Karate - Cosmopolitan University 2
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Bildbetrachtung<br />
Jeder Kampfsport hat eine dynamische Seite, auch das<br />
<strong>Karate</strong>. Die Erfahrung kommt nicht aus dem Lesen, sondern<br />
einzig und allein aus der Ubung. Die Dynamik im <strong>Karate</strong><br />
liegt latent verborgen. Ein <strong>Karate</strong>mann ist ein schlummernder<br />
Tiger. Entspannt, gelassen, aber stets bereit zum gefährlichen<br />
Angriff. Nur der Anfänger tanzt aufgeregt hin und<br />
her und macht drohende Gesten! Unruhe ist nicht Dynamik.<br />
Plötzlich explodieren können, setzt inneren Gleichmut voraus.<br />
Sie haben vielleicht schon einmal ein Gewehr in der Hand<br />
gehabt und kennen den Begriff des"Verreißens" : statt bedachtsam<br />
auf Druckpunkt zu gehen und feinfühlig den Abzug<br />
durchzuziehen, wird ruckartig der Schuß gelöst. Der Anfänger<br />
handelt ähnlich, er kann nicht abwarten. Teils fehlt<br />
die innere Ruhe, teils die Sicherheit, um zuwarten zu können<br />
bis zur letzten Sekunde. Und ahnungslos wird er ein Opfer<br />
zahlreicher Täuschungsmanöver, auf die jeder Neuling hereinfallen<br />
muß.<br />
Ein wirklicher Gegner ist kein Hampelmann. Versetzen Sie<br />
sich in die Rolle eines Dompteurs. Kleinigkeiten, scheinbare<br />
Nichtigkeiten und kaum wahrnehmbare Andeutungen registriert<br />
er mit kühler Sachlichkeit und einem wohl dosierten<br />
Gemisch von äußerer Ruhe und innerem Wachsein. Er verläßt<br />
sich auf sein Auge. Er hat beobachten gelernt. Es ist<br />
schon viel darüber geschrieben worden, wie umgebungsblind<br />
und instinktlos wir im Laufe der Jahrhunderte geworden<br />
sind. Wenn ich Ihnen - wie oben - eine bestimmte Stellung<br />
erkläre, 50 kommen Sie sehr gut mit. Würde ich Ihnen aber<br />
die Stellung nur zeigen, vormachen, 50 - da gebe ich Ihnen<br />
Brief und Siegel drauf - würden Sie weniger als die Hälfte<br />
mitbekommen.<br />
Ein äußerst wichtiger Abschnitt unserer "Ausbildung" ist<br />
das Beobachtenlernen. Lernen, optisch aufzufassen. Zunächst<br />
durch Spiegelkontrolle, später durch ständiges Beobachten des<br />
Gegenübers. Jede Sekunde findet eine Veränderung statt, die<br />
uns womöglich zu ständig wechselndem Verhalten zwingt.<br />
Es gibt keine starre Formel, was ich zu tun habe, wie die Abwehr<br />
abläuft.<br />
Merken Sie schon, wie sehr Sie mit einstudierten "Tricks"<br />
aufgeschmissen sind?<br />
Je besser Sie beobachten können, um 50 besser, um 50 geschickter<br />
werden Sie später reagieren. Die meisten Menschen<br />
verlassen sich auf das geschriebene oder gesprochene Wort.<br />
Aber im Kampf, im Ernstfall, ist man auf das Auge angewiesen.<br />
Je eher Sie das begreifen, um 50 schneller werden Sie<br />
Veränderungen erkennen und sich entsprechend verhalten.<br />
Der Asiate ist uns hierin voraus. Im japanischen Unterricht<br />
wird kaum gesprochen oder erklärt. Der Schüler ist ge-zwungen,<br />
mit stets wachen Augen die gezeigten Bewegungen<br />
zu erfassen. Je aufmerksamer er beobachten kann, desto größer<br />
ist sein Gewinn, desto rascher sein Vorankommen.<br />
<strong>Karate</strong> ist eine Kunst, die nur in Verbindung mit Menschen<br />
praktiziert wird. Menschen sind keine toten Gegenstände.