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Editorial - VSLF

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Der Schildbürgerstreich von Zürich Altstetten<br />

Hubert Giger; Präsident <strong>VSLF</strong><br />

Auf den Fahrplanwechsel im Herbst 2010<br />

hin wurde innert kürzester Zeit in Zürich-<br />

Altstetten ein Lokpersonaldepot von SBB<br />

Personenverkehr für vorerst 26 Lokführer<br />

aus dem Boden gestampft. Es sollte ein<br />

70<br />

S-Bahn-Depot entstehen, das die ersten<br />

und letzten Züge in der benachbarten<br />

Abstellanlage Herdern bedient. Der Personalwechsel<br />

soll in Altstetten statt in Zürich<br />

stattfinden. Ebenso soll die Besetzung der<br />

Tour WZ hin Von bis WZ zurück Von bis Df ZAS ZUE Df ZUE ZAS LF ZUE<br />

101 19 ZAS ZVBW 7 ZHER ZAS<br />

102 7 ZHER ZAS 6 Wartezeit: 7 10<br />

103 7 ZHER ZAS 13<br />

104 16 ZAS ZUEQ 6 13<br />

105 13 ZUEQ ZAS 6 5 19<br />

106 7 ZHER ZAS 12<br />

107 7 ZHER ZAS 13<br />

108 7 ZHER ZAS 13<br />

109 7 ZAS ZHER 7 ZHER ZAS 26<br />

110 6<br />

111 7 ZAS ZHER 6 13<br />

112 12<br />

113 19 ZAS ZVBW 6 15<br />

114 7 ZAS ZHER 12<br />

115 7 ZAS ZHER 7 ZHER ZAS 13<br />

116 7 ZAS ZHER 13<br />

117 7 ZAS ZHER 6 13<br />

118 19 ZAS ZVBW 12<br />

Total 115 69 31 17 241<br />

Wegzeit ZAS 184<br />

DF ZAS 48<br />

Total ZAS 232<br />

Total ZUE 241 = Einsparung auf 18 Touren: 9 Minuten<br />

Dispo-Züge der S-Bahn in Zürich-Mülligen<br />

abgedeckt werden.<br />

Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Depots<br />

hatte es in Altstetten weder Lokführer noch<br />

Räumlichkeiten. Die feierliche Einweihung<br />

des neuen Container-Dörfchens 300 m<br />

neben dem Bahnhof fand infolge verspäteter<br />

Baueingabe Monate später statt. Mittlerweile<br />

konnten etwa 25 «freiwillige» Lokführer<br />

für den Standort gefunden werden.<br />

Als offizielle Hauptgründe für den Standort<br />

Altstetten mussten die Pendlerströme<br />

an der Stadtgrenze sowie die Betriebsbehinderungen<br />

beim Personalwechsel in<br />

Zürich-Museumsstrasse herhalten. Pendlerfrequenzen<br />

an einen bestimmten Punkt<br />

im Netz waren noch nie ein Kriterium für<br />

einen Lokpersonalstandort; es gibt kein<br />

Depot Enge, Stettbach oder Stadelhofen,<br />

obwohl diese Bahnhöfe zu den zehn meistfrequentierten<br />

auf dem gesamten Netz der<br />

SBB gehören.<br />

Der Personalwechsel in Zürich-Museumsstrasse<br />

bei zweiteiligen S-Bahn-Einheiten<br />

in der Stosszeit hatte teilweise kleine Verzögerungen<br />

zur Folge. Aus diesem Grund<br />

wurde die Fahrplanlage der kritischen<br />

S-Bahn-Linien angepasst und die Aufenthaltszeiten<br />

betragen seit Herbst 2010 in<br />

Zürich-Museumsstrasse neu grosszügige<br />

vier Minuten. Dem Grund für die Einführung<br />

eines Depots Altstetten wurde somit<br />

am Tag der Eröffnung jegliche Legitimation<br />

entzogen.<br />

Dies ist ein Paradebeispiel für mangelnde<br />

Koordination innerhalb ein und derselben<br />

Unternehmung und ein nachvollziehbarer<br />

Grund, das Depot Altstetten wieder in<br />

Zürich zu integrieren.<br />

Heute sind wir sogar so weit, dass in Altstetten<br />

das Personal wechselt und der neue<br />

Lokführer bereits nach zwei Stationen in<br />

Zürich den Führerstand wieder verlässt, da<br />

ein erneuter Personalwechsel stattfindet.<br />

Jeder Lokpersonalwechsel ist betrieblich<br />

nicht erwünscht und kostet die Unternehmung<br />

acht Minuten Arbeitszeit.<br />

Es ist zu bemerken, dass Probleme mit Personalwechseln<br />

an neuralgischen Punkten<br />

in den Stosszeiten nicht durch eine teure<br />

Verschiebung des Punkts des Personalwechsels,<br />

sondern durch Planungsvorgaben<br />

bei der Einteilung gelöst werden, die<br />

z.B. den Wechsel von 16.30 Uhr bis 18 Uhr<br />

nicht mehr notwendig machen.<br />

Dass das Depot Altstetten keine natürlichen<br />

Leitungen besitzt, liegt auf der Hand,<br />

da kein Zug in Altstetten startet oder endet.<br />

Der Einbezug der Abstellanlage Zürich-<br />

Herdern würde in der Logik der SBB zur<br />

www.vslf.com<br />

Folge haben, dass auch die Fernverkehrszüge<br />

in der Herdern in das Depotprofil<br />

gehören, analog anderen Standorten. Da<br />

dem nicht so ist, ist der Beweis erbracht,<br />

dass es beim Depot Altstetten einzig darum<br />

geht, ein S-Bahn Depot in Zürich mit Minimalausbildung<br />

auf zwei Fahrzeugen und<br />

minimalem Streckenrayon einzuführen.<br />

Neu soll das Depot auch zur Teilzeithochburg<br />

erweitert werden.<br />

Durch die mehrheitliche Abdeckung der<br />

Altstetter Dienste durch das Zürcher Lokpersonal<br />

in der Anfangszeit des Depots<br />

Altstetten wurden Dienstfahrten von je<br />

mindestens zweimal sechs Minuten ausgelöst.<br />

Dazu kamen 30% gesetzliche Zeitzuschläge<br />

für Auswärtspausen, was auch für<br />

die Pausen der Altstetter in Zürich zutrifft.<br />

Die Abdeckung der Reserve übernimmt<br />

nach wie vor das Depot Zürich, was tagtäglich<br />

Dienstfahrten und Pausenzuschläge<br />

auslöst. Nach unseren Berechnungen<br />

heben sich diese Dienstfahrten und Wegzeiten<br />

zu den Fahrzeugen im Gleisfeld – ob<br />

von Zürich oder von Altstetten aus bedient<br />

– zum grossen Teil gegenseitig auf. Somit<br />

ist der geplante Spareffekt nicht eingetreten.<br />

Im Gegenteil: Den vermeintlichen<br />

Einsparungen stehen zusätzliche Kosten<br />

für einen Depotstandort gegenüber, dessen<br />

Einrichtung sich aus finanziellen Gründen<br />

nicht verantworten lässt.<br />

Die personalpolitischen Folgen des neuen<br />

Standorts erwachsen aus der fehlenden<br />

Reserve, die zwangsläufig den zum Teil<br />

kurzfristigen Einsatz von Personal des<br />

Depots Zürich zur Folge hat. Bereits sind<br />

Lokführer in Zürich mit zum Teil über<br />

20 Dienstjahren zurück auf die Reserve<br />

gestuft worden – zum Vorteil der jüngsten<br />

Kollegen in Altstetten, die eine feste Jahreseinteilung<br />

erhalten. Die feste Jahreseinteilung<br />

in Altstetten wurde auch gezielt<br />

als Werbeargument für das S-Bahn-Depot<br />

propagiert und ist ein Argument für den<br />

Verkauf von Teilzeitkonzepten.<br />

Vermehrte Spannungen innerhalb des Personalkörpers<br />

und eine gesteigerte Unzufriedenheit<br />

werden durch die SBB bewusst<br />

in Kauf genommen. Der <strong>VSLF</strong> hat dies wiederholt<br />

– auch öffentlich – angeprangert.<br />

Dies sind die ökonomischen, organisatorischen,<br />

betrieblichen und personalpolitischen<br />

Tatsachen. Die in der Konsequenz<br />

daraus zu erwartende Korrektur des Entscheids<br />

ist offenbar kein Konzernziel der<br />

SBB, vor allem deshalb nicht, weil diese<br />

bei den Initianten des Lokpersonalstandorts<br />

Altstetten zu einem nicht zu rechtfertigenden<br />

Geschichtsverlust führen und in<br />

unverantwortbarer Weise dem Personal<br />

recht geben würde.<br />

Das Depot Altstetten ist weder ökonomisch<br />

noch betrieblich zu rechtfertigen,<br />

verursacht Spannungen innerhalb des Lokpersonals<br />

und ist deshalb aufzuheben. n<br />

OCO FOLIO<br />

2011/2<br />

Ex-Lehrlokführer<br />

Martin Fischer; Lokführer Ziegelbrücke<br />

Liebe Kollegen des Depots Ziegelbrücke<br />

Herzlichen Dank für die Abklärung und die<br />

Information im Zusammenhang mit den<br />

Gerüchten um die neue Lokführerklasse<br />

bei uns in Ziegelbrücke. Es ist erfreulich<br />

zu lesen, dass die SBB es nun auch eingesehen<br />

haben, dass die Ausbildung zum voll<br />

ausgebildeten Lokomotivführer innerhalb<br />

eines Jahres zu kurz ist. Wir Lehrlokführer<br />

haben in der Vergangenheit auf diese Tatsache<br />

immer wieder hingewiesen. Ich bin<br />

froh, dass das Gerücht über eine achtmonatige<br />

Ausbildungszeit nicht der Realität<br />

entspricht.<br />

Aber ist es denn wirklich sinnvoll, einfach<br />

einen Teil der Ausbildung zu streichen,<br />

anstatt die Ausbildungsdauer<br />

zu verlängern?<br />

Sicher macht es Sinn,<br />

wenn die Lokführeranwärter<br />

(LFA) nach der<br />

absolvierten Ausbildung<br />

einem Regionalverkehrsdepot<br />

zugeteilt<br />

werden. Ich denke, dass<br />

die Chance gleich null<br />

ist, dass einer dieser zwölf LFA nach Beinwil<br />

am See geht. Ich glaube eher, dass die<br />

Chancen nahezu bei 100% liegen, dass alle<br />

zwölf im Nachhinein die Fernverkehrsausbildung<br />

erhalten werden – im Nachhinein,<br />

wenn sie den höheren Lohn eines fertig<br />

ausgebildeten Lokführers beziehen. Welches<br />

Unternehmen wählt freiwillig den teureren<br />

Weg, wenn es von Anfang an klar ist,<br />

dass es eine günstigere Variante gibt? Oder<br />

steckt da eine andere Variante dahinter? In<br />

deiner Mail ist zu lesen: «...das Depotprofil<br />

von Ziegelbrücke geschult, inklusive Fernverkehr,<br />

wenn das Depotprofil zum Zeitpunkt des<br />

Ausbildungsendes (noch?) Fernverkehr beinhaltet».<br />

Das Wort in der Klammer habe ich<br />

selber noch eingefügt. Fairerweise muss ich<br />

aber auch erwähnen, dass in der Mail auch<br />

steht, dass dieser Entscheid nichts mit der<br />

Umwandlung gewisser Depots in Regionalverkehrsdepots<br />

zu tun hat. Lieber CLP, mir<br />

ist auch klar, dass diese Aussagen nicht von<br />

dir selber stammen, sondern von höheren<br />

Stellen kommen. Aber genau da liegt doch<br />

das Problem. Ich bin mir beim besten Willen<br />

nicht sicher, ob ich dieser Aussage trauen<br />

soll. In der Mail steht sinngemäss auch, dass<br />

die Lokführer, die diese Ausbildung absolviert<br />

haben, rückgemeldet haben, dass sie<br />

den Fernverkehr lieber nicht ausgebildet<br />

erhalten hätten.<br />

Ich habe aber noch keinen von unseren jungen<br />

Lokführern fluchen gehört, wenn sie<br />

einen Schnellzug fahren mussten. Auch<br />

habe ich noch keinen Lokführer gefunden,<br />

der gesagt hat, dass er sich mehr Chefs<br />

wünscht, obwohl uns immer gesagt wurde,<br />

es sei der Wunsch der Lokführer gewesen.<br />

Sorry, lieber CLP, nicht persönlich nehmen!<br />

Aber du siehst selber, dass das Resultat<br />

der Personalumfrage nach dem Vertrauen<br />

nach oben nicht von ungefähr kommt. Und<br />

überhaupt: Die Ausbildung zum Regionalzuglokführer<br />

hatten wir doch schon, LiA<br />

(Lokführer im Aufstieg) und Z140 hiessen<br />

sie damals. Beides hat nicht lange hingehauen<br />

und nun kommt einfach Versuch<br />

Nummer 3. Das Ganze kommt mir so vor,<br />

als ob man in der Grundschule den Kindern<br />

die Buchstaben A bis R beibringen<br />

würde und der Rest nach<br />

der Lehre oder nach der<br />

Rekrutenschule, wenn<br />

es dann überhaupt<br />

gebraucht wird.<br />

Du sprichst in der Mail<br />

auch die Qualität der<br />

Ausbildung an. Glaub<br />

mir, lieber CLP, niemand<br />

ist mehr interessiert an<br />

gut ausgebildeten Lokführern als wir Lokführer<br />

selber. Denn auch die schlecht ausgebildeten<br />

würden uns entgegenkommen<br />

und da wir im Zug meistens zuvorderst<br />

sitzen, könnte dies unter Umständen ziemlich<br />

unangenehm für uns werden. Dass wir<br />

in der ZVV-Umfrage ein so gutes Resultat<br />

erzielt haben, freut mich sehr. Ich befürchte<br />

aber, dass die Trennung von Regional- und<br />

Fernverkehr sich negativ auf diesen Wert<br />

auswirken könnte. Monotonie würde dieses<br />

Resultat wohl rasch zum Sinken bringen.<br />

Lieber CLP, du siehst, ich habe mir zu dieser<br />

Sache ernsthafte Gedanken gemacht.<br />

Ich bin zum Schluss gekommen, dass ich<br />

nicht aktiv mitwirken kann und mitwirken<br />

will, unseren schönen Beruf Stück für Stück<br />

zu demontieren. Darum muss ich dir leider<br />

mitteilen, dass ich als Lehrlokführer nicht<br />

mehr zur Verfügung stehe. Ich bin gerne<br />

bereit, sollte sich die Ausbildung zum<br />

Lokführer wieder in eine angemessene<br />

Variante verändern, diesen Entscheid zu<br />

überdenken. Ich bedaure, dir keinen besseren<br />

Bescheid geben zu können.<br />

Eines ist mir aber noch sehr wichtig. Ich<br />

möchte ausdrücklich erwähnen, dass diese<br />

Haltung und dieser Entscheid nichts mit<br />

dir selber zu tun haben. Ich konnte dich<br />

als angenehmen und kollegialen Chef kennenlernen<br />

und hoffe sehr, dass es auch weiterhin<br />

so bleibt.<br />

Viele Grüsse<br />

Martin Fischer<br />

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