Dieses Bild von Günter Zint ist Teil der ... - Politikorange.de
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10<br />
alltäglich<br />
HEIDSCHI BUMBEIDSCHI ODER HELLO GOODBYE?<br />
Neue Musikrichtungen wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Psyche<strong>de</strong>lic Rock etablieren sich und<br />
reißen eine ganze Jugendgeneration<br />
in ihren Bann und Rausch. Die Songs<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> 68er preisen, sicherlich auch durch<br />
die Erfindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Pille inspiriert,<br />
sexuelle Hemmungslosigkeit, freie<br />
Liebe, ekstatische Exzesse und die<br />
Einnahme <strong>von</strong> bewusstseinserweitern<strong>de</strong>n<br />
Substanzen. Vertreter wie<br />
Janis Joplin, Jimi Hendrix, The Doors,<br />
The Who o<strong><strong>de</strong>r</strong> Jefferson Airplane, die<br />
für Aufregung und Empörung sorgen,<br />
da sie als „Gefahr für Ordnung und<br />
Sitte“ angesehen wer<strong>de</strong>n, schaffen es<br />
in Deutschland zwar nie an die Spitze<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Charts, haben aber <strong>de</strong>nnoch einen<br />
gravieren<strong>de</strong>n Einfluss auf die Jugendkultur<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> BRD im Jahre 68. Motiviert<br />
SEx, DRUGS AND COMICS<br />
Als Schundliteratur verhöhnt, als gewaltverherrlichend<br />
und obszön verschrien: Comics. Zum<br />
En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Sechziger sind sie <strong><strong>de</strong>r</strong> Inbegriff <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Pop Art. Allerdings nur in <strong>de</strong>n USA. In Deutschland<br />
<strong>ist</strong> es still um die bunten <strong>Bild</strong>chen mit ihren<br />
Sprechblasen, zumin<strong>de</strong>st bis Alfred <strong>von</strong> Meysenbug<br />
1968 als Mittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Rebellion <strong>Bild</strong> und Text<br />
vereint.<br />
Von Anja Breljak<br />
ikonen |<br />
James Marshall „Jimi“ Hendrix<br />
(1942 – 1970)<br />
„Wenn die Macht <strong><strong>de</strong>r</strong> Liebe<br />
die Liebe zur Macht übersteigt,<br />
erst dann wird die Welt endlich<br />
wissen, was Frie<strong>de</strong>n heißt.“<br />
<strong>von</strong> <strong>de</strong>n I<strong>de</strong>ologien <strong><strong>de</strong>r</strong> Beatniks<br />
entwickelt sich schließlich En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sechziger auch in Deutschland eine<br />
neue Musikrichtung – <strong><strong>de</strong>r</strong> „Krautrock“.<br />
Mit ihren <strong>de</strong>utschsprachigen<br />
Texten transportierten Bands wie<br />
Amon Düül <strong>de</strong>n Revolutionsgedanken<br />
auf die Tanzfläche.<br />
Die <strong>de</strong>utschen Charts hingegen<br />
wer<strong>de</strong>n <strong>von</strong> traditionellen Schlagern<br />
und internationalem Pop überschattet.<br />
Die Hitpara<strong>de</strong> in Deutschland könnte<br />
unterschiedlicher und farbenfroher<br />
nicht sein: Der kleine Knirps Heintje<br />
erfreut sich großer Beliebtheit und<br />
bege<strong>ist</strong>ert Mütter und brave Mä<strong>de</strong>ls<br />
mit Songs wie „Mama“, „Du sollst<br />
nicht weinen“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Heidschi Bumbeidschi“.<br />
Neben Heintje spielt unter<br />
Ihr Blick geht ins Leere. Verträumt<br />
und hoffnungsvoll schaut sie aus <strong>de</strong>m<br />
schwarzen Kasten heraus, ver<strong>de</strong>ckt<br />
mit <strong>de</strong>m linken Arm ihre nackten<br />
Brüste, <strong><strong>de</strong>r</strong> rechte zieht am Reißverschluss,<br />
öffnet die Jeans und offenbart<br />
einen auf ihrem Unterleib kleben<strong>de</strong>n<br />
500-Mark-Schein. „Die kleine Liebe<br />
und das große Geschäft <strong><strong>de</strong>r</strong> Verkäuferin<br />
Jolly Boom“, heißt es in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gezackten Sprechblase, schwarz auf<br />
weiß. Sie, Jolly Boom, <strong>ist</strong> umgeben<br />
<strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ware, die sie verkauft. Jolly<br />
Boom wird allmählich selbst zur<br />
Ware.<br />
1968. Stu<strong>de</strong>ntinnen und Stu<strong>de</strong>nten<br />
<strong>de</strong>monstrieren, rebellieren gegen ihre<br />
Eltern, gegen das System. Sie schmeißen<br />
Steine. Der 28-jährige Alfred <strong>von</strong><br />
Meysenbug hingegen malt Comics.<br />
Jolly Boom erwacht in Meysenbugs<br />
DER GENIALE GITARRENGOTT<br />
Wer war er? Der Mann, <strong><strong>de</strong>r</strong> als erster solch wil<strong>de</strong>, psyche<strong>de</strong>lisch-verträumte<br />
und innovative Töne einer Fen<strong><strong>de</strong>r</strong> Stratocaster entlockte. Mit seinen Bands<br />
wie „The Jimi Hendrix Experience“ verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te <strong><strong>de</strong>r</strong> kreative Wuschelkopf<br />
aus Amerika die Rockmusik nachhaltig. Seine sanften Harmonien, lyrischen<br />
Texte und ekstatischen Soli fesselten weltweit zigtausen<strong>de</strong> Fans. Kurz gesagt:<br />
Hendrix war <strong><strong>de</strong>r</strong> vielleicht wichtigste Gitarr<strong>ist</strong> aller Zeiten. Und ein visionärer<br />
Ausnahmemusiker, <strong>de</strong>ssen exzessive Karriere ein jähes En<strong>de</strong> fand: Mit<br />
nur 27 Jahren erstickte er in einem Londoner Hotelzimmer an seinem eigenen<br />
Erbrochenen. Um es mit <strong>de</strong>n Worten <strong>von</strong> Konzertveranstalter Fritz Rau<br />
zu sagen: „Jimi war ein Ikarus <strong>de</strong>s Blues, <strong><strong>de</strong>r</strong> in die Sterne flog, <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonne zu<br />
nah kam und verbrannte.“<br />
mythos68 | April 2008<br />
1968 <strong>ist</strong> ein Jahr voller be<strong>de</strong>uten<strong><strong>de</strong>r</strong> Ereignisse und Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen.<br />
Das spiegelt sich auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Musik wi<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />
Von Nadja Wohlleben<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>em <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemalige Staubsauger-<br />
Vertreter Tom „The Tiger“ Jones<br />
mit „Delilah“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Help Yourself“<br />
ganz oben in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hitpara<strong>de</strong> mit. Der<br />
Traumschwiegersohn <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD Peter<br />
Alexan<strong><strong>de</strong>r</strong> beglückt Großmütterchen<br />
& Co. mit Hits wie „Der letzte<br />
Walzer“, welcher auf heimischen Plattenspielern<br />
hoch und runter du<strong>de</strong>lt.<br />
Neben ihm bringen die kalifornischen<br />
Vorzeigejungs The Bee Gees, mit<br />
<strong>de</strong>m Song „Massachusetts“ und mit<br />
einem strahlen<strong>de</strong>n Zahnpastalächeln<br />
bewaffnet, Sonne und amerikanisches<br />
Lebensgefühl in <strong>de</strong>utsche Wohnstuben.<br />
Frauenversteher und Fönwellenträger<br />
Roy Black hingegen stillt<br />
mit schwülstigen Kraftballa<strong>de</strong>n wie<br />
„Bleib bei mir“ sehnsüchtig schmacht-<br />
erstem Comic-Strip „Supermädchen“<br />
zum Leben, als Rebellion gegen <strong>de</strong>n<br />
Kapitalismus und die unerbittliche<br />
Konsumgesellschaft, die aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
folgsamen Verkäuferin Jolly eine<br />
Prostituierte macht. Ganz im Stil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Pop Art zeichnet Meysenbug nach<br />
Fotovorlagen, die er <strong>von</strong> Freun<strong>de</strong>n<br />
und Bekannten nachstellen lässt,<br />
montiert Werbesprüche und politische<br />
Flugblätter in die lockere <strong>Bild</strong>erfolge<br />
und lässt somit Realität und Fantasie<br />
verschmelzen. Daher brüllt auch je<strong>de</strong>s<br />
<strong>Bild</strong> Jollys Worte: „Alles <strong>ist</strong> käuflich!“<br />
Sie <strong>ist</strong> unverschämt nah am Leser,<br />
fixiert mit dre<strong>ist</strong>en Blicken die Außenwelt<br />
und sprengt alle Strukturregeln<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Comic-Kunst.<br />
Ebenfalls 1968 erscheint <strong><strong>de</strong>r</strong> Comic-<br />
Band „Glamour Girl“ – die Erzählstruktur<br />
noch wil<strong><strong>de</strong>r</strong>, die <strong>Bild</strong>er noch<br />
en<strong>de</strong> Herzen <strong>de</strong>utscher Frauen (und<br />
Männer). Das bis dato erfolgreichste<br />
Exportprodukt Großbritanniens<br />
sind The Beatles – vier Pilzköpfe aus<br />
Liverpool, die mit Hits wie „Hello<br />
Goodbye“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Hey Ju<strong>de</strong>“ sowohl<br />
die <strong>de</strong>utschen, als auch die weltweiten<br />
Charts im Sturm erobern.<br />
Verrückte Welt – verrückte Hitpara<strong>de</strong>.<br />
So <strong>ist</strong> das 1968. Und obwohl<br />
die Ikonen <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit zume<strong>ist</strong> schon im<br />
Jenseits verweilen, führen sie auch im<br />
Diesseits zu Recht noch einige Playl<strong>ist</strong>s<br />
an. Vielleicht nicht gera<strong>de</strong> Heintje mit<br />
seinem Tophit „Heidschi Bumbeidschi“,<br />
doch Musiklegen<strong>de</strong>n wie die<br />
Rolling Stones rollen immer noch,<br />
und ihre Songs bleiben unsterblich.<br />
pornografischer. Im Gegensatz zu<br />
Jolly <strong>ist</strong> die Protagon<strong>ist</strong>in in „Glamour<br />
Girl“, Carla Ehrlich, bereits<br />
eine Prostituierte, die sich im Laufe<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bild</strong>erfolge zur provozieren<strong>de</strong>n<br />
Künstlerin und Femin<strong>ist</strong>in entwickelt.<br />
Carlas Atem spürt man auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
letzten Seite: zufrie<strong>de</strong>ne Augen, leicht<br />
geöffneter Mund. Eine Nahaufnahme.<br />
Sie wird bei einer Protestaktion <strong>de</strong>s<br />
Sozial<strong>ist</strong>ischen Deutschen Stu<strong>de</strong>ntenbun<strong>de</strong>s<br />
(SDS) – <strong>de</strong>ssen Mitglied auch<br />
Meysenbug war – während einer<br />
SPD-Veranstaltung verhaftet. „Jetzt<br />
gehöre ich dazu!!“, schreit sie <strong>de</strong>m<br />
Leser ins Gesicht. Und dann, mit <strong>de</strong>m<br />
Zuklappen <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Seite, schließt<br />
sich dieses Kapitel ihres Lebens.<br />
Warum wur<strong>de</strong> er <strong>von</strong> <strong>de</strong>n 68ern verehrt? Hendrix<br />
spielte <strong>de</strong>n perfekten Sound zur Revolte:<br />
Mutig, rebellisch, glaubwürdig rockend. Auf<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bühne gab er <strong>de</strong>n „Wild Man of Rock“,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> die künstlerische Freiheit voll auslebte und<br />
seine Gitarre gera<strong>de</strong>zu zeremoniell verbrannte.<br />
Mit seinen Songs wie „Are You Experienced?“<br />
zeigte Jimi <strong>de</strong>n verstaubten Rocktraditionen<br />
<strong>de</strong>n erhobenen Mittelfinger. Legendär: Seine<br />
verstören<strong>de</strong> Interpretation <strong><strong>de</strong>r</strong> amerikanischen<br />
Nationalhymne auf <strong>de</strong>m Woodstock Festival.<br />
Und heute? Hendrix’ Musik hat nicht an Anziehungskraft eingebüßt: Jährlich wer<strong>de</strong>n Millionen CDs verkauft, immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
fin<strong>de</strong>t sich unveröffentlichtes Material <strong>de</strong>s Künstlers. Wirklich tot <strong>ist</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> ewig junge Hippieprinz noch nicht.