Die Balkankriege 1912/13 Erster Weltkrieg: Die 2. und 3. OHL ...
Die Balkankriege 1912/13 Erster Weltkrieg: Die 2. und 3. OHL ...
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Nachhinein als operativ fragwürdig erscheint,<br />
war zeitbedingt logisch entwickelt<br />
<strong>und</strong> bedurfte zunächst einmal des<br />
Scheiterns, um es als falsch zu erkennen.<br />
Das gilt auch für den operativen<br />
Ansatz Falkenhayns für das Jahr 1916.<br />
Er hatte gelernt, dass Russland durch<br />
eine Offensive nicht kriegsentscheidend<br />
zu schlagen war <strong>und</strong> ihm für eine<br />
entscheidende Offensive an der Westfront<br />
die Kräfte fehlten. <strong>Die</strong> Operation<br />
gegen Frankreich sollte daher keine<br />
mit hohen Opfern für Deutschland verb<strong>und</strong>ene<br />
Durchbruchsschlacht werden.<br />
Vielmehr sollten in der »Blutmühle«<br />
von Verdun nur die Franzosen<br />
verbluten <strong>und</strong> so zusammen mit den<br />
Erfolgen im U-Boot-Krieg die Briten<br />
zum Kriegsaustritt gezwungen werden.<br />
Falkenhayns Ansatz war ein bewusst<br />
strategischer. Er war auch nicht nur<br />
das Produkt einer aus Not geborenen<br />
Ermattungsstrategie des Novembers<br />
1914. Vielmehr war er Teil einer Strategie,<br />
die jetzt Züge einer Vernichtungsstrategie<br />
annahm. So kann es auch<br />
kaum verw<strong>und</strong>ern, dass die Truppe<br />
seine operativen Planungen für Verdun<br />
als offensive Vernichtung des Gegners<br />
missinterpretierte. Der Plan, den<br />
Gegner zu locken, um ihn dann im Artilleriefeuer<br />
ausbluten zu lassen, war<br />
zu konstruiert <strong>und</strong> scheiterte in einem<br />
ungeplanten Blutbad.<br />
Der Wechsel zu Ludendorff<br />
Der Wechsel in der <strong>OHL</strong> im August<br />
1916 hat etwas vom Wechseln der Trainer<br />
im Profimannschaftssport an sich.<br />
<strong>Die</strong> Mannschaft, ihre Gegner <strong>und</strong> die<br />
Regeln bleiben gleich. Und dennoch<br />
hofft man mit einer neuen Spitze auf<br />
eine entscheidende Neuausrichtung.<br />
Aber auch die neue, <strong>3.</strong> <strong>OHL</strong> stellte nach<br />
einer nüchternen Analyse im Herbst<br />
1916 fest, dass das Kräfteverhältnis<br />
<strong>und</strong> die Ressourcen am Jahresende<br />
1916 keine Möglichkeiten für eine<br />
kriegsentscheidende Offensive im Westen<br />
1917 bieten würden.<br />
<strong>Die</strong> strategische Hoffnung richtete<br />
sich nun auf den uneingeschränkten<br />
U-Boot-Krieg, der die Briten zum Frieden<br />
zwingen <strong>und</strong> so den Krieg beenden<br />
sollte. Offenk<strong>und</strong>ig war aber auch,<br />
dass die Alliierten 1917 die Entscheidung<br />
mit Angriffen an allen Fronten<br />
auf dem Kontinent suchen würden.<br />
Daher widmete sich Ludendorff nun<br />
vordringlich einer Aufgabe, die er meisterhaft<br />
beherrschte: Er ließ ein taktisches<br />
Verteidigungsverfahren entwickeln,<br />
um den Angreifer mit möglichst<br />
geringen eigenen Verlusten abwehren<br />
zu können. Der kongeniale operative<br />
Ansatz zu der neuen beweglichen<br />
Raumverteidigung war dann der operative<br />
Teilrückzug in die »Siegfriedstellung«<br />
im März 1917. Damit könnte der<br />
erfolgreiche operative Ansatz der<br />
Kräfte im Westen für 1917 sogar als<br />
noch defensiver als der Falkenhayns in<br />
den Vorjahren, vielleicht sogar als reine<br />
Ermattungsstrategie bewertet werden.<br />
<strong>Die</strong>se Wertung würde jedoch das Wesentliche<br />
aus dem Blick verlieren: Ludendorffs<br />
Defensive bereitete lediglich<br />
die erneute Offensive vor. Dabei fehlte<br />
der <strong>3.</strong> <strong>OHL</strong> jedoch der für Falkenhayn<br />
nachweisbare strategische Gesamtansatz.<br />
Ludendorff wollte den Krieg militärisch<br />
gewinnen. Realistische politische<br />
Optionen waren ihm fremd. Vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> des Kriegseintritts<br />
der USA fehlte dem operativen Ansatz<br />
für die Offensive im Westen jedoch der<br />
gesamtstrategische Rahmen.<br />
Nur das Frühjahr 1918 erschien günstig.<br />
<strong>Die</strong> drei für den Hauptstoß der<br />
Operation Michael vorgesehenen Armeen<br />
besaßen jedoch nur bei einer Armee<br />
ein Kräfteverhältnis von drei zu<br />
eins bei den Divisionen, ansonsten war<br />
das Verhältnis etwa zwei zu eins.<br />
Der Ansatz 1918, mit einem überlegenen<br />
Stoß im Cambraibogen den Gegner<br />
zu umfassen <strong>und</strong> die Briten so zum<br />
Verlassen des Kontinents zu zwingen,<br />
war ein taktisch-operativer, kein strategischer.<br />
Maßgebend blieb der Faktor<br />
Zeit. Es gab nur ein enges Zeitfenster<br />
für einen erfolgversprechenden Angriff.<br />
In dem Augenblick, wo sich die<br />
militärische Potenz der USA auswirken<br />
würde, spätestens im Sommer<br />
1918, war der Krieg verloren.<br />
Ein Vergleich<br />
<strong>Die</strong> Operationsführung während des<br />
Ersten <strong>Weltkrieg</strong>s hat mehrfach zwischen<br />
offensiven <strong>und</strong> defensiven Planungen<br />
gewechselt. Eine scharfe Trennung<br />
zwischen einer Ermattungsstrategie<br />
Falkenhayns <strong>und</strong> der Vernichtungsstrategie<br />
Ludendorffs hat es aber<br />
Strategie<br />
nicht gegeben. Vielmehr nahm schon<br />
Falkenhayns Kriegführung für 1916<br />
Züge einer Vernichtungsstrategie an.<br />
Bezeichnend für diese These ist auch,<br />
dass Ludendorff ähnlich wie die <strong>2.</strong> <strong>OHL</strong><br />
zunächst einen defensiven operativen<br />
Ansatz wählte, weil er militärisch begründet<br />
war. Der Ansatz 1917, aus einer<br />
durch erfolgreiche Verteidigung<br />
gestärkten Position heraus im Folgejahr<br />
offensiv zu werden, verweist auf<br />
Parallelen in Falkenhayns Überlegungen<br />
Ende 1915. Daher liegt die<br />
Schlussfolgerung nahe, Falkenhayn<br />
hätte unter den Rahmenbedingungen<br />
des Jahresendes 1917 mit seinem Stab<br />
zu einem ähnlichen operativen Ansatz<br />
gelangen können wie Ludendorff. Das<br />
liegt in den militärischen Verfahren begründet,<br />
die verlangen, dass eine militärische<br />
Beurteilung der Lage immer<br />
alle Möglichkeiten des Handelns prüfen<br />
muss, offensive wie defensive. Im<br />
Zeitfenster März/April 1918 war der<br />
Ansatz, den Gegner mit einer Angriffsoperation<br />
zu vernichten, beim Abwägen<br />
gegenüber anderen Möglichkeiten<br />
des Handelns – orientiert an der Absicht<br />
der übergeordneten Führung –<br />
der am erfolgversprechendste.<br />
Der eigentliche Unterschied zwischen<br />
<strong>2.</strong> <strong>und</strong> <strong>3.</strong> <strong>OHL</strong> besteht nicht im<br />
operativen Denken oder einem Gegensatz<br />
von Abnutzungs- oder Vernichtungsstrategie.<br />
Er besteht vielmehr darin,<br />
dass Falkenhayn strategisch dachte,<br />
während Ludendorff in taktisch-operativen<br />
Dimensionen verhaftet blieb<br />
<strong>und</strong> damit seiner zugewiesenen politischen<br />
Rolle nicht gerecht wurde. Andernfalls<br />
hätte er erkennen können,<br />
dass selbst ein Durchbruch im Westen<br />
den Krieg nicht ohne ein strategisches<br />
Gesamtkonzept beendet hätte. Falkenhayn<br />
war ein strategischer Kopf mit<br />
beschränkter taktischer Begabung,<br />
während Ludendorff ein taktisches Genie<br />
mit großer Organisationsbegabung<br />
war, jedoch ohne die Fähigkeit, über<br />
den operativen Tellerrand hinaus zu<br />
denken.<br />
� Burkhard Köster<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2008<br />
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