mauer 1/05 korrigiert - Nordfriisk Instituut
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Abb. 6 Der ‚Stuckshof‘ (Haubarg Michelsen) bei Garding im Abbruch<br />
19<strong>05</strong>. Aufnahme Theodor Möller. Archiv des Landeskonservators<br />
Schleswig-Holstein.<br />
tet werden sollte, wie er in Kotzenbüll gestanden<br />
hatte, abgesehen von kleinen, aus dem<br />
Bauriss zu ersehenden Abänderungen und mit<br />
der hauptsächlichen Änderung, daß in dem<br />
neuen Gebäude ein Zimmer mehr … angebracht<br />
werden sollte.“ 16 Der Grundriss zeigt<br />
denn auch zwei Stuben in dem traditionell<br />
zum Wirtschaftsteil gehörenden Bereich an einer<br />
zweiten Seite des Vierkants – ziemlich sicher<br />
lag dort die ‚Studierstube‘ des Pastors.<br />
Das Beispiel des Pastoratshaubargs von Poppenbüll<br />
macht anschaulich, dass in den Nordseemarschen<br />
noch im 19. Jahrhundert bäuerliche<br />
Großbauten umgesetzt wurden, auch<br />
wenn das traditionell abgezimmerte Hausgerüst<br />
– gerade im Vergleich zu Fachwerkbauten<br />
– nur einen relativ geringen Teil der konstruktiven<br />
Bausubstanz ausmachte, d. h. wenn es<br />
sich um ein zu großen Anteilen ‚massives‘ Gebäude<br />
handelte. Für die Praxis der Translozierung<br />
von Haubargen gibt es in Eiderstedt weitere<br />
Belege bzw. Überlieferungen; zum Teil<br />
wurde auch nur das wertvolle Hauptgerüst<br />
übernommen. Entscheidend ist in den meisten<br />
Fällen der wirtschaftliche Beweggrund:<br />
Die Baumaterialien waren in der nahezu<br />
baumlosen Landschaft und<br />
bei den langen Transportwegen<br />
– vieles wurde über<br />
See herangeschafft und<br />
konnte nur im Sommer bei<br />
trockener Witterung über<br />
die unbefestigten Straßen<br />
befördert werden – sehr<br />
teuer, so dass die Chancen<br />
zur Wiederverwendung<br />
verfügbarer Baustoffe (vor<br />
allem Holz und Ziegel) genutzt<br />
wurden. Dies illustriert<br />
ja die Poppenbüller<br />
Maßgabe für den Abriss<br />
des alten Pastorats ebenso<br />
wie der fotografisch festgehaltene<br />
Abbruch des legendären<br />
‚Stuckshofs‘ bei Garding.<br />
Neue dendrochronologische<br />
Untersuchungen,<br />
die noch nicht abgeschlossen<br />
sind, zeigen denn auch,<br />
dass in manchen Eiderstedter Bauernhäusern<br />
unerwartet alte, wiederverwendete Hölzer stecken.<br />
Und die Ver<strong>mauer</strong>ung von Klostersteinen<br />
noch in Gebäuden des späten 19. Jahrhunderts<br />
bezeugt die gleichen Verfahrensgrundsätze.<br />
Ganz sicher kann man aus den dokumentierten<br />
Fällen folgern, dass der ‚symbolische‘<br />
oder repäsentative Wert von Gebäuden für die<br />
Versetzung keine Rolle spielte. Sonst wären so<br />
‚wertvolle‘ und reich ausgestattete Haubarge<br />
wie der Koldenbüttlerer ‚Staatshof‘ und der<br />
‚Stuckshof‘ nicht durch Abriss vernichtet worden.<br />
Ein ‚Umdenken‘ setzte erst im 20. Jahrhundert<br />
unter dem Einfluss der ‚Heimat-Bewegung‘<br />
aus agrar-romantischer Tradition ein.<br />
Bezeichnenderweise kamen die entscheidenden<br />
Impulse dafür von Akademikern (die es<br />
freilich auch in den reichen Eiderstedter Bauernfamilien<br />
gab) – das führte u. a. zur ‚Rekonstruktion‘<br />
einer Eiderstedter Tracht anlässlich<br />
des ‚Heimatsfestes‘ 1927. 17 Im Zuge dieser<br />
dann schnell völkisch-nationalistisch eingefärbten<br />
Bestrebungen, die vormodernen bäuerlichen<br />
Traditionen der Region auch mit ih-<br />
DER MAUERANKER HEFT 1-2 ·JUNI 20<strong>05</strong><br />
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