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A THEOLOGICAL JOURNAL XLIV 2002 Published by the Protestant ...

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MICHAEL WEINRICH<br />

und greift damit ¸ber das Bestehende hinaus. Es geht um dieses Bekenntnis,<br />

um dessen willen auch die Religion in Kauf genommen<br />

wird. Hinter der Religion steht immer ein konkretes Credo. Religion<br />

ist gleichsam das Pr‰sentationsgebahren eines bestimmten Glaubens,<br />

einer bestimmten confessio. Das, worauf es ankommt, gibt der ‰uflere<br />

Handlungsablauf nicht zu erkennen. Religion ist nie allgemein,<br />

sondern immer konkret. Der allgemeine Religionsbegriff ist ein Abstraktum,<br />

das fundamental den unselbst‰ndigen Charakter von Religion<br />

verkennt. Die Behauptung ihrer Allgemeinheit bedeutet faktisch<br />

die Verharmlosung ihrer jeweiligen Tats‰chlichkeit und des in ihr<br />

liegenden Ernstes. Entgegen der weithin propagierten allgemeinen<br />

Unausweichlichkeit besitzt die Religion keine unausweichliche Allgemeinheit.<br />

Damit ist zugleich die prinzipielle Verf¸hrbarkeit der Religion angezeigt.<br />

Diese Verf¸hrbarkeit ist nichts anderes als der Spiegel der<br />

Verf¸hrbarkeit des Menschen, die in diesem Zusammenhang kritisch<br />

ins Auge zu fassen ist. L‰ngst hat die Religion ihre Unschuld verloren.<br />

Konnte Karl Barth am Anfang des Jahrhunderts noch von der<br />

Harmlosigkeit der Religion sprechen, weil er sie als Parasit der viel<br />

gef‰hrlicheren M‰chte des Kapitalismus, des Nationalismus und des<br />

Militarismus ansah 19 , so m¸ssen wir heute einerseits konstatieren,<br />

dass Kapitalismus und Nationalismus selbst die Gestalt von Religion<br />

annehmen kˆnnen und deshalb die Symbiose mit der christlichen<br />

Religion (dem Christentum) nicht mehr benˆtigen.<br />

Jeweils das, was die Gem¸ter allgemein bewegt, kann sich auch<br />

als Bestimmungsmoment der Religion bem‰chtigen, wenn es nicht<br />

selbst bereits die Gestalt von Religion angenommen hat 20 . Die Religion<br />

hat dabei vor allem eine integrative Aufgabe, d. h. sie sorgt f¸r<br />

die mˆglichst weitreichende Verbindlichkeit dessen, was jeweils als<br />

das Allgemeine ausgegeben wird. In diesem Sinne l‰sst sich die Religion<br />

beinahe zu jedem Dienst verf¸hren.<br />

19 Vgl. etwa K. Barth, Religion und Leben [1917], in: EvTh 11 (1951/52), 437ñ451.<br />

20 Dies zeigt etwa D. Schellong am Nationalismus f¸r unser Jahrhundert auf: Nationale<br />

Identit‰t und Christentum, in: Die neue deutsche Ideologie, hg. v. W. Eschenhagen,<br />

Darmstadt 1988, 139ñ162; ders., Was z‰hlt als Religion?, in: W. Oelm¸ller<br />

(Hg.), Religion und Philosophie, Band 2: Wahrheitsanspr¸che der Religion, Paderborn<br />

1986, 134ñ155.<br />

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