A THEOLOGICAL JOURNAL XLIV 2002 Published by the Protestant ...
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MICHAEL WEINRICH<br />
¸berein, dass Religion nicht Aufhebung, sondern Signatur der<br />
menschlichen Entfremdung sei, eben der Entfremdung des Menschen<br />
von Gott. Die Religion ist nicht die Vorwegereignung des Reiches<br />
Gottes, sondern der unbeholfene lebenspraktische Gestaltungsversuch<br />
der Hoffnung auf das Reich Gottes. Der Gestaltungsversuch<br />
weist seinem Wesen nach stets ¸ber sich selbst hinaus, denn nicht<br />
ihm selbst, sondern dem Zeugnis vom Reiche Gottes gilt sein Interesse<br />
16 .<br />
Deshalb bedarf die Religion der <strong>the</strong>ologischen Religionskritik. Sie<br />
ist eine wesentliche Dimension des Çsemper reformandaë. Sie dreht<br />
sich um den rechten Gottesdienst und stellt†ñ recht verstanden†ñ den<br />
Menschen in all seinem Tun immer wieder neu vor die Gottesfrage.<br />
Auf diese Weise erh‰lt das Religionsproblem im Raum der Kirche<br />
eine unabstreifbare Sperrigkeit, die sich den Habitualisierungs- und<br />
Privatisierungstendenzen der Religion entgegenstellt. Religion wird<br />
hier nicht zu einer Beheimatung, sondern ist der lebendige Ausdruck<br />
der Lebensgestaltung des Glaubens unter den Bedingungen der Vorl‰ufigkeit.<br />
III. Die <strong>the</strong>ologische Bedeutung von Barths<br />
Religionsverst‰ndnis<br />
Die Religionsproblematik lenkt die Aufmerksamkeit auf den Menschen.<br />
Nicht Gott und seine Zust‰ndigkeit sind angesprochen, son-<br />
Herrschaft Gottes lassen sich im Gef‰lle der Darstellung bei Barth nicht halten; vgl.<br />
Was ist Religion? Studien zu ihrem Begriff und Thema in Geschichte und Gegenwart,<br />
G¸tersloh 1986, 160ff.<br />
16 Religion ist eine sichtbare Gestaltungsform des Lebens f¸r die Zeit des Glaubens,<br />
die als solche nicht die Zeit des Schauens ist. Sie hat in der Bindung an die<br />
Zeit des Glaubens einen genuin paradoxalen Charakter, denn sie soll ja nicht das<br />
Unsichtbare sichtbar machen, sondern lediglich dem Unsichtbaren im Bereich des<br />
Sichtbaren einen vergegenw‰rtigenden lebenspraktischen Schutz anbieten, der die<br />
zustimmende Anteilnahme an seiner Selbstentfaltung zum Ausdruck bringen soll.<br />
Mehr vermag die Religion nicht zu sein, aber eben dies kann und soll sie sein.<br />
Nicht auf ihre allgemeine philosophische oder interreligiˆse Kompatibilit‰t oder<br />
eine mˆglichst effektive Entsprechung zu psychologisch postulierten Bedarfskonzepten<br />
bzw. soziologischen Harmoniew¸nschen kommt es an, sondern zun‰chst und<br />
entscheidend auf ihre Kompatibilit‰t und Harmonie mit dem besonderen Inhalt des<br />
Glaubens, d. h. sie muss sich vor allem als Bed¸rfnis des Glaubens gestalten.<br />
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