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Download :: PDF :: 12 MB - Curt

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Vorwort #168 / Ausgabe Oktober 20<strong>12</strong><br />

„Zieh noch fester an!“, ermuntere ich den halbstarken Burschen, der aussieht wie ein Südstadt-Bill-Kaulitz. Er ächzt, stemmt den Fuß<br />

gegen den Laternenpfahl und zerrt an dem Spanngurt, der mich noch härter fixiert. Ich kann mich überhaupt nicht mehr bewegen,<br />

auch dank der Kabelbinder an Händen und Füßen. „So, und nun nimm die rote Farbe und mal´ mich komplett an. Komplett, hörst<br />

Du!“ Er öffnet mit seinem Butterfly geschickt die Lackdose, taucht den Pinsel tief ein und schmiert mir die Farbe direkt ins Gesicht.<br />

Dann auf den Oberkörper, auf die Hüfte, auf den Unterleib, auf die Arme und die Beine. Mit dem einen Auge kann ich noch etwas<br />

sehen, das andere ist verklebt von der Farbe. „Sehr gut“, lobe ich den Emo, der sich mittlerweile immer öfter gehetzt umsieht. „Sir,<br />

was wenn nun die Polizei kommt? Bevor ich fertig bin.“ – „Dann, mein Freund, dann sagst Du einfach, rot ist Deine Lieblingsfarbe<br />

und Du hast immer eine Dose und einen Pinsel mit dabei. Und als Du mich hier hängen sahst, störte Dich mein gelbes Shirt zur Jeans,<br />

und um Deine Mitmenschen davor zu schützen, musstest Du mich einfach anmalen. Das hat Dir eine Stimme im Kopf geflüstert,<br />

und dabei hast Du kleine Blitze gesehen. Gecheckt?“ Der Emo nickt zufrieden – er hält das für einen vernünftigen Plan. Dass er nach<br />

billigem Schnaps riecht und ordentlich bekifft ist, verstärkt seine Gutgläubigkeit.<br />

Ich kann kaum noch sprechen. „Hey, Emo, jetzt musst Du mir noch das Schild dort mit dem Tacker auf die Brust tackern. Dann<br />

mach‘ einen Abflug“, nuschle ich angestrengt. Er nietet mir die Pappe auf die Brust und greift meinen Geldbeutel ab, der Scheißkerl.<br />

Anschließend wischt er mir mit dem Finger in die Farbe unter dem Auge eine Träne und verschwindet.<br />

Ich hänge am Plärrer an einer Straßenlaterne, knallrot, unmenschlich gefesselt und mit einem Schild auf der Brust, auf dem in<br />

großen, schwarzen Lettern prangt: „NICHT HUPEN, DAS IST KUNST, DU DEPP!“ Und drunter, etwas kleiner: „VERSCHWINDE, SONST<br />

HAU‘ ICH DIR EINE REIN!“ Ich hatte das von langer Hand geplant, das Ziel ist klar: Medieninteresse, Aufmerksamkeit, Ruhm,<br />

Anerkennung als Künstler. Nun kommt der bestellte Zwerg angetrabt, auf einem Pony. Er hält zwei gasbefüllte Ballons an langen<br />

Schnüren, die er mir an die Ohren zu binden hat. Dann uriniert er mir, wie beauftragt, an die Beine und platziert eine rotierende<br />

Signallampe auf meinem Kopf. „Passt, Cheffe, ich hau wieder ab.“ Es folgt ein Clown auf einem Einrad, der radelnd große Mengen<br />

Brennpaste um meine Straßenlaterne herum auf den Asphalt schmiert und die Worte „GLEICH RAUCHT´S, KOLLEGE!“ auflodern<br />

lässt. Dann lässt er mir noch ein Dutzend Raketen aus dem Anus schießen und flitzt davon.<br />

Um mich herum brennt und qualmt es, ich hänge rot und hechelnd mitten in der Stadt gefesselt und gut beschildert an einer Straßenlaterne,<br />

aber niemand bemerkt es. Keiner. Nicht einer. Überhaupt keiner. Peinlich.<br />

Drei Tage später schneidet mich ein Typ von der Stadtreinigung von der Laterne, entsorgt und vernichtet mein Schild, schlägt mir<br />

wütend mit der flachen Hand ins Gesicht, dass die Farbe nur so abblättert, und schickt mich fort.<br />

Ich habe es begriffen: ich bin kein Künstler – ich bin einfach nur ein ganz normaler curt-Mitarbeiter, der sich gerne rot anmalt.<br />

Viel Spaß bei allem, was Ihr tut – wir haben das auch,<br />

Euer curt-Team

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