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Reset!Ausgabe, September 2003 als pdf - Mushroom online

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MAT (2)<br />

52 TRANCE GESCHICHTE<br />

Als Anfang der Neunziger die Technoszene<br />

richtig erwachte, war der<br />

neue Sound für einige Leute vom<br />

Land schon fast ein alter Hut. In<br />

Sprötze vor den Toren Hamburgs<br />

feierte man an der Kieskuhle und<br />

in einer Gaststätte, die <strong>als</strong> Waldheim<br />

in die Geschichte einging.<br />

Wir haben Andrea und Ernst vom<br />

Waldheim gesprochen und ein<br />

altes Interview zu Rate gezogen.<br />

Von Mat <strong>Mushroom</strong><br />

und Claus Baldauf<br />

Ende der Achtziger standen Ernst<br />

und Antaro in Indien auf einer frühen<br />

Technoparty. Antaros Erzählungen<br />

von Goa hatten seinen<br />

Freund neugierig gemacht, nun<br />

war er selbst da. Die beiden betrachteten<br />

versonnen die Freaks,<br />

genossen die monotonen Beats<br />

und waren sich einig: Sowas kann<br />

man in Deutschland unmöglich<br />

machen, da wird<br />

man ja gleich verhaftet<br />

...<br />

Drei Jahre später<br />

begannen genau<br />

diese beiden, <strong>als</strong><br />

Erste in Deutschland<br />

Goa-Partys zu orga-<br />

ERNST<br />

nisieren. Antaro<br />

hatte sich ein Haus<br />

in Sprötze in der<br />

Nordheide gekauft, wo Ernst einen<br />

dreistöckigen Gasthof mit Hotel<br />

gepachtet hatte. Sprötze, mit<br />

Partys in Antaros Garten, im<br />

Waldheim und an der Kieskuhle,<br />

wurde die Wiege der deutschen<br />

Szene.<br />

”Wir hatten von Anfang an vor,<br />

Partys zu veranstalten, haben aber<br />

<strong>als</strong> Restaurant und Kneipe in<br />

Sprötze angefangen, mit Haxen<br />

und A<strong>als</strong>uppe”, erzählt Ernst.<br />

Zwischen Hochzeitgesellschaften<br />

und Rockpartys schlichen sich mit<br />

der Zeit Technofeiern ins Waldheim-Programm.<br />

”Das Publikum<br />

dafür gab es noch nicht, eigentlich<br />

nur die Goa-Fahrer, die das kannten<br />

und davon begeistert waren.<br />

Deshalb haben wie irgendwann<br />

mit kleinen Rockpartys angefangen,<br />

weil wir der Meinung<br />

waren, dass die Zeit für Techno<br />

noch nicht reif war.”<br />

An Silvester 1989 zogen trotzdem<br />

die Beats ins Waldheim ein:<br />

”Angefangen hat die Party mit<br />

Siebziger-/Achtziger-Jahre-Rock<br />

und ab kurz nach Mitternacht<br />

haben wir zum Techno gewechselt.<br />

Das Publikum teilte sich in zwei<br />

Hälften auf und es gab sogar<br />

Schlägereien. Die Rockfans waren<br />

sauer, stürmten das DJ-Pult und<br />

wollten AC/DC hören.<br />

Ich hatte gleich gemerkt – so<br />

etwas mach ich nie wieder. Deshalb<br />

haben wir später eine Woche<br />

Rock und die nächste Woche Techno<br />

gespielt. Die Rockfans waren jedoch<br />

so sauer, dass sie nicht mehr<br />

auf unsere Partys kommen wollten.<br />

Beim Techno allerdings wurden<br />

es immer mehr, so dass wir<br />

später nur noch Technopartys veranstalteten.<br />

Es kamen etwa 250<br />

Leute – und das meist ohne irgendwelche<br />

Flyeraktionen.” Und<br />

zwar mit dem Zug aus der<br />

Schweiz, den Koffer auf Rollen dabei,<br />

aus Holland, Berlin, Süddeutschland<br />

– ”weiß der Geier,<br />

wie die das alle wussten ...” Die<br />

Partys waren so voll, dass man<br />

kaum den Tresen erreichte. Andrea<br />

lernte Ernst gegen Ende der Waldheim-Zeit<br />

auf einer Party kennen.<br />

Die beiden wurden ein Paar, auch<br />

beim Organisieren. Andreas<br />

ältester Sohn Wayan, heute 24,<br />

machte bald <strong>als</strong> jüngster DJ von<br />

sich reden und blieb dabei.<br />

Ernst: ”Das Restaurant hatte an-<br />

gegliederte Hotelzimmer. Unsere<br />

Gäste hatten deshalb die ganze<br />

Etage mit den Zimmern gemietet.<br />

Da tobte der Bär und es ließ sich<br />

super feiern. (...) Anfangs gab es<br />

auch noch keinen Eintritt, es stand<br />

einfach ein Topf da, auf dem Spende<br />

stand. Da haben die Leute halt<br />

was reingeschmissen – oder auch<br />

nicht; je nachdem ob sie was hatten.<br />

Das Witzige daran war, dass<br />

fast immer das selbe herauskam,<br />

<strong>als</strong> hätten die Leute normal<br />

bezahlt.”<br />

Pilz: Was war mit den Nachbarn?<br />

Ernst: ”Wir hatten eigentlich ein<br />

ruhiges Gebiet, da waren kaum<br />

Leute, aber jede Menge Wochenendhäuser.<br />

Das Problem<br />

war, die Leute<br />

von außerhalb kamen<br />

nur am Wochenende<br />

und da<br />

haben wir gefeiert.<br />

Sie beschwerten<br />

sich massiv, so dass<br />

man Bußgelder verhängte<br />

(siehe Seite<br />

47). (...) Wir haben<br />

dann den Eintrittspreis etwas<br />

erhöht, statt 10 Mark eben 15<br />

ANDREA<br />

Mark, und unsere Gäste fanden<br />

das auch voll okay. Alles war wieder<br />

Friede – Freude – Eierkuchen<br />

und wir haben eben alle 14 Tage<br />

1000 Mark zum Ordnungsamt<br />

gebracht. Bis sie uns dann irgendwann<br />

den Betrag auf 3000 Mark<br />

erhöhten. Das war Anfang 93. Das<br />

haben wir so zwei-, dreimal<br />

gemacht, dann aber gemerkt, das<br />

wir das nicht mehr aufs Eintrittsgeld<br />

umschlagen konnten.<br />

Hier im Dorf konnten die Leute<br />

mit der Musik halt überhaupt<br />

nichts anfangen. Unser Publikum<br />

sah ja auch ganz anders aus <strong>als</strong><br />

das aus dem Dorf. Alle waren am<br />

Tanzen und uns wurde natürlich<br />

alles möglich angehängt: Sekte,<br />

Scientology und was weiß ich nicht<br />

alles.” (...)<br />

ERNST

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