56 „Was die Prosperität angeht, haben wir viel zu verlieren“ FOTO OBEN RECHTS: DPA/PICTURE-ALLIANCE TEXT CATRIN KRAWINKEL FOTOS CATRIN MORITZ Kurzfristig einen Termin bei ihm zu bekommen scheint schier aussichtslos. Nächste Woche Berlin, anschließend Venedig, und der restliche Monat ist auch schon ausgebucht. Aber dann findet sich doch eine Lücke, aber mit Tücke, wie die Assistentin des Vielbeschäftigten weiß: „Sie haben zwei Stunden Zeit. Das ist bei Herrn Gornys vollem Terminkalender eine echte Ra - rität.“ Ruhig und gelassen sitzt der 54-jährige Erfinder der Musikmesse Popkomm und Ex-Chef des Musiksenders Viva einem dann im Kammermusiksaal der Folkwang Musikschule in Essen-Werden gegenüber. Gleich um die Ecke wohnt er mit seiner Frau, seinen vier Kindern und seinem Hund Tristan. Die Gelassenheit hat er vom einstündigen Spaziergang mit dem Berner Sennenhund mitgebracht. Ein Ritual, dem er – wenn es seine Zeit erlaubt – so häufig wie irgend möglich frönt. Es gelingt ihm leider nicht so oft, wie er sich das wünscht. Denn der gebürtige Westfale sitzt mindestens an drei Tagen pro Woche im Flieger, um all seinen Verpflichtungen nachzukommen. Und die Liste, die der Medienmanager dann aufzählt, ist so lang, dass selbst das Aufnahmegerät zu streiken beginnt: In Venedig war er wegen seiner Aufsichtsratschef-Tätigkeit bei der Filmstiftung NRW. Daneben ist der ehemalige Musiklehrer Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie e. V. Dazu kommt das Amt als künstlerischer Direktor RUHR.2010. Und darüber hinaus kümmert sich das kürzlich vom deutschen Wirtschaftsminister ernannte Jurymitglied des Deutschen Designpreises um den Nachwuchs – als Professor für Kultur- und Medienwissenschaften an der FH Düsseldorf. DER MUSIKER KOMPONIERT SEIN BEZIEHUNGSGEFLECHT Obwohl Gornys Wirkungskreise noch so unterschiedlich klingen mögen, bedient sich der studierte Musiker ihrer wie ein Komponist und fügt die einzelnen Aufgaben – als wären sie Noten – zu einer neuen Melodie zusammen, die bei ihm Kreativwirtschaft heißt. Die Förderung und Bündelung kreativer Branchen wie Architektur, Design, Mode, Film oder darstellende Künste will der umtriebige Dynamiker in Deutschland – und insbesondere im Ruhrgebiet – erfolgreich vorantreiben. Fast wie ein Mis- Große Dinge bewegen – das will Dieter Gorny. In der Musik am Kontrabass (eine Geige war ihm zu klein) und im Alltag für ein kreatives und zukunftsorientiertes Ruhrgebiet sionar geht der Grimme-Preis-Träger dabei vor. „Immer, wenn ich auf Terminen oder Events bin und dort die unterschiedlichsten Leute treffe, überlege ich, wen ich für einen meiner Aufgabenbereiche einspannen, nutzen oder von einem Projekt überzeugen kann“, sagt er ganz offen. Was ihn zurzeit besonders fasziniert, ist die immer breiter werdende Diskussion über die Frage, wie Europa auf die seismische Verschiebung der globalen Wirtschaftsaktivitäten reagiert. Ein Blick auf die Statistiken lässt seiner Meinung nach die Befürchtung zu, dass ganz Europa – was die Produktion von Waren anbelangt – zum „Themenpark“ avancieren und Amerika oder Asien die Weltmärkte beherrschen werden. „Was die Prosperität anbelangt, haben wir viel zu verlieren“, warnt er. Büßen die europäischen Länder ihre Bedeutung als Industrienationen tatsächlich wie prognostiziert ein, sieht er einen neuen Leitmarkt, der Wachstum schaffen kann, in der Kreativwirtschaft. NEUE CHANCEN DURCH DIE KREATIVWIRTSCHAFT Die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung Europas bestärkt ihn auch persönlich, bewusst weiter den Schritt in die Vielfältig- >
MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG DER FOLKWANG HOCHSCHULE, ESSEN EVONIK-M<strong>AG</strong>AZIN 4/<strong>2007</strong> DIETER GORNY BEWEGEN Ein treuer Begleiter auf allen Spazierwegen in Essen ist der Berner Sennenhund Tristan für den umtriebigen Manager und Themenanreger Dieter Gorny 57