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Sein Haupthaar hängt ihm in<br />

kunstvoll inszeniertem Chaos<br />

ins Gesicht. Benjamin Biolay ist<br />

am 20. Jänner vierzig Jahre alt<br />

geworden. Er sieht dennoch jungenhaft<br />

aus. Hört man seine<br />

sonore Sprechstimme, dann wirkt es, als<br />

spräche ein viel Älterer aus diesem Körper.<br />

„Nein, mit Gainsbourg kann man mich wirklich<br />

nicht vergleichen. Seine Musik bedeutet<br />

mir nicht viel. Ich bin mit New Wave, Rock<br />

und Hip-Hop aufgewachsen. Und so soll<br />

meine Musik auch klingen.“ Tut sie dann<br />

boshafterweise auf seinem eben erschienenen,<br />

achten Studioalbum doch nicht. Er<br />

mag ein noch so ein leidenschaftlicher Fan<br />

von New Order, The Smiths und Joy Division<br />

sein, mag in gewagten Metaphern von Tom<br />

Waits und Bob Dylan, von Kanye West und<br />

Jay-Z schwärmen, die eigene Musik französelt<br />

trotz ungenierter stilistischer Entlehnung<br />

genauso wie der einstige Ye-Ye-Rock<br />

eines Serge Gainsbourg. Und so wie dieser<br />

große Schwerenöter der Pariser Szene lebt<br />

Biolay am linken Seine-Ufer in Saint Germain.<br />

Seit den Fünfzigerjahren des letzten<br />

Jahrhunderts gilt das Rive Gauche als Künstlerarrondisement<br />

schlechthin. Dort tummeln<br />

sich junge Schauspielerinnen und Sängerinnen.<br />

Kein Wunder, dass da manche<br />

Nacht in der Höhle Biolays endet, der nun<br />

von seiner Frau Chiara Mastroianni frisch<br />

geschieden ist.<br />

Ambivalente Gefühle. Als Albumtitel fürs<br />

neue Opus hat er sich das hübsche Wort<br />

„Vengeance“ ausgesucht. Es steht für Vergeltung.<br />

Rächen möchte sich Biolay nicht<br />

an der Exgattin, mit der er eine Tochter<br />

hat, sondern vielmehr an seinem letzten<br />

Label, das ihn uncharmant fallen ließ.<br />

Ambivalente Gefühle beherrschen den<br />

Opener „Aime Mon Amour“, eine wuschelige<br />

Rocknummer mit scharfen Saxofonpassagen.<br />

Biolay zeigt die Liebe als gewaltige,<br />

aus dem Unbewussten geschleuderte<br />

Passion, die neben den obligatorischen<br />

Freuden auch jede Menge Schmerz bereithält.<br />

Es scheint, als traue der in eher tristem<br />

Arbeitermilieu in der Kleinstadt Ville<br />

franche-sur-Saóne Aufgewachsene dem<br />

Glück nicht über den Weg. Schon sein zweites<br />

Album trug den wenig idyllischen Titel<br />

„Négatif“. Biolay, der oft wirkt wie eingehüllt<br />

von Schleiern der Schwermut,<br />

bekennt unverhohlen: „Melancholie ist<br />

meine grundsätzliche Triebfeder. Dieses<br />

Gefühl inspiriert mich viel eher als jede Art<br />

von Glückszustand. Trotzdem sind auf meinem<br />

neuen Album auch ein paar fröhliche<br />

Momente zu erhaschen.“<br />

Das Leben ist kurz. Auf „Profite“ raunen<br />

einander Vanessa Paradis und er zu, dass<br />

das Leben leider zu kurz ist. Zur schönen<br />

Zeile „La vie, merde, est trop courte“ zwitschern<br />

die Geigen, als gelte es etwas zu feiern.<br />

Direkt rockig geht es auf „Le Sommeil<br />

Attendra“ und „L’Insigne Honneur“ her und<br />

das geflüsterte „Belle Époque“ hat trotz<br />

eines Saxofons beinah angelsächsische<br />

Trip-Hop-Anmutung. Andere der neuen<br />

Pop-Chansons strahlen seltsame Ruhe, beinah<br />

eine Sehnsucht nach Ausgeglichenheit<br />

aus. Die turbulente, zehnjährige Ehe mit<br />

Mastroianni, die die Paparazzi ins Leben<br />

Biolays brachte, ist beendet. Damit hat Biolay<br />

eine gute Chance, sich neu zu positionieren.<br />

Sein Image als Enfant terrible ist<br />

ihm längst selbst zur Belastung geworden.<br />

Wie um einen bösen Zauber loszuwerden,<br />

hat er für das Stück „Ne Regrette Rien“ den<br />

jungen Skandalrapper Orelsan engagiert.<br />

Der junge Mann wurde vor allem durch<br />

sein Stück „Sale Pute“ („Dreckige Hure“)<br />

bekannt, das 2009 wegen Gewaltverherrlichung<br />

und Frauenfeindlichkeit auf den<br />

Index kam. Biolay bot dem Heißsporn die<br />

Möglichkeit sich zu rehabilitieren und<br />

geriet auf diese Art – strategisch gut geplant<br />

– selbst aus der Schusslinie.<br />

Jetzt, da mit François Hollande ein Sozialist<br />

im Elysee-Palast regiert, ist dem strikt links<br />

stehenden Biolay wohler. Unvergessen, wie<br />

abfällig er sich über Nicolas Sarkozy<br />

äußerte. Biolay, der in seiner Rolle als Produzent<br />

für die späten Comebacks von<br />

Henri Salvador, Francoise Hardy und<br />

Juliette Gréco mitverantwortlich war,<br />

betreute auch ein Album der damaligen<br />

Präsidentengattin Carla Bruni. Als der stark<br />

parfümierte Sarkozy eines Nachmittags<br />

mit Leibwächtern ins Studio stürmte und<br />

ihn sofort duzte, erwuchs starker Ingrimm<br />

in Biolay. Seine nicht wahnsinnig diplomatische<br />

Antwort auf eine spätere Einladung<br />

in den Präsidentenpalast: „Lieber sterbe<br />

ich!“ Wenn Biolay seinerseits zu Sessions<br />

ruft, kommen alle gern. Diesmal etwa die<br />

australische Folk-Piepse Julia Stone und<br />

der frankophile Brite Carl Barát, der einst<br />

mit dem berüchtigten Pete Doherty, Chef<br />

der Band The Libertines, gespielt hat. Der<br />

Versuchung, den in Paris residierenden,<br />

immer noch mit seinen Dämonen kämpfenden<br />

Doherty zu einem Duett zu laden,<br />

widerstand Biolay mit Leichtigkeit. Mit<br />

dem soliden Barát war es ein Kinderspiel,<br />

die barock ausfransende Titelnummer<br />

„Vengeance“, mit ihren intensiven<br />

Beschwörungen eines Lebens in der Sonne<br />

aufzunehmen. Und Julia Stones hauchige<br />

Stimme fügte sich ideal in das erotische<br />

konnotierende „Confettis“.<br />

Solch ein Fest der Doppeldeutigkeit schreit<br />

schon wieder nach einem Vergleich mit<br />

Gainsbourg, der ja immer wieder schlüpfrige<br />

Chansons wie „Les Sucettes“ und<br />

„Lémon Incest“, vorzugsweise mit Mädchen<br />

im Nymphenalter, realisiert hat.<br />

„Gainsbourg war zweifellos hip, dandyhaft<br />

und sehr talentiert. Aber er war auch<br />

jemand, der ganz in sich gefangen war. Ich<br />

bin viel romantischer als er. Vielleicht auch<br />

zynischer. Aber keinesfalls bin ich die Fortsetzung<br />

dessen, was er begonnen hat.“ Biolay,<br />

dem man von vielen Seiten bescheinigt,<br />

das Chanson gerettet zu haben,<br />

verneint derlei Aspirationen. „Ich denke,<br />

ich töte das Chanson eher, als dass ich ihm<br />

zu neuem Leben verhelfe.“ s<br />

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