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Editorial - VSLF

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Fehlerhaft signalisierte Langsamfahrstellen<br />

Redaktion Loco Folio<br />

Im April 2009 hat der <strong>VSLF</strong> dem Leiter von<br />

SBB Infrastruktur, Herrn Philippe Gauderon,<br />

schriftlich seine Bedenken wegen fehlerhaft<br />

signalisierter Langsamfahrstellen<br />

mitgeteilt. Wir machten darauf aufmerksam,<br />

dass die Signalisierung der Langsamfahrstellen<br />

auf dem Netz der SBB seit Jahren<br />

zu wünschen übrig lässt und im heutigen<br />

Bahnverkehr absolut unzureichend ist. Die<br />

wichtigsten zu klärenden Fragen sind:<br />

- Einheitliche Aufstellung/korrekte Aufstellung<br />

nach FDV<br />

- Grösse der Signale/Hinweispfeile<br />

- Wiederholung der Geschwindigkeitssignalisierung<br />

- Beleuchtung bei aktiver und nichtaktiver<br />

Baustelle<br />

110<br />

- Aufstellung bei verschiedenen Fahrwegen<br />

Langsamfahrstellen stellen eine potenzielle<br />

Gefahrenquelle für Eisenbahn- und Personenunfälle<br />

dar und sind nach wie vor nicht<br />

überwachte Gefahrenpunkte.<br />

Ein erstes Gespräch mit Verantwortlichen<br />

von SBB Infrastruktur fand im Juni 2009<br />

statt. Im Folgetreffen vom Oktober 2010<br />

wurde dem <strong>VSLF</strong> bekanntgegeben, dass:<br />

- für die betroffenen Mitarbeiter bei SBB<br />

Infrastruktur eine Checkliste erstellt<br />

wurde, die an die einzuhaltenden Regelungen<br />

und Vorgaben erinnert,<br />

- mit den Prüfungsexperten von SBB Personenverkehr<br />

vereinbart wurde, dass<br />

komplexe Langsamfahrstellen bereits in<br />

Baustelle in der Nacht<br />

der Planungsphase geprüft werden,<br />

- ein Meldeweg für Unregelmässigkeiten<br />

bei falsch aufgestellten Langsamfahrsignalen<br />

eingerichtet wurde. Allerdings sind<br />

auf diesem Weg im 2009 nur wenige, im<br />

Jahr 2010 keine Beanstandungen mehr<br />

eingegangen. Dieser Meldeweg war dem<br />

<strong>VSLF</strong> so nicht bekannt.<br />

Der <strong>VSLF</strong> nahm zur Kenntnis, dass seit<br />

dem letzten Treffen im Juni 2009 seitens<br />

Infrastruktur-Instandhaltung (I-IH) einiges<br />

zur Verbesserung der Qualität unternommen<br />

wurde.<br />

Nach dem Beinaheunfall eines SBB-Inter-<br />

Citys im Sommer 2010 in Vauderens (siehe<br />

Loco Folio 2/2010), der wegen einer falsch<br />

programmierte ZUB-Spule nicht verhin-<br />

www.vslf.com<br />

dert wurde, suchte der <strong>VSLF</strong> wiederholt<br />

das Gespräch mit Philippe Gauderon. Es<br />

folgten zwei Treffen unter der Leitung von<br />

Josef Stoll-Gallersdörfer, Leiter SBB Infrastruktur<br />

Risk, Sicherheit, Qualität (I-RSQ)<br />

im Februar und September 2011. Verschiedene<br />

Prozesse wurde betrachtet und Korrekturen<br />

angeordnet, bis hin zur Kontrolle<br />

der Sinnhaftigkeit von Hinweispfeilen bei<br />

den Langsamfahrsignalen. Weitere Treffen<br />

mit SBB Infrastruktur sind geplant.<br />

Nach wir vor erreichen uns Meldung<br />

Meldungen des Lokpersonals über fehlerhaft<br />

signalisierte Langsamfahrstellen.<br />

Wir möchten einmal mehr festhalten, dass<br />

die Aufstellung der Langsamfahrstellen<br />

sicherheitsrelevant ist und dass fehlerhaft<br />

signalisierte Langsamfahrstellen betriebsgefährlich<br />

sind.<br />

Gemäss Fahrdienstvorschriften sind die<br />

Langsamfahrstellen immer noch wie anno<br />

1930 mit kleinen, nicht reflektierenden Blechen<br />

signalisiert. Die heutigen komplexen<br />

Gleisanlagen, hohen Geschwindigkeiten<br />

und beschleunigungsstarken Fahrzuge<br />

Fahrzeuge führen dazu, dass eindeutige<br />

Signalisierungen unerlässlich sind.<br />

Wir danken allen Lokführerinnen und Lokführern<br />

für ihre Meldungen, die wir direkt<br />

an die Verantwortlichen weiterleiten. Der<br />

<strong>VSLF</strong> wird die Unzulänglichkeiten bei der<br />

Signalisierung der Langsamfahrstellen so<br />

lange weiterverfolgen, bis wir ein Niveau<br />

erreicht haben, das mindestens den geltenden<br />

Vorschriften entspricht und einen<br />

sicheren Eisenbahnbetrieb garantiert.<br />

Welche Misere bei der Signalisierung von<br />

Langsamfahrstellen herrscht, zeigt der folgende<br />

Briefwechsel.<br />

Direktion Bundesamt für Verkehr<br />

Herr Peter Füglistaler<br />

3003 Bern<br />

Betrifft: Baustellensignalisation im Bahnhof<br />

Visp am 19. Juni 2011<br />

Sehr geehrter Herr Füglistaler<br />

Am Sonntagmorgen, 19. Juni 2011, führte<br />

ich den Zug 808 (Zürich–Brig) von Bern<br />

nach dem Zielort Brig und dieselbe Komposition<br />

anschliessend als Zug 819 wieder<br />

zurück nach Bern.<br />

Gemäss Fahrordnung im LEA war eine<br />

Langsamfahrstelle im Raum Visp mit<br />

zweierlei Geschwindigkeiten auf verschiedenen<br />

Geleisen angekündigt.<br />

Das Vorsignal für mein zu befahrendes<br />

Gleis zeigte eine Reduktion auf 50 km/h<br />

und wenig später folgte das Vorsignal für<br />

das Gegengleis mit der Anzeige 80 km/h.<br />

Soweit alles klar. Was aber dann der ganze<br />

Schilderwald im Bahnhofbereich von<br />

Visp darstellen sollte, ist so nicht mehr<br />

klar verständlich. Im Gegenteil: Es folgen<br />

Vorsignale auf Vorsignale, falsche Wiederholungssignale<br />

an den Perronenden,<br />

wiederum gefolgt von einem Vorsignal<br />

OCO FOLIO<br />

2011/2<br />

50km/h (mit Zugsicherungsmagnet) im<br />

Baustellenbereich und endlich wird das<br />

Chaos doch noch mit dem Endsignal besiegelt.<br />

Ein absolut unhaltbarer, verwirrender,<br />

ja sogar betriebsgefährdender Zustand,<br />

weil man vor lauter Bäumen den Wald<br />

nicht mehr erkennt!<br />

Das 80/50er-Spiel bezieht sich auf die<br />

unterschiedlichen Gleisgeschwindigkeiten<br />

vom Arbeitsgleis 6 (50km/h) und seinem<br />

Nachbargleis 5 (80km/h). Nun will man<br />

wohl den fünfer Fünfer und das Weggli,<br />

das heisst, es sollten auch während der<br />

Bauphasen alle Fahrwege mit grösstmöglichem<br />

Zeitgewinn befahren werden können.<br />

Dies ist mit einer solchen Signalisation<br />

schlicht nicht durchführbar. Meines Erachtens<br />

sollte der ganze Bahnhof während<br />

dieser Bauphase generell auf 50km/h<br />

reduziert oder aber, falls an dem 80/50er-<br />

Spiel festgehalten werden soll, müssten<br />

mittels stellwerkseitiger Fahrstrassensperren<br />

die Verbindungsfahrten über die<br />

Geleise 5 und 6 provisorisch unterdrückt<br />

werden. Eine weitere Variante wäre, eine<br />

durch die Zugsignale angezeigte reduzierte<br />

Geschwindigkeitssignalisation, die<br />

mit diesen modernen Sicherungsanlagen<br />

(theoretisch) angezeigt werden könnte,<br />

wahrscheinlich aber aus Kostengründen<br />

nicht vorhanden ist (kann ich nicht beurteilen).<br />

Auf jeden Fall ist die aktuelle Situation<br />

äusserst bedenklich.<br />

Nach dem Verlassen des Bahnhofs Visp<br />

meldete ich per Funk sofort der BLZ Spiez<br />

diesen gefährlichen Zustand. Der diensthabende<br />

Kollege zeigte sich etwas erstaunt<br />

über diese Situation und erklärte, dass er<br />

sofort versuche, noch einen Baustellenmitarbeiter<br />

zu erreichen, um die Sache in Ordnung<br />

zu bringen. Bei meiner gut 50-minütigen<br />

späteren Rückfahrt mit dem Zug 819<br />

sah ich in Visp nur die orange gekleideten<br />

Aufsichten auf dem gut bevölkerten Perron,<br />

jedoch nirgends jemanden, der sich an<br />

den Tafeln zu schaffen machte. Während<br />

meines erneuten Halts informierte mich<br />

der Fahrdienstleiter in Spiez über die Zugslage<br />

und meine anschliessende Fahrt durch<br />

die rechte LBT-Röhre. Bei dieser Gelegenheit<br />

gab ich im ihm meinen Unmut über<br />

die Situation in Visp bekannt, worauf er<br />

antwortete, dass er das «Mögliche machen<br />

werde» (was auch immer das bedeutet).<br />

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass<br />

mit dem Auflegen des Hörers der Fall des<br />

meckernden Lokführers erledigt ist. Um<br />

aber diese betriebsgefährliche Situation<br />

wirklich schnellstmöglich in den Griff zu<br />

bekommen, telefonierte ich anschliessend<br />

mit dem PEX in Bern, um ihn zu einem<br />

Sonntagsausflug nach Visp zu ermuntern.<br />

Leider erfolglos, er nahm den Anruf nicht<br />

entgegen. Beim zweiten Versuch an den<br />

Pikett-CLP erreichte ich immerhin, dass<br />

derjenige bereits Kenntnis vom Fall Visp<br />

erhielt und dass er sich aufgrund meiner<br />

noch zu erstellenden ESI-Meldung der<br />

Sache annehmen würde. Für einen Augenschein<br />

vor Ort konnte ich ihn aber nicht<br />

genügend motivieren. Klar – es war ja auch<br />

Sonntag erst um 9 Uhr.<br />

Irgendwie hatte ich wieder einmal das<br />

Gefühl, dass wir Lokführer zu wenig ernst<br />

genommen werden, denn ich telefoniere ja<br />

nicht einfach aus Langeweile in der Gegend<br />

herum, sondern, weil ich versuche, meiner<br />

Verantwortung nachzukommen, dass eben<br />

solche Gefahrenpotenziale so schnell wie<br />

möglich beseitigt werden.<br />

Die Reaktion unserer internen Stellen auf<br />

solche Missstände erfolgen erfolgt meist<br />

viel zu spät und eventuell präsentiert sich<br />

dieselbe Baustelle, bedingt durch fortschreitende<br />

Bautätigkeiten, anderntags<br />

bereits in einer ganz andern Konstellation.<br />

(Die ESI-Meldungen werden ja nicht sofort<br />

ausgewertet und vielleicht müssen für solche<br />

Fälle erst noch Arbeitsgruppen gebildet<br />

werden.)<br />

Auf dem ausgedruckten Bahnhofsplan<br />

konnte ich diesen komplexen Signalisationswahnsinn<br />

leider nicht mehr korrekt<br />

wiedergeben. Der Dringlichkeit wegen entschied<br />

ich mich, am Nachmittag nochmals<br />

ein «Sonntagsfährtli» nach Visp zu machen,<br />

diesmal mit meinem Fotoapparat. Dabei<br />

unterstützte mich ein Kollege des BAV,<br />

den ich für dieses Vorhaben sofort begeistern<br />

konnte. In der Zwischenzeit hatte sich,<br />

wie eigentlich auch zu erwarten war, leider<br />

nichts an der Situation vor Ort geändert,<br />

sodass wir nun die bereits am Morgen vorgefundene<br />

Signallage bildlich festhalten<br />

konnten. Damit konnte nun der Istzustand<br />

auf dem Plan aufgezeichnet werden.<br />

Interessant ist auch die Tatsache, dass ich ja<br />

nicht der Einzige einzige Lokführer bin, der<br />

in dieser Zeitspanne in Visp durchgefahren<br />

ist und somit sich doch Berge von Akten in<br />

den Depots Genf, Lausanne, Bern und Brig<br />

anhäufen müssten. Für was eigentlich? Es<br />

passiert ja ausser der Statistik für die Statistik<br />

nicht sehr viel. Bezweckt unsere Meldepflicht<br />

gemäss den FDV nur «Bürolistenfutter»?<br />

Wo bleiben in solchen Situationen<br />

die Sofortmassnahmen?<br />

Meine Fragen an Sie:<br />

- Wer ist konkret verantwortlich für die<br />

Signalisierung solcher Langsamfahrstellen?<br />

- Was ist bei Abweichungen generell massgebend,<br />

der Eintrag in der Fahrordnung<br />

(LEA) oder die Signalisation vor Ort?<br />

- Werden auf Kosten eines «reibungslosen<br />

Betriebsablauf» Abstriche an der Sicherheit<br />

bewusst in Kauf genommen?<br />

- Werden solche Signalisationen auch<br />

von einer übergeordneten Stelle (z.<br />

B. BAV) abgenommen oder stichprobenweise<br />

kontrolliert?<br />

111

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