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INTERVIEW<br />
»Wir müssen für alle<br />
Neuinterpretationen offen sein«<br />
Vita Zaman (l.) und Christina Steinbrecher<br />
© Klaus Fritsch<br />
70<br />
VIENNAFAIR Goes East and West<br />
Mit den künstlerischen Leiterinnen der VIENNAFAIR, Christina Steinbrecher und Vita Zaman, sprach<br />
»springerin«-Mitherausgeber Christian Höller über regionale Märkte, die Kategorien Ost und West sowie<br />
den neuen Namenszusatz »The New Contemporary«.<br />
Text von Christian Höller<br />
Die VIENNAFAIR führt neuerdings den Zusatz<br />
»The New Contemporary« im Namen. Worin<br />
genau besteht das Neue? Zeitgenössisches<br />
bezieht sich ja immer auf das Neue beziehungsweise<br />
auf die jeweilige Gegenwart.<br />
Christina Steinbrecher: Der Wortlaut war früher,<br />
als der Schwerpunkt der Messe noch auf<br />
Ost- und Südosteuropa lag, ein anderer. Mittel-<br />
und Osteuropa sind natürlich nach wie<br />
vor vertreten, aber der Fokus der »New Contemporary«<br />
ist weiter in den Osten gerückt …<br />
und auch in den Westen. Wir verstehen das<br />
als Einladung an alle Galeristen – junge wie<br />
etablierte, egal woher.<br />
Vita Zaman: »New Contemporary« soll<br />
verdeutlichen, dass aus den verschiedenen<br />
Traditionen, Regionen und Perspektiven –<br />
gleichzeitig und nebeneinander – unterschiedliche<br />
Narrative hervorgehen. Die<br />
Geschichte der zeitgenössischen Kunst <strong>wird</strong><br />
nicht nur von Westeuropa und Nordamerika<br />
geschrieben, sondern ist auch von Entwicklungen<br />
in anderen Ländern geprägt, denen<br />
sich die VIENNAFAIR ganz konkret widmet.<br />
Die Messe möchte aktuelle Verschiebungen<br />
in der globalen Kunstlandschaft widerspiegeln.<br />
Das funktioniert auch über einen stark<br />
regionalen Fokus. Wie breit ist dieser Fokus<br />
der Messe? Beziehungsweise: Werden überhaupt<br />
verschiedene Regionen unter die Lupe<br />
genommen?<br />
Christina Steinbrecher: Wir haben beide<br />
einen osteuropäischen Hintergrund und bringen<br />
diesen in unsere Arbeit ein. Wie schon<br />
im Vorjahr ist <strong>zum</strong> Beispiel der türkische<br />
Markt vertreten, neben anderen, noch östlicher<br />
liegenden Märkten. Damit wollen wir –<br />
wie zuvor mit dem Osteuropa-Schwerpunkt –<br />
die Messe breiter aufstellen; wir sprechen<br />
alle Künstler, Galeristen, Sammler und<br />
Kunstinstitutionen aus diesen Regionen an.<br />
Sie zielen verstärkt auf die »aufstrebenden«<br />
Märkte des Ostens ab. Aber ist es nicht vielmehr<br />
gerade bei Gegenwartskunst so, dass<br />
der gesamte globale Markt seit jeher dem<br />
»letzten Schrei« in Sachen zeitgenössischer<br />
Kunst hinterherjagt?<br />
Vita Zaman: Ich denke, dass die VIENNAFAIR<br />
in dieser Hinsicht eine Sonderrolle einnimmt,<br />
weil sie sowohl auf aktuelle Trends<br />
auf dem Weltmarkt als auch auf die diversen<br />
regionalen Märkte reagieren kann. In allen<br />
osteuropäischen Ländern entstehen laufend<br />
neue Kunstsammlungen und Galerien – eine<br />
Entwicklung, der wir uns nicht verschließen<br />
werden, ebenso wenig wie dem Weltmarkt.<br />
Christina Steinbrecher: Ich denke, es gibt<br />
tatsächlich eine Vielzahl von Märkten. Galerien<br />
und Sammlungen sind immer noch mit<br />
ihrer jeweiligen Region verbunden und agieren<br />
marktspezifisch. China beispielsweise<br />
ist noch kaum auf dem globalen Kunstmarkt<br />
vertreten, erzielt aber unglaubliche Verkaufszahlen,<br />
speziell bei Auktionen. Die chinesischen<br />
Galerien wollen dieses Riesenpotenzial<br />
natürlich voll ausschöpfen, aber sie sind<br />
als Player doch anders, haben eine andere<br />
Sprache und einen anderen kulturellen Hintergrund.<br />
Dasselbe gilt für die aufkeimenden<br />
Märkte im Osten, von denen der Weltmarkt<br />
bislang kaum Notiz genommen hat.<br />
Der »Osten« spielt in Ihrem Konzept eine<br />
wichtige Rolle. Ist es von Vorteil, an solchen<br />
Kategorien festzuhalten, wo sie doch geradezu<br />
implizieren, dass zwischen »Ost« und<br />
»West« eine Kluft herrscht?<br />
Vita Zaman: Kunst aus Ungarn oder Teheran<br />
ist immer noch sehr regionalspezifisch.<br />
Künstler sind stets von ihrer Herkunft geprägt,<br />
selbst wenn sie nicht in ihrer Heimat<br />
leben; dasselbe gilt für Sammler. Ich glaube,<br />
dass sich unser Begriff von »Ost« und »West«<br />
immerfort verändert und wir für alle Neuinterpretationen<br />
offen sein müssen.<br />
Christina Steinbrecher: Wir sehen die Messe<br />
auch als Dienstleistung, speziell für unsere<br />
Aussteller und Besucher. Mit einem gewissen<br />
Einblick in ihre Regionen und geschichtlichen<br />
Hintergründe können wir leichter mit<br />
ihnen kommunizieren und bestimmte Dinge<br />
anbieten. Man kann schließlich nicht alle<br />
über einen Kamm scheren.<br />
Was ist in Ihren Augen die wichtigste Voraussetzung<br />
für den Erfolg der VIENNAFAIR?<br />
Vita Zaman: Ein unverwechselbares Profil<br />
und zufriedene Kunden.<br />
Christian Höller, geboren 1966, lebt in <strong>Wien</strong>. Christian Höller<br />
ist Redakteur und Mitherausgeber der Zeitschrift »springerin –<br />
Hefte für Gegenwartskunst« (www.springerin.at), freier Autor und<br />
Übersetzer. Zahlreiche Publikationen.