Evonik Magazin 4/2007 - Evonik Industries AG
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34 ERFORSCHEN<br />
BIONIK EVONIK-M<strong>AG</strong>AZIN 4/<strong>2007</strong><br />
><br />
FOTO: MARTIN<br />
Das Geheimnis<br />
der Mikrohärchen<br />
das Material an glatten Wänden kleberfrei<br />
haften. „Potenzielle Anwendungen reichen<br />
von wiederverwendbarem Klebeband bis<br />
hin zu Schuhsohlen für Kletterroboter und<br />
sind somit von großer technologischer<br />
Relevanz“, betont Dr. Stanislav Gorb, Projektleiter<br />
am MPI für Metallforschung. Schon seit<br />
einiger Zeit ist bekannt, wie Insekten, Spinnen<br />
und Geckos zu dem bemerkenswerten<br />
Talent kommen, an Wänden oder Decken<br />
spazieren zu gehen – extrem dünne Härchen<br />
lassen ihre Füße regelrecht an der Wand<br />
kleben. Je größer das Tier, desto feiner diese<br />
Haare. Die im Verhältnis zu einer Fliege<br />
schweren Geckos wenden bei der Gelegen-<br />
HARYVEY/CORBIS sohlen inspiriert, also biomimetisch, und lässt<br />
heit schon seit Millionen Jahren Nanotechnik<br />
an.<br />
Diese Entdeckungen entfachten große<br />
Erwartungen, doch auch in diesem Fall mussten<br />
die Forscher des MPI und ihre Partner von<br />
der Gottlieb Binder GmbH in Holzgerlingen,<br />
einem Spezialisten für Befestigungssysteme,<br />
einen langen Atem haben, denn die ersten<br />
entwickelten Generationen der mit verschiedenen<br />
Methoden erzeugten Oberflächen<br />
hafteten schlecht und stellten die Forscher<br />
nicht zufrieden. Doch jetzt sind die Wissenschaftler<br />
bei der Nachahmung des biologischen<br />
Haftmechanismus einen großen<br />
Schritt weitergekommen. Sie entwickelten<br />
ein Material, dessen Mikrostruktur exzellente<br />
Hafteigenschaften bewirkt. Die Entwicklung<br />
der künstlichen Strukturen basiert<br />
auf der Untersuchung der Fußsohlen mehrerer<br />
Käferarten. Deren besonders starke Haftkraft<br />
beruht auf speziell geformten Härchen,<br />
die an winzige Pilze erinnern.<br />
In den strengen Prüfungen, die Max-<br />
Planck-Forscher mit speziell für diesen<br />
Zweck entwickelten Messinstrumenten<br />
vornahmen, überzeugte das künstliche Haftsystem<br />
mit vielen Vorzügen. So hält es Hunderte<br />
Anwendungen nacheinander durch,<br />
hinterlässt keine sichtbaren Spuren und<br />
regeneriert sich vollständig von Verschmutzungen,<br />
wenn man es mit Seife wäscht.<br />
FOTOS: ANDREW SYRED/SPL/<br />
<strong>AG</strong>ENTUR FOCUS<br />
Bei der Herstellung dient – wie beim Ku chenbacken<br />
– eine Form als Vorlage, in die<br />
gleich sam als Negativbild die gewünschte<br />
Oberfläche eingeprägt ist. Man füllt ein polyme<br />
risierendes Gemisch hinein, lässt es aushärten<br />
und trennt anschließend den Kunststoff<br />
von der Vorlage. Was hier so einfach<br />
klingt, war Ergebnis „langen Rumprobierens“.<br />
Der Bau der Mikrostruktur-„Kuchenform“<br />
forderte die Forscher dabei am meisten<br />
heraus – wie das genau funktioniert,<br />
bleibt Betriebsgeheimnis.<br />
DER HAI ALS VORBILD<br />
In ihrer aktuellen Forschung versuchen die<br />
Wissenschaftler die Haftung durch Verfeinerung<br />
der Strukturen noch zu verbessern.<br />
„Da hat die Arbeitsgruppe aber noch jede<br />
Menge Arbeit vor sich, denn was im Labor<br />
klappt, lässt sich noch lange nicht auf die<br />
großtechnische Produktion übertragen“,<br />
erläutert Gorb.<br />
Eine Haftung der unerwünschten Art<br />
de monstrieren so genannte „Fouling“–<br />
Schichten aus Seepocken, Muscheln, Algen<br />
und Bakterien, die bis zu mehrere Dezimeter<br />
dick werden. Der marine Bewuchs unterhalb<br />
der Wasserlinie ist ein erheblicher Kostenfaktor.<br />
Das Breitbandbiozid TBT (Tributylzinn)<br />
galt bis vor kurzem als wirkungsvollstes<br />
Mittel. Aufgrund seiner hohen unspezi-<br />
Das Geheimnis moderner Klebstoffe ist – neben Spinnen und<br />
Käfern – der feinen Struktur der Gecko-Füße entlehnt