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PROGRAMM<br />
Predicting Memories<br />
Erinnerungen im Zeichen neuer<br />
Geschichts- und Zukunftsbilder<br />
AUSSTELLUNG<br />
»Predicting Memories«<br />
Kuratiert von Robert Punkenhofer<br />
und Ursula Maria Probst<br />
19. November–25. November 2012<br />
Ehemaliges K. K. Telegrafenamt,<br />
Börseplatz 1, 1010 <strong>Wien</strong><br />
Eröffnung: Montag, 19. November 2012,<br />
18.00 Uhr<br />
Eine internationale Gruppenausstellung mit:<br />
Horst Ademeit, Julieta Aranda, Anna Artaker,<br />
Jennifer Baichwal, Wojciech Ba¸ kowski,<br />
Christian Boltanski, Sophie Calle, Doug<br />
Fishbone, Agnes Fuchs, D-Fuse, Terence<br />
Gower, Fariba Hajamadi, Yao Jui-Chung,<br />
Klub Zwei, Rosmarie Lukasser, Anja<br />
Manfredi, Christian Mayer, Jakob<br />
Neulinger, Hans Op de Beeck, Patricia<br />
Reinhart, Simona Rota, Maria Serebriakova,<br />
Ekaterina Shapiro-Obermair, Fiona Tan,<br />
Joëlle Tuerlinckx, Kara Walker, Ai Weiwei,<br />
Sislej Xhafa u.a.<br />
Mit Performances von: Doug Fishbone,<br />
Anna Mitterer & Katherina Olschbaur,<br />
Lilo Nein und Suzie Léger<br />
Kuratorische Assistenz und Ausstellungsorganisation:<br />
Angelika Lienhart<br />
Für weitere Informationen: www.viennaartweek.at<br />
Die Ausstellungslocation <strong>wird</strong> mit freundlicher<br />
Unterstützung von IMMOVATE und Herbert Buhl<br />
Immobilien GmbH zur Verfügung gestellt.<br />
Text von Robert Punkenhofer<br />
und Ursula Maria Probst<br />
Eigentlich liegt es fast auf der Hand, sich<br />
im Jahr 2012 mit dem Verhältnis zwischen<br />
Erinnerungen und Zukunftsprognosen auseinanderzusetzen.<br />
Obwohl wir heute wissen,<br />
dass es sich bei der Prophezeiung des für<br />
den 21. Dezember 2012 angekündigten<br />
Weltunterganges um die Fehlinterpretation<br />
eines alten Maya-Kalenders handelt, scheint<br />
der Countdown zu laufen. Bewegen wir uns<br />
einem Ende der Geschichte entgegen oder<br />
beginnt eine neue Dekade? Und wie sehr<br />
wirken Endzeitszenarien als symbolische<br />
Zusammenfassung unserer gegenwärtigen<br />
krisengeschüttelten Epoche?<br />
Angesichts dieses umfangreichen Themenkomplexes<br />
wirft die Ausstellung »Predicting<br />
Memories« die Forderung nach jenem<br />
Augenblick von Freiheit auf, durch den sich<br />
unser Bewusstsein der Frage der Gedächtnisproduktion<br />
stellt. Als internationale Gruppenausstellung<br />
der VIENNA ART WEEK richtet<br />
»Predicting Memories« den Fokus auf einen<br />
Querschnitt des Konzeptes Erinnerung und<br />
der »Vorwegnahme von Erinnerungskonstrukten«<br />
in der zeitgenössischen Kunst.<br />
Die an der Ausstellung teilnehmenden Künstlerinnen<br />
und Künstler formulieren durch<br />
ihre Brechung gegenwärtiger realpolitischer<br />
Geschehnisse eine brisante, teils ironisierende<br />
Bildsprache. Diktaturen, nationalistische<br />
Rhetoriken, religiöser Fundamentalismus,<br />
die Omnipotenz der Global Players und die<br />
Kommerzialisierung der Mainstream-Medien<br />
lassen die Gefahr einer zunehmenden Einschränkung<br />
der Rede- und Meinungsfreiheit<br />
und damit in Zusammenhang stehender<br />
Geschichtsproduktionen weltweit wachsen.<br />
Masterpläne, die sich über städtebauliche<br />
Strukturen stülpen, bringen organisch<br />
entstandene Gedächtnisräume <strong>zum</strong> Verschwinden<br />
oder lassen sie gar nicht erst zu.<br />
Weltweit reagieren Künstler und Künstlerinnen<br />
auf diese Prozesse des drohenden<br />
Verlusts individueller und kollektiver biografischer<br />
Epen, indem sie diese <strong>zum</strong> integralen<br />
Bestandteil ihrer ästhetischen Arbeit<br />
machen. Wie sich in verschiedenen Werken<br />
zeigt, kommt es dadurch zu einer ständigen<br />
Neufiguration von Erinnerung, auch vor dem<br />
Hintergrund der Feststellung, dass die historische<br />
Erfahrung geschichtlicher Traumata<br />
den Rahmen jeder Darstellbarkeit überschreitet.<br />
Das manipulierende Moment von durch<br />
Ideologien besetzten Geschichtsbildern und<br />
deren Fragwürdigkeit <strong>wird</strong> einer Analyse unterzogen.<br />
Der zur Diskussion gestellte identitätspolitische<br />
Authentizitätsbeweis wirft eindringlich<br />
die zunächst banal klingende Frage auf:<br />
Woher kommen wir, und wohin gehen wir?<br />
Die massive Zunahme an Wissen, die unser<br />
Informations- und Internetzeitalter kennzeichnet,<br />
bewahrt nicht vor dem Vergessen<br />
und Vergessen-Werden. Der Kulturtheoretiker<br />
Ernst von Alphen beschreibt die Gefahr eines<br />
© Yao Jui-Chung, Longlive, 2011<br />
langsamen Auslöschens der großen Erinnerungen<br />
unserer Zeit als Übergang in eine<br />
Gesellschaft der kollektiven Amnesie. Die<br />
letzte digitale Technologiewelle durch Smartphones<br />
und Tablets treibt jenen Prozess<br />
voran, der unser Erinnerungsvermögen verkehrt<br />
proportional zur Speicherkapazität der<br />
Memory Sticks unserer Geräte funktionieren<br />
lässt. Gedächtnisleistung misst man heute<br />
in Gigabyte statt in IQ, Google, Yahoo und<br />
Co. ersetzen das menschliche Gehirn. Die<br />
fortschreitende Vergesslichkeit ist <strong>zum</strong> Thema<br />
der Kunst geworden, ebenso wie die damit in<br />
Zusammenhang stehenden neuronalen Fehlsteuerungen,<br />
die im statistischen Anstieg von<br />
Demenzerkrankungen Niederschlag finden.<br />
Die Kunst nimmt eine Gegenposition ein,<br />
ruft die Erinnerung an eine früh entwickelte<br />
kulturelle Praxis wach. Seit Platon wissen<br />
wir, dass jede Kultur auf Erinnerung basiert.<br />
Die sich verdichtende Vielschichtigkeit und<br />
Speicherkapazität der Kunst kommt einer<br />
Antwort auf alles Flüchtige gleich. Worauf<br />
es in der kulturellen und künstlerischen<br />
Praxis heute ankommt, ist, dass sie mögliche<br />
Zukünfte voraussetzt, dass sie darauf spekuliert,<br />
eine Reihe von kritischen Philosophien,<br />
Theorien und Praktiken real machen zu<br />
können, die für unsere Gesellschaft vorläufig<br />
noch zu abstrakt sind. Um im gegenwärtigen<br />
gesellschaftspolitischen Klima einen Funken<br />
von Optimismus zu bewahren, gilt es Bereiche<br />
zu schaffen, die es ermöglichen, jede<br />
Schwarzmalerei zu überwinden, ein Kompetenz-Universum,<br />
in dem man als souveränes<br />
Individuum zu existieren vermag.<br />
Robert Punkenhofer ist Grenzgänger zwischen Kunst, Architektur,<br />
Design und internationaler Wirtschaft. Er zeichnet für mehr als<br />
100 Ausstellungen auf drei Kontinenten, darunter die ersten<br />
Einzelausstellungen von Künstlern wie Santiago Sierra, ebenso<br />
verantwortlich wie für die Murinsel mit Vito Acconci in Graz und<br />
die Beteiligungen Österreichs an den Weltausstellungen in Aichi<br />
05, Zaragossa 08 und Shanghai 10. Punkenhofer ist Gastprofessor<br />
an der New York University und Mitglied im International<br />
Advisory Council der Princeton University/PLAS. Mehr Infos unter:<br />
www.art-idea.com<br />
Ursula Maria Probst lebt und arbeitet als Kunsthistorikerin,<br />
Unilektorin, Kunstkritikerin, Kuratorin und Künstlerin in <strong>Wien</strong>.<br />
Studium der Kunstgeschichte an der Universität <strong>Wien</strong>, wissenschaftliches<br />
und künstlerisches Arbeiten über und mit Louise<br />
Bourgeois in New York. Sie ist Mitinitiatorin des Performancekollektivs<br />
Female Obsession.<br />
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