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Bonusmaterial zu Jenseits des Horizonts - Uhrwerk-Verlag

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8<br />

Ich selbst konnte anfangs nicht glauben, was ich um mich herum<br />

erblickte. Teils war ich fasziniert von all dem bunten Treiben,<br />

teils angewidert von den Auswüchsen der Verderbtheit.<br />

Einmal wurde ich <strong>zu</strong>m Beispiel Augenzeuge eines Spektakels,<br />

welches die Leute dort als ‘Triumph<strong>zu</strong>g’ bezeichneten: Eine<br />

riesige Menschenmasse drängte sich in den blumengeschmückten<br />

breiten Straßen, die vom Brajanstor <strong>zu</strong>m Forum führten.<br />

Ein jeder war in seine besten Kleider gehüllt, vom Kesselflikker<br />

bis <strong>zu</strong>m reichsten Stadtherrn. Auch viele Fremde waren da.<br />

Gesandte und Reisende aus den umliegenden Stadtstaaten, die<br />

wegen <strong>des</strong> Festtags nach Trivina gekommen waren, wie Velian<br />

mir erklärte. Die Priester hatten diesen Tag als den festgesetzt,<br />

an dem Brajan seinen Fuß hier auf den Boden gestellt und beschlossen<br />

hatte, an dieser Stelle seinen Ruheschemel auf<strong>zu</strong>stellen,<br />

weil er diesen Ort als seiner Göttlichkeit würdig befunden<br />

hatte. Mein Freund erzählte weiter: von der Gründung Trivinas,<br />

vom ersten Gottkaiser und solchen Dingen, aber ich habe gar<br />

nicht recht hinhören können. Ich war einfach <strong>zu</strong> nervös und<br />

aufgeregt, <strong>zu</strong>mal wir überall von Soldaten umgeben waren –<br />

mit goldblinkenden Rüstungen zwar und prächtigen, bunten<br />

Helmbüschen, aber eben doch Soldaten …<br />

Erst nach und nach wurde mir klar, dass die Söldner gewiss anderes<br />

im Sinn hatten, als nach entlaufenen Sklaven <strong>zu</strong> suchen.<br />

Wir zogen es jedenfalls vor, hinter den schützenden Wall der<br />

Zuschauer <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>weichen. Hier konnten uns zwar die Soldaten<br />

nicht mehr sehen, aber wir konnten den Zug auch nicht<br />

mehr so gut beobachten.<br />

Aber was ich sah, raubte mir schier den Atem: prunkvoll geschmückte<br />

Wagen, gezogen von schneeweißen Pferden in juwelenbesetztem<br />

Zaum, auf den Wagen bildschöne Mädchen und<br />

Jungen in schimmernden Gewändern, die Blumen unter das<br />

Volk streuten. In Reih und Glied marschierten Soldaten heran.<br />

Der Gleichschritt ihrer genagelten Sandalen schallte wie ein<br />

dumpfer Peitschenknall. Dahinter, umringt von weiteren Soldaten,<br />

kam dann eine Gruppe von Leuten, wie ich sie in Trivina<br />

noch nicht gesehen hatte; auch Velian betrachtete sie mit<br />

erstaunt aufgerissenen Augen. Durch schwere Ketten aneinandergefesselte<br />

Männer und Frauen kamen die Straße entlang,<br />

einige mit hängenden Schultern und Köpfen, andere aber trotz<br />

der Last ihrer Fesseln stolz aufgerichtet.<br />

Diese Gefangenen erschienen mir noch fremdartiger als die<br />

Piraten am Anfang meines Abenteuers. Frauen und Männer<br />

gingen da, krummbeinig und hager, ganz in Felle gehüllt.<br />

Wild blickten sie um sich wie gefangene Bergkatzen. Daneben<br />

schritten hochgewachsene, stolze Menschen mit feurigen, ja<br />

überheblich dreinblickenden Augen, trotz der Fesseln an ihren<br />

Gelenken – Kinder der Rondra, das sah ich deutlich. Und Ihr<br />

werdet es mir nicht verdenken können, dass ich mir ungläubig<br />

die Frage stellte, was und wer sich wohl noch fernab der Mauern<br />

dieser Stadt tummeln mochte, die doch selbst so groß wie ein<br />

Königreich war.<br />

Hinterdrein marschierten wieder Soldaten, und dann gab es einen<br />

Auftrieb von wilden Tieren, riesige, schnaubende und geifernde<br />

Bestien, teils in Käfigen, die auf großen Karren standen,<br />

teils nur von Treibern mittels angespitzter Stöcke auf dem Weg<br />

gehalten. So etwas hatte ich noch nie gesehen, und Ihr gewiss<br />

auch nicht, werter Herr! Tiere so hoch wie Pferde mit Zähnen,<br />

so lang und spitz wie Dolche! Laut fauchend und knurrend<br />

schnappten sie nach ihren Treibern, die sich einen Spaß<br />

daraus machten, die Tiere mit ihren Stecken <strong>zu</strong> reizen – wohl<br />

auch, um das angstvoll raunende Publikum <strong>zu</strong> beeindrucken.<br />

Danach kam ein flacher niedriger Wagen, von acht schweren<br />

Pferden gezogen, und auf dem Wagen ein Biest so lang wie ein<br />

Schiff mit gezacktem Schweif und ellenlanger Zunge …<br />

Doch gerade da drängte sich ein Soldatentrupp hinten an den<br />

Schaulustigen entlang, und wir zogen es vor <strong>zu</strong> verschwinden,<br />

bevor sie in unserer Nähe kamen.“<br />

Windock <strong>zu</strong>ckte die Achseln und starrte in seinen Becher. „So<br />

kamen wir darum, den Gottkaiser <strong>zu</strong> sehen, aber vielleicht war<br />

es besser so. Der ganze Zug ist dann, gefolgt von der johlenden<br />

Menge, hinter den großen Toren <strong>des</strong> Circus verschwunden, und<br />

was da passiert ist, möchte ich lieber nicht gesehen haben.“<br />

Der Alte leerte wieder einmal seinen Becher, schenkte den Rest<br />

aus der Weinkanne nach und betrachtete gedankenverloren die<br />

letzten Tropfen, die zögernd von der Tülle fielen. Dann blickte<br />

er auf. „Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, das Forum! Einige<br />

Häuser dort waren sehr alt, das Gold auf den Dächern war<br />

stumpf, und in den verwitterten Fassaden klafften tiefe Risse.<br />

Velian erzählte mir, dass Trivina auf eine unglaublich alte Geschichte<br />

<strong>zu</strong>rückblicke und die Brajani selbst sich als direkte<br />

Nachkommen Brajans betrachteten.“<br />

Hier sah ich mich gezwungen, Windocks Redefluss <strong>zu</strong> unterbrechen:<br />

„Brajani?“ fragte ich. „Ihr müsst entschuldigen, aber<br />

ich habe vorhin schon gerätselt, was Ihr damit meint: Brajan<br />

und Brajani?“<br />

Der Kapitän lächelte. „Nun, mein Junge, verzeiht, wenn ich<br />

versäumte, Euch ins Bild <strong>zu</strong> setzen. Brajan, so heißt ihr oberster<br />

Gott, der Fürst <strong>des</strong> Pantheons. Und wenn Ihr seinen Tempel<br />

gesehen hättet, gäbe es keinen Zweifel für Euch, um wen es sich<br />

in Wirklichkeit handelt, sind die Mauern doch übersät mit den<br />

Symbolen <strong>des</strong> Greifs.“<br />

Ich verstand: Brajan war also nichts anderes als ein güldenländischer<br />

Name von Praios. „Und die Brajani? Bezeichnet man<br />

so die Geweihten?“<br />

Windock schüttelte den Kopf. „O nein, jeder Güldenländer, so<br />

meine ich, bezeichnet sich als Brajani, egal wo er herstammt.<br />

Einer, der in der Stadt Trivina geboren ist, nennt sich zwar Triviner,<br />

aber in erster Linie sieht er sich wohl mit all seinen Brüdern<br />

und Schwestern <strong>des</strong> gleichen Volkes als Brajani. Als Kind<br />

<strong>des</strong> Gottes Brajan, wie ich vorhin erwähnte. Velian wusste von<br />

einer alten Legende <strong>zu</strong> berichten, in der erzählt wird, wie Brajan<br />

die Welt durchschritt und wie sein Blick über das Güldenland<br />

schweifte und an der Stelle haftenblieb, wo heute Trivina<br />

steht. Und wie der Gott entschied, dass hier seine Kinder ihre<br />

Heimat haben sollten.“<br />

Der Kapitän sah mich an und zwinkerte mir beruhigend <strong>zu</strong>, als<br />

er erkannte, wie sehr mich das eben Gehörte verwirrte. Dann<br />

fuhr er fort: „Als Beweis dafür stand ebenfalls auf dem Forum<br />

ein steinerner Schemel von unfassbaren Ausmaßen und gewiss<br />

ehrfurchtgebietendem Alter, denn die ehemals weißen Steine<br />

waren in den Jahrtausenden dunkelgrau geworden. Einstmals<br />

habe Brajan selbst auf diesem gigantischen Schemel gesessen –<br />

hieß es in Trivina – und über seine Kinder, die Güldenländer,<br />

geherrscht. Diese pflegten den leeren Sitz <strong>des</strong> Gottes weiterhin<br />

und opferten in seinem Schatten. Eines Tages, so behaupteten<br />

die Priester der Stadt, werde der König der Götter <strong>zu</strong>rückkehren<br />

und wieder die Herrschaft über die Güldenlande antreten. Bis<br />

dahin müssten die Brajaner sich selbst regieren, so gut sie es<br />

vermöchten.<br />

Aber auch andere Götter hatten hier ihre Kultstätten, fremde

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