A THEOLOGICAL JOURNAL XLIV 2002 Published by the Protestant ...
A THEOLOGICAL JOURNAL XLIV 2002 Published by the Protestant ...
A THEOLOGICAL JOURNAL XLIV 2002 Published by the Protestant ...
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
MICHAEL WEINRICH<br />
Anliegen darlegen, dessen Bedeutung auch im auflerkirchlichen Diskurs<br />
diskutierbar ist. 3. Die Religion befreit von der l‰stigen und<br />
‰rgerlichen Dogmatik und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Lˆsung<br />
praktischer Lebensprobleme. Die Religion zeichnet sich 4. durch<br />
hohe Anpassungsf‰higkeit an wechselnde gesellschaftliche Bedarfslagen<br />
aus und verspricht ihren Verwaltern eine den st‰ndigen geschichtlichen<br />
Wandel ¸berdauernde Zukunft. Schliefllich l‰sst die<br />
Wahrnehmung der Religion 5. ausreichend grofle Ermessensspielr‰ume<br />
f¸r subjektive Aneignungen und kann damit den jeweiligen<br />
Anspr¸chen des selbstbewussten Individuums weitgehend entgegenkommen<br />
10 .†ñ Diesen gegen die Religionskritik gestarteten Versuch<br />
der Selbstsicherung der Theologie auf dem Wege der Verallgemeinerung<br />
der Religion hat Barth f¸r ¸beraus verh‰ngnisvoll angesehen<br />
und ist seinerseits einen anderen Weg ¸ber die <strong>the</strong>ologische Rezeption<br />
der Religionskritik gegangen.<br />
II. Religion als <strong>the</strong>ologische Herausforderung bei Karl Barth<br />
Was f¸r Ludwig Feuerbach der Ausgangspunkt seiner Religionskritik<br />
war, ist auch f¸r Barth die spezifische Herausforderung der neuzeitlichen<br />
Religion. In der Religion geht es nicht um Gott, sondern um den<br />
Menschen. Nicht Gott ist religiˆs, so wenig wie seine Offenbarung<br />
als Religion in Erscheinung tritt, sondern umgekehrt das Verh‰ltnis<br />
der Menschen zu Gott tritt als Religion in Erscheinung. Der menschliche<br />
Versuch, sich zu Gott zu verhalten, ihn in sein Leben aufzunehstenz<br />
des A<strong>the</strong>ismus in Abrede zu stellen. Denn nicht wenige Individuen behaupten<br />
wenigstens selbst entschieden, sie seien ohne Religion. Zugegeben ist nun, dass es<br />
hinsichtlich aller Bestand<strong>the</strong>ile des geistigen und sinnlichen Menschenwesens Kr¸ppel<br />
gibt, d. h. es gibt Einzelne, denen ein Glied, welches zum menschlichen Organismus<br />
gehˆrt, oder eine der psychischen und geistigen Funktionen des Menschenwesens<br />
wirklich fehlt. Denn es gibt Blindgeborene, die auch immer blind bleiben, es<br />
gibt Menschen ohne Arme. Ebenso gibt es Menschen, denen jegliche Bef‰higung zu<br />
wirklichem Denken abgeht, nicht minder solche, die in ihrer Stumpfheit jeglicher<br />
geistigen Empfindungskraft entbehren, und demgem‰fl mag es auch religionslose<br />
Individuen geben.ì Lehrbuch der evangelischen Dogmatik, Leipzig 2 1896, 83.<br />
10 In ihrer Konzentration auf den anthropologischen Nutzen konnten allgemeine<br />
Evidenz und individuelle Existenz in grˆfltmˆglicher gegenseitiger Beweglichkeit<br />
zusammengehalten werden, ohne weiter auf die fr¸haufkl‰rerische Unterscheidung<br />
von ˆffentlicher und privater Religion zur¸ckgreifen zu m¸ssen.<br />
238