst. Es regnete,<br />
statt Einnahmen<br />
gab es neue Schulden.<br />
Für eine Weile<br />
zogen sich die bei-<br />
den danach zurück.<br />
Ernst, heute 50, ist<br />
Holzhändler und<br />
JAN<br />
baut unter anderem kunstvolle<br />
Sitzmöbel aus ganzen Stämmen.<br />
Andrea, heute 49, lebt glücklich<br />
auf dem Land und verbringt möglichst<br />
viel Zeit mit ihren Kindern<br />
und Enkeln. Die beiden sind enge<br />
Freunde geblieben und längst<br />
gehen sie wieder gern auf ausgesuchte<br />
Partys, vor allem um zu<br />
tanzen. Auch wenn der alte Spirit<br />
selten zu erhaschen ist: Trance<br />
gehört einfach zu ihrem Leben.<br />
Ernst plant sogar an einer neuen<br />
Waldheim-Party – vielleicht schon<br />
im Oktober in Hamburg im Traxx.<br />
Also Augen offen halten!!!<br />
53<br />
MAT