Dieses Bild von Günter Zint ist Teil der ... - Politikorange.de
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14<br />
international<br />
AUF DER SUCHE NACH DEM DUFT DER SOMMERWIESE<br />
San Francisco zwischen Hippie und Heute. Von Markus Hujara<br />
An manchen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Tagen<br />
kannst du sie noch sehen. Im Gol<strong>de</strong>n-<br />
Gate-Park zwischen <strong>de</strong>n großen alten<br />
Bäumen. Dort, wo nur schmale bleiche<br />
Sonnenstrahlen durch <strong>de</strong>n Nebel blinzeln.<br />
Folge <strong>de</strong>m Geruch einer frisch<br />
gemähten Sommerwiese, und dann<br />
stehen sie plötzlich vor dir. Seine Haare<br />
wild, die Instrumente selten. Ihr Busen<br />
blank und Blumen im Haar. Und <strong>von</strong><br />
irgendwoher fährt ein Einradler quer<br />
durch das Panorama.<br />
Sicher, <strong><strong>de</strong>r</strong> Tanz <strong>de</strong>s verrückten Alt-<br />
Hippie-Paares, er darf nicht fehlen<br />
– wie das wohlige Schein-Schrecken<br />
<strong>von</strong> Alcatraz, die Freiheits-Brise auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gol<strong>de</strong>n-Gate-Bridge und die Le<strong><strong>de</strong>r</strong>tunte<br />
im Schwulenviertel Castro, die<br />
genüsslich an einem Melonen-Martini<br />
schlürft.<br />
Doch was <strong>ist</strong> gewor<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m<br />
Traum einer Generation, einem<br />
Lebensstil, <strong><strong>de</strong>r</strong> doch gera<strong>de</strong> die Negation<br />
<strong>von</strong> Marke, das Gegenteil <strong>von</strong><br />
Schubla<strong>de</strong> sein wollte, wenn „Hippie-<br />
Culture“ gleich neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Bimmelbahn<br />
als beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Highlight <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Touri-Tour angepriesen wird?<br />
Tatsächlich hat diese Stadt <strong>de</strong>n Duft<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheit zu lange inhaliert. Er steckt<br />
zu tief in ihren Poren, als dass sie ihn<br />
jemals wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auswaschen könnte.<br />
Sie begleitet, nein, sie bestimmt ihr<br />
Schicksal. Ohne ihn wäre die Emanzipation<br />
kaum zu <strong>de</strong>nken, die Schwulen-<br />
Bewegung kaum zu verstehen. Diese<br />
Stadt – sie <strong>ist</strong> die Stadt <strong>de</strong>s gelebten<br />
Ego-Imperativs: SEI, WIE DU SEIN<br />
WILLST! Die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en schauen dir<br />
dabei zu. O<strong><strong>de</strong>r</strong> eben auch nicht. Wie<br />
selbstverständlich die Bewohner <strong>von</strong><br />
„The City“ mit all <strong>de</strong>n Frei<strong>de</strong>nkern<br />
und Aussteigern, Durchgeknallten und<br />
Verrückten, Gescheiterten und Hilfesuchen<strong>de</strong>n<br />
gleichermaßen umgehen<br />
– es <strong>ist</strong> beeindruckend. Die Grenzen<br />
zwischen bedingungsloser Liberalität<br />
und gesellschaftlicher Gleichgültigkeit<br />
sind dabei fließend. Natürlich darf<br />
musiziert wer<strong>de</strong>n, was die fernöst-<br />
lichen Instrumente hergeben, doch<br />
genauso stört sich niemand am zum<br />
Himmel stinken<strong>de</strong>n Obdachlosen, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
täglich vom Sozialamts-Sicherheitsdienst<br />
zurück auf die Straße geschickt<br />
wird. Einmal gut durchlüften, einmal<br />
das Duftspray kräftig in <strong>de</strong>n Wartesaal<br />
halten, und alles war nur ein böser,<br />
nasaler Traum.<br />
So <strong>ist</strong> San Francisco nicht nur<br />
gelebte Freiheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch eine<br />
ganz normale US-amerikanische<br />
Metropole mit ihren sozialen Ungerechtigkeiten,<br />
ignorierten Problemen<br />
und natürlich ihrem ureigenen<br />
Kapitalismus. Kult und Mythos, das<br />
<strong>ist</strong> eben auch Mehrwert und Profit.<br />
Und so <strong>ist</strong> Haight-Ashbury, jenes<br />
legendäre Straßenkreuz, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> Ruf<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Hippies zum ersten Mal vernommen<br />
und in die Welt hinaus gesen<strong>de</strong>t<br />
wur<strong>de</strong>, inzwischen eingekre<strong>ist</strong> <strong>von</strong><br />
„hippen“ Designerlä<strong>de</strong>n. Wer hier in<br />
<strong>de</strong>n pseudo-alternativen Shops einkauft,<br />
muss für das Batik-Shirt tief in<br />
mythos68 | April 2008<br />
ExPORTARTIKEL: SEx, DRUGS, LOVE & PEACE<br />
„Sit-ins“, Straßenkrawalle, sexuelle Revolution: Kaum eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Protestkultur hat die <strong>de</strong>utsche Stu<strong>de</strong>ntenbewegung so sehr beeinflusst wie die <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
USA. Doch im „Land <strong><strong>de</strong>r</strong> unbegrenzten Möglichkeiten“ steht 1968 auch für gescheiterte Träume und blutige Konflikte. Von Tino Höfert<br />
Wie antiamerikanisch war die <strong>de</strong>utsche<br />
68er-Bewegung? Betrachtet man<br />
die vielen Proteste, die sich En<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sechziger Jahre gegen die USA<br />
richteten, scheint die Antwort offensichtlich:<br />
Die zentrale Parole auf <strong>de</strong>n<br />
Antikriegs<strong>de</strong>mos lautete: „Amis raus<br />
aus Vietnam!“ Dutzen<strong>de</strong> Male flogen<br />
Eier gegen das Berliner Amerika Haus,<br />
beim legendären Pudding-Attentat<br />
bekam US-Vizepräsi<strong>de</strong>nt Hubert H.<br />
Humphrey die Kritik <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen<br />
Stu<strong>de</strong>nten am eigenen Leibe zu spüren.<br />
Und für die Kommune 1 waren die<br />
Amerikaner „arme Schweine, die ihr<br />
Coca-Cola-Blut im vietnamesischen<br />
Dschungel verspritzen“. Die Welt-<br />
ikonen |<br />
Martin Luther King Jr.<br />
(1929 – 1968)<br />
„Ich habe einen Traum, dass<br />
meine vier Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> eines Tages in<br />
einer Nation leben<br />
wer<strong>de</strong>n, in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
man sie nicht nach<br />
ihrer Hautfarbe,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach<br />
ihrem Charakter<br />
beurteilen wird.“<br />
macht USA war ein klares Feindbild,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> infame Superlativ <strong>de</strong>s westlichen<br />
Kapitalismus.<br />
Was dabei me<strong>ist</strong> übersehen wird:<br />
Was wären die 68er ohne ihre großen<br />
Vorbil<strong><strong>de</strong>r</strong> aus <strong>de</strong>n US-Universitäten<br />
gewesen? Die revolutionären I<strong>de</strong>en<br />
importierte man zweifelsohne aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
amerikanischen Gegenkultur: Emanzipation,<br />
sexuelle Freiheit, Aufstand<br />
gegen verstaubte Traditionen. Schon<br />
ab 1964 veranstalteten Stu<strong>de</strong>nten<br />
aus Berkeley und New York „Sit-ins“,<br />
besetzten Rektorate und Verwaltungsgebäu<strong>de</strong>.<br />
Überregionale Hochschulgruppen<br />
wie „Free Speech Movement“<br />
und „Stu<strong>de</strong>nts for a Democratic<br />
DER FRIEDLICHE FRIEDENSSTIFTER<br />
Wer war er? Der Pastorensohn aus Atlanta entwickelte sich in <strong>de</strong>n 60er Jahren<br />
zur Galionsfigur <strong><strong>de</strong>r</strong> schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Der brillante Rhetoriker<br />
– er hielt bis zu 200 Re<strong>de</strong>n pro Jahr – organisierte dutzen<strong>de</strong> Demos<br />
und Protestaktionen für die Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Afroamerikaner. Und zwar mit<br />
Erfolg: 1964 wur<strong>de</strong> das Gesetz zur Aufhebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rassentrennung verkün<strong>de</strong>t.<br />
Obwohl die Kennedy-Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> zu seinen größten För<strong><strong>de</strong>r</strong>ern gehörten,<br />
geriet King immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ins Fa<strong>de</strong>nkreuz <strong>von</strong> FBI, Justiz und Ku-Klux-Klan.<br />
Am 4. April 1968 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Frie<strong>de</strong>nsnobelpre<strong>ist</strong>räger sein mutiges Engagement<br />
zum Verhängnis: Auf <strong>de</strong>m Balkon eines Motels in Memphis fiel er<br />
einem Attentat zum Opfer.<br />
Society“ organisierten Workshops,<br />
Diskussionsrun<strong>de</strong>n und zahlreiche<br />
Konzerte. Während die west<strong>de</strong>utsche<br />
Stu<strong>de</strong>ntenbewegung noch auf eine<br />
Initialzündung wartete, brach die<br />
kulturelle Umwälzung in <strong>de</strong>n USA<br />
wie eine Welle über das Land herein<br />
– getragen <strong>von</strong> <strong>de</strong>n psyche<strong>de</strong>lischen<br />
Revolutionsklängen <strong><strong>de</strong>r</strong> kalifornischen<br />
Blumenkin<strong><strong>de</strong>r</strong>, die ihre Botschaft <strong>von</strong><br />
„Make Love, Not War!“ in die gesamte<br />
Welt verbreiteten. Sex, Drugs, Love<br />
& Peace entwickelten sich zu hervorragen<strong>de</strong>n<br />
Exportartikeln – auch nach<br />
Deutschland.<br />
Doch die Träume <strong>von</strong> Liebe und<br />
Frie<strong>de</strong>n fan<strong>de</strong>n ein jähes En<strong>de</strong>: Am<br />
Abend <strong>de</strong>s 4. April 1968 wur<strong>de</strong> Martin<br />
Luther King <strong>von</strong> einem weißen Attentäter<br />
in Memphis nie<strong><strong>de</strong>r</strong>geschossen.<br />
Mit <strong>de</strong>m Tod <strong>de</strong>s schwarzen Bürgerrechtlers<br />
starben die Hoffnungen<br />
<strong>von</strong> Millionen Afroamerikanern auf<br />
Gleichberechtigung. Wie so oft gipfelte<br />
die Wut in fataler Gewalt: Plün<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen,<br />
Straßenschlachten, unschuldige<br />
Opfer. Knapp zwei Monate später<br />
das zweite Attentat: Der <strong>de</strong>mokratische<br />
Präsi<strong>de</strong>ntschaftskandidat Robert F.<br />
Kennedy wur<strong>de</strong> erschossen. Amerikas<br />
Obrigkeit schien machtlos – und auch<br />
die stu<strong>de</strong>ntische Protestkultur musste<br />
in diesen Tagen die Grenzen ihrer<br />
Weltverbesserungsträume erkennen.<br />
die Tasche greifen, um sich so frei und<br />
unbeschwert zu fühlen wie die Vertreter<br />
einer früheren Generation, <strong>de</strong>nen<br />
scheinbar noch Liebe, Frie<strong>de</strong>n, eine<br />
verstimmte Gitarre und ein bisschen<br />
LSD zum Glück gereichte.<br />
Doch wie wun<strong><strong>de</strong>r</strong>bar lässt sich das<br />
alles vergessen, wenn im Park wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
die Bühnen aufgebaut, die Peace, Pace,<br />
Rainbow und Earth-Fahnen gehisst<br />
wer<strong>de</strong>n, die Jongleure kommen, die<br />
Veggie-Burger bruzzeln, die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
tanzen und bunte Seifenblasen blasen.<br />
Der Hippie braucht wohl in allen<br />
Zeiten das Ereignis, das Gemeinschaftsgefühl.<br />
Er sucht die Masse, um<br />
das Freisein zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Die Verstärker drehen auf. Ist es<br />
Reggae o<strong><strong>de</strong>r</strong> Rock ‘n’ Roll – egal. Du<br />
b<strong>ist</strong> glücklich. Und langsam, ganz langsam<br />
steigt er an dir hinauf, du kannst<br />
ihn spüren, um dich, in dir. Du atmest<br />
ihn tief ein, immer tiefer, <strong>de</strong>n Duft<br />
einer frisch gemähten Sommerwiese.<br />
Warum wur<strong>de</strong> er <strong>von</strong> <strong>de</strong>n 68ern verehrt? Als<br />
„Schwarzer Gandhi“ bewies King eindrucksvoll,<br />
dass man durch friedlichen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand<br />
politische Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen erreichen kann. Ob<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Busboykott <strong>von</strong> Montgomery o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
berühmte Marsch nach Washington: Kings<br />
Aktionen stärkten nicht nur das Selbstbewusstsein<br />
<strong>von</strong> Millionen Schwarzen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
beeinflussten auch die stu<strong>de</strong>ntische Protestkultur.<br />
Und heute? Fest steht: Ohne King hätte Präsi<strong>de</strong>ntschaftskandidat Barack Obama wohl niemals eine Chance, ins Weiße Haus<br />
einzuziehen. Erst Jahrzehnte später erkannte Amerikas Obrigkeit die h<strong>ist</strong>orische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Bürgerrechtlers an. Pikant: Sein<br />
Tod wur<strong>de</strong> nie vollständig aufgeklärt.