MARIEN konkret - St. Marien-Krankenhaus Siegen

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22 Schwerpunkt Wohin mit Oma? Der „Alten-Export“ ist zu einem gravierenden gesellschaftlichen Problem gewor- den. Über 10.000 Senioren leben heute schon in Einrichtungen im Ausland. Im Interview berichtet Direktor Willi Ax über dieses bedrückende Phänomen. Mehr als nur untergebracht: Bewohnerin in Haus St. Klara Marien konkret 68/12
immer mehr ältere Menschen aus Deutschland werden aus Kostengründen in Einrichtungen im Ausland gepflegt – Slowakei, Thailand oder anderswo. Eine unbarmherzige Entwicklung? Willi Ax: Das „Entledigen“ von Angehörigen auf diese Weise kann man nicht gut heißen. Doch werden die weitaus meisten Pflegebedürftigen nach wie vor in Deutschland gepflegt. Hierzulande kann jeder bei Pflegebedürftigkeit die notwendige Betreuungsleistung in Anspruch nehmen. Wer finanziell überfordert ist, für den tritt die Sozialhilfe ein. Fehlt es in den Familien heute an Bereitschaft, Verantwortung füreinander zu übernehmen? Willi Ax: Nach wie vor ist die Familie der größte Pflegedienst der Nation. Immer noch werden zwei Drittel der pflegebedürftigen Menschen zu Hause versorgt. Und auch dann, wenn ein Angehöriger in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, endet die familiäre Verpflichtung des füreinander Daseins nicht. Wir beobachten dabei, dass Angehörige hierfür bereit sind, jedoch häufig mit der Situation überfordert sind. Dennoch wird es eher schwierig? Willi Ax: Ja. Wir sehen einen Wandel der Realitäten von Familien: Aufgrund der demographischen Entwicklung und veränderter Familienstrukturen wird es schwieriger werden, Angehörige, Nachbarn oder Freunde zu finden, die solche Verpflichtungen übernehmen können. Viele Menschen fürchten sich vor Minutenpflege, Anonymität und Einsamkeit. Wie kann dieser Furcht begegnet werden? Willi Ax: Die Angst vor einem Pflegeheim steht in einem deutlichen Kontrast zur hervorragenden Qualität der Arbeit der allermeisten Pflegeeinrichtungen in Deutschland. Da erzeugt sicher auch manche Skandalisierung von „schwarzen Schafen“ in der Branche ein falsches Bild in der Öffentlichkeit. Als Betreiber von Wohn- und Pflegeeinrichtungen müssen wir daher durch konsequente Öffentlichkeitsarbeit emotionale Barrieren abbauen. Wie kann das gelingen? Willi Ax: Eine Möglichkeit besteht darin, dass wir möglichst transparent das Geschehen in unseren Einrichtungen darstellen. Das betrifft positive Ereignisse genauso wie mögliche „Problemzonen“, die wir identifiziert haben und dann auch überarbeiten. Eine weitere Möglichkeit ist die Zusammenarbeit mit den Angehörigen. Sind diese konsequent eingebunden, reduziert sich die Distanz zwischen Einrichtung und Öffentlichkeit automatisch. Fühlen Sie sich da nicht allein gelassen? Schwerpunkt Willi Ax: Die Zusammenarbeit mit den Behörden und Gremien in unserer Region ist ausgesprochen gut. Allein gelassen fühlen wir uns oft von der Politik. Insbesondere dann, wenn Forderungen in die Landschaft gesetzt werden, deren finanzielle Absicherung jedoch vernachlässigt wird. Die Politik hat die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für die Pflege in Deutschland kontinuierlich zu prüfen und zu verbessern. Dringend notwendig ist vor allem die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeits- begriffs. Auch muss die Heterogenität zwischen den Bundesländern überwunden werden und z.B. Stellenschlüssel, die teilweise aus den 1970er Jahren stammen an die heutige Lebenswirklichkeit angepasst werden. Marien konkret 68/12 23
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