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dem Egers<br />

sei welt #<strong>12</strong><br />

Mehr als eine kolumne.<br />

008 // deM egerS Sei koLuMne<br />

Die groSSe weite welt<br />

Die Vorführung von Filmen gehörte in meiner Schulzeit<br />

immer zu den unbestrittenen Höhepunkten. Manchmal,<br />

wenn dem Lehrer nichts mehr einfiel, um uns nachhaltig<br />

zu langweilen oder kurz vor den Ferien, wurde das Klassenzimmer<br />

verdunkelt und ein knatternder Projektor warf<br />

bewegte Bilder auf die Klassenzimmerwand. Lustig tanzten<br />

die Staubkörner im Lichtstrahl. Unser Lieblingsfilm war ein<br />

Trickfilm, der die Belagerung einer mittelalterlichen Burg<br />

zeigte. Wir konnten uns nicht daran satt sehen, wie die<br />

Angreifer mit heißem Pech überschüttet wurden. Daraufhin<br />

waren die so stinksauer, dass sie große Brocken schleuderten<br />

und das Tor mit einem Rammbock mit mehrmaligen<br />

beharrlichen und kräftigen Stößen aufsprengten. Die Jungs<br />

johlten und freuten sich, und ich nehme an, die Mädchen<br />

beobachteten unsere schlichte Einfältigkeit und amüsierten<br />

sich darüber, wie einfach gestrickt wir doch alle waren.<br />

Einmal wurde ein Film gezeigt, dessen pädagogisches Ziel<br />

es gewesen sein dürfte, uns über die Gefahren aufzuklären,<br />

die von etwaigen Kinderschändern ausgeht. Die<br />

Essenz dieses Films war wohl aus damaligen brandaktuellen<br />

Erkenntnissen gewonnen worden. Demnach<br />

lockte der Unhold seine Opfer nicht etwa mit Bonbons<br />

oder Schokolade. Stattdessen parkte er einen flotten Sportwagen<br />

in Sichtweite zum Schulhof und sprach kleine Buben<br />

an. Scheinheilig fragte er die pausebrotkauenden Opfer<br />

beiläufig, ob sie denn schon einmal <strong>12</strong>0 Stundenkilometer<br />

gefahren seien. Sofort überlegte ich, ob ich schon einmal<br />

<strong>12</strong>0 gefahren war und versuchte zu ermessen, ob der Renault<br />

meiner Mutter überhaupt so schnell fahren konnte. Ich<br />

sinnierte, wie schnell mein Vater wohl fuhr. Meine Gedanken<br />

wurden von dem höhnischen Gelächter von Erik Lauer<br />

unterbrochen. Er amüsierte sich prächtig. Auf mein Nachfragen<br />

hin stellte sich heraus, dass <strong>12</strong>0 absolut lächerlich<br />

seien. Er sei mit seinem Vater schon oft 180 gefahren. <strong>12</strong>0<br />

sei ein Witz.<br />

Insofern war es nur folgerichtig, dass Erik der erste in unserem<br />

Freundeskreis war, der ein eigenes Auto hatte, das<br />

sein Vater vorher gefahren war. Es war ein silberner Audi<br />

100, und als ich das erste Mal mit fuhr, schaute ich sofort<br />

auf den Tacho und staunte nicht schlecht, als ich am Ende<br />

der Anzeige magische 220 lesen durfte. Das Mekka der<br />

Abendunterhaltung war bei uns Laufer Bauernburschen zu<br />

dieser Zeit Nürnberg. Mit meiner großen Schwester hatte<br />

ich meinen ersten Kinofilm im Admiral gesehen. Rot glüh-<br />

009<br />

ten damals meine Backen und Ohren bei „Robin Hood“<br />

von Walt Disney. Mit offenem Mund staunte ich über den<br />

schlauen Fuchs, wie er mit seinen Kumpels die korrupte<br />

Staatsgewalt foppte und am Schluss noch das Herz von<br />

einer adeligen Füchsin eroberte. Seither bin ich dem Kino<br />

verfallen. Erik Lauer war immer bestens informiert, wann<br />

der neueste James Bond anlief. Entweder Frau Lauer oder<br />

meine Mutter kutschierten uns dann immer zum Filmstart<br />

in die Lichtspielhäuser der Großstadt.<br />

Aber jetzt hatte Erik den Führerschein und diese silberglänzende<br />

Fregatte, und eines Abends fuhren wir selber<br />

los. Jörg Muskat, Philipp Moll, Jürgen Eichenmüller und ich<br />

setzten die Segel, lichteten den Anker und brausten in die<br />

Stadt unserer Träume. Die B14 war das schäumende Meer<br />

und Kapitän Lauer steuerte erbarmungslos ins gelobte<br />

Land. Auf dem langen geraden Stück vor Erlenstegen<br />

dürften wir sogar über <strong>12</strong>0 Stundenkilometer gefahren<br />

sein, und wir fühlten uns ungefähr wie Kolumbus, kurz<br />

bevor er in Amerika ankam. Obwohl der sich rein rechtlich<br />

bestimmt noch ein bisschen mehr gefreut hat. Schließlich<br />

hatte ihn ja seine Mutter nicht vorher schon einmal dorthin<br />

gefahren. Die Häuser waren hoch, die Straßen lang, der<br />

gemeinSame FreunDe, Die gemeinSame liebe an FränkiSchen kaltgetränken unD gemeinSame Style-look-behaveattituDe-anD-more-intereSSen<br />

machen matthiaS egerSDörFer – egerS – zum curt-kolumniSten. pech gehabt!

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