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Die Balkankriege 1912/13 Erster Weltkrieg: Die 2. und 3. OHL ...

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gungslinie zu sichern. Dadurch erhielt<br />

die eilig zusammengestellte Armee<br />

zum Entsatz der belagerten Stadt ihre<br />

Chance. Allerdings hatte es dazu<br />

großen diplomatischen Geschicks bedurft.<br />

Das »christliche Abendland« war<br />

auf dem Kontinent Europa zwar als<br />

Idee vorhanden, tatsächlich rangen<br />

aber unterschiedliche Mächte um die<br />

Vorherrschaft. Ein Dauerkonflikt bestand<br />

zwischen dem Heiligen Römischen<br />

Reich Deutscher Nation <strong>und</strong><br />

Frankreich, doch König Ludwig XIV.<br />

von Frankreich unternahm nun zumindest<br />

keine militärischen Aktivitäten gegen<br />

das Reich. Somit herrschte Ruhe an<br />

dessen Westgrenze.<br />

Für die Aufstellung der Entsatzarmee<br />

mussten vorhandene Pflichten zur<br />

Heerfolge genutzt <strong>und</strong> zahlreiche Drohungen<br />

ausgesprochen werden, Geld<br />

musste fließen <strong>und</strong> Zugeständnisse<br />

wurden gemacht, um die Allianz zur<br />

Rettung Wiens zu schmieden <strong>und</strong> sich<br />

von mehr oder weniger souveränen<br />

Staaten Truppen stellen zu lassen. An<br />

den Verhandlungen waren neben dem<br />

Kaiser, diversen Reichsständen, darunter<br />

Bayern, Sachsen <strong>und</strong> der Südwesten<br />

des Reiches, auch Papst Innozenz<br />

IX., König Jan III. Sobieski von Polen<br />

<strong>und</strong> die Republik Venedig beteiligt.<br />

Den Oberbefehl über die so geschaffene<br />

Entsatzarmee hatte der polnische<br />

König inne, die kaiserlichen Truppen<br />

6 Kara Mustafa (um 1630–1683), türkischer<br />

Großwesir seit 1676. Öl auf Leinwand,<br />

anonym.<br />

akg-images<br />

wurden von Herzog Karl V. von Lothringen<br />

kommandiert. <strong>Die</strong> Truppe bestand<br />

aus ca. 80 000 Mann, darunter<br />

24 000 polnische, 21 000 kaiserliche,<br />

10 500 bayerische, 9500 südwestdeutsche<br />

(Franken, Schwaben, Baden, Hessen)<br />

<strong>und</strong> 9000 sächsische Soldaten. Sie<br />

rückte in zwei Kolonnen vor, die sich<br />

am 7. September bei Tulln an der Donau<br />

vereinigten <strong>und</strong> dann durch den<br />

Wienerwald auf den Kahlenberg vorstießen.<br />

Am 1<strong>2.</strong> September eröffnete die polnische<br />

Kavallerie, die »Husaria«, mit<br />

ihrer Attacke von den Höhen des Kahlenberges<br />

die Schlacht <strong>und</strong> die gesamte<br />

Armee kämpfte sich gegen die überraschten<br />

Osmanen vor. Der rechte Flügel,<br />

bestehend aus polnischen Truppen,<br />

hatte den weitesten Anmarschweg;<br />

er befand sich im Kampf mit der<br />

osmanischen Hauptmacht. <strong>Die</strong> wirkungsvolle<br />

Unterstützung durch das<br />

Zentrum unter Max II. Emanuel von<br />

Bayern <strong>und</strong> Graf Christian Friedrich<br />

von Waldeck führte schließlich zum<br />

Durchbruch in das Lager der Osmanen.<br />

Der linke Flügel unter Karl von<br />

Lothringen <strong>und</strong> Johann Georg III. von<br />

Sachsen kämpfte sich zeitgleich zum<br />

Wiener Becken vor. Durch diese starken<br />

Angriffe sowie durch einen Ausfall der<br />

Wiener Verteidiger sahen sich die Osmanen<br />

in die Zange genommen, worauf<br />

die Führung unentschlossen reagierte.<br />

<strong>Die</strong> Osmanen flohen, auf dem<br />

Platz blieben 15 000 tote <strong>und</strong> verw<strong>und</strong>ete<br />

Osmanen, die Entsatzarmee zählte<br />

4000 bis 5000 Verluste. Eine festliche<br />

Siegesparade beendete am 18. September<br />

den Einsatz der Armee <strong>und</strong> in<br />

Teilen auch ihre Existenz, da die nur<br />

wegen der osmanischen Bedrohung<br />

ruhenden Gegensätze wieder aufbrachen.<br />

Den osmanischen Oberbefehlshaber<br />

Kara Mustafa erwartete die<br />

Todesstrafe. Am 25. Dezember 1683<br />

wurde er in Belgrad auf Befehl des Sultans<br />

hingerichtet.<br />

Anders als nach der ersten Belagerung<br />

Wiens 1529 erfolgte diesmal eine<br />

Offensive gegen das Osmanische Reich.<br />

In den folgenden Jahren setzten kaiserliche,<br />

bayerische, sächsische, polnische<br />

<strong>und</strong> badische Verbände den Türken<br />

nach, eroberten in blutigen Kämpfen<br />

Ungarn, rückten auf Belgrad <strong>und</strong> Sarajewo<br />

vor. Venezianische Verbände bekämpften<br />

die Türken in Griechenland.<br />

Der Friede von Karlowitz 1699 been-<br />

dete diesen Krieg, der Konflikt mit<br />

dem Osmanischen Reich schwelte jedoch<br />

weiter. Österreich schuf sich durch<br />

diese Siege einen Großmachtstatus, beherrschte<br />

fortan Ungarn <strong>und</strong> sicherte<br />

seine gemeinsame Grenze mit dem<br />

Osmanischen Reich durch die Einrichtung<br />

einer besonderen »Militärgrenze«.<br />

Es hat nicht an zeitgenössischen Versuchen<br />

gefehlt, diesen Konflikt als einen<br />

Kampf der Religionen zu deuten: Der<br />

Türke sei der Antichrist, sein Heiliges<br />

Buch, der Koran, ein Lügengespinst. Er<br />

weigere sich, die überkommenen Regeln<br />

des Krieges anzuerkennen. Es waren<br />

nicht zuletzt die weltlichen <strong>und</strong><br />

geistlichen Führer des Abendlandes,<br />

welche die »Türkenangst« schürten.<br />

Allerorten fürchtete man die Grausamkeit,<br />

insbesondere gegen Frauen, Kinder<br />

<strong>und</strong> Alte, des plündernden, raubenden<br />

<strong>und</strong> mordenden Feindes. <strong>Die</strong><br />

Bilder vom »Türken«, die so gezeichnet<br />

wurden, dienten nicht zuletzt dazu,<br />

die Stellung der Obrigkeiten zu festigen.<br />

Darüber hinaus sollten die Menschen<br />

für den Kampf gegen die Türken<br />

mobilisiert werden. Und der zeitgenössische<br />

Prediger Abraham a Sancta Clara<br />

sprach von »der Anfrischung der christlichen<br />

Waffen wider den Tuerckischen<br />

Bluetengel«.<br />

Aus den erbeuteten osmanischen Bronzekanonen<br />

wurde eine neue Glocke für<br />

den Stephansdom gegossen. <strong>Die</strong> katholische<br />

Kirche schuf im Gedenken an<br />

den Sieg am 1<strong>2.</strong> September den Feiertag<br />

»Mariä Namen«. Im oberösterreichischen<br />

Stift St. Florian ist der Kampf<br />

gegen die Osmanen in zahllosen Bildern<br />

<strong>und</strong> Skulpturen präsent. <strong>Die</strong> an<br />

den Kämpfen beteiligten Truppenführer<br />

verewigten sich <strong>und</strong> ihre Siege in<br />

weltlichen Bauten: Prinz Eugen von Savoyen<br />

(»der edle Ritter«) im Wiener<br />

Belvedere, Kurfürst Max II. Emanuel<br />

von Bayern (»der blaue König«) in<br />

Schleißheim <strong>und</strong> Markgraf Ludwig<br />

Wilhelm von Baden (»Türkenlouis«) in<br />

Rastatt. Auf den Konflikt sind aber<br />

auch kulturelle Importe aus dem Orient<br />

zurückzuführen. So fanden der<br />

Schellenbaum der osmanischen Musikgruppen,<br />

auf dessen Herkunft vor<br />

allem der englischsprachige Begriff<br />

»Turkish crescent« hinweist, <strong>und</strong> die<br />

ihn zierenden Rosshaarschweife Eingang<br />

in die deutsche Militärmusik.<br />

� Harald Potempa<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2008<br />

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