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17 KLs 83/94 Landgericht Stuttgart Im Namen des Volkes Urteil in ...

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also bestückt mit der Nomenklatur und den Beurteilungsnormen der veröffentlichten Me<strong>in</strong>ung<br />

(trojanisches Pferd)."<br />

Weiter schrieb der Angeklagte, mangelnde Sensibilität für das normale Reaktionsverhalten<br />

berge die Gefahr der Unbedachtsamkeit und könne katastrophale Wirkungen auf das Gegenüber<br />

haben. "Würde es nach me<strong>in</strong>em Herzen gehen," fuhr er fort, "stünden <strong>in</strong> dem Buch noch<br />

weitaus drastischere D<strong>in</strong>ge. Damit wäre jedoch nur me<strong>in</strong>em Herzen gedient. ... Ich plädiere<br />

daher für e<strong>in</strong>e - totalentschärfte - Version für den deutschen Markt, auch wenn es dem Herzen<br />

zuwider se<strong>in</strong> mag."<br />

18<br />

Entsprechend diesen Vorstellungen gestaltete der Angeklagte auch se<strong>in</strong>e sonstige publizistische<br />

Strategie. Er unterschied zwischen Publikationen, die <strong>in</strong>nerhalb der rechtsradikalen Szene<br />

und ihres Umfel<strong>des</strong> und solchen, die auch außerhalb davon Wirkung entfalten sollten.<br />

Während letztere ausschließlich sachlich ersche<strong>in</strong>en sollten, konnten erstere unter Berufung<br />

auf die angeblich wissenschaftlichen Schriften zum Teil äußerst heftige Polemik und den Appell<br />

an nationalistische und rassistische Vorurteile enthalten.<br />

Zweck dieser Doppelstrategie war, e<strong>in</strong>erseits durch hetzerische Pamphlete Emotionen zu<br />

schüren und damit national ges<strong>in</strong>nte oder für polemische Argumentation empfängliche Kreise<br />

zu sammeln; andererseits durch objektiv ersche<strong>in</strong>ende Schriften den Kreis der Adressaten für<br />

"revisionistisches" Gedankengut zu erweitern. Gleichzeitig sollte mit dem Ansche<strong>in</strong> der Objektivität<br />

für gewisse Schriften auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich auf die verfassungsmäßig<br />

garantierte Freiheit der Wissenschaft zu berufen. Dadurch sollten diese Schriften<br />

dem Zugriff der Ermittlungsbehörden entzogen werden und so <strong>in</strong>direkt e<strong>in</strong> staatliches Unbedenklichkeitsattest<br />

erhalten.<br />

Se<strong>in</strong>e eigene Rolle im "revisionistischen" Lager sah der Angeklagte <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als die <strong>des</strong><br />

im H<strong>in</strong>tergrund wirkenden Verfassers grundlegender Schriften mit dem Anspruch auf<br />

19<br />

Wissenschaftlichkeit. Die politische oder polemische, <strong>in</strong>sbesondere auch stark antisemitische<br />

Kommentierung überließ er <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie anderen, nicht zuletzt Personen aus dem Umfeld<br />

<strong>des</strong> Zeugen Remer. Diese Personen gaben anonym oder unter Pseudonym zahlreiche Zeitschriften,<br />

Broschüren und Flugblätter mit zum Teil stark hetzerischer Tendenz heraus, <strong>in</strong> denen<br />

<strong>in</strong> verallgeme<strong>in</strong>ernder Weise auch immer wieder auf das "Gutachten" Bezug genommen<br />

wurde. Der Angeklagte, der mit e<strong>in</strong>er derartigen Verwendung se<strong>in</strong>er Werke e<strong>in</strong>verstanden<br />

war, leistete Hilfe bei der Erstellung dieser Pamphlete. Unter anderem stellte er Daten und<br />

Dokumente zur Verfügung, korrigierte, entwarf und überarbeitete Texte oder übernahm deren<br />

graphische Gestaltung am Computer.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus verfaßte der Angeklagte - unter zahlreichen Pseudonymen oder anonym -<br />

auch selbst teils polemisch kommentierende teils sachlich ersche<strong>in</strong>ende Artikel und Flugschriften.<br />

Unter anderem g<strong>in</strong>g es ihm hierbei darum, e<strong>in</strong>e lebhafte Diskussion über den Inhalt<br />

<strong>des</strong> "Gutachtens" und andere "revisionistische" Thesen nach außen h<strong>in</strong> vorzutäuschen. Zu<br />

diesem Zweck zitierte er sich unter verschiedenen <strong>Namen</strong> immer wieder selbst. Außerdem<br />

legte er den Pseudonymen akademische Berufsbezeichnungen und Titel, darunter den Doktorgrad,<br />

zu, um den E<strong>in</strong>druck zu erwecken, als f<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>e Diskussion unter Fachleuten statt.<br />

Unter anderem trat er unter den <strong>Namen</strong> Dr. Ernst Gauss, Diplom-Chemiker, Dr. Werner

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