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Dieses Bild von Günter Zint ist Teil der ... - Politikorange.de

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06<br />

persönlich<br />

„ICH BIN EIN WIRKLICH RICHTIGER 68ER“<br />

politikorange: Wann fingen Sie an, sich politisch<br />

zu engagieren?<br />

Hans-Chr<strong>ist</strong>ian Ströbele: Bei mir<br />

war <strong><strong>de</strong>r</strong> 2. Juni 1967 ein Schlüsselerlebnis.<br />

Das war <strong><strong>de</strong>r</strong> Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> Demonstration<br />

gegen <strong>de</strong>n Schah-Besuch. Am<br />

nächsten Tag habe ich in <strong><strong>de</strong>r</strong> BZ das<br />

Foto einer blutüberströmten Frau mit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Überschrift: „Von Steinen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Chaoten getroffen“ gesehen. Aber<br />

dann sagte genau die selbe Frau: Von<br />

wegen, <strong>von</strong> einem Stein <strong><strong>de</strong>r</strong> Chaoten<br />

getroffen; ich wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> einem Polizeiknüppel<br />

getroffen! Später hieß es,<br />

ein Poliz<strong>ist</strong> sei erstochen wor<strong>de</strong>n. Die<br />

Wahrheit war, dass ein völlig harmloser<br />

Mann namens Benno Ohnesorg <strong>von</strong><br />

einem Poliz<strong>ist</strong>en erschossen wur<strong>de</strong>.<br />

Ich hab mich über bei<strong>de</strong> Geschichten<br />

so empört, dass ich mich entschlossen<br />

habe, mich Horst Mahler, <strong><strong>de</strong>r</strong> damals<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Anwalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Stu<strong>de</strong>nten war, als<br />

jur<strong>ist</strong>ischer Zuarbeiter zur Verfügung<br />

zu stellen. Von da an war ich <strong>Teil</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bewegung und <strong><strong>de</strong>r</strong> Außerparlamentarischen<br />

Opposition ...<br />

... und damit <strong>Teil</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 68er Revolution.<br />

Genau. Wir kamen zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Überzeugung:<br />

Diese Gesellschaft wollen wir<br />

nicht! Nur die Revolution kann die<br />

Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung bringen.<br />

ikonen |<br />

Ernesto „Che“ Rafael Guevara <strong>de</strong> la Serna<br />

(1928 – 1967)<br />

„Seien wir real<strong>ist</strong>isch, versuchen<br />

wir das Unmögliche.“<br />

Ich war da<strong>von</strong> total überzeugt.<br />

Damals antwortete ich auf die Frage<br />

nach einer Altersversicherung: Nee,<br />

brauche ich nicht, bis dahin hat die<br />

Revolution gesiegt. Ich habe die Revolution<br />

also nicht nur für notwendig,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n für machbar und real<strong>ist</strong>isch<br />

gehalten.<br />

Schön und gut, aber eine Revolution beginnt<br />

man, in<strong>de</strong>m man sich gegen das etablierte<br />

System wen<strong>de</strong>t. Sie wur<strong>de</strong>n statt<strong>de</strong>ssen <strong>Teil</strong><br />

<strong>de</strong>s Systems, spätestens mit Ihrem Eintritt<br />

in die SPD.<br />

Es bil<strong>de</strong>te sich die Auffassung heraus,<br />

dass es mit ewigem Demonstrieren<br />

nicht weitergeht. Wir fingen an, die<br />

Frage <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewalt zu diskutieren.<br />

Einige sind in <strong>de</strong>n Untergrund gegangen,<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>e wählten <strong>de</strong>n Gang durch<br />

die Institutionen. Ich bin <strong>de</strong>shalb 1970<br />

in die SPD eingetreten. Dutschke predigte:<br />

Wir kämpfen weiter für unsere<br />

Ziele, aber eben überall. An <strong>de</strong>n<br />

Werkstoren, im Gerichtssaal und in<br />

<strong>de</strong>n Institutionen.<br />

Gewalt war ja ohnehin ein zentrales Thema<br />

damals. Wie haben Sie sich positioniert?<br />

Ich habe diese Gewaltdiskussion<br />

mitgemacht, aber dazu nicht Stellung<br />

genommen. An<strong><strong>de</strong>r</strong>e haben sich bewaff-<br />

DER ROMANTISCHE REVOLUTIONäR<br />

Wer war er? An <strong><strong>de</strong>r</strong> Seite <strong>von</strong> Fi<strong>de</strong>l und Raoul Castro führte <strong><strong>de</strong>r</strong> gebürtige<br />

Argentinier die Guerillakämpfer gegen das kubanische Regime <strong>von</strong> Fulgencia<br />

Bat<strong>ist</strong>a. Resultat: Die Revolution siegte, und ab 1959 wur<strong>de</strong> Kuba<br />

sozial<strong>ist</strong>isch. „Comandante Che“ beteiligte sich maßgeblich an <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen<br />

Umgestaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuckerrohrinsel, war Chef <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalbank und knüpfte<br />

Kontakte zur DDR und Sowjetunion. Nebentätigkeiten: Arzt, Frauenheld,<br />

Zigarrenraucher.<br />

Und heute? Ein ungebrochener Mythos. Ob T-Shirts,<br />

Poster o<strong><strong>de</strong>r</strong> Taschentücher: Produkte mit Ches Konterfei<br />

wer<strong>de</strong>n heute immer noch millionenfach verkauft, vor<br />

allem an rebellieren<strong>de</strong> Teenager und pseudolinke Promis.<br />

net. Es gab die allgemeine Meinung,<br />

die Revolution sei angesagt. Man muss<br />

das auch über Deutschland hinaus<br />

sehen, es gab in vielen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n ähnliche<br />

Entwicklungen, man sah sich in<br />

einem weltweiten Zusammenhang.<br />

Es scheint, als sei heute <strong>von</strong> dieser weltweiten<br />

Bewegung wenig übrig geblieben – außer<br />

eines verklärten Rückblicks auf <strong>de</strong>n Mythos 68.<br />

68 hat Spuren hinterlassen: Deutschland<br />

<strong>ist</strong> in vielen Bereichen liberaler<br />

gewor<strong>de</strong>n. Als ich als Anwalt anfing,<br />

war es beispielsweise strafbar, wenn<br />

zwei erwachsene Männer Geschlechtsverkehr<br />

hatten. Das hatte zur Folge,<br />

dass sich um die Homosexuellenszene<br />

Verbrechen und Erpressung bil<strong>de</strong>ten.<br />

Heute <strong>ist</strong> Homosexualität gesellschaftlich<br />

akzeptiert. So gibt es eine ganze<br />

Reihe <strong>von</strong> Sachen, die sich durch das<br />

Infragestellen <strong><strong>de</strong>r</strong> etablierten Regeln<br />

verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t haben.<br />

Sehen Sie heute noch revolutionäres Potential?<br />

Ich sehe das Potential darin, dass<br />

auch in Heiligendamm so viele junge<br />

Leute da waren. Ihnen fehlt aber ein<br />

theoretischer Unterbau. Das führt<br />

dazu, dass das Engagement relativ<br />

schnell wie<strong><strong>de</strong>r</strong> weg <strong>ist</strong>. Das war damals<br />

mythos68 | April 2008<br />

Ein roter Schal <strong>ist</strong> sein Markenzeichen: Hans-Chr<strong>ist</strong>ian Ströbele<br />

sitzt als Abgeordneter <strong>von</strong> Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen<br />

Bun<strong>de</strong>stag. Ein Interview <strong>von</strong> Ulrike Schulz<br />

Er hat maßgeblich an <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> linken Tageszeitung taz und <strong>de</strong>s<br />

Berliner Lan<strong>de</strong>sverban<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Grünen mitgewirkt. Vielen gilt Hans-Chr<strong>ist</strong>ian<br />

Ströbele als Vorzeige-68er: Zusammen mit Horst Mahler, <strong>de</strong>m heutigen<br />

Holocaust-Leugner, schuf er 1969 das sozial<strong>ist</strong>ische Anwaltskollektiv. In <strong>de</strong>n<br />

70ern vertrat er die RAF-Gefangenen <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Generation.<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>s. Die APO hatte <strong>de</strong>n Anspruch,<br />

Theorien und Vorstellungen darüber<br />

zu entwickeln: Was <strong>ist</strong> falsch, was <strong>ist</strong><br />

die Ursache für <strong>de</strong>n Faschismus, und<br />

wo muss es hingehen, dass so etwas nie<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> passiert?<br />

Fin<strong>de</strong>n Sie im Rückblick, dass Sie erfolgreich<br />

mit Ihren Zielen waren?<br />

Natürlich hätte man einiges an<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />

machen können. Aber die Grundrichtung<br />

halte ich nach wie vor für<br />

so richtig, dass ich einen großen <strong>Teil</strong><br />

meines jetzigen politischen Lebens<br />

dafür einsetze und mich an <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage<br />

orientiere: Wie kann ich zu einer<br />

Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt zu gerechteren<br />

Verhältnissen beitragen? Ich bin sicher,<br />

dass ich da auch weitermachen wer<strong>de</strong>,<br />

solange es meine Gesundheit zulässt.<br />

Warum wur<strong>de</strong> er <strong>von</strong> <strong>de</strong>n 68ern verehrt? Der<br />

Revolutionsstar verband erstmals jugendliches<br />

Charisma mit kommun<strong>ist</strong>ischen<br />

I<strong>de</strong>alen. Zu<strong>de</strong>m wollte er <strong>de</strong>n „Neuen<br />

Menschen“ schaffen – und zwar mit<br />

Gewalt. Che war aber auch <strong><strong>de</strong>r</strong> träumerische<br />

Weltverbesserer, <strong><strong>de</strong>r</strong> erst Lateinamerika,<br />

danach <strong>de</strong>n ganzen Planeten <strong>von</strong><br />

Armut, Krankheit und Ausbeutung befreien<br />

wollte. Sein Versuch in Bolivien scheiterte:<br />

Am 9. Oktober 1967 wur<strong>de</strong> er <strong>von</strong> einem<br />

bolivischen Feldwebel erschossen.

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